• Skip to primary navigation
  • Skip to main content

scholarium

  • Studium
    • Kurse
  • Beratung
    • Rahim Taghizadegan
  • Login
  • Deutsch
You are here: Home

Deutsch

Studium Generale: Einheit 14

Rahim Taghizadegan am 12. Dezember 2020

Thema: Freie Privatstädte, Charter Cities

Folgende Exzerpte wurden besprochen:

  • Freie Privatstädte. Mehr Wettbewerb im wichtigsten Markt der Welt
  • Citadel, Market, and Altar – Emerging Society
  • The Politically Incorrect Guide to Ending Poverty
  • My Disagreement with Murray Rothbard
  • From Cromer to Romer and back again: colonialism for the 21st century
  • Introduction – Why Start A New Country?

Erhöhen Sie Ihre Unterstützung auf "Studium generale", um am laufenden Studium teilnehmen und auf die digitale Bibliothek zugreifen zu können. Weiters erhalten Sie Zugang zu allen vorherigen Seminaren.

Filed Under: Seminar

Nachruf auf Antal Fekete

Rahim Taghizadegan am 5. Dezember 2020

Read the English Version

Am 14. Oktober 2020 verstarb in Budapest der ungarisch-kanadische Ökonom Antal E. Fekete, der sich als Geldtheoretiker in der Tradition von Carl Menger sah. Er blickte auf ein bewegtes und fruchtbares Leben zurück, das typisch für das verrückte letzte Jahrhundert war. Diese Erfahrungen erfüllten Fekete zuletzt mit düsteren Vorahnungen für das aktuelle Jahrhundert. Mögen wir hoffen, dass dieses verrückte Jahr nicht wie schon sein Geburtsjahr eine gesamte Epoche prägen wird.

Antal Endre Fekete wurde am 8.12.1932 in Budapest geboren. Inmitten der schweren Weltwirtschaftskrise grassierte damals Massenarbeitslosigkeit. Ungarn trieb eine schwere Bankenkrise in Richtung National-Sozialismus. Der totalitäre Anti-Semit Gyula Gömbös hatte kurz vor Feketes Geburt die Regierung übernommen. Allerorts führte der Glaube an die Allmacht der Politik zu einer Spirale des Interventionismus und der Polarisierung, die das alte Europa letztlich in Totalitarismus und Krieg zerstören sollte. Die Geldpolitik spielte dabei eine bis heute unterschätzte Rolle.

Fekete erkannte als einer der wenigen Alteuropäer die zentrale Rolle des Geldes, im Positiven als Mittel friedlicher Arbeitsteilung, im Negativen als Opfer und Hebel politischer Interventionsspiralen. Das führte den Mathematiker zur Geldtheorie, in der er sich um eine Erweiterung und Aktualisierung der Alt-Österreichischen Schule der Ökonomik bemühte. Wie bei allen originellen Beiträgen lässt sich noch nicht endgültig abschätzen, ob und welche neuen Irrtümer er dabei einführte. Doch seine Bedeutung als scharfer Denker, der Theorie mit profunden Geschichtskenntnissen verband, wird unterschätzt. Das liegt einerseits an seiner streitbaren Persönlichkeit, die ihn auch mit fast allen Mitstreitern und Wegbegleitern entzweite. Andererseits berührt die Ökonomik Existenzfragen, die sachliche Nüchternheit kaum zulassen. Auch die Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomik müssen im Wahn der Zeit immer wieder Farbe bekennen, und der Diskurs ist von Ideologie, Ängsten und Wunschvorstellungen geprägt.

Die Geschichte hatte für Fekete einschneidende und lebensbedrohliche Lehren zu bieten. 1932 war Ungarn noch am Goldstandard, ein Pengö war definiert als etwas mehr als ein Viertel Gram Gold (aktuell ca. 15 Euro). Als 1946 der Forint eingeführt wurde, ersetzte dieser 400 Quadrilliarden Pengö (29 Nullen!) – nach der bisher schlimmsten Hyperinflation der Geschichte. Jeden Tag hatten sich die Preise verdreifacht. Aktuell entspricht ein Forint etwas mehr als einem Viertel Eurocent.

