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Rahim Taghizadegan – Geschichte und Zukunft Europas

Rahim Taghizadegan am 29. Jänner 2018

Was macht Europa aus? Eine spannender Streifzug durch die Geschichte, Gegenwart und Zukunft eines besonderen Teilkontinents. Rede auf der Jubiläumskonferenz des scholarium am 03.12.2016 in der Österreichischen Nationalbibliothek.

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Filed Under: Geopolitik, Vortrag

Aus unserer Bibliothek: Die Vorsokratiker | Eugen Maria Schulak

Rahim Taghizadegan am 22. Jänner 2018

Aus unserer Bibliothek: Wilhelm Capelle (Hrsg.), Die Vorsokratiker, Kröner Verlag, Stuttgart 1968 Hermann Diels, Walther Kranz (Hrsg.), Die Fragmente der Vorsokratiker (griechisch und deutsch), 3 Bände, Weidmann Verlag, Zürich-Hildesheim 1989 (1951) Jaap Mansfeld (Hrsg.), Die Vorsokratiker (griechisch und deutsch), Reclam Verlag, Stuttgart 1987. Vorgestellt von Eugen Maria Schulak.

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Filed Under: Lebensphilosophie, Vortrag

Blockchain statt Bargeld?

Rahim Taghizadegan am 22. Dezember 2017

Blockchain-basierte Kryptowährungen behaupten sich und verkomplizieren dadurch nicht nur die Geldtheorie, sondern auch die Debatte um das Bargeld. Letzteres trägt zwar „des Kaisers“ Antlitz und ist damit „des Kaisers“, dennoch bietet es dem Untertan einen letzten Rest von Souveränität. In seiner physischen Ausprägung „stinkt es nicht“, es nimmt den Geruch der Träger und Zwecke nicht an, um eine weitere antike Analogie zu nutzen: Bargeld ist anonym und eben deshalb bindet es seine Nutzer nicht; es lässt abstrakte Marktbeziehungen mitsamt ihrer sozialen Freiheit zu, anstelle engerer Personalbeziehungen oder drückenderer Herrschaftsbeziehungen. Damit schränkt Bargeld aber auch die Mittel des Staates zugunsten des Individuums ein: Es entzieht sich totaler Überwachung, Besteuerung und Kapitalverkehrskontrollen. Dem modernen Staat sind digitale Zahlungsmittel daher grundsätzlich lieber: Kontenstände sind kontrollierbar, besteuerbar und im Notfall leicht einzuziehen. Umso paradoxer ist es da, dass ausgerechnet abseits des Staats- und Bankenapparates die innovativsten Digitalwährungen entstanden, die sich bislang – aufgrund der langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie – weitgehend Steuern, Kapitalverkehrskontrollen und Überwachung entziehen.

Zum Glück für den Bürger sind wir noch von einem Weltstaat entfernt, da die Weltordnung eher multipolarer wird, nimmt diese Entfernung auch zu. Die Konkurrenz der Nationalstaaten bietet den Kryptowährungen noch ein Refugium im Niemandsland. Darum ist das global durchexekutierte Totalverbot noch keine Option. Staaten und Banken versuchen bislang, die neuen Konkurrenten zu verstehen und von ihnen zu lernen. Dazu werden beachtliche Mittel aufgewandt – alles mit der Intention, sich irgendwann selbst auf das Feld zu wagen. (Mehr dazu siehe in den Scholien „Blockchain – Hype oder Rettung?„)

In einem Vortrag vor der Bank of England, der britischen Zentralbank, gab die IWF-Präsidentin Christine Lagarde, vor kurzem Hinweise auf Motivationen und mögliche Szenarien. Sie zeigt sich überraschend zuversichtlich, was die technische Entwicklung von Kryptowährungen betrifft. Noch seien sie zu volatil, riskant, energieintensiv, zu wenig skalierbar und zu undurchsichtig für Regulatoren. Doch es sei nur eine Frage der Zeit, bis alle diese „Probleme“ technisch behoben sein werden. Lagarde vergleicht die Entwicklung der Kryptowährungen mit dem Siegeszug des PC – anfangs hätte auch kaum jemand damit gerechnet, dass in fast jedem Haushalt ein Rechner stehen würde. Die Annahme neuer Währungen könne wie die Annahme neuer Technologien exponentiell verlaufen:

