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Unternehmertum

Perpetual-Traveling

Rahim Taghizadegan am 16. August 2017

Salon extraordinare mit Christoph Heuermann, der staatenlos die Welt bereist. Ist Perpetual Travelling (PT) ein Weg, Steuer- und anderem Wahnsinn zu entkommen? Mit welchen Risiken, welche Nachteilen, welchen Kosten muss man rechnen? Wie attraktiv ist Reisen auf Dauer? Wie lassen sich ohne PT Steuern optimieren? Welche Flecken der Welt sind die begehrtesten Destinationen für deutsche Steuerflüchtlinge, Politikflüchtlinge und Flüchtlingsflüchtlinge? Was für Menschen sind das überhaupt? weiterlesen

Kategorie: Salon, Unternehmertum

ICO – Unternehmensfinanzierung in der Ether-Blase?

Rahim Taghizadegan am 26. Juli 2017

Banken engagieren sich immer weniger in der Unternehmensfinanzierung – die Regulierung verbietet die damit verbundenen Risiken, sodass, neben der Immobilienfinanzierung, oft nur noch die vermeintlich risikolose Staatsfinanzierung übrig bleibt. Zur Eigenkapitalfinanzierung hingegen sind die Transaktionskosten oft allzu groß. Ein ICO – Initial Coin Offering – verspricht in dieser Lücke einen beeindruckenden Ausweg für junge Unternehmen mit Affinität zu Blockchain und Kryptowährungen. In erfrischender Regulierungsfreiheit sprießt eine unkomplizierte Liquidität, die für innovative Ideen Risikokapital in atemberaubender Höhe bietet. Das Projekt Bancor, ironischerweise ausgerechnet nach einer politischen Idee von John Maynard Keynes benannt, konnte so eine Finanzierung zu einem Marktwert von $153 Millionen aufstellen. Der Marktwert entspricht dem damaligen Börsenkurs von Ether, jener Kryptowährung, die im Tausch gegen Tokens von den „Investoren” bereitgestellt wurde. Andere Projekte, die sich so finanzierten, sind etwa der Browser Brave ($35 Millionen), der Rechenleistungsmarktplatz Golem (ca. $300 Millionen) und die Unterhaltungsplattform SingularDTV (fast $100 Millionen). Wie funktioniert diese Finanzierung?

Die Ethereum-Plattform, welche die eigene Kryptowährung Ether nutzt, erlaubt eine relativ einfache Eigenkonstruktion sogenannter Tokens – die wie eine Kryptowährung funktionieren und Gegenstand von smart contracts, von programmierten Vertragsregeln, sein können. Bei einem ICO schicken jene „Investoren“, die vom jeweiligen Unternehmensangebot überzeugt sind, Ether an einen solchen smart contract, der dafür Tokens ausgibt. Dieser Tausch kann dabei beliebig programmiert werden; meist findet er in Form einer Auktion statt – oft einer Rückwärtsauktion mit Tranchen von jeweils beschränkten Tokenzahlen. Ether, jene Kryptowährung, die zur „Investition” nötig ist, kann auf Kryptowährungsbörsen einfach bezogen werden, mittlerweile sogar gegen Euro oder noch einfacher gegen andere Kryptowährungen wie Bitcoin.

Die Anführungszeichen wählte ich oben deshalb, weil der Charakter der Tokens unklar ist. Es handelt sich dabei nicht um Wertpapiere mit verbrieftem Anspruch auf Eigentum, die Aktien entsprechen. Daher ist die Bezeichnung ICO irreführend. Tokens sind de facto digitale Gutscheine, die grundsätzlich gegen Aktien eingelöst werden könnten, doch hier liegt das große Problem der Parallelentwicklung von immer stärker regulierten offiziellen Märkten auf der einen Seite und immer innovativeren inoffiziellen Kryptomärkten auf der anderen Seite. Eine Aktie ist ein Rechtsanspruch auf Dividenden und Stimmrecht. Beides kann grundsätzlich gewährt werden, und eine digitale Mitentscheidung über Tokens ist einfach zu realisieren. Doch fehlt der Rechtsanspruch, der in letzter Instanz ein Anspruch auf legitime Gewalt Dritter zu eigenem Gunsten ist. Somit bleibt alleine das Vertrauen oder die Hoffnung in spätere Token-Käufer – verbliebe bloß letzteres, so würde in einem großen Pyramidenspiel das übrige Vertrauen auch noch verspielt werden.

