Die Dynamik des digitalen Wandels lässt auch bei immer mehr Unternehmern eine alarmistische Stimmung aufkommen. Elon Musk prophezeit den Siegeszug der künstlichen Intelligenz und sorgt sich nun nicht
Scholien
Peak-Entrepreneurship: Schaffen Unternehmer noch reale Werte?
Blickt man in die Realität des 21. Jahrhunderts, so scheinen erste Zweifel an diesem moralischen Blankoscheck für das Unternehmertum aufzukommen. Es drängt sich die Frage auf, ob Unternehmer heute im statistischen Durchschnitt tatsächlich mehr Werte schaffen oder mit ihren Produkten und Dienstleistungen langfristig mehr Schaden als Nutzen stiften.
Haben wir vielleicht schon Peak-Entrepreneurship erreicht? In Analogie an das imaginäre Peak-Oil, die falsche Prognose eines Förderklimax für Erdöl, könnte man so den Punkt bezeichnen, an dem mehr Unternehmertum nicht mehr at the margin den Grenznutzen der Menschen erhöht, sondern gar einen Grenzschaden verursacht. Das Erreichen dieses Punktes wäre freilich nicht alleine den Unternehmern vorzuwerfen, sondern vor allem den Urhebern der Marktverzerrungen.
Der aktuelle Hype um sogenannte Start-Ups zeigt, dass bei vielen Unternehmen potentiell bereits mehr Kapital aufgebraucht wird, als wertschöpfend aus den getätigten Investitionen erzeugt wird. Die meisten Start-Ups finden sich in rasch skalierbaren, konsumorientierten Märkten.
Konsum in einem noch nie da gewesenen Umfang wird möglich, da die Transaktionskosten aufgrund der digitalen Schnittstellen sowie marginalen Logistikkosten gegen Null tendieren (Bestellung per Mausklick). Zwar ist die Vermehrung von Konsumgütern eines der zentralen Merkmale des marktwirtschaftlichen Prozesses und Ausdruck von Wohlstand, in einem zunehmend verzerrten, inflationistischen Umfeld kann dies aber auch gefährlich sein. Breite Bevölkerungsschichten sind heute von einer Mentalität schnellen und ständigen Konsums geprägt und werden potenziell durch Angebote marginaler Grenz-Unternehmer zu weiterem Konsum – auf Kosten von nachhaltiger Ersparnisbildung – verleitet. Angesichts einer erodierenden Einkommensbasis, vor allem bei Jugendlichen, liegt der Schluss nahe, dass das gegenwärtige Konsumniveau nur auf Kosten des bestehenden Kapitalstocks gehen kann.
In der Hochkonjunktur des inflationsinduzierten Aufschwungs profitiert jedoch nicht nur der Konsumgüter-, sondern auch der Investitionsgütermarkt. Durch die künstliche Zinssenkung infolge der Geldmengenausweitung werden Unternehmer zu weiteren Investitionen verleitet. Aufgrund des Cantilloneffekts profitieren zunächst Produzenten, die nahe an der Geldschöpfung wirtschaften (Banken, Venture Capital, Bauwirtschaft und Industrie). Die zusätzliche Geldschöpfung wird in den kapitalintensiven Sektoren über das so genannte „Financial Engineering” genutzt, um die Eigenkapitalrenditen der Unternehmen – im Wesentlichen durch Ausnutzung des Hebeleffektes – zu erhöhen.
Der Start-Up-Hype in der Investitionsgüterindustrie wurde durch Venture Capital-Unternehmen befeuert. Die dabei finanzierten Projekte werden in die innovativ klingenden Gruppen FinTech (Finanzindustrie), MedTech (Medizintechnik) oder CleanTech (erneuerbare Energien) eingeteilt.
2016 veröffentlichte das MIT eine Studie zur Wirtschaftlichkeit der Start-Up-Projekte im Bereich CleanTech und kam zu ernüchternden Ergebnissen. Zwischen 2006 und 2011 verloren die Investoren über 50 Prozent Ihres kumuliert eingesetzten Kapitals von USD 25 Milliarden. In keinem der Unternehmen konnte eine positive Kapitalrendite erwirtschaftet werden. Die anderen Technikgruppen wurden nicht im Detail untersucht, sondern nur als Vergleich herangezogen, zeigten jedoch auch nur minimale Renditen, wenngleich der Kapitalverlust, durch einige erfolgreiche Exits (Verkauf an multinationale Konzerne), im Schnitt verhindert werden konnte. Die Studie fasst die Gründe für das Scheitern der Projekte im Wesentlichen wie folgt zusammen:
- die extreme Kurzfristigkeit im Geschäftsmodell der Venture Capital-Unternehmen, deren Investitionszyklus
Wilhelm von Humboldt und das Dilemma des politischen Liberalismus
In seiner brillanten Darstellung dieser Tragödie beschreibt Friedrich Sell die liberale Geisteshaltung des jungen Wilhelm von Humboldt :
In Preußen fand [er] nur prosaische Routine und bedrückende Ausbeutung des Individuums im sogenannten Staatsinteresse; in Österreich sah er eine überstürzte Zwangsbeglückung, von
Rockefeller – ein langweiliger Unternehmer?