Denken Sie zum Beispiel an Länder mit schwachen Institutionen und instabilen nationalen Währungen. Anstatt die Währung eines anderen Landes – wie z.B. des US-Dollars – zu übernehmen, könnten einige dieser Volkswirtschaften einen wachsenden Einsatz virtueller Währungen erleben. Nennen Sie es Dollarisierung 2.0. Die Erfahrung des IWF zeigt, dass es einen Wendepunkt gibt, über den hinaus die Koordination um eine neue Währung exponentiell ist. Auf den Seychellen beispielsweise stieg die Dollarisierung von 20 Prozent im Jahr 2006 auf 60 Prozent im Jahr 2008. Warum könnten Bürger virtuelle Währungen eher als physische Dollar, Euro oder Sterling annehmen? Weil es eines Tages einfacher und sicherer sein könnte, als Papiergeld zu erhalten, besonders in abgelegenen Regionen. Und weil virtuelle Währungen tatsächlich stabiler werden könnten. Zum Beispiel könnten sie 1:1 für Dollar oder einen stabilen Währungskorb ausgegeben werden. Die Emission könnte völlig transparent sein, durch eine glaubwürdige, vordefinierte Regel geregelt sein, einen Algorithmus, der überwacht werden kann… oder sogar eine „smart rule“, die sich ändernde makroökonomische Umstände widerspiegeln könnte. [@lagarde_central_2017]

Den wesentlichen Vorteil von Kryptowährungen sieht Lagarde bei kleinen „peer-to-peer transactions“ . Ihre gewählten Beispiele erlauben etwas Zynismus: Damit meint sie wohl „von Untertan zu Untertan“ – da würden etwa ganz niedlich drei Euro für die Expertenübersetzung eines japanischen Gedichts, vier Dollar für gärtnerische Anleitungen und 80 Pence für die Gestaltung eines virtuellen Rundgangs in einer Straße unter kleinen Männern und kleinen Frauen hin und her überwiesen. Die steuerfreie Überweisung von über einer halben Million Euro Jahresgage für Frau Lagarde ist gewiss nicht „peer-to-peer“. Tatsächlich liegt der Vorteil von Kryptowährungen genau darin, institutionelle Mittelsmänner und -frauen mit derart fürstlichen Gagen zu ersetzen, nicht in der Durchführung von Kleinstüberweisungen. Das wird von vielen Blockchain-Anhängern auch in der Skalierungsdebatte übersehen. Die vielbeschworenen Mikroüberweisungen sind gar nicht das Rückgrat der digitalen Wirtschaft, die menschliche Psychologie widerstrebt ihnen. Entscheidender sind die großen Vertrauensprobleme, nicht die kleinen, letztere kann man anschreiben, großzügig darüber hinwegsehen oder indirekt einbringen.

Lagarde verwischt wie viele die Unterschiede zwischen Digitalwährung und Kryptowährung, letztere Kategorie ist eine deutlich engere. Diese Verwischung liegt im Interesse der großen Institutionen, die gerne den privaten Charme der Kryptowährungen als Mäntelchen für kontrollierbare Digitalwährungen nutzen würden. So viel Aufwand auch in dieses Mäntelchen gesteckt werden wird, durch Rekrutierung von Programmierern und Dotieren von Budgets, letztlich bleibt der Kaiser nackt. Lagarde sieht aber künftiger populärer Nachfrage entgegen:

Stattdessen könnten Bürger eines Tages virtuelle Währungen bevorzugen, da sie möglicherweise die gleichen Kosten und den gleichen Komfort bieten wie Bargeld – kein Abwicklungsrisiko, keine Verspätungen beim Clearing, keine zentrale Registrierung, kein Vermittler zur Prüfung von Konten und Identitäten. Wenn die virtuellen Privatwährungen weiterhin riskant und instabil bleiben, könnten die Bürger sogar die Zentralbanken auffordern, digitale Formen der gesetzlichen Zahlungsmittel bereitzustellen. [@lagarde_central_2017]