Gegen funktionierende offizielle Institutionen, bei denen Vertrauen durch Sanktionen ergänzt wird, hätte eine solche rein vertrauensbasierte Finanzierung keine Chance. Doch die Institutionen funktionieren längst nur noch für die Großen. Für kleinere und jüngere Unternehmen steht bis zur Aktienausgabe und damit wirklich flüssigen Eigenkapitalfinanzierung eine Schwelle von vielen Millionen, die verdient oder vom Staat erschnorrt werden müssen. Gewiss, dazwischen gibt es auch noch Venture Capital, das ist aber allzu rar und giert nach großen Anteilen. Regulierung und das Kartell der „freien Berufe” verteuern und erschweren jede Eigenkapitallösung wie Mitarbeiterbeteiligungen. Darum treten smart contracts als direkte Kampfansage gegen Notare, Treuhänder und Anwälte auf – tatsächlich ist es freilich eine Kampfansage gegen politisch aufgeblasene Transaktionskosten, welche die Marktwirtschaft immer mehr nach einer exklusiven Konzernveranstaltung aussehen lassen. In diesem Sinne ist jedes ICO ein revolutionäre Akt der Selbstbefreiung von Unternehmertum. Leider ist bei Revolutionen aber selten Zeit und Muße für Vorsicht, Bedächtigkeit, Maßhalten, oder gar dafür, etwas aus der Geschichte zu lernen. Das beschwört stets Gegenreaktionen herauf. Der aktuelle ICO-Trend ist überdehnt und läuft auf eine Korrektur hinaus. Es ist ungewiss, was dann bleiben wird – und ob nicht die Regulierer und Abwürger die Oberhand gewinnen, weil man sie bestätigt sieht.

Eigenkapitalfinanzierungen für Unternehmen waren in der Vergangenheit oft Überdehnungen ausgesetzt. Sie sind besonders schwierig, weil die Ungewissheit des Unternehmertums eben zu besonders kontrazyklischen Phänomenen führt. Diejenigen Unternehmer mit der größten Wertschöpfung schaffen neue Produkte und Märkte – das bedeutet aber, dass ihr Erfolg von kaum jemandem abgesehen werden kann. Im Moment sind sie nicht von den unzähligen Spinnern zu unterscheiden, die niemals Erfolg haben werden. Darum lässt sich in normalen Phasen kaum Eigenkapital aufstellen – normale Menschen riskieren keine Totalverluste, denn sonst wären sie ja verrückt. In verrückten Zeiten hingegen, in Phasen der Umwertung der Werte, verdichtet sich das Pseudorisiko, die hochriskante FOMO (Fear of missing out) – die Angst, etwas zu verpassen. Die Unbeschränktheit der Erfolgsaussichten eignet sich für Versprechen und Phantasien besonders gut. Die wenigen kompetenten Bücher neuerer Wirtschaftsgeschichte sind voll von Eigenkapitalmanien und der daraufhin einsetzenden Reaktionen. Wir haben es mit einer psychologischen Besonderheit der Unternehmensfinanzierung zu tun – rechtzeitig sind die guten Spinner, diese sind aber von schlechten nicht unterscheidbar, und letztere häufen sich dann erst im Hype. Darum stimmt eben die alte Formel der Unternehmensfinanzierung von den drei F: Family, friends and fools. Diese drei Gruppen sind die Adressaten von Eigenkapitalfinanzierungen. Und wenn es plötzlich so viele Spinner gibt, dass sie zahlenmäßig Familie und Freunde in den Schatten stellen, ist das kein gutes Zeichen.

Um ein ICO zu „zeichnen“, muss man ein Spinner sein. Die frühen waren es noch teilweise im guten Sinne, etwa beim einstigen Ethereum-ICO, der Lancierung der Plattform, auf der heutige ICOs oft basieren. Ihre Pionierleistung wurde durch einen tausendfachen Wertanstieg honoriert, der Erwartungshaltungen und Gier weckte. Die hohen Ether-Investitionen in heutige ICOs erklären sich hieraus: Da der Börsenkurs für Ether so stieg, sitzen nun Tausende auf unglaublichen Dollarwerten – die allerdings noch weitgehend uneingelöst sind, und Börsenkurse kann man nicht einfach multiplizieren. Das berechtigte Misstrauen in den Dollar erklärt, warum es bei der „Einlösung” nicht so drängt – und diese unter Anführungszeichen zu setzen ist. Immerhin ist Ether als Kryptowährung zugleich ein unkorreliertes Anlageasset mit historisch beeindruckender „Performance“, sodass der Verkauf gegen digitale Dollar, die dann auf den Konten wackeliger Banken herumliegen (weil alle anderen Assets schon allzu teuer sind), sich nicht nach Wertsicherung anfühlt. So verschieben „Investoren” allzu leichtfertig hunderte Ether, mit denen sich sonst bislang nur wenig Interessantes tun lässt, in interessant klingende Projekte – die frühen Einsteiger hatten sie für Bruchteile eines Dollars bekommen.

