Am 14. Oktober 2020 verstarb in Budapest der ungarisch-kanadische Ökonom Antal E. Fekete, der sich als Geldtheoretiker in der Tradition von Carl Menger sah. Er blickte auf ein bewegtes und fruchtbares Leben zurück, das typisch für das verrückte letzte Jahrhundert war. Diese Erfahrungen erfüllten Fekete zuletzt mit düsteren Vorahnungen für das aktuelle Jahrhundert. Mögen wir hoffen, dass dieses verrückte Jahr nicht wie schon sein Geburtsjahr eine gesamte Epoche prägen wird.
Antal Endre Fekete wurde am 8.12.1932 in Budapest geboren. Inmitten der schweren Weltwirtschaftskrise grassierte damals Massenarbeitslosigkeit. Ungarn trieb eine schwere Bankenkrise in Richtung National-Sozialismus. Der totalitäre Anti-Semit Gyula Gömbös hatte kurz vor Feketes Geburt die Regierung übernommen. Allerorts führte der Glaube an die Allmacht der Politik zu einer Spirale des Interventionismus und der Polarisierung, die das alte Europa letztlich in Totalitarismus und Krieg zerstören sollte. Die Geldpolitik spielte dabei eine bis heute unterschätzte Rolle.
Fekete erkannte als einer der wenigen Alteuropäer die zentrale Rolle des Geldes, im Positiven als Mittel friedlicher Arbeitsteilung, im Negativen als Opfer und Hebel politischer Interventionsspiralen. Das führte den Mathematiker zur Geldtheorie, in der er sich um eine Erweiterung und Aktualisierung der Alt-Österreichischen Schule der Ökonomik bemühte. Wie bei allen originellen Beiträgen lässt sich noch nicht endgültig abschätzen, ob und welche neuen Irrtümer er dabei einführte. Doch seine Bedeutung als scharfer Denker, der Theorie mit profunden Geschichtskenntnissen verband, wird unterschätzt. Das liegt einerseits an seiner streitbaren Persönlichkeit, die ihn auch mit fast allen Mitstreitern und Wegbegleitern entzweite. Andererseits berührt die Ökonomik Existenzfragen, die sachliche Nüchternheit kaum zulassen. Auch die Vertreter der Österreichischen Schule der Ökonomik müssen im Wahn der Zeit immer wieder Farbe bekennen, und der Diskurs ist von Ideologie, Ängsten und Wunschvorstellungen geprägt.
Die Geschichte hatte für Fekete einschneidende und lebensbedrohliche Lehren zu bieten. 1932 war Ungarn noch am Goldstandard, ein Pengö war definiert als etwas mehr als ein Viertel Gram Gold (aktuell ca. 15 Euro). Als 1946 der Forint eingeführt wurde, ersetzte dieser 400 Quadrilliarden Pengö (29 Nullen!) – nach der bisher schlimmsten Hyperinflation der Geschichte. Jeden Tag hatten sich die Preise verdreifacht. Aktuell entspricht ein Forint etwas mehr als einem Viertel Eurocent.
Angesichts dieser Entwicklung ist es erstaunlich, dass Ungarn nicht mehr große Geldtheoretiker hervorgebracht hat. Das liegt wohl daran, dass die geistigen Folgen solcher gesellschaftlich-wirtschaftlichen Zerrüttung stets dramatisch sind. Zu den Folgen gehören sinkende Lernfähigkeit und wachsende Realitätsflucht, wodurch mit steigendem Schaden paradoxerweise die Wahrnehmung des Schadens schwindet. Deshalb ist die Geldpolitik so beliebt, so gewichtig und so unterschätzt.
Das Unglück, das Antal Fekete bis zur späten Rückkehr aus seiner Heimat vertrieb, erwies sich so als Glück für die Ökonomik. Das ist eine Parallele zu anderen Vertretern der Alt-Österreichischen Schule. Diese Tradition hätte in Europa nicht überlebt. Mengers und Mises’ Erbe wurde vor allem in Nordamerika bewahrt.