Ich halte diese Entwicklung für Anzeichen einer Blase. Dass die Prinzipien des Angel Investing langfristig für Anleger relevant sein können, die nicht selbst zu den wenigen erfolgreichen Inkubatoren zählen – also primär serielle Unternehmer, nicht Investoren sind – scheint mir so wahrscheinlich wie die Existenz von Einhörnern. Gewiss zählt am Markt primär die Einhornsichtung und nicht die Einhornexistenz – diese ist zwar nicht unmöglich, aber eben ziemlich unwahrscheinlich.
Für eine realistische Betrachtung eines Unternehmenswerts – abgesehen von seltenen Einhornsichtungen – komme ich zu gegenteiliger Empfehlung. Finanziell ist der langweilige Buchhalter, gerade aus langfristiger Wachstumsperspektive, attraktiver als der spendable Kreative. Denn gerade Unternehmen mit einer Burn rate von null haben die nötige Resilienz, um sich ohne Verbiegen und ohne Ablenkung durch Erwartungen und Irrtümer des Zeitgeists der Erkundung von langfristigen Marktpotentialen zu widmen.
Die Geschichte scheint mir diese Perspektive zu bestätigen. Natürlich zeichnen sich viele erfolgreiche Unternehmer dadurch aus, Visionäre zu sein. Doch die wirklich großen, überdauernden Konzerne waren oft von nüchterner Disziplin getragen – sofern sie nicht politisch überdehnt wurden.
Burton Folsom, ein amerikanischer Wirtschaftshistoriker, beleuchtet in seinem Büchlein The Myth of the Robber Barons sechs amerikanische Unternehmerpersönlichkeiten des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Das war die Zeit der industriellen Erschließung des Landes, durch Dampfschiff und Eisenbahn und mittels Stahl- und Ölindustrie, wobei erstmals Großkonzerne entstanden. Folsom differenziert zwischen politischen und marktorientierten Unternehmern, eine Unterscheidung, die – vor allem heutzutage – nicht immer eindeutig zu treffen ist. Er möchte dadurch den Ruf einiger seiner Meinung nach zu Unrecht in Verruf geratener und mit politischen Unternehmern in Verbindung gebrachter Marktunternehmer wiederherstellen.
Einer dieser Marktunternehmer nach der Folsomschen Definition war John D. Rockefeller. Der große Erdölmagnat war für viele Zeitgenossen undurchschaubar und bisweilen gänzlich unverständlich. Geiz und Großzügigkeit waren bei ihm keine Gegensätze, sondern gleichsam stark ausgeprägt. Einerseits war Rockefellers Standard Oil für seine enorme Effizienz bekannt. In hochskalierten Unternehmenskonstruktionen können schon kleine Kostenunterschiede dramatische Auswirkungen haben und über unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Für Rockefeller war dabei jeder Cent bedeutsam. Schon aus seiner Jugendzeit als Buchhalter berichtet ein ehemaliger Mitarbeiter:
Rockefeller war methodisch bis zum Äußersten, sorgfältig bis ins Detail und auf einen Bruchteil peinlich genau. Wenn uns ein Cent zustand, wollte
James Watt und das geistige Eigentum – Pionier der heißen Luft?
So die gängige Geschichtsschreibung. Die beiden Ökonomen Michele Boldrin und David K. Levine halten einen Großteil dessen für „heiße Luft” und – um die Metapher weiterzuführen – lassen in ihrem 2010 erschienen Werk „Against Intellectual Monopoly” ordentlich Dampf ab. Leicht schelmisch – wie überhaupt das ganze informative Buch amüsant geschrieben ist – bezeichnen sie Watt als „auserkorenen Schurken” ihrer Abhandlung gegen die Monopolisierung sogenannten geistigen Eigentums. Boldrin und Levine behaupten, dass Watt einen großen Teil seiner Energie darauf verwand, rivalisierende Erfinder juristisch zu bekämpfen.
Durch die Hilfe seines reichen und einflussreichen Partners Boulton gelang es Watt, sich bis ins Jahr 1800 patentgeschützte Monopolrechte zu sichern. Watt sei eher ein Bremser als ein Beschleuniger der technischen Entwicklung gewesen. Seine Konkurrenten warteten wohl mit der Veröffentlichung ihrer Innovationen bis zum Ablauf des Wattschen Patents, da ihre Erfindungen – so viel besser sie auch gewesen sein mögen – nicht ohne den patentierten getrennten Kondensator auskamen:
Während der Gültigkeit der Patente Watts kamen in Großbritannien pro Jahr durch Dampfmaschinen etwa 750 PS Leistungsstärke hinzu. In den 30 Jahren nach dem Ablauf der Wattschen Patente