Damit beschreibt sie ein durchaus plausibles Szenario. Freilich „fordern Bürger“ Zentralbanken kaum jemals zu etwas auf, es sind Politiker und Lobbyisten, die Agenden suchen und nutzen. Lagarde formuliert den Traum der Zentralbankiers, endlich wieder politisch zu „innovativerer“ Politik ermächtigt zu werden. Der österreichische Zentralbankier Ewald Nowotny darf als Paradetypus herhalten: Er könnte als guter Kontraindikator dienen, da sämtliche seiner Prognosen und Empfehlungen daneben gehen. Vor dem letzten Höhenflug von Bitcoin warnte er heftig davor, denn Bitcoin sei „völlig intransparent“, denn die Währung sei kein „von Notenbanken und dem öffentlichen Sektor kontrolliertes System“. Doch zum Glück gibt es noch keine Weltzentralbank, und Nowotnys überdimensioniertes Provinzamt wird gewiss keine führende Rolle spielen – die europäische Währungspolitik ist ein völlig intransparentes Geklüngel, bei dem nationale Notenbanken und „öffentliche Sektoren“ allenfalls nachrangige Erfüllungsgehilfen sind. Christine Lagarde deutet allerdings ihren eigenen Traum an, doch irgendwann, nach einer scharfen Weltwirtschaftskrise, zu einer Weltzentralbank ermächtigt zu werden:

Grenzüberschreitende Maßnahmen sind von entscheidender Bedeutung, da sich der Schwerpunkt der Regulierung von nationalen Einheiten immer mehr auf grenzenlose Aktivitäten ausweitet – von der Bankfiliale vor Ort bis hin zu quantenverschlüsselten globalen Transaktionen. Aufgrund unserer globalen Mitgliedschaft von 189 Ländern ist der IWF eine ideale Plattform für diese Diskussionen. Die Technik kennt keine Grenzen […]. Wie können wir Regulierungsarbitrage und einen Wettlauf nach unten vermeiden? Es geht um das Mandat des IWF für wirtschaftliche und finanzielle Stabilität und die Sicherheit unserer globalen Zahlungen und Finanzinfrastruktur. Die Chancen und Vorteile der Zusammenarbeit sind hoch. Wir wollen keine Lücken im globalen Finanzsicherheitsnetz, so sehr es auch gestreckt und umgestaltet wird. Ich bin überzeugt, dass der IWF in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle spielen muss. Der Fonds muss aber auch offen sein für Veränderungen, vom Hinzuziehen neuer Parteien bis hin zur Prüfung einer Rolle für eine digitale Version der Sonderziehungsrechte.

Die Sonderziehungsrechte sind einer der plausibelsten Kandidaten für eine Weltwährung. Digitale Sonderziehungsrechte entsprechen aber dem völligen Gegenteil des Blockchaingedankens, es würde sich um eine absolute „Vertrauenskatastrophe“ globalen Ausmaßes handeln: nämlich das Koppeln der Existenz von Milliarden Menschen an die Entscheidungen einer Institution, die prinzipiell keinerlei private Konkurrenz, keine „hard forks“ (Abspaltungen), kein dezentrales Entdeckungsverfahren durch private Nutzer, Halter und Schürfer zulassen kann. Dieses Szenario, das Lagarde nun in ihrem Vortrag bestätigte, wurde schon in einem meiner Bücher beschrieben:

Das Sonderziehungsrecht […] ist eine 1969 vom IWF eingeführte künstliche Verrechnungseinheit, die nicht auf den Devisenmärkten gehandelt wird. Die Sonderziehungsrechte bestehen aus den vier wichtigsten Weltwährungen US-Dollar, Euro, Yen und britisches Pfund; der Kurs wird täglich neu festgesetzt. Sobald der Gouverneursrat des IWF entscheidet, dass es Bedarf an zusätzlicher Kapitalmarktliquidität gibt, werden den Mitgliedsländern Sonderziehungsrechte zugeteilt. Die zugeteilten Sonderziehungsrechte bedeuten ein Guthaben gegenüber dem IWF, mit dem wiederum Schulden gegenüber Gläubigerländern getilgt werden können. Alle Mitgliedsländer sind gemäß Statuten verpflichtet, Zahlungen in Form von Sonderziehungsrechten zu akzeptieren. Weitgehend unbekannt ist der Umstand, dass Sonderziehungsrechte bereits vielerorts genutzt werden. So dienen sie als Recheneinheit bei internationalen Haftungsansprüchen, in der Luftfahrt, der Schifffahrt und bei Ölunfällen auf hoher See. Auch für die Abrechnung von Zahlungen im internationalen Postverkehr oder auch für die Berechnung der Durchfahrtgebühren für den Suezkanal werden Sonderziehungsrechte genutzt. […] Eine Ausweitung der Sonderziehungsrechte und die Weiterentwicklung des IWF zur weltweiten Zentralbank käme nicht nur der Mentalität der Planer in West und Ost entgegen, sondern hätte für diese auch den Vorteil, dass die Regierungen ihre diversen Projekte weiter über eine unsichtbare Inflationssteuer finanzieren könnten. Das Wortungetüm „Sonderziehungsrecht“ klingt zudem wesentlich angenehmer als „Währungsreform“ und könnte eine solche über die Hintertür bedeuten. Politisch reizvoll wäre die Lösung vermutlich auch, nachdem im Falle einer hohen Teuerung niemand wirklich verantwortlich gemacht werden könnte, nachdem der IWF für die meisten Menschen ähnlich wenig greifbar ist wie etwa die Begriffe QE, LTRO oder OMT. [@taghizadegan_osterreichische_2014]

Doch weder Weltzentralbank, noch Bargeldabschaffung sind populäre Agenden. Da bräuchte es noch größeren Meinungsdruck, ein monetäres Pearl Harbor, oder geschickte Allianzen. Der Versuch, die Entwicklungen der Blockchain-Technik nicht frontal anzugreifen, sondern positiv aufzunehmen, kann als Vorbereitung einer neuen Allianzbildung interpretiert werden. Die zwei populärsten Strömungen, die das Legitimitätsmonopol des Währungssystems infrage stellen, sind aktuell wohl Blockchain-Enthusiasten und Vollgeld-Anhänger. Einer Bargeldabschaffung würde kaum noch populärer Gegenwind entgegenblasen, wenn diese zwei Strömungen aufgenommen würden. Und beides deutet sich aktuell an. Einerseits kann die Vollgeld-Analyse als Ermächtigung einer Zentralbank-ähnlichen Institution gedeutet werden, als Monetative, als – in den Worten Nowotnys – „vom öffentlichen Sektor kontrolliertes System“. Ein von dieser Institution ausgegebenes Digitalgeld wäre in der Tat Vollgeld. Jetzt muss es nur noch gelingen, dieses Digitalgeld als cooles neues Kryptogeld darzustellen. Dann gibt es womöglich noch eine staatliche Krypto-Initiative, bei der Start-ups subventioniert werden, um die Honorare von Anwälten, Notaren und Regulierungsberatern zu bezahlen, die regulierte, legale ICOs auflegen, um das schöne neue Digitalgeld der Untertanen gegen noch coolere Tokens einzutauschen, damit die Crowd nachrangig die Profite von Banken sichert, die durch digitales Vollgeld nun besonders bedürftig sind.

Dieser Prozess ist weiter fortgeschritten, als die meisten ahnen. Im Vertrauensabschnitt dieses Textes kann ich Namen nennen und konkreter werden.


Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.

Filed Under: Bitcoin, Geopolitik, Scholien, Vermögensanlage

Zukunft der Wiener Schule

Rahim Taghizadegan am 15. Dezember 2017

Die Wiener Schule der Ökonomik kehrt nach langem Vergessen und Verdängen wieder nach Europa zurück. Was macht diese Tradition heute noch relevant? Wie änderte sie sich in den USA? Warum wird sie von vielen Akademikern nicht ernst genommen? Ist sie überhaupt wissenschaftlich oder eher Ideologie? Ist sie „libertär“? Warum propagieren immer mehr junge Leute Ideen der Wiener Schule? Welchen Interessen nutzt sie und wie? Warum sind die „Austrians“ in den USA so gespalten, warum eskaliert ihr Streit? Wer hat recht? Stehen Mises und Hayek wirklich im Widerspruch? Was würde Menger dazu sagen? Wird die Wiener Schule wieder in die Universitäten einziehen oder endgültig diskreditiert