Fekete emigrierte mit fast allen anderen ungarischen Freiheitsfreunden 1956, als ein Volksaufstand von der Sowjetarmee blutig niedergeschlagen wurde. Sein Weg führte ihn zunächst nach Wien, knapp jenseits des Eisernen Vorhangs, und dann rasch weiter nach Kanada. Dort begann er seine akademische Karriere als Universitätsprofessor für Mathematik. Er verfasste ein Lehrbuch für Lineare Algebra und eine Handvoll Fachartikel. Für seinen größten Beitrag hält er den Vorschlag für ein Zahlensystem, das beliebig hohe Zahlenwerte mit möglichst wenigen Ziffern – als so wirtschaftlich wie möglich – ausdrückt. Dieses System von „Schrittzahlen“ erfuhr keine Anerkennung und ist typisch für den idiosynkratischen Zugang von Fekete, der auch seine Wirkung in den Wirtschaftswissenschaften beschränkte.
Auf dem ökonomischen Gebiet lag sein eigentliches Interesse und seine Bedeutung. Wie sein Schrittzahlensystem sind seine ökonomischen Ansätze potenziell höchst bedeutend, aber skizzenhaft und durch Eigenheiten geprägt. Trotz dieser Eigenheiten hat sich Fekete nie mit fremden Federn geschmückt, lieber hat er einmal zu viel als einmal zu wenig auf die Schöpfer guter Ideen oder kluger Gedanken namentlich hingewiesen. Auch ermunterte er stets seine Mitstreiter, Argumente zu prüfen und allfällige Verbesserungen oder Korrekturen einzubringen.
Die Fertigstellung seines Lebenswerks gelang Fekete leider nicht. Die Fülle verschiedener Einsichten und Schemen erweist sich aber als Goldgrube für jeden Ökonomen, der um die schwierigsten Fragen der Geld-, Zins- und Kapitaltheorie ringt, und feinfühlig für die verheerenden gesellschaftlichen Folgen falscher ökonomischer Weichenstellungen ist. Feketes Motivation, die menschenverachtenden Konsequenzen der Geldgeschichte aufzuzeigen, durchdringt sein ökonomisches Werk. Empathie für Kriegs- und Inflationsopfer war die Basis seiner Arbeit. Seine mathematische Schulung zeigte sich in stringenter Logik, die aber stets vor der Unberechenbarkeit des Menschen in seiner Einzigartigkeit demütig blieb.
Erste Geltung als Ökonom erfuhr Fekete als er 1974 eingeladen wurden, im Seminar von Paul Volcker seine währungsgeschichtlichen Kenntnisse zu teilen. Volcker sollte bald darauf zum Vorsitzenden des Federal Reserve System werden. Zehn Jahre später wurde Fekete als Gastforscher an das American Institute for Economic Research eingeladen. 1985 schließlich rief ihn die Politik: Kongressabgeordneter William E. Dannemeyer holte Fekete als Berater für Geldreform.
Fekete entwickelte dabei einen Lösungsansatz für die Staatsfinanzierung nach einer Schuldenkrise: die Goldanleihe. Feketes Augenmerk galt stets Alternativen der Finanzierung einer modernen Wirtschaft ohne unbeschränkte Geldschöpfung. Eine Reduktion auf physisches Gold schien ihm dafür unzureichend: Ohne Geldschöpfung durch Banken hätten Anleihen und insbesondere Wechsel wieder eine große Rolle zu spielen.
Erste europäische Anerkennung erfuhr Fekete, als er 1996 einen Preis der Schweizer Bank Lips für einen Essay über die Rolle von Gold in einem Währungssystem erhielt. Schon damals kritisierte er die Geldpolitik scharf, viele Aspekte erwiesen sich als prophetisch. Seine Präzisierung und Weiterentwicklung des Mengerschen Konzepts der Absatzfähigkeit darf als einer seiner größten Beiträge zur Geldtheorie gelten. Der Essay („Whither gold?“) hat nichts an Aktualität eingebüßt und offenbart Feketes enzyklopädische Kenntnis der Währungs- und Ideengeschichte.
