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Perpetual-Traveling

Rahim Taghizadegan am 16. August 2017

Salon extraordinare mit Christoph Heuermann, der staatenlos die Welt bereist. Ist Perpetual Travelling (PT) ein Weg, Steuer- und anderem Wahnsinn zu entkommen? Mit welchen Risiken, welche Nachteilen, welchen Kosten muss man rechnen? Wie attraktiv ist Reisen auf Dauer? Wie lassen sich ohne PT Steuern optimieren? Welche Flecken der Welt sind die begehrtesten Destinationen für deutsche Steuerflüchtlinge, Politikflüchtlinge und Flüchtlingsflüchtlinge? Was für Menschen sind das überhaupt?



Unser Salon erweckt eine alte Wiener Tradition zu neuem Leben: Wie im Wien der Jahrhundertwende widmen wir uns gesellschaftlichen, philosophischen und wirtschaftlichen Themen ohne Denkverbote, politische Abhängigkeiten und Ideologien, Sonderinteressen und Schablonen. Dieser Salon soll ein erfrischender Gegenentwurf zum vorherrschenden Diskurs sein. Wir besinnen uns dabei auf das Beste der Wiener Salontradition. Ein spannender und tiefgehender Input, meist im Dialog, bringt Ihren Geist auf Hochtouren, worauf dann eine intensive Diskussion in intimer Atmosphäre folgt.

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Filed Under: Salon, Unternehmertum

ICO – Unternehmensfinanzierung in der Ether-Blase?

Rahim Taghizadegan am 26. Juli 2017

Banken engagieren sich immer weniger in der Unternehmensfinanzierung – die Regulierung verbietet die damit verbundenen Risiken, sodass, neben der Immobilienfinanzierung, oft nur noch die vermeintlich risikolose Staatsfinanzierung übrig bleibt. Zur Eigenkapitalfinanzierung hingegen sind die Transaktionskosten oft allzu groß. Ein ICO – Initial Coin Offering – verspricht in dieser Lücke einen beeindruckenden Ausweg für junge Unternehmen mit Affinität zu Blockchain und Kryptowährungen. In erfrischender Regulierungsfreiheit sprießt eine unkomplizierte Liquidität, die für innovative Ideen Risikokapital in atemberaubender Höhe bietet. Das Projekt Bancor, ironischerweise ausgerechnet nach einer politischen Idee von John Maynard Keynes benannt, konnte so eine Finanzierung zu einem Marktwert von $153 Millionen aufstellen. Der Marktwert entspricht dem damaligen Börsenkurs von Ether, jener Kryptowährung, die im Tausch gegen Tokens von den „Investoren“ bereitgestellt wurde. Andere Projekte, die sich so finanzierten, sind etwa der Browser Brave ($35 Millionen), der Rechenleistungsmarktplatz Golem (ca. $300 Millionen) und die Unterhaltungsplattform SingularDTV (fast $100 Millionen). Wie funktioniert diese Finanzierung?

Die Ethereum-Plattform, welche die eigene Kryptowährung Ether nutzt, erlaubt eine relativ einfache Eigenkonstruktion sogenannter Tokens – die wie eine Kryptowährung funktionieren und Gegenstand von smart contracts, von programmierten Vertragsregeln, sein können. Bei einem ICO schicken jene „Investoren“, die vom jeweiligen Unternehmensangebot überzeugt sind, Ether an einen solchen smart contract, der dafür Tokens ausgibt. Dieser Tausch kann dabei beliebig programmiert werden; meist findet er in Form einer Auktion statt – oft einer Rückwärtsauktion mit Tranchen von jeweils beschränkten Tokenzahlen. Ether, jene Kryptowährung, die zur „Investition” nötig ist, kann auf Kryptowährungsbörsen einfach bezogen werden, mittlerweile sogar gegen Euro oder noch einfacher gegen andere Kryptowährungen wie Bitcoin.

Die Anführungszeichen wählte ich oben deshalb, weil der Charakter der Tokens unklar ist. Es handelt sich dabei nicht um Wertpapiere mit verbrieftem Anspruch auf Eigentum, die Aktien entsprechen. Daher ist die Bezeichnung ICO irreführend. Tokens sind de facto digitale Gutscheine, die grundsätzlich gegen Aktien eingelöst werden könnten, doch hier liegt das große Problem der Parallelentwicklung von immer stärker regulierten offiziellen Märkten auf der einen Seite und immer innovativeren inoffiziellen Kryptomärkten auf der anderen Seite. Eine Aktie ist ein Rechtsanspruch auf Dividenden und Stimmrecht. Beides kann grundsätzlich gewährt werden, und eine digitale Mitentscheidung über Tokens ist einfach zu realisieren. Doch fehlt der Rechtsanspruch, der in letzter Instanz ein Anspruch auf legitime Gewalt Dritter zu eigenem Gunsten ist. Somit bleibt alleine das Vertrauen oder die Hoffnung in spätere Token-Käufer – verbliebe bloß letzteres, so würde in einem großen Pyramidenspiel das übrige Vertrauen auch noch verspielt werden.

Gegen funktionierende offizielle Institutionen, bei denen Vertrauen durch Sanktionen ergänzt wird, hätte eine solche rein vertrauensbasierte Finanzierung keine Chance. Doch die Institutionen funktionieren längst nur noch für die Großen. Für kleinere und jüngere Unternehmen steht bis zur Aktienausgabe und damit wirklich flüssigen Eigenkapitalfinanzierung eine Schwelle von vielen Millionen, die verdient oder vom Staat erschnorrt werden müssen. Gewiss, dazwischen gibt es auch noch Venture Capital, das ist aber allzu rar und giert nach großen Anteilen. Regulierung und das Kartell der „freien Berufe“ verteuern und erschweren jede Eigenkapitallösung wie Mitarbeiterbeteiligungen. Darum treten smart contracts als direkte Kampfansage gegen Notare, Treuhänder und Anwälte auf – tatsächlich ist es freilich eine Kampfansage gegen politisch aufgeblasene Transaktionskosten, welche die Marktwirtschaft immer mehr nach einer exklusiven Konzernveranstaltung aussehen lassen. In diesem Sinne ist jedes ICO ein revolutionäre Akt der Selbstbefreiung von Unternehmertum. Leider ist bei Revolutionen aber selten Zeit und Muße für Vorsicht, Bedächtigkeit, Maßhalten, oder gar dafür, etwas aus der Geschichte zu lernen. Das beschwört stets Gegenreaktionen herauf. Der aktuelle ICO-Trend ist überdehnt und läuft auf eine Korrektur hinaus. Es ist ungewiss, was dann bleiben wird – und ob nicht die Regulierer und Abwürger die Oberhand gewinnen, weil man sie bestätigt sieht.