Unser Salon erweckt eine alte Wiener Tradition zu neuem Leben: Wie im Wien der Jahrhundertwende widmen wir uns gesellschaftlichen, philosophischen und wirtschaftlichen Themen ohne Denkverbote, politische Abhängigkeiten und Ideologien, Sonderinteressen und Schablonen. Dieser Salon soll ein erfrischender Gegenentwurf zum vorherrschenden Diskurs sein. Wir besinnen uns dabei auf das Beste der Wiener Salontradition. Ein spannender und tiefgehender Input, meist im Dialog, bringt Ihren Geist auf Hochtouren, worauf dann eine intensive Diskussion in intimer Atmosphäre folgt.

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Filed Under: Austrian School, Salon

Soziale Süchte

Rahim Taghizadegan am 9. Dezember 2017

Jene Generation, die gerade auf den Arbeitsmarkt kommt, ist gewiss entgegen des Kollektivbegriffs der Millennials ziemlich heterogen. Doch häuft sich der Eindruck, dass einer kleinen Zahl von besonders Engagierten ein größerer Teil mit erheblichen Produktivitäts- und Konzentrationsmängeln gegenübersteht. Der Verdacht liegt nahe, dass diese Mängel dem Lebensstil der digital natives geschuldet sind. Lauter werden die Stimmen, die hier eine Aufmerksamkeitsökonomie am Werke sehen, bei der unternehmerischer Wettbewerb die Attraktivität digitaler Angebote über ein Maß hinaus verstärkt, dem der Wille noch standhalten kann. Diese Perspektive ist verheerend, weil sie Verantwortung weiter abgibt und damit die Verantwortungslosigkeitsspirale nährt, die das eigentliche Problem einer allfälligen Aufmerksamkeitsspirale wäre. Doch sehen wir uns zunächst an, was für diese Perspektive spricht.

Nach dem aktuellen Wissensstand über Suchtverhalten sind digitale Aufmerksamkeitsspiralen in der Tat den Suchtphänomenen zuzuschreiben. Sucht entsteht über die wiederholbare Verstärkung positiver physischer und psychischer Empfindungen. Es sind nicht die chemischen Inhaltsstoffe eines Suchtmittels, die direkt abhängig machen, sondern in der Regel körpereigene Ausschüttungen von z.B. Dopaminen, die Gewohnheiten positiv verstärken. Sucht ist also ein eingeübter Prozess, nicht das unentrinnbare Schicksal willenloser Zombies, sondern eine “gewollte Wiederholung, die zu tiefem Lernen führt” (Lewis 2015: 189). Nicht zuletzt deshalb ist der „Krieg gegen Drogen“ falsch. Illegale Drogen sind nur eine kleine Untergruppe von Gütern, deren Konsum gewohnheitsbildend ist, sofern man bewusst die Verankerung zwischen positiver Empfindung und Handlungsweise zulässt.

Im digitalen Bereich wirken insbesondere zwei in den menschlichen Instinkten biologisch eingeschriebene Positivsignale, die einst für das Überleben besonders wichtig waren: auf der einen Seite das Bedürfnis nach Neuigkeiten, auf der anderen Seite das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung. Schon bei Kleinstkindern ist die gemütserhellende Wirkung von Signalen dieser Art offensichtlich. Neues zieht die Aufmerksamkeit magisch auf sich, genauso wie anerkennende Interaktion. Bislang lag es bloß nicht in unserer Hand, durch einen einfachen Konsumakt bereits die genussfertige Neuigkeit oder Anerkennung zu produzieren. Das Erkennen des Neuen erforderte Neugier, also konzentrierte Aufmerksamkeit, und die Anerkennung war die Frucht mühsam aufgebauten sozialen Kapitals. Diese Produktionsstruktur der Aufmerksamkeit ist nun arbeitsteiliger um den Preis geringerer Authentizität – wir können Neuigkeit und Anerkennung konsumieren, ohne selbst viel dafür zu tun.