Angesichts dieser Entwicklung ist es erstaunlich, dass Ungarn nicht mehr große Geldtheoretiker hervorgebracht hat. Das liegt wohl daran, dass die geistigen Folgen solcher gesellschaftlich-wirtschaftlichen Zerrüttung stets dramatisch sind. Zu den Folgen gehören sinkende Lernfähigkeit und wachsende Realitätsflucht, wodurch mit steigendem Schaden paradoxerweise die Wahrnehmung des Schadens schwindet. Deshalb ist die Geldpolitik so beliebt, so gewichtig und so unterschätzt.

Das Unglück, das Antal Fekete bis zur späten Rückkehr aus seiner Heimat vertrieb, erwies sich so als Glück für die Ökonomik. Das ist eine Parallele zu anderen Vertretern der Alt-Österreichischen Schule. Diese Tradition hätte in Europa nicht überlebt. Mengers und Mises’ Erbe wurde vor allem in Nordamerika bewahrt.

Fekete emigrierte mit fast allen anderen ungarischen Freiheitsfreunden 1956, als ein Volksaufstand von der Sowjetarmee blutig niedergeschlagen wurde. Sein Weg führte ihn zunächst nach Wien, knapp jenseits des Eisernen Vorhangs, und dann rasch weiter nach Kanada. Dort begann er seine akademische Karriere als Universitätsprofessor für Mathematik. Er verfasste ein Lehrbuch für Lineare Algebra und eine Handvoll Fachartikel. Für seinen größten Beitrag hält er den Vorschlag für ein Zahlensystem, das beliebig hohe Zahlenwerte mit möglichst wenigen Ziffern – als so wirtschaftlich wie möglich – ausdrückt. Dieses System von „Schrittzahlen“ erfuhr keine Anerkennung und ist typisch für den idiosynkratischen Zugang von Fekete, der auch seine Wirkung in den Wirtschaftswissenschaften beschränkte.

Auf dem ökonomischen Gebiet lag sein eigentliches Interesse und seine Bedeutung. Wie sein Schrittzahlensystem sind seine ökonomischen Ansätze potenziell höchst bedeutend, aber skizzenhaft und durch Eigenheiten geprägt. Trotz dieser Eigenheiten hat sich Fekete nie mit fremden Federn geschmückt, lieber hat er einmal zu viel als einmal zu wenig auf die Schöpfer guter Ideen oder kluger Gedanken namentlich hingewiesen. Auch ermunterte er stets seine Mitstreiter, Argumente zu prüfen und allfällige Verbesserungen oder Korrekturen einzubringen.

Die Fertigstellung seines Lebenswerks gelang Fekete leider nicht. Die Fülle verschiedener Einsichten und Schemen erweist sich aber als Goldgrube für jeden Ökonomen, der um die schwierigsten Fragen der Geld-, Zins- und Kapitaltheorie ringt, und feinfühlig für die verheerenden gesellschaftlichen Folgen falscher ökonomischer Weichenstellungen ist. Feketes Motivation, die menschenverachtenden Konsequenzen der Geldgeschichte aufzuzeigen, durchdringt sein ökonomisches Werk. Empathie für Kriegs- und Inflationsopfer war die Basis seiner Arbeit. Seine mathematische Schulung zeigte sich in stringenter Logik, die aber stets vor der Unberechenbarkeit des Menschen in seiner Einzigartigkeit demütig blieb.

Erste Geltung als Ökonom erfuhr Fekete als er 1974 eingeladen wurden, im Seminar von Paul Volcker seine währungsgeschichtlichen Kenntnisse zu teilen. Volcker sollte bald darauf zum Vorsitzenden des Federal Reserve System werden. Zehn Jahre später wurde Fekete als Gastforscher an das American Institute for Economic Research eingeladen. 1985 schließlich rief ihn die Politik: Kongressabgeordneter William E. Dannemeyer holte Fekete als Berater für Geldreform.