Doch könnte es nicht eine innovative Finanzierungsform sein, wenn ein Unternehmen digitale Gutscheine ausgibt? Wir bewegen uns dann im Nahebereich des Crowdinvesting – doch auch dieses ist eher ein Phänomen für fools als für Investoren im klassischen Sinne, wie diese Analyse zeigte. Gutscheine haben nur dann einen Marktwert, wenn sie einen günstigeren Bezug von Produkten oder Aktien erlauben, oder – und das könnten digitale Gutscheine ermöglichen – in beschränkter Zahl ausgegeben werden und zum Bezug der Produkte notwendig sind. Ersteres führt zu einem Nachteil für spätere Investoren, letzteres zu einem Nachteil für spätere Kunden – im Gegensatz zum Wachstumsinteresse der frühen „Investoren”.

Ersterer Fall entspricht einer Optionsanleihe, Wandelanleihe oder stark diskontierten Gutscheinen für Warenkontingente. Der das Ausfallrisiko abgeltende Mehrwert liegt also für den „Investor” darin, im Erfolgsfall mehr Wert für weniger Preis zu bekommen. Im Silicon Valley setzt sich, zur Umgehung der Transaktionskosten, eine einfachere Alternative zur Optionsanleihe durch – die vertragliche Zusicherung von Unternehmensanteilen gegen eine Pseudoanleihe ohne Verzinsung und Laufzeit. Das Venture Capital-Unternehmen Y Combinator nennt seine Modellverträge SAFE (kurz für: simple agreement for future equity). Das Wortspiel ist mindestens so irreführend wie ICO – es handelt sich um hochriskante Mezzaninfinanzierung. Ohne die verrückte Geldblase unserer Zeit würden sich dann kaum noch Investoren finden, die in ein Unternehmen einsteigen, nachdem es bereits einen beträchtlichen Unternehmensanteil anderen als Schuld verschrieben hat. Doch FOMO führt dazu, dass Y Combinator einige lukrative Deals gelingen: Wenn der Preis schon bei einem Exit nach oben unbeschränkt ist, ganz ohne Profitabilität und Börsengang, spielen die Details keine große Rolle mehr.

Letzterer Fall ist noch interessanter, weil ungewohnter. Digitale Gutscheine könnten eben dadurch Wert gewinnen, dass das Unternehmen in diesen fakturiert – also spätere Kunden diese Gutscheine nachfragen müssen, um an die Güter und Leistungen des Unternehmens zu gelangen. Doch dies verteuert diese Güter oder Leistungen: Einerseits ist der Umweg über Tokens für Kunden umständlicher, sofern er nicht nahtlos und direkt erfolgt – also im Unternehmen an der digitalen und analogen Kassa eine automatische Token-Börse betrieben wird. Andererseits ist der Aufwand für das Unternehmen größer. Ein Konkurrent könnte die Produkte kopieren und durch Verzicht auf das Token-System günstiger produzieren – sofern keine proprietäre Technik verwendet wird. Viele Blockchain-Projekte sind Open Source, was Letzteres ausschließt. Kaum eines der aktuellen ICOs hat bislang einen überzeugenden Vorschlag hinsichtlich des Token-Wertes gemacht, oft allein schon deshalb, weil überhaupt noch keine Produkte konkretisierbar sind, anhand derer man hinsichtlich der Bezahlungsmodalitäten und Konditionen ein Wertversprechen formulieren könnte. Es handelt sich also um eine Vermischung: An die Stelle von Eigentumsanteilen treten digitale Gutscheine, die aber eigentlich keine Gutscheine sein können, weil es noch kein Gut gibt. Das führt zu extrem schlechten Anreizen für die Unternehmer, oder anders formuliert: zu einer für Unternehmer extrem attraktiven Form der Finanzierung. Nachhaltig kann diese nicht sein, denn nun drängt alles zu einem ICO – irgendwann müssen reale Unternehmen aber den aufgestellten Ether an Schnittstellen mit der offiziellen Welt, in der Mieten und Steuern fällig sind, umtauschen und damit auf den Markt werfen. Handelt es sich im eigentlichen Sinne um eine Blase? Wann platzt sie? Was wird bleiben?