Bei immer mehr Menschen zeigen sich eindeutige Suchterscheinungen: Durch Mausklick lassen sich Streams aktualisieren, die weitere Neuigkeiten und Anerkennung bringen. Die frische dopaminergische Ausbeute wird meist noch in der Signalfarbe rot angezeigt: Neue Messages, neue Likes, neue Notifications. Oder die Streams sind bereits selbstaktualisierend, wie etwa bei YouTube, wo eine Spirale an immer neuen, automatisch aufeinanderfolgenden Videos aktiviert werden kann. Dies spielt in die Hand der menschlichen Tendenz zum delay discounting, sprich “sofortige Belohnungen höher als langfristige Vorteile zu bewerten” (Lewis 2015: 100).

Die körpereigene Belohnung der Aufnahme von Neuigkeiten und Anerkennung war für unser Überleben wichtig, weil der Mensch als schwaches, nacktes Tier besondere Wachsamkeit und Kooperationsfähigkeit benötigt, um die biologischen Mängel auszugleichen. Einerseits bindet unser an diesen Aufgaben angeschwollenes Hirn Überlebensenergie, andererseits erlauben diese neuen Fähigkeiten auch Schwäche oder energetische Unterdotierung des rein Körperlichen. Das ist gut so: das geistige Potential des Menschen übertrifft nicht nur sein eigenes körperliches Potential in unvergleichlicher Höhe, sondern auch das körperliche Potential aller anderen Tiere. Menschen schlagen alle tierischen Rekorde durch Geisteskraft.

Der Geist zeigt aber auch ein großes Problem, das die Menschheit bis heute kaum bewältigt oder auch nur verstanden hat: Freiheit. Als politische Phrase klingt sie großartig und erstrebenswert, wird dabei aber als Konsumgut interpretiert. Tatsächlich ist Freiheit eine unglaubliche Herausforderung, welche die schwere Bürde der Verantwortung notwendig mit sich bringt. Digitale Formen der Kommunikation und Kooperation sind als Werkzeuge geniale Ergebnisse der Geisteskraft und absichtsvollen Tätigkeit von Millionen von Menschen, die diese neue Infrastruktur schufen und am Leben halten. Wie jedes Werkzeug hebeln sie menschliches Potential – nach oben, wie nach unten. Das Spektrum wird größer: Die Massenkommunikation hat eine ähnliche Gegenseite wie die Massenvernichtung durch die geniale menschliche Kontrolle der materiellen Welt bis hinunter auf die atomare Ebene.

Die mit Werkzeugen verbundene Verantwortung kann man nun einseitig auf die Anbieter übertragen. Es scheint zunächst plausibel, Schöpfer für ihre Schöpfung zu verantworten. Im Bereich des Digitalen kommt der ehemalige Google-Designer Tristan Harris darauf, dass die meistgenutzten Webseiten und Apps durchaus genau wissen, worauf in der menschlichen Psyche zu zielen ist, um maximale Aufmerksamkeit im Betrachter zu erregen (Bosker 2016). Dies geschehe mit erschreckend einfachen, dem Websurfer in größtem Maße unbewussten Appellen an unsere tiefsten menschlichen Bedürfnisse wie die der sozialen Anerkennung. Wo die Technologie uns als Werkzeug dienen sollte, wäre der Knecht zum Herren geworden, und es würde Zeit, diese Kontrolle zurückzuerlangen, so Harris. Er fordert eine Neuausrichtung der digitalen Welt, damit der Nutzer wieder zum “freien Akteur” werde, der das das Digitale bewusst und maßvoll nutzt.

Dazu ruft er die Designer digitaler Anwendungen zu Verantwortung auf und fordert eine Art “Hippokratischen Eid” (Bosker 2016: 2). Die Befolgung dieses einschränkenden Eides könnte durch Qualitätssiegel angezeigt werden. Die Einschränkung läge darin, Aufmerksamkeitsauslöser zu vermeiden oder bewusst zu machen. Zum Beispiel sollte dem App-Nutzer durch eine Anzeige in Erinnerung gerufen werden, wie viel Zeit er mit der jeweiligen App verbringt.