Fekete entwickelte dabei einen Lösungsansatz für die Staatsfinanzierung nach einer Schuldenkrise: die Goldanleihe. Feketes Augenmerk galt stets Alternativen der Finanzierung einer modernen Wirtschaft ohne unbeschränkte Geldschöpfung. Eine Reduktion auf physisches Gold schien ihm dafür unzureichend: Ohne Geldschöpfung durch Banken hätten Anleihen und insbesondere Wechsel wieder eine große Rolle zu spielen.

Erste europäische Anerkennung erfuhr Fekete, als er 1996 einen Preis der Schweizer Bank Lips für einen Essay über die Rolle von Gold in einem Währungssystem erhielt. Schon damals kritisierte er die Geldpolitik scharf, viele Aspekte erwiesen sich als prophetisch. Seine Präzisierung und Weiterentwicklung des Mengerschen Konzepts der Absatzfähigkeit darf als einer seiner größten Beiträge zur Geldtheorie gelten. Der Essay („Whither gold?“) hat nichts an Aktualität eingebüßt und offenbart Feketes enzyklopädische Kenntnis der Währungs- und Ideengeschichte.

Nach seiner Pensionierung wirkte Fekete – wie einst Ludwig von Mises – an der Foundation for Economic Education in Irvington-on-Hudson, New York, und unterrichtete an der Francisco Marroquín Universität in Guatemala sowie der rumänischen Sapientia Universität. Den mexikanischen Unternehmer und Philanthropen Hugo Salinas Price beriet er bei seinem Reformvorhaben, eine Silbermünze als wertbeständigere Sparalternative zu monetisieren. Salinas Price lieferte eine wichtige Einschätzung zu manch Widersprüchen zwischen Fekete und dem von ihm verehrten Ludwig von Mises: „Ich kannte Mises persönlich und habe keinen Zweifel, dass er die erfrischenden Ideen von Antal E. Fekete großzügig aufgenommen hätte.“

Seit 2002 unterrichtete Antal Fekete eine wachsende Zahl an Interessierten über das Internet und in regelmäßigen Seminaren vor allem in Ungarn und in Spanien, wo er mit Juan Ramón Rallo einen kompetenten Ökonomen als Mitstreiter gewonnen hatte. Er trat verschiedentlich unter „Gold Standard Institute“, „Gold Standard University“ und zuletzt „New Austrian School of Economics“ auf. Nachhaltiger Institutionenaufbau scheiterte leider stets an persönlichen Zerwürfnissen. 

Zum Glück verbreitete Fekete seine Schriften weitgehend frei über das Internet. So wuchs nach und nach seine Wirkung. Dem scharfen Intellekt Fekete darf manch allzu scharfes Auftreten nachgesehen werden. Er konstatierte mangelnde intellektuelle Weiterentwicklung der modernen „Austrian School“ im Gegensatz zum Alt-Österreichischen Vorläufer. Dieses Manko zu beheben, dafür sind freilich die Schultern eines Menschen zu schmal, auch wenn er selbst auf den Schultern von Riesen steht.