Eigenkapitalfinanzierungen für Unternehmen waren in der Vergangenheit oft Überdehnungen ausgesetzt. Sie sind besonders schwierig, weil die Ungewissheit des Unternehmertums eben zu besonders kontrazyklischen Phänomenen führt. Diejenigen Unternehmer mit der größten Wertschöpfung schaffen neue Produkte und Märkte – das bedeutet aber, dass ihr Erfolg von kaum jemandem abgesehen werden kann. Im Moment sind sie nicht von den unzähligen Spinnern zu unterscheiden, die niemals Erfolg haben werden. Darum lässt sich in normalen Phasen kaum Eigenkapital aufstellen – normale Menschen riskieren keine Totalverluste, denn sonst wären sie ja verrückt. In verrückten Zeiten hingegen, in Phasen der Umwertung der Werte, verdichtet sich das Pseudorisiko, die hochriskante FOMO (Fear of missing out) – die Angst, etwas zu verpassen. Die Unbeschränktheit der Erfolgsaussichten eignet sich für Versprechen und Phantasien besonders gut. Die wenigen kompetenten Bücher neuerer Wirtschaftsgeschichte sind voll von Eigenkapitalmanien und der daraufhin einsetzenden Reaktionen. Wir haben es mit einer psychologischen Besonderheit der Unternehmensfinanzierung zu tun – rechtzeitig sind die guten Spinner, diese sind aber von schlechten nicht unterscheidbar, und letztere häufen sich dann erst im Hype. Darum stimmt eben die alte Formel der Unternehmensfinanzierung von den drei F: Family, friends and fools. Diese drei Gruppen sind die Adressaten von Eigenkapitalfinanzierungen. Und wenn es plötzlich so viele Spinner gibt, dass sie zahlenmäßig Familie und Freunde in den Schatten stellen, ist das kein gutes Zeichen.

Um ein ICO zu „zeichnen“, muss man ein Spinner sein. Die frühen waren es noch teilweise im guten Sinne, etwa beim einstigen Ethereum-ICO, der Lancierung der Plattform, auf der heutige ICOs oft basieren. Ihre Pionierleistung wurde durch einen tausendfachen Wertanstieg honoriert, der Erwartungshaltungen und Gier weckte. Die hohen Ether-Investitionen in heutige ICOs erklären sich hieraus: Da der Börsenkurs für Ether so stieg, sitzen nun Tausende auf unglaublichen Dollarwerten – die allerdings noch weitgehend uneingelöst sind, und Börsenkurse kann man nicht einfach multiplizieren. Das berechtigte Misstrauen in den Dollar erklärt, warum es bei der „Einlösung” nicht so drängt – und diese unter Anführungszeichen zu setzen ist. Immerhin ist Ether als Kryptowährung zugleich ein unkorreliertes Anlageasset mit historisch beeindruckender „Performance“, sodass der Verkauf gegen digitale Dollar, die dann auf den Konten wackeliger Banken herumliegen (weil alle anderen Assets schon allzu teuer sind), sich nicht nach Wertsicherung anfühlt. So verschieben „Investoren” allzu leichtfertig hunderte Ether, mit denen sich sonst bislang nur wenig Interessantes tun lässt, in interessant klingende Projekte – die frühen Einsteiger hatten sie für Bruchteile eines Dollars bekommen.

Doch könnte es nicht eine innovative Finanzierungsform sein, wenn ein Unternehmen digitale Gutscheine ausgibt? Wir bewegen uns dann im Nahebereich des Crowdinvesting – doch auch dieses ist eher ein Phänomen für fools als für Investoren im klassischen Sinne, wie diese Analyse zeigte. Gutscheine haben nur dann einen Marktwert, wenn sie einen günstigeren Bezug von Produkten oder Aktien erlauben, oder – und das könnten digitale Gutscheine ermöglichen – in beschränkter Zahl ausgegeben werden und zum Bezug der Produkte notwendig sind. Ersteres führt zu einem Nachteil für spätere Investoren, letzteres zu einem Nachteil für spätere Kunden – im Gegensatz zum Wachstumsinteresse der frühen „Investoren“.

Ersterer Fall entspricht einer Optionsanleihe, Wandelanleihe oder stark diskontierten Gutscheinen für Warenkontingente. Der das Ausfallrisiko abgeltende Mehrwert liegt also für den „Investor“ darin, im Erfolgsfall mehr Wert für weniger Preis zu bekommen. Im Silicon Valley setzt sich, zur Umgehung der Transaktionskosten, eine einfachere Alternative zur Optionsanleihe durch – die vertragliche Zusicherung von Unternehmensanteilen gegen eine Pseudoanleihe ohne Verzinsung und Laufzeit. Das Venture Capital-Unternehmen Y Combinator nennt seine Modellverträge SAFE (kurz für: simple agreement for future equity). Das Wortspiel ist mindestens so irreführend wie ICO – es handelt sich um hochriskante Mezzaninfinanzierung. Ohne die verrückte Geldblase unserer Zeit würden sich dann kaum noch Investoren finden, die in ein Unternehmen einsteigen, nachdem es bereits einen beträchtlichen Unternehmensanteil anderen als Schuld verschrieben hat. Doch FOMO führt dazu, dass Y Combinator einige lukrative Deals gelingen: Wenn der Preis schon bei einem Exit nach oben unbeschränkt ist, ganz ohne Profitabilität und Börsengang, spielen die Details keine große Rolle mehr.

