Die Digitalisierung ist der letzte große Wohlstandstreiber. Der eigentliche Grund dafür ist allerdings kein technischer. Die Bedeutung von skalierbaren Prozessen in einer Wissensökonomie wurde schon lange vor der Mikrotransistortechnik erkannt. Digitalisierung hat deshalb heute so großes ökonomisches Gewicht, weil das Digitale die letzte Grenzregion des noch Unregulierten war, ein „Wilder Westen“ für Pioniere. Im Digitalen tummeln sich noch immer viele Betrüger und Banditen, doch überwiegt der Wohlstandsgewinn, indem die größten Betrüger und Banditen, die stationären und staatlichen, weniger zum Zug kommen.
Die höhere Wertschöpfung kommt nicht nur aus der niedrigeren Besteuerbarkeit, sondern vor allem aus der unbeschränkten globalen Arbeitsteilung. Im Digitalen wirken geringere Marktzugangsbarrieren, Handelsbeschränkungen und Produktionsauflagen. Menschen aus allen Winkeln der Erde können relativ frei kooperieren, weil ihre Produktion jenseits der hochbelasteten und -regulierten Welt des Physischen, Analogen und Immobilen stattfindet.
Zunächst war diese Kooperation Firmen vorbehalten, da globale Zahlungsströme immer enger überwacht sind. Dank staatsfreier Digitalwährungen wie Bitcoin gibt es nun eine wachsende globale Industrie von völlig steuer- und regulierungsfrei kooperierenden Selbständigen: Programmierer, Designer, Texter und andere Freischaffende, deren Güter digital sind.
Wir können hier drei Phasen unterscheiden, die jeweils eine revolutionäre Markterweiterung bewirken.
Erstens: der digitale Marktzugang. Dadurch können Anbieter und Nachfrager abseits der kontrollierten und belasteten Plätze zusammenkommen. Diese erste Welle des digitalen Wirtschaftens folgte aus den Möglichkeiten der Kommunikation: geschlossene Nachrichtenkanäle (Usenet et cetera), dann offene Protokolle für E-Mail und Internet, schließlich verschlüsselte Kanäle wie Telegram, Signal und so weiter.
Die zweite Revolution ist die Digitalisierung des Geldes. Pioniere waren etwa Paypal, das schließlich zu einer Bank werden musste, und e-gold, das schließlich abgedreht und enteignet wurde. Kryptomünzen sind heute die Standardlösung für Zahlungen über staatliche und regulatorische Grenzen hinweg. Neben dem dominanten, aber nur pseudonymen und teuren Bitcoin gibt es mehrere anonymere Alternativen wie Monero, Dash, Zcash, Beam, Grin und bald xx-coin.
Die dritte Phase wird eingeläutet durch die Befreiung der Lieferung vom Regulierungszugriff. Bei digitalen Gütern erlaubten immer größere Bandbreiten für Datentransfers die Ausweitung auf immer mehr Güter wie Bilder und Videos. Der Umstand, dass Postsendungen nicht vollständig durchsucht werden können, führte zum Aufblühen erster globaler Schwarzmärkte für jene Güter, bei denen staatliche Intervention zu den höchsten Renditen führt, die wieder die höchsten Risikoprämien erlauben: „Drogen“. Der Marktplatz Silk Road war einer der bekanntesten Marktplätze dieser dritten Phase, die sich ausgehend vom Digitalen auf physische Güter erstreckte.
Das hohe Risiko einer Ausforschung von Versendern und Empfängern am traditionellen Postweg führte jedoch zum Schwinden dieser Marktplätze, als schließlich auch das Risiko der Unterwanderung deutlich wurde. Der Betreiber von Silk Road fiel auf US-Agenten herein und wird dafür wohl bis ans Lebensende im Gefängnis büßen.
Doch die Kombination der Kommunikation in verschlüsselten Kanälen mit der Nutzung von Kryptomünzen blieb vom Marktplatzausfall unbeeinträchtigt. Nun geht es zur Markterweiterung vor allem darum, die dritte Phase kreativ auszudehnen. Auch dabei werden Digitalisierung und Kryptographie hilfreich sein. Die Lieferung wird von den offiziellen Kanälen ausweichen auf verteilte Strukturen, bei denen Zusteller und Empfänger keinerlei Daten voneinander haben müssen. Das große Problem des Besitzes illegaler Güter während des Transports bleibt dabei jedoch bestehen.
Drei verschiedene Lösungswege sind denkbar: Erstens die Übernahme des Transports durch autonome Drohnen. Zweitens die Maskierung und Sicherung der Sendung vor dem Transporteur in verriegelten Büchsen, deren Schlösser digital gesteuert werden. Drittens das Verstecken von Sendungen an öffentlich zugänglichen Orten, so dass die Lieferung gar keinen Transport mehr bedeutet, sondern nur noch Austausch von Orts- und Zugangsdaten. Letztere Lösung erfordert den geringsten technischen Aufwand, jedoch den höchsten Aufwand an verlässlichen Personen.
Depots von Gütern würden über eine verteilte Struktur angelegt – als Geocaches, wobei derjenige, der ein Depot anlegt, nur den jeweiligen Ort auswählen muss und sonst keinerlei Daten und Kenntnisse haben muss. Beispiel für solche Depots wären: eine mit irreführenden Aufklebern versehene Plastikdose, die rund um ein öffentliches Kabel oder in einem Sicherungskasten angebracht wird; ein mit Ziffernkombination zugängliches Schließfach; eine in einem Erdstreifen vergrabene Dose et cetera. Falsches Auffinden und damit Verlust ist ein mit entsprechender Erfahrung eingrenzbares Risiko. GPS-Daten müssten um Fotos und eventuell Bluetooth-Sender ergänzt werden. Depots könnten von anderen Mitwirkenden der verteilten Struktur an neue Orte umgelegt werden, so dass keine Einzelperson den Standort eines Gutes mit Gewissheit kennt – der in einem verschlüsselten Datensatz verbleibt, bis ein Kunde den korrekten Schlüssel erwirbt.
Der Aufwand an verlässlichen Personen wird handhabbar durch kryptographische Verteilung von Daten und digitales Management der Verlässlichkeit (Reputation). Am angenehmsten für den Nutzer wären mobile Apps, die Datenaustausch, Ortung und Reputationsmanagement integrieren. Das scheitert allerdings daran, dass die dominanten App-Systeme geschlossen sind und Identifikation der App-Anbieter erfordern.
Wofür könnte es Depots geben? Neben Cannabis vor allem Bargeld, Goldmünzen, Hochbesteuertes und -verzolltes. Ob es kreative Kleinverstecke, ganze Safehouses oder technische Innovationen sind, die die größte Markterweiterung schaffen, wird der Wettbewerb zeigen.
Ursprünglich erschienen auf eigentümlich frei