Fekete sah den größten Gegensatz in seinem Eintreten für die sogenannte „Real Bills Doctrine“ von Adam Smith, welche goldgedeckte Wechsel als legitime, weil marktkonforme und selbstbereinigende Form einer Geldmengenausweitung ansieht. Strengere Interpreten der Geldtheorie, wie Mises’ bedeutendster amerikanischer Schüler Murray N. Rothbard, sahen hier ein Einfallstor willkürlicher Geldschöpfung. Kann man diese Wechselbanken anvertrauen? Würden sie mit allfälligen Seigniorage-Gewinnen wiederum politisches Lobbying betreiben und damit nach und nach – als geschütztes Kartell – immer großzügigere Geldschöpfung durchsetzen? Können nur strengste Geldmengenbeschränkungen, die keine Kreditvergabe über die Summe der Einlagen hinaus erlauben, diese Anreize zur schleichenden Enteignung der Bevölkerung vermeiden? Fragen dieser Art können weder Fekete noch Rothbard abschließend beantworten. Wir sollten Denkern dieses Kalibers aber dankbar sein, dass sie das klare Wort nicht scheuten, nicht falsche Harmonie suchten, sondern streitbar für das Streben nach dem Wahren und Guten eintraten.

Antal E. Fekete war ein im persönlichen Umgang berührend charmanter und großzügiger Mensch, dessen Geist bis ins höchste Alter von ungewöhnlicher Schärfe war. Er strahlte in seiner ganzen Persönlichkeit den Geist des alten Europas aus. Gegen Ende des Lebens wurde er wie einst Carl Menger immer düsterer. Die letzte handschriftliche Aufzeichnung, die ich von ihm zu sehen bekam, ließ mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen. Er malte in wenigen Worten die Konsequenzen des drohenden Schuldenkollapses aus. Es ist besser diese zu verschweigen, um keine selbsterfüllende Prophezeiung in Gang zu setzen.

Er hatte den Wahnsinn des letzten Jahrhunderts hautnah erlebt, was sein Wesen mit einem charakteristischen Schwermut umgab. Ich hoffe, es ist bloß das ungarische Wesen in ihm, jener Nachhall einer grausamen und paradoxen Geschichte der schwermütigsten Nation Europas. Womöglich war Fekete aber ein Feinfühliger wie Roland Baader. Dann macht allenfalls Mut, dass Fekete um Lösungsansätze bemüht war, um Alternativen für neue Institutionen, wenn sich die bestehenden in großer Ent-Täuschung auflösen.

Letzter auf Film dokumentierter öffentlicher Auftritt im scholarium, in dem Antal Fekete auf sein Leben und seine Beiträge zur Ökonomik zurückblickte.

Filed Under: Austrian School, Scholien

Salon: Prof. Antal Fekete

Rahim Taghizadegan am 5. Dezember 2020

Am 14. Oktober 2020 verstarb in Budapest der ungarisch-kanadische Ökonom Antal E. Fekete, der sich als Geldtheoretiker in der Tradition von Carl Menger sah. 2014, in seinem letzen auf Film dokumentierten öffentlichen Auftritt, blickte Antal Fekete auf sein Leben und seine Beiträge zur Ökonomik zurück. Das Gespräch fand im scholarium in Wien statt und wird hier erstmals veröffentlicht.

Nachruf auf Antal Fekete von Rahim Taghizadegan

On 14th October 2020, Antal E. Fekete, the Hungarian-Canadian economist who saw himself as a monetary theorist following the tradition of Carl Menger, died in Budapest. In 2014, in his last public appearance documented on film, Antal Fekete looked back on his life and his contributions to economics. The conversation took place at the scholarium in Vienna and is published here for the first time.

Obituary for Antal Fekete by Rahim Taghizadegan

Filed Under: Austrian School, Salon

Studium Generale: Einheit 13

Rahim Taghizadegan am 2. Dezember 2020

Besprochene Exzerpte:

  • The WEIRDest People in the World: How the West Became Psychologically Peculiar and Particularly Prosperous
  • Tether: The Story So Far
  • The Money Riddle

Erhöhen Sie Ihre Unterstützung auf "Studium generale", um am laufenden Studium teilnehmen und auf die digitale Bibliothek zugreifen zu können. Weiters erhalten Sie Zugang zu allen vorherigen Seminaren.

Filed Under: Seminar

Zwischen Sein und Sollen – Modern Monetary Theory statt Austrian School?