Letzterer Fall ist noch interessanter, weil ungewohnter. Digitale Gutscheine könnten eben dadurch Wert gewinnen, dass das Unternehmen in diesen fakturiert – also spätere Kunden diese Gutscheine nachfragen müssen, um an die Güter und Leistungen des Unternehmens zu gelangen. Doch dies verteuert diese Güter oder Leistungen: Einerseits ist der Umweg über Tokens für Kunden umständlicher, sofern er nicht nahtlos und direkt erfolgt – also im Unternehmen an der digitalen und analogen Kassa eine automatische Token-Börse betrieben wird. Andererseits ist der Aufwand für das Unternehmen größer. Ein Konkurrent könnte die Produkte kopieren und durch Verzicht auf das Token-System günstiger produzieren – sofern keine proprietäre Technik verwendet wird. Viele Blockchain-Projekte sind Open Source, was Letzteres ausschließt. Kaum eines der aktuellen ICOs hat bislang einen überzeugenden Vorschlag hinsichtlich des Token-Wertes gemacht, oft allein schon deshalb, weil überhaupt noch keine Produkte konkretisierbar sind, anhand derer man hinsichtlich der Bezahlungsmodalitäten und Konditionen ein Wertversprechen formulieren könnte. Es handelt sich also um eine Vermischung: An die Stelle von Eigentumsanteilen treten digitale Gutscheine, die aber eigentlich keine Gutscheine sein können, weil es noch kein Gut gibt. Das führt zu extrem schlechten Anreizen für die Unternehmer, oder anders formuliert: zu einer für Unternehmer extrem attraktiven Form der Finanzierung. Nachhaltig kann diese nicht sein, denn nun drängt alles zu einem ICO – irgendwann müssen reale Unternehmen aber den aufgestellten Ether an Schnittstellen mit der offiziellen Welt, in der Mieten und Steuern fällig sind, umtauschen und damit auf den Markt werfen. Handelt es sich im eigentlichen Sinne um eine Blase? Wann platzt sie? Was wird bleiben?


Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.

Filed Under: Bitcoin, Scholien, Unternehmertum, Vermögensanlage

Die große Verlockung der Teilreservebanken

Rahim Taghizadegan am 20. Juli 2017

Im 19. Jahrhundert konnten viele Unternehmer ihren Kreditbedarf über Wechsel decken. Diese stellen eine Art Universalgutschein dar. Der Unternehmer bezahlt seine Zulieferer durch diese Wechsel, die ersterer begleicht, sobald er die fertigen Konsumgüter verkauft und damit Erlöse erzielt hat. Der Zulieferer kann die Wechsel bei einer Diskontbank schon im Vorhinein einlösen, die Bank nimmt dafür einen Abschlag vor – den Diskontsatz. Dieser hängt von der Einschätzung der Gewissheit der Verkaufserlöse ab – Konsumgüter mit gewiss hoher und schneller Nachfrage oder besonders wertstabile Konsumgüter erlauben die günstigsten Wechsel, sodass solche Unternehmer ihre Geschäftstätigkeit sogar rein wechselfinanziert ausweiten können, ohne weitere Kredite aufzunehmen oder Unternehmensanteile abzugeben. Diesen Mechanismus sieht der ungarische Ökonom Antal Fekete als wesentlich an, um eine rein marktgetriebene Flexibilität der Geldmenge zu erlauben, die sich stets selbst bereinigen würde.

Die nähere historische Analyse weist jedoch auf einige Schwierigkeiten und problematische Anreize dieser Wechselfinanzierung hin, die uns helfen, die Entwicklung des heutigen Finanzsystems etwas besser zu verstehen. Ein detaillierter Blick auf das Wien des 19. Jahrhunderts erklärt die damalige Dynamik der Unternehmensfinanzierung:

Ein Fabrikant hat einen Posten Waren hergestellt, die einen gewissen Wert darstellen, da sie jederzeit verkauft werden können. Der Verkauf erfordert aber Zeit, während der die Warenerzeugung in der Fabrik weitergeht. Es müssen daher die Löhne und anderen Produktionskosten bezahlt werden. Der Unternehmer verfügt aber nicht über soviel Geld, er muß sich für die Zwischenzeit, bis der Erlös der gefertigten Waren eingeht, Geld ausborgen. In der gleichen Lage ist der Großkaufmann, der Ware zum Weiterverkauf übernahm. Die Bank aber sammelt die freien Gelder und gibt sie an den Handel und an die Industrie weiter. Verfügt auch die Bank nicht über genügend Bargeld, so leiht sie sich Geld bei der Notenbank aus, der sie dafür einen Handelswechsel ausstellt. Die Notenbank druckt neues Papiergeld, übergibt es der Privatbank und nimmt als Deckung für die ausgeliehenen Banknoten den Wechsel der Bank. Dieser Wechsel ist ja letzten Endes nichts anderes als die fertige, aber noch nicht verkaufte Ware in anderer Form. Die Privatbank verlieh das Geld, das sie von der Notenbank übernommen hatte, an die Unternehmer weiter, wobei sich eine recht beträchtliche Gewinnspanne ergab. Denn der Zinsfuß der Nationalbank betrug meist 4 Prozent, das heißt, die Privatbank mußte für das geliehene Geld eine vierprozentige Verzinsung leisten. Für die Kunden der Privatbanken stellte sich der Zinsfuß auf 8 bis 12 Prozent und unter Umständen sogar noch mehr. Da die Notenbank nur an die Privatbanken Geld ausborgte, waren alle kreditsuchenden Kaufleute und Gewerbetreibenden auf die Privatbank angewiesen, der so hohe Zwischengewinne zuflossen. Die Fabrikanten des Vormärz stammten mit wenigen Ausnahmen aus dem Handwerkerstand. Sie hatten ihre Betriebe immer mehr vergrößert und ausgebaut, bis aus den handwerksmäßigen Unternehmungen Manufakturen und Fabriken wurden. Um Politik haben sich die Industriellen des Vormärz nicht viel gekümmert. Sie hatten mit dem Auf- und Ausbau ihrer Betriebe genug zu tun. Die hohen Steuern, die zahlreichen bürokratischen Vorschriften, die Erzeugung und Absatz hemmten, die Abhängigkeit von den Privatbanken waren ihnen wohl lästig, da aber […] die Geschäfte blühten, nahmen sie das in Kauf. Erst die Wirtschaftskrisen der vierziger Jahre trieben auch die industrielle Bourgeoisie in die Reihen der Unzufriedenen.