Eine Konsequenz dieser allzu einseitigen Verantwortungsübertragung ist schließlich der Ruf nach Interventionen. In Analogie zur Tabakindustrie müsste dann bei jedem Klicken eines Like-Buttons auf Facebook ein Warnfenster aufgehen mit einer abschreckenden Botschaft. Denkbar wäre das Bild eines verwahrlosten Digitalsüchtlers oder Aufnahmen der Hirnumformungen.

Das menschliche Hirn ist plastisch und verändert sich durch Verhaltensweisen. Bei Süchten kommt es durch selbstverstärkende Gewohnheiten zur Verkleinerung der Areale, die für Motivation und Entscheidung verantwortlich sind. Da das meiste menschliche Potential im Geistigen liegt, sind digitale Medien „gefährlicher“ als Zigaretten und Alkohol. Gewiss nur im irreführenden Sinne des paternalistischen Interventionismus. Werkzeuge sind nicht gefährlich, sondern menschlicher Missbrauch. Nicht einmal Waffen töten, sondern Menschen. Zigaretten sind ungefährlich, denn sie rauchen sich nicht von selbst. Ein konsequenter Paternalismus müsste totalitär werden, er müsste alle Konsumentscheidungen überwachen und Zwangsaskese verordnen. Zucker wirkt beispielsweise genauso wie Suchtmittel und schädigt zudem den Organismus. Die allergrößte Gefahr für Menschen geht aber von anderen Menschen aus, insbesondere jenen, die als Herrenmenschen Umerziehungsprogramm planen.

Obamas herablassender Spruch gegenüber Unternehmern „You didn’t build that“ – Du hast es nicht geschaffen – hat einen wahren Kern. Im Gegensatz zur neidpolitischen Intention ist zwar in der Tat unternehmerische Schöpfungskraft kausales und primäres Element der Wohlstandsschaffung, doch jede menschliche Schöpfung ist co-creation, Mitschöpfung, nicht Alleinschöpfung. Unternehmertum im Rahmen einer Marktwirtschaft ist in enge Bahnen diszipliniert: nämlich jene, die Konsumenten vorgeben. Neue Produkte sind komplexe Kooperationsergebnisse, bei denen der Wettbewerb Schnelligkeit, Effizienz und Empathie belohnt, aber nicht die Ergebnisse allein vorbestimmt. Ludwig von Mises fasste diese Perspektive wie folgt zusammen:

Die Menschen trinken nicht Alkohol, weil es Bierbrauereien, Schnapsbrennereien und Weinbau gibt; man braut Bier, brennt Schnaps und baut Wein, weil die Menschen geistige Getränke verlangen. Das „Alkoholkapital“ hat weder die Trinksitten noch die Trinklieder geschaffen. Die Kapitalisten, die Aktien von Brauereien und Brennereien besitzen, hätten lieber Aktien von Verlagsbuchhandlungen erworben, die Erbauungsbücher vertreiben, wenn die Nachfrage nach geistlichen Büchern stärker wäre als die nach geistigen Getränken. Nicht das „Rüstungskapital“ hat den Krieg erzeugt, sondern die Kriege das „Rüstungskapital“. Nicht Krupp und Schneider haben die Völker verhetzt, sondern die imperialistischen Schriftsteller und Politiker. Wer es für schädlich hält, Alkohol und Nikotin zu genießen, der lasse es bleiben. Wenn er will, mag er auch trachten, seine Mitmenschen zu seiner Anschauung und Enthaltsamkeit zu bringen. Seine Mitmenschen gegen ihren Willen zur Meidung von Alkohol und Nikotin zu zwingen, vermag er in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, deren tiefster Grundzug Selbstbestimmung und Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen ist, freilich nicht. Wer es bedauert, daß er andere nicht nach seinen Wünschen lenken kann, der bedenke, daß andererseits auch er selbst davor gesichert wird, den Befehlen anderer Folge zu leisten. (Mises 1922: 437f)

Diese Perspektive darf man auch nicht überdehnen, um den Unternehmer gänzlich aus der Verantwortung zu entlassen. Doch sie relativiert die Gegenübertreibung, den Unternehmer zum Diktator über willenlose Marionetten zu erklären. Tatsächlich bedeutet Marktwirtschaft ständige Koordination und Kooperation, nicht Diktat. Allerdings besteht die Marktwirtschaft im eigentlichen Sinne nicht mehr, wir leben heute in massiv monetär verzerrten Mischwirtschaften. Trotzdem bleibt die Essenz der Kooperation unter Fremden, dass sie sich über die Ziele nicht einig sein müssen und sich nur bei den Mitteln treffen.