Rahim Taghizadegan am 28. November 2020

Print Friendly, PDF & Email

Auch ökonomische Theorien unterliegen Modetrends. Unmittelbar nach der Weltfinanzkrise 2007 rückte kurz die „Austrian School“ ins Rampenlicht. Bis dahin fast völlig verdrängt und vergessen, traf das freche „I told you so“ ihrer wenigen Vertreter auf anfängliche Ungewissheit und Orientierungslosigkeit. Das währte nicht lange. „Everything it takes“ erwies sich der Unkenrufe zum Trotz als funktionell, und der große Schulden- oder Währungs-Reset blieb aus. Die Austrians erschienen als stehengebliebene Uhr, die zweimal am Tag die richtige Uhrzeit zeigt. Exponentiell wachsende Geldschöpfung führte zu keiner Hyperinflation. Als ab 2011 dann Dollar und Euro sogar massiv gegenüber Gold stiegen, schien auch der praktische Wert der Österreichischen Schule wieder negativ.

Und das bereitete den nächsten ökonomischen Modetrend vor. Allzu schrilles Übertreiben führt in der Mode oft zu Gegenreaktionen. Aktuell ist der heißeste Trend die „Modern Monetary Theory“ (MMT) – nach Anzahl der Konferenzen, Podcasts, Papers sowie der überlaufenden Akademiker, Politiker und Investoren eine wahre Erfolgsgeschichte der Ökonomik. Ihre Adepten haben eine einfache Erklärung dafür: Während die Austrian School erwiesenermaßen falsch gelegen habe in ihrer Beschreibung der Realität, liege die MMT richtig. Auch und gerade für Praktiker wird Realismus immer mehr Wert haben als Ideologie. Austrians mögen die bekannteren Vertreter der MMT korrekt als Gegenideologen ansehen, doch das erklärt keineswegs deren Siegeszug.

Wir haben es mit einer merkwürdigen Wendung der Geschichte zu. Die MMT ist nicht neu, sondern eine Aktualisierung des Chartalismus. Dieser beruht auf der „Staatlichen Theorie des Geldes“ von Georg Friedrich Knapp und gilt als das glatte Gegenteil der Austrian-Geldtheorie von Carl Menger, die von Ludwig von Mises vollendet wurde. Letztere beschreibt das spontane Entdecken von Tauschmitteln, der Chartalismus die gesetzliche Festsetzung von Zahlungsmitteln.

Ursprünglich fügte sich der Chartalismus in eine normative Vorstellung, die besonders im deutschen Raum sehr populär war: dass staatliche Vereinheitlichung ein anzustrebendes Ideal wäre. Menger und Mises betonten hingegen einen wertneutralen Zugang zur Ökonomik. Sie wollten Dynamiken beschreiben und Begriffe klären, nicht Wunschvorstellungen entwerfen. Mises sah den normativen Chartalismus als Absolutismus, der „das Recht der Könige, die Münze nach Gutdünken zu verschlechtern, philosophisch und positiv zu begründen“ trachtete. Mit der Moderne einer immer stärker international verbundenen bürgerlichen und kommerziellen Gesellschaft hatte das deskriptiv immer weniger zu tun.

Im Gegensatz Chartalismus versus Wiener Schule (Austrians) schien Staatsutopie auf nüchtern-wissenschaftliche Beschreibung der Realität zu treffen. Der heutige Gegensatz MMT versus Austrian School aber wird von immer mehr Praktikern genau umgekehrt gedeutet. Was ist geschehen?

Wenn wir die Unterscheidung zwischen deskriptiver und normativer (oder präskriptiver) Perspektive berücksichtigen, haben wir eigentlich vier Felder zu betrachten. Dabei schließen sich nur die normativen Felder gegenseitig aus. In der deskriptiven Perspektive sind Knapp versus Menger und Mises nicht so unversöhnlich, wie es scheinen mag. Knapp beschrieb sehr wohl den Tauschmittelaspekt des Geldes, und Mises bot immerhin die Grundlage einer Theorie des Zeichengeldes. Sowohl Menger als auch Mises wandten die theoretischen Begriffe und Zusammenhänge stets auf ihre Gegenwart an und hatten das Ziel, diese besser zu verstehen – nicht bloß eine bessere Zukunft zu entwerfen und schon gar nicht zu einer besseren Vergangenheit zurückzukehren.