Hier wird die Lage des Vormärz beschrieben – der Zeit vor der Märzrevolution, in der soziale Gegensätze anhand wirtschaftlicher Krisenverwerfungen politisiert wurden. Das Geldwesen war schon damals monopolisiert, der Kapitalmarkt aber noch nicht voll funktionsfähig. Der Wechsel erlaubte in der Tat eine Finanzierung auch für Unternehmer, die nicht dem politischen Klüngel angehörten, aber attraktive Güter hervorbrachten. Damit wurde aber eine Schieflage sichtbar, die nicht dem Wechsel oder den Unternehmern anzulasten ist, sondern ihren Grund im unentwickelten, politisch beschränkten Kapitalmarkt findet. Bei der Wechselfinanzierung haben die Produzenten teurer Konsumgüter einen Vorteil. Größere und längerfristige Investitionen, die der breiten Masse zugute kämen, lassen sich über Wechsel nicht finanzieren. So trat die systemische Ungleichheit der Verhältnisse bei der Finanzierung offen zutage, was den Unmut der Proletarier befeuerte und sie gegen die fiktive Klasse der „Unternehmer“ aufbrachte. Denn während die Kaufhäuser voll von Luxusgütern waren, stockte der Bau:

Die Bautätigkeit war damals ausschließlich privater Initiative überlassen. Nun war für die Zeit nach 1816 Geldknappheit kennzeichnend. Durch den Staatsbankrott von 1811 waren zahlreiche Vermögen zerstört worden […]. Nun hatte sich aber die Bevölkerung der Stadt Wien von 1827 bis 1847 um 123.131 Köpfe vermehrt. Der Zuwachs der einheimischen Bevölkerung machte dabei nur 14.000 Menschen aus, 109.000 waren zugewandert. Noch weit stärker aber war der Zuzug nach den Vororten außerhalb des Linienwalls und nach den neuen Fabrikdörfern in der Umgebung Wiens. In der gleichen Zeit wurden in Wien innerhalb des Gürtels 900 Häuser gebaut. Das Bevölkerungswachstum betrug somit 42,5 Prozent, der Zuwachs an Wohnraum aber nur 11,4 Prozent.

Das führte zur verhängnisvollen Wahrnehmung, dass das Unternehmertum beim Wohnbau gescheitert wäre – tatsächlich war die Finanzierung gescheitert, weil die Geldmengenausweitung vorrangig in Staatsausgaben floss und mangelnde Währungsstabilität Anleihen unterminierte. So wurde Wien zum Vorreiter des „sozialen Wohnbaus“. Diese Finanzierungslücke am Markt zu schließen, wäre wohl nach einigen Anlaufschwierigkeiten bald gelungen. Doch dabei machten sich bereits verheerende Anreize durch die leicht verzerrten Rahmenbedingungen bemerkbar. Die Banken drängten zur Kreditmengenausweitung.

Vor den Möglichkeiten der digitalen Giralgelder war das nicht so einfach möglich. Banken halfen sich mit der Ausgabe von Banknoten und Bankakzepten. Letztere sind heute kaum noch ein Begriff, doch ihre Rolle bei der frühen Kreditmengenausweitung war erstaunlich groß. Bei Bankakzepten handelt es sich um Lückenfüller für Wechsel, eine Art Bankwechsel, welche die Bank dem zu finanzierenden Unternehmen ausstellt, das diese dann wie Wechsel zur Bezahlung von Lieferanten verwenden kann. Eine Bank erzeugt allerdings keine Konsumgüter und ist daher eigentlich vom Handelswechselgebrauch ausgeschlossen. Doch einen anderen Wert schuf die Bank zur antizipierten „Deckung“: Emissionen von Aktien dieser vorfinanzierten Unternehmen. Deckung ist hier in Anführungszeichen gehalten, weil die Antizipation einer Deckung natürlich keine Deckung ist, sondern ein Drahtseilakt über dem Abgrund des Betrugs. Der deutsche Ökonom Heinrich von Rittershausen zitiert einen damaligen Bankier:

„Der Umlauf von Bankakzepten“, sagt der ausgezeichnete Bankdirektor und Praktiker Käferlein, „hatte bei uns riesigen Umfang angenommen. Soweit große, prosperierende Unternehmungen hieran beteiligt waren, bildeten häufig derartige Kredite die Vorläufer von Emissionen. Die Bankengagements pflegten in absehbarer Zeit dadurch ihre Erledigung zu finden, daß die betreffenden Unternehmungen von den Banken veranlaßt wurden, neue Aktien oder Obligationen auszugeben.” Ein großer Teil dieses Akzeptsumlaufs befand sich im Portefeuille der Reichsbank, das vor dem Kriege zeitweise zu mehr als 50 % Privatdiskonten enthalten haben soll. […] Ähnliches sagte der Sachverständige Bernhard in der Reichsbank-Enquete 1929 (Bericht S. 142): „Wenn eine Bank früher mit ihren Mitteln knapp war, und sie hatte Kredite zu gewähren, die sie an sich nicht gut versagen konnte — sie hat das auf die verschiedenen Kunden verschieden verteilt — dann hatte sie schon im Interesse ihrer eigenen Kapazitätsausnutzung ein Interesse daran, die Gewährung ihres eigenen Akzepts an die Stelle von Hergabe von Geld im Kontokorrentverkehr treten zu lassen.“ Die Diskontierung von Bankakzepten durch die Reichsbank war also vor dem Kriege der gangbare Weg zur Bereitstellung der Banknoten und des Bargeldes

Rittershausen war ein begeisterter Verfechter dieser Bankakzepte und der damit verbunden Kreditmengenausweitung. Sie ging auch relativ gut, wenn man von der Verstärkung der systematischen Ungleichheiten absieht, die letztlich die antimarktwirtschaftlichen Gegenreaktionen von internationalem und National-Sozialismus befeuerten. Wirtschaftlich gingen diese Drahtseilakte in Deutschland und Österreich im 19. Jahrhundert deshalb oft gut, weil es einerseits eine Phase rasanten Aufholwachstums war, in der unternehmerische Ansätze aus Großbritannien zum Teil einfach übernommen wurden – den jeweils ersten Unternehmen war dadurch oft vorgezeichneter Erfolg beschieden. Wettbewerb hätte diesen Erfolg freilich ungewisser gemacht, doch das Bankenkartell schuf gerade durch die selektive Kreditgewährung künstliche Monopolpositionen. Im Zusammenspiel von staatlichen Privilegien für wenige Großunternehmer und wenige Bankiers wurde so das unternehmerische Risiko gedrückt – bezahlen musste dafür die breite Masse. Schon in ihren Anfängen war Marktwirtschaft also in unseren Breiten eine stark verzerrte Angelegenheit.