Nach seiner Pensionierung wirkte Fekete – wie einst Ludwig von Mises – an der Foundation for Economic Education in Irvington-on-Hudson, New York, und unterrichtete an der Francisco Marroquín Universität in Guatemala sowie der rumänischen Sapientia Universität. Den mexikanischen Unternehmer und Philanthropen Hugo Salinas Price beriet er bei seinem Reformvorhaben, eine Silbermünze als wertbeständigere Sparalternative zu monetisieren. Salinas Price lieferte eine wichtige Einschätzung zu manch Widersprüchen zwischen Fekete und dem von ihm verehrten Ludwig von Mises: „Ich kannte Mises persönlich und habe keinen Zweifel, dass er die erfrischenden Ideen von Antal E. Fekete großzügig aufgenommen hätte.“
Seit 2002 unterrichtete Antal Fekete eine wachsende Zahl an Interessierten über das Internet und in regelmäßigen Seminaren vor allem in Ungarn und in Spanien, wo er mit Juan Ramón Rallo einen kompetenten Ökonomen als Mitstreiter gewonnen hatte. Er trat verschiedentlich unter „Gold Standard Institute“, „Gold Standard University“ und zuletzt „New Austrian School of Economics“ auf. Nachhaltiger Institutionenaufbau scheiterte leider stets an persönlichen Zerwürfnissen.
Zum Glück verbreitete Fekete seine Schriften weitgehend frei über das Internet. So wuchs nach und nach seine Wirkung. Dem scharfen Intellekt Fekete darf manch allzu scharfes Auftreten nachgesehen werden. Er konstatierte mangelnde intellektuelle Weiterentwicklung der modernen „Austrian School“ im Gegensatz zum Alt-Österreichischen Vorläufer. Dieses Manko zu beheben, dafür sind freilich die Schultern eines Menschen zu schmal, auch wenn er selbst auf den Schultern von Riesen steht.
Fekete sah den größten Gegensatz in seinem Eintreten für die sogenannte „Real Bills Doctrine“ von Adam Smith, welche goldgedeckte Wechsel als legitime, weil marktkonforme und selbstbereinigende Form einer Geldmengenausweitung ansieht. Strengere Interpreten der Geldtheorie, wie Mises’ bedeutendster amerikanischer Schüler Murray N. Rothbard, sahen hier ein Einfallstor willkürlicher Geldschöpfung. Kann man diese Wechselbanken anvertrauen? Würden sie mit allfälligen Seigniorage-Gewinnen wiederum politisches Lobbying betreiben und damit nach und nach – als geschütztes Kartell – immer großzügigere Geldschöpfung durchsetzen? Können nur strengste Geldmengenbeschränkungen, die keine Kreditvergabe über die Summe der Einlagen hinaus erlauben, diese Anreize zur schleichenden Enteignung der Bevölkerung vermeiden? Fragen dieser Art können weder Fekete noch Rothbard abschließend beantworten. Wir sollten Denkern dieses Kalibers aber dankbar sein, dass sie das klare Wort nicht scheuten, nicht falsche Harmonie suchten, sondern streitbar für das Streben nach dem Wahren und Guten eintraten.
Antal E. Fekete war ein im persönlichen Umgang berührend charmanter und großzügiger Mensch, dessen Geist bis ins höchste Alter von ungewöhnlicher Schärfe war. Er strahlte in seiner ganzen Persönlichkeit den Geist des alten Europas aus. Gegen Ende des Lebens wurde er wie einst Carl Menger immer düsterer. Die letzte handschriftliche Aufzeichnung, die ich von ihm zu sehen bekam, ließ mir eiskalte Schauer über den Rücken laufen. Er malte in wenigen Worten die Konsequenzen des drohenden Schuldenkollapses aus. Es ist besser diese zu verschweigen, um keine selbsterfüllende Prophezeiung in Gang zu setzen.
Er hatte den Wahnsinn des letzten Jahrhunderts hautnah erlebt, was sein Wesen mit einem charakteristischen Schwermut umgab. Ich hoffe, es ist bloß das ungarische Wesen in ihm, jener Nachhall einer grausamen und paradoxen Geschichte der schwermütigsten Nation Europas. Womöglich war Fekete aber ein Feinfühliger wie Roland Baader. Dann macht allenfalls Mut, dass Fekete um Lösungsansätze bemüht war, um Alternativen für neue Institutionen, wenn sich die bestehenden in großer Ent-Täuschung auflösen.