Erst mit dem Ende Europas im Wahnsinn des 20. Jahrhunderts wandelte sich die Perspektive. Das blutige Ende der Moderne war geprägt von Totalitarismus, der sich gleichzeitig gegen Katallaktik und Katallaxie richtete – gegen die Erkenntnis und gegen friedliche und freiwillige Tauschbeziehungen. So verschwamm die Trennung zwischen deskriptiver Katallaktik und präskriptiver Katallaxie.

In den USA überlebte die Austrian School nur in einer normativen Reaktion gegen totalitäre Moderne und Postmoderne, Mises‘ Leitspruch folgend im standhaften Widerstehen gegenüber technokratischer Anmaßung und erkenntnisfeindlichem Nihilismus. Dabei trat leider der Anspruch auf wertneutrales Verstehen der Gegenwart etwas in den Hintergrund, aber immerhin überlebten damit wesentliche Anknüpfungspunkte, um nach der Sackgasse postmoderner Identitätspolitik wieder zur Vernunft zurückzufinden.

Der Neochartalismus der MMT scheint deshalb die Realität besser zu beschreiben, weil die Realität normativen Interessen sukzessive angeglichen wurde. Was einst wirre Utopie war, ist nun scheinbar alternativloser Status quo. Nüchterne interdisziplinäre Erkenntnis der alten Wiener Schule würde heute im Deskriptiven erstaunliche Ähnlichkeiten mit der MMT aufweisen – und dabei zynisch klingen. Der Tonfall des alten Wiens, die Gegenwart nüchtern zu beschreiben, ohne sie als „alternativlos“ allzu ernst zu nehmen, ist schwer zu treffen. Letztlich war er auch ein schlechtes Omen.

Erst der normative Chartalismus macht den Zynismus gefährlich: als Durchblick technokratischer Superhirne, welche die Welt endlich der sauberen Konsistenz ihrer Modelle angleichen wollen. Auf intellektueller Ebene fühlt sich das wie Befreiung von Heuchelei an. Endlich dazu stehen, was Geldpolitik heute ist und kann! Konsequent zu Ende führen! Auf politischer Ebene werden solche Ansätze stets von Zynikern und ihrem notwendigen Gegenpol – den Naiven – geteilt. Die Zyniker mit ihrem Durchblick greifen irgendwann zur Lüge und Täuschung, denn die ganze Wahrheit ist dann doch der Masse nicht zumutbar, während die Naiven darauf hoffen, dass endlich nur die „Richtigen“ an die Hebel der Macht gelangen.

Die normative Austrian School als Sehnsucht nach einer anderen Welt ist da sympathischer – wenn man sie nicht mit der deskriptiven Tradition verwechselt, der sie entstammt.

Ursprünglich erschienen auf eigentümlich frei

Filed Under: Austrian School, Scholien

  • « Go to Previous Page
  • Page 1
  • Interim pages omitted …
  • Page 76
  • Page 77
  • Page 78
  • Page 79
  • Page 80
  • Interim pages omitted …
  • Page 142
  • Go to Next Page »

Copyright © 2025 | scholarium

  • Häufige Fragen
  • Inhalte
  • Kontakt
  • Datenschutzerklärung

Link einfügen/ändern

Gib die Ziel-URL ein

Oder verlinke auf bestehende Inhalte

    Es wurde kein Suchbegriff angegeben. Es werden die aktuellen Inhalte angezeigt. Verwende zur Auswahl eines Elements die Suche oder die Hoch-/Runter-Pfeiltasten.