Die Bankakzepte, so wie parallel dazu auch die Banknoten, waren Instrumente eines Teilreservebankensystems. Das bedeutet, dass die Deckung dieser Wertpapiere nicht durch bereits vorhandene geschaffene und gesparte Güter gewährleistet wurde, sondern dass Papiere in Antizipation von erst zu produzierenden Gütern ausgegeben wurden. Die Bank konnte also ihre Bilanz verlängern, ohne Gegenwerte aufzuweisen – was für die Bank natürlich günstig war, allerdings das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit der Bank nach sich zog. Die Bank agierte als Investmentbank – insbesondere im deutschen Raum spielten solche Industriebanken eine besonders große Rolle.

Welche Anreize steckten hinter der Ausweitung der Bankakzepte? Deuten diese auf einen marktwirtschaftlichen Ursprung des Teilreservebankensystems hin? Könnte sich Ähnliches auf Blockchain-Basis entwickeln? Welche unternehmerischen und politischen Schlüsse lassen sich daraus ziehen?


Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.

Filed Under: Scholien, Vermögensanlage

Amerikanische Weltbewirtschaftung – eine chinesische Perspektive

Rahim Taghizadegan am 14. Juli 2017

Wenn Politiker von Werten sprechen, anstatt ihre Interessen zu benennen, sollte man schnell den Raum verlassen, da diese in der Regel nur der Mantel für die Durchsetzung politischer Partikularinteressen sind. Die großen politischen Ent-Täuschungen bringen eine neue Nüchternheit in die politische Diskussion, und der Begriff Realpolitik im Sinne von Interessenpolitik wird immer häufiger gebraucht.

In geopolitischer Dimension bedeutet dies, dass der Hauptnarrativ der USA als wohlwollendes Imperium durch andere Mitspieler in der multipolaren Weltordnung (Russland, China) angegriffen wird. Ein Großteil dieser realpolitischen Analysen führt die globale Dominanz der USA mehrheitlich auf Rüstungsausgaben, Flottenstärke und ausländische Militärbasen zurück. Globale Dominanz jedoch nur auf die Stärke und Schlagkraft einer Armee zurückzuführen, ist insbesondere in einer wirtschaftlich stark vernetzten Welt ein unzureichender Erklärungsansatz. Insbesondere die Macht, die von der weltweiten Leit- und Reservewährung US-Dollar ausgeht, muss bei einer realistischen Analyse miteinbezogen werden. Dies hat jüngst Qiao Liang, ein General der chinesischen Volksbefreiungsarmee, in einem Vortrag zum Ausdruck gebracht. Er sieht eine hybride Kriegsführung, die auf finanz- und wirtschaftspolitische Aggression setzt, an Bedeutung gewinnen.

Die Nachkriegsordnung nach 1945 basierte im Wesentlichen auf drei institutionellen Säulen: dem politischen System der vereinten Nationen, dem Handelssystem der WTO (zunächst GATT) und dem Finanzsystem des Bretton Woods-Abkommens. Insbesondere letzteres war von überragender Bedeutung für die Steuerung der Weltwährungen über die Koppelung an den US-Dollar. Wie Murray Rothbard in seinem Buch „Das Scheingeldsystem“ nachzeichnete, hat insbesondere die Hochinflationspolitik der USA, die jene zur Finanzierung weltweiter Kriege notwendigen Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat, den realen Außenwert des US-Dollars unter Druck gesetzt. Entstehende Handelsbilanzdefizite gegenüber den Ländern Westeuropas, die sich nach dem Krieg wirtschaftlich rasch erholten, führten zur Anhäufung großer US-Devisenreserven – eine Entwicklung, die allen voran die französische Regierung skeptisch betrachtete. Präsident De Gaulle forderte mit Nachdruck die Einlösung der Devisenreserven in Gold, und auch andere Länder stellten Teile ihrer Reserven „fällig“. Es war der Beginn vom Ende des Nachkriegswährungssystems von Bretton Woods, und im August 1971 erklärte der damalige US-Präsident Nixon die temporäre Aussetzung der Bindung des Dollars an Gold – wie wir heute wissen, war diese jedoch endgültig. Die USA standen vor einem finanzpolitischen Trümmerhaufen, und die Sorge war berechtigt, dass nun der Dollar lediglich grün bedrucktes Papier wäre, seines Vertrauens als kaufkräftige Währungseinheit beraubt. Was zunächst als Nachteil interpretiert wurde, entwickelte sich für die USA jedoch zum entscheidenden Durchbruch auf dem Weg zum Weltimperium. Liang gibt folgende Einschätzung:

Wenige Menschen hatten von den Vorgängen [Lösung der Goldbindung, Anm.] ein klares Verständnis. Bürger und auch Ökonomen und Finanzexperten haben nicht realisiert, dass das wichtigste Ereignis im 20. Jahrhundert nicht die Beendigung des Ersten oder Zweiten Weltkrieges oder der Fall des Sowjet-Imperiums war, sondern die am 15. August 1971 stattgefundene Lösung des Dollars von Gold. (Liang, 2015)

Der Zynismus dieser Aussage ist wohl nur verständlich, wenn man sich vor Augen führt, dass sie von einem chinesischen Armeegeneral kommt, der die geopolitische Realität als Schachspiel interpretiert, in dem die Opfer von verheerenden Feldzügen und totalitären Regimen als unwichtiger angesehen werden als die Manipulation des Weltfinanzsystems. Vor dem Hintergrund seiner Wahrnehmung und der zeitgeschichtlichen Analyse aus asiatischer Sicht ist die Aussage jedoch verständlich. Was ist also am 15. August 1971 wirklich passiert?