Digitale Medien sind Mittel und nicht Selbstzweck oder Zweckdiktat, wenngleich sie durch die heutigen Verzerrungen überdehnt und bedenklich verbogen sind. Der marginale Unternehmer, der sein digitales Angebot dopaminergisch intensiver gestaltet, wirkt als Agent einer von (monetär verschobenen) Kunden gewollten Neuanpassung der Produktionsstruktur.

Unter diesem marginalen Konkurrenzdruck leiden etablierte Medien und Verlage. Doch auch diese sind kein Selbstzweck. Es ist überhaupt nicht gewiss, ob das Informationsprodukt, das durch Prestige und mangelnde Dynamik längere Aufmerksamkeitsspannen hält, die Menschen besser macht. Die Verantwortungslosigkeit, die Kurzfristigkeit, der Kapitalkonsum – was sich alles symptomatisch natürlich auch in den digitalen Medien zeigt – wurde in analogen Zeitungen und Büchern herbeigeschrieben und legitimiert. Das Digitale zeigt nur größere Selbstverstärkung, was den Vorteil hat, dass Entwicklungen schneller sichtbar sind und sich auch eher zu Tode laufen können.

Die digitalen Angebote sind neue Herausforderungen für unsere Freiheit. Sie können Werkzeuge der Selbstzerstörung und Fremdversklavung sein. Eine Hochkultur kultiviert Werkzeuge. Sie kann sogar mit Nikotin, Alkohol, bewusstseinsverändernden Substanzen einen produktiven, potentialsteigernden Umgang entwickeln. Gesundheit ist nicht der höchste Lebenszweck, denn der Körper ist eben das Uninteressanteste am Menschen. Dass die digitalen Medien in einer Zeit des kulturellen Kapitalkonsums aufkommen, mag sie besonders auszeichnen. Das ist aber Zufall. Gewiss haben sie als neuer Hype in einer enthemmten Gesellschaft, der kulturelle Stützen fehlen, dramatische Auswirkungen, die vermutlich noch unterschätzt sind. Wahre Freiheit wächst aber an der Herausforderung. Die marginalen Mitläuferunternehmer, die kokreativ die letzten Aufmerksamkeitsreserven einer Bewirtschaftung zuführen, werden zum einen Teil scheitern, wie es dank der Marktdynamik immer bei einem Hype der Fall ist. Zum anderen Teil sind sie wertvolle Agenten des Umbruchs, kreative Zerstörer im Schumpeterschen Sinne, welche vielleicht das falsche Ethos des Massenmedialen auf den Boden bringen. Sodass dann irgendwann die Coolness und Relevanz der Neuigkeit redimensioniert wird, wie es bei der Zigarette auch ohne Interventionen irgendwann gekommen wäre: Nicht durch Verbote, die diese noch attraktiver machen, sondern weil von der Zigarette, wenn sie von all der Coolness des Verbotenen, der Auflehnung gegen die furchtbar langweiligen braven Asketen, die alle anderen umerziehen wollen, nicht viel mehr bleibt, als gelegentliches Genussmittel einer kleinen Zahl zu sein, vielleicht sogar höchstkultiviert wie in der Zigarrenkultur, wo die Verknappung den Genuss noch steigert.

Die Wirkung der digitalen Medien wird aus utilitaristischer Perspektive viel gewichtiger sein als die herkömmlicher Suchtmittel, und doch bleibt ein totalitär-utilitaristisches Panoptikon der Umerziehung und Überwachung immer noch die größere Gefahr. Warum sind digitale Medien die verheerendste Droge, die der Mensch bislang entwickelt hat; welche Folgen drohen; und warum bleibt trotzdem Hoffnung für die Freiheit des Menschen?


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