Der erwartbare Vertrauensverlust in den US-Dollar blieb aus. Die Menschen waren den US-Dollar im internationalen Handel noch immer gewöhnt (wenn auch skeptisch, was seine zukünftige Kaufkraft betrifft, da seine Deckung in Gold ja gelöst ist), und viele US-Devisenreserven aus den Leistungsbilanzüberschüssen der Handelspartner suchten nach attraktiver Veranlagung im amerikanischen Kapitalmarkt. Dies erklärt den Unterschied zwischen Leitwährung und Reservewährung: Während erstere die Abrechnung von Güterströmen in einer einheitlichen Währung bedeutet, ist zweitere die Veranlagung von Devisenüberschüssen an einem hochliquiden Kapitalmarkt, wie beispielsweise an der Wall Street. Für manche Handelsströme könnte der Euro als Leitwährung interpretiert werden, die europäischen Kapitalmärkte sind aber, was ihre Liquidität und das Handelsvolumen betrifft, mit jenen der USA nicht zu vergleichen. Die USA nutzten das Restvertrauen in den Dollar und festigten ihn als Leit- und Reservewährung im internationalen Handel in führender Stellung durch die erfolgreiche Anbindung an das OPEC-Kartell. Seit 1973 wird der internationale Ölhandel ausschließlich in Dollar abgewickelt (später folgten alle anderen wichtigen Industrierohstoffe). Da alle Industrienationen sowie Entwicklungsökonomien auf Öl als Rohstoff angewiesen sind, entstand eine permanente Nachfrage nach Dollar. Die Dollar-Hegemonie entstand – in den Augen von Liang ein genialer Schachzug der USA:

Die Amerikaner waren in ihrer Sache klar: Die Menschen mögen dem Dollar ablehnend gegenüber stehen, aber sie können nicht ohne Energie leben. Jedes Land brauchte für seine Entwicklung Energie. Somit übersetzte sich die Nachfrage nach Energie in eine Nachfrage nach Dollar. […] Seit diesem Tag ist das erste wahre Finanzimperium der Weltgeschichte entstanden. US Staatsschulden sind die einzige Deckung des Dollar. Die US machen somit Profit vom Rest der Welt, in dem sie reale Güter durch Produktion von grün bedrucktem Papier erhalten. (Liang, 2015)

Die inhärente Logik des globalen US Finanzimperiums, das mit dem Dollar Leit- und Reservewährung stellt, unterscheidet sich in der Tat diametral von allen anderen Ökonomien. Während normale Handelspartner reale Güter und Dienstleistungen miteinander tauschen, wobei Geld als Transmissionsmechanismus genutzt wird, tauschen die USA reale Güter gegen den Transmissionsmechanismus selbst – ein unschlagbarer Vorteil, Reales für Nominales zu bekommen!

Die unbeschränkte Geldproduktion läuft natürlich Gefahr, massive Teuerung im Inland nach sich zu ziehen, jedoch muss hierbei bedacht werden, dass rund zwei Drittel der Dollar-Geldmenge im Ausland zirkulieren und die USA einen Anreiz haben, die Welt-Devisenüberschüsse ins eigene Land zurückzuholen, da diese über financial engineering an den Börsen weiter gehebelt werden können und somit enorme nominelle „Wertschöpfung“ für die US-Finanzwirtschaft bedeuten. Im BIP der USA von 2015 in Höhe von $18 Billiarden werden nur noch $5 Billiarden von der Realwirtschaft erbracht. Der Zyklus von Dollar-Produktion, Dollar-Export (aufgrund der Leitwährungsfunktion) und späterem Rückimport der Devisenüberschüsse stellt die Vormachtstellung des Dollars sicher.

Der massive Export des Dollars in den Rest der Welt (angezeigt durch einen fallenden Dollarindex) bringt nicht notwendigerweise nur Nachteile für die „Empfängerländer“ im Dollar-Nexus mit sich. Zunächst befeuert der Export von Kapital die Konsum- und Investitionstätigkeit in den Transformationsökonomien, jedoch zum Preis finanzwirtschaftlicher Abhängigkeit und letztlich geopolitischer Nachteile. Am besten lässt sich dies an den Krisen in Südamerika zu Beginn der 1980er-Jahre und der Asienkrise 1998 zeigen. In Südamerika prosperierte aufgrund der beschriebenen Kapitalflüsse die Wirtschaft, gleichzeitig zog in den USA jedoch die Inflation an, was die Zentralbank dazu veranlasste, schrittweise die Zinsen zu erhöhen. Dies bedeutete, dass immer weniger Dollar-Kredite in Südamerika vorhanden waren, was letztlich zum Crash führte. Investoren zogen das Kapital systematisch ab und investierten in den US Finanzmarkt, was zu einem massiven Bullenmarkt bis 1986 führte. Interessanterweise nutzten einige Investoren die Gunst der Stunde und kauften mit ihren Dollarüberschüssen zu Ausverkaufspreisen die Assets der südamerikanischen Wirtschaft auf. Liang deutet dies so:

Die Amerikaner begnügten sich nicht mit der Partizipation an ihrem eigenen, inländischen Bullenmarkt. Einige nahmen das leicht verdiente Geld und kauften damit die Assets in Südamerika, deren Preise gerade ins Bodenlose gefallen waren. Die USA ernteten großzügig von der danieder liegenden südamerikanischen Wirtschaft.

Er meint hier den Beginn eines wiederkehrenden Handlungsmusters nach dem Ende des Bretton Woods-Systems zu erkennen. Nach den Jahren eines US-Bullenmarktes (1981-1986) sah die Finanzwelt wieder eine Phase der Inflationierung und des Fallens des Dollarindex für mehr als zehn Jahre. Wieder wurde die Welt – in diesem Fall im Wesentlichen die Tigerstaaten Süd-Ost-Asiens – mit frischen Kapital geflutet. Als die USA die Finanzströme umzuleiten begannen, indem wieder die Geldmenge reduziert wurde, stürzten die asiatischen Tigerstaaten in eine tiefe Rezession. Daraufhin begannen die Investoren, Geld aus Asien abzuziehen und am Dollar-Heimmarkt zu investieren; ähnlich wie in Argentinien in den 1980er Jahren nutzten geschickte Investoren die Gunst der Stunde und sicherten sich zu Dumping-Preisen Assets in Südostasien. Das wäre nach Liang als „Erntesaison“ zu interpretieren, die periodisch auf die Saat des billigen Geldes folge.

Liangs Ausführungen deuten das Wirtschaftsgeschehen der jüngeren Geschichte also als Verschwörungen zugunsten der USA und den US-Wohlstand zumindest teilweise als Beute eines verdeckten Wirtschaftskrieges, bei dem Finanzkapital letztlich wichtiger sei als Flotten. Handelt es sich hier also um eine „Verschwörungstheorie“? Wie lässt sich Chinas Strategie in diesem Kontext deuten? Welche Konflikte drohen?


Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.

Filed Under: Geopolitik, Scholien

Gold, Wechsel, Anleihen – ein alternativer Kapitalmarkt nach Antal E.Fekete

Rahim Taghizadegan am 8. Juli 2017

Wie könnte ein nachhaltiges Finanzsystem aussehen, in dem zwischen den Interessen von Anlegern, Unternehmern und Konsumenten ein fruchtbarer Ausgleich gelingt? Die Skepsis über die Nachhaltigkeit der bestehenden Verhältnisse ist schon weit verbreitet, doch die Lösungsansätze widersprechen sich völlig. Das Spektrum der Vorschläge reicht vom Goldstandard zum Vollgeld. Wiewohl bei der Analyse der Verhältnisse oft Übereinstimmung gegeben ist, gewichten diese Vorschläge zwei Aspekte jeweils gegengleich: Die Vertreter eines Goldstandards sehen als wesentliche Voraussetzung einer Gesundung der Wirtschaft Geldmengenstabilität, die, um inflationären Interessen standzuhalten, am besten ohne jedes Vertrauen auskommen sollte. Darum böte sich Gold an, denn dieses sei als Sachwert der Konvention entzogen – Materie bleibe Materie, ganz unabhängig davon, was die Menschen glauben, meinen oder wollen. Der gegenläufige Ansatz kritisiert an den momentan Verhältnissen eher den Mangel an Vertrauen zugunsten der konservativen Stabilität bestehender Interessen und Ansprüche. Ein Vollgeld als reines Zeichengeld wäre bloße Konvention, damit flexibler, transparenter und gerechter.

Einen marktorientierten Zwischenweg schlägt der ungarische Ökonom Antal Fekete vor. Er hält am Gold fest als notwendige stabile Basis. Doch diese Basis sei alleine ungenügend, um eine moderne Wirtschaft mit Liquidität zu versorgen. Es brauche zudem eine größere und flexiblere Vertrauensstruktur, die auf dieser Basis zu errichten sei. Dabei komme man aber mit am Markt entstandenen Institutionen aus: dem Wechsel und der Anleihe. Der Wechsel erlaube konsumnahen Unternehmern die kurzfristige Finanzierung, während die Anleihe für konsumfernere, langfristige Investitionen nötig sei. Beide Kreditformen würden auf Gold beruhen, erstere sich sogar selbst liquidieren.

Aufgrund von Feketes Skepsis gegenüber dem reinen Goldstandard erfuhr er harsche Kritik von Seiten einiger Vertreter der Wiener Schule, insbesondere jener, die mit dem Mises Institute in Auburn verbunden sind. Daraufhin hob sich Fekete etwas von Mises ab, kritisierte diesen sogar, vom Weg Carl Mengers etwas abgewichen zu sein. Diese Debatte ist nicht sonderlich fruchtbar und beruht auf einigen Missverständnissen. Einerseits war der Goldstandard gerade Voraussetzung von Wechsel und Anleihen – da hat Fekete recht, doch seine Argumente gegen einen „reinen“ Goldstandard führen in die Irre. Antal Fekete hat den alten, britischen Kontext vor Augen, Ludwig von Mises wiederum den alt-österreichischen, heutige Vertreter der Wiener Schule im Wesentlichen den US-amerikanischen. Letztere zwei Kontexte sind durch politischen Inflationsdruck gekennzeichnet, im britischen Kontext hingegen gab es in der Tat eine Phase eines händlerfokussierten Finanzsystems, das nie völlig rein von Politik, Gewalt und Betrug war, aber doch zum Inbegriff der marktbasierten Finanzierung europäischen Welthandels wurde. Verständlich ist daher heute die Sorge in den USA, inflationäre Kräfte weiter zu befeuern, die ohnehin schon eine weltweite Schieflage hervorgebracht haben – daher auch die Sensibilität gegenüber Feketes Argumenten. Diese entstammen einer anderen Epoche. Heute spielt der Wechsel keine Rolle mehr, und Anleihen haben wenig mit den „gold bonds“ gemein, von denen Fekete schreibt. So wird sein Ansatz missverstanden. Man muss ihn lesen als eine marktorientierte Analyse alternativer Vertrauensstrukturen.

Was ist eine Vertrauensstruktur? Ludwig von Mises schrieb von Geldsubstituten. Aus Gründen der Praktikabilität und Flexibilität fragen komplexe Gesellschaften komplexere Finanzstrukturen nach – alle möglichen Spielarten von Verträgen über Geld und Güter. Je höher das Vertrauen in einer Gesellschaft, desto ökonomischere Strukturen sind möglich – desto längerfristige Verträge mit geringeren Transaktionskosten. Der Kern von Feketes Analyse ist die Überlegung, was einen nachhaltig funktionellen Kapitalmarkt auszeichnet. Diese Analyse führt ihn zu einem interessanten Sechseck, der Vermittlung zwischen sechs verschiedenen Funktionen und Interessen. Zentral dabei sei die Rolle von Kredit, denn die Beschränkung auf das Horten und Enthorten von Goldmünzen sei nach Fekete nicht ausreichend, um moderne Unternehmen zu finanzieren:

Neben Wissen und Kapital ist Kredit der wichtigste Motor des Fortschritts. […] Kapitalbildung wäre ohne Kredit immer noch möglich, doch die möglichen Summen wären zu gering, zumal sie physisch durch ihre primitive Form beschränkt wären: Horten. Nicht nur die Quantität wäre durch physische Faktoren begrenzt, auch der Lohn wäre allzu gering im Vergleich zum Aufwand, was zu psychologischer Abneigung gegenüber dem Sparen führen würde. Einer der großen Vorzüge des Kredits ist die Weise, in der er auf das Zeitelement in der Mittel-Ziel-Kette wirkt und dabei den Aufwand-/Ertrags-Nexus verkürzt, was den Einzelnen dazu bewegt, mehr zu arbeiten und zu sparen. […] Dieselben Faktoren, die Kredit zu einer großen Schöpfungskraft und zu einem Motor menschlichen Fortschritts machen, werden ihn im Falle des Missbrauchs zu einem der gefährlichsten Zerstörungskräfte machen. Fekete 2002

Die Behauptung, dass ohne Kredit und die entsprechenden Vertrauensstrukturen eine moderne Wirtschaft undenkbar wäre, klingt nach einem Argument zugunsten der Verschuldungsspirale der Gegenwart und der schrankenlosen Geldproduktion. Darum wird Fekete – zu Unrecht – von manchen als „Geld-Spinner“ abgetan. Unabhängig davon, ob seine Behauptungen in der Vergangenheit wirklich Richtigkeit hatten oder nicht, zeigt jedoch ein Gedankenexperiment die Bedeutung des Nachdenkens über Ausmaß, Art und Beschränkung von Vertrauensstrukturen:

Nehmen wir an, der Euro geriete in eine schwere Krise. Zahlungsunfähigkeit von Schuldnern würde einen deflationären Schock auslösen, die Zinsen würden auf zweistellige Beträge ansteigen. Bargeld, sofern noch nicht verboten, gewänne massiv an Kaufkraft, da nur noch wenige darüber verfügen. Ein Großteil der Betriebe würde an die Banken gehen, da die Zinslast bald über der Produktivität läge und die Eigenkapitalquoten sehr niedrig sind. Wenn bis dahin weder Bargeldverbot, Helikoptergeld, noch Bankenverstaatlichung politisch durchgedrückt wurden, dann würde nun ein Großteil des Produktivvermögens die Hände wechseln, da sich die Unternehmer kaum noch refinanzieren können. Diejenigen, die große Bargeldbestände oder andere liquide Mittel, wie etwa Goldmünzen, gehortet haben, könnten nun beginnen, die Unternehmen aufzukaufen – denn die Banken hätten ja auch große Liquiditätsprobleme und würden die ihnen zugeflossenen „Sicherheiten“ sofort auf die Märkte werfen. Diese Neuunternehmer würden von ihrer Voraussicht profitieren – doch können sie tatsächlich in so großem Stil die bisherigen Unternehmer ersetzen? Bräuchte es nicht Finanzierungsmöglichkeiten jenseits der Horte? Schon im 19. Jahrhundert überwog die Einsicht, dass diejenigen mit den größten Horten nicht immer die besten Unternehmer sind. Würde dann das Produktivvermögen in den Händen von wenig kreativen und risikoaversen reichen Witwen zerrinnen? Ist der Sparer als Horter ausreichend, um einen Kapitalmarkt zu bilden?

Fekete kommt zum Schluss, dass der Sparer, der im einfachsten Falle hortet, um fünf weitere Funktionen ergänzt werden muss. Der Sparer sei ein Annuitand, einer, der aus Einkommen Vermögen machen möchte, um von diesem Vermögen dann eines Tages als Annuitant wieder ein Einkommen zu beziehen. Die Begriffe kommen daher, dass ein solches Vermögen eine Annuität darstellt – so bezeichnet man regelmäßige Einkommensausschüttungen. Dass es aber überhaupt solche Einkommen aus Zinsen geben kann, dafür braucht es unternehmerische Wertschöpfung, und diese setze Unternehmer und Erfinder voraus – dies sind die nächsten zwei Funktionen. Der Unternehmer kann aber nach Fekete nur am Markt bereits bewährte, sicher nachgefragte Güter über Wechsel selbst finanzieren. Für die Finanzierung der Innovation benötigen Unternehmer und Erfinder den Kapitalisten. Dieser ähnelt dem Annuitanden, doch trägt er mehr Risiko, erfordert höhere Zinsen und macht daher unterschiedliche Anleihen erforderlich. Da sich jedes Unternehmen und jede Anleihe unterscheide und wegen der Kleinheit der Annuitanden und der Größe der Kapitalisten Bündelung nötig sei, brauche es als sechste Funktion den Bankier – als Investmentbanker, der als Anleihenbroker das Clearing übernehme. Voilà – das Sechseck eines funktionellen Kapitalmarkts.

Warum kommt hier die Aktie nicht vor? Offenbar geht Fekete davon aus, dass das Eigenkapital bei innovativen Unternehmen zunächst auf die drei F beschränkt sei: Family, Friends, and Fools. Die Anleihe hingegen ist vorrangig zu bezahlen. Auch hier bewegt sich Fekete in einer anderen Epoche. Einst war der Kredit des Unternehmers heilig. Er bediente Wechsel und Anleihen aus Pflichtgefühl und Angst vor sozialen und wirtschaftlichen Konsequenzen auch dann, wenn mangelnde Rentabilität des Unternehmens ihn eigentlich zur Zahlungsunfähigkeit gedrängt hätte: Dann griff der Unternehmer auf Privatvermögen zurück, um seine Gläubiger zu bezahlen. Die Folge ist, dass Anleihen für konservative Anleger das Primärinstrument sind, denn sie bieten zwar niedrigen Zins, aber hohe Sicherheit des Kapitalerhalts – und darum geht es vorrangig. Das glatte Gegenteil dieser historischen Anleihe sind heutige Nachrangdarlehen, wie sie im Zuge des Crowdinvesting heute dominieren.

Welche aktuelle Relevanz könnte nun Feketes Analyse haben? Welche Rolle können Kryptowährungen wie Bitcoin bei heutigen Überlegungen spielen, einen alternativen Kapitalmarkt aufzubauen? Gibt es tatsächlich einen Widerspruch zu den Ansätzen von Ludwig von Mises? Warum der anfängliche Bezug zum Vollgeld?


Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.

Filed Under: Scholien, Vermögensanlage

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