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Kategorie: Kryptowährungen, Scholien, Unternehmertum, Vermögensanlage

Dumping-Preise, Monopole und Konsumentenschutz

Rahim Taghizadegan am 15. Mai 2017

Gesetze zur Sicherung des Wettbewerbs sind Lehrbuchbeispiele für die politische Anwendung moderner Volkswirtschaftslehre. Sie gelten als Mindest- und Minimalintervention der Politik, auf die sich auch die marktwirtschaftlichsten Ökonomen einigen können. Beispiele für solche gesetzlichen Interventionen, die rein den Rahmen abstecken und sichern sollen, in dem der freie Wettbewerb dann Wohlstand schaffen könne, sind die Beschränkung und Zerschlagung von Monopolen und der Patentschutz.

Weder für Patente noch für Monopole sind diese Lehrbuchbeispiele aber korrekt. Interessanterweise zeigt insbesondere die US-amerikanische Wirtschaftsgeschichte, dass diese gesetzlichen Entwicklungen zunächst überhaupt nicht von Ökonomen angetrieben wurden. Vielmehr stand in beiden Fällen der Druck von organisierten Interessen dahinter.

Um 1900 hatten viele Ökonomen eine dynamische Marktperspektive, und selbst die schärfsten Kritiker des Wettbewerbs waren keine Befürworter der Antitrust-Gesetze. Vor allem Lobbyisten, etwa der Landwirte und andere Verlierer der Industrialisierung, und mit ihnen verbundene Politiker setzten sich für eine Zerschlagung der erfolgreichen Großunternehmen (trusts) ein. Erst im Nachhinein rationalisierten viele Ökonomen anhand der Theorie perfekten Wettbewerbs diese interventionistischen Gesetze und heimsten so mit politisch opportunen Gerichtsgutachten Prämien ein.

Freilich steht die US-Antitrust-Gesetzgebung mit ihrer offensiven Taktik der Bestrafung oder gar Zerschlagung allzu großer Unternehmen in gewissem Gegensatz zur ordoliberalen Wettbewerbgesetzgebung, die mehr auf den Rahmen und Prozess des Wettbewerbs abzielt als auf seine Ergebnisse. Doch damit ist die Antitrust-Gesetzgebung auch ein klareres Beispiel für den dahinter stehenden politischen Aktionismus. Nachdem in Europa die ordoliberale Tradition praktisch ausgestorben ist, versteht diesen Unterschied eigentlich kaum noch jemand und er ist gänzlich verschwunden. Daher ist die Antitrust-Gesetzgebung heute die Referenz für „Wettbewerbspolitik”, und entsprechend relevant sind ihre Ursprünge. Sie finden sich in der Agitation von Lobbygruppen wie etwa der Farmers’ Alliance.

Was aber bewog Landwirte zu diesem politischen Druck? Die Hintergründe sind spannend und zeichnen beispielhaft die paradoxen Prozesse der Politik nach. Zuerst stehen Interessen und Gefühle, auf die dann erst später die Rationalisierung und Legitimierung durch „Experten” folgt. Das lässt natürlich die Nachfrage nach diesen „Experten” dramatisch in die Höhe gehen. Je mehr Politik, desto mehr sind davon nötig, was die treibenden Kräfte der Akademisierung deutlich macht. So gab es 1880, als die USA noch relativ minimalstaatlich waren, insgesamt nur zehn Vollzeit-Ökonomen in den USA. (A.W. Coats, „The American Political Economy Club,” American Economic Review (Sept. 1961): 621-37). Der Unterschied zu heute ist beeindruckend und beängstigend.

Zum Verständnis der Motivation der Landwirte müssen wir die Geschichte einer außergewöhnlichen Unternehmerfigur betrachten – James J. Hill. Ihm gelang mit der Great Northern in den 1860ern, was vielen anderen Eisenbahnunternehmern vor ihm verwehrt geblieben war: eine transkontinentale Route durch die nördlichen USA, die den Nordwesten ins Schienennetz integrierte. Diesem Ausnahmeunternehmer gelang dies sogar ohne Subventionen und staatliche Landschenkungen, die viele andere Schienenprojekte erst ermöglichten.

Hill war dabei wie viele andere erfolgreiche Unternehmer seiner Zeit kosteneffizienter als seine Konkurrenten. Deren Subventionierung nach gelegter Schienenstrecke hatte zu erwartende negative Folgen: Die Schienen wurden möglichst schnell verlegt ohne Rücksicht auf langfristige Nutzung, um rasch an die Zuschüsse zu kommen. Darüber hinaus waren die Strecken oft unnötig lang und verschnörkselt, um möglichst viele Subventionen zu erhalten. Nicht so bei Hill; dieser war außerdem ziemlich gewieft darin, für langfristige Nachfrage und Auslastung seiner Bahnstrecken zu sorgen. Als sogenannter pump-primer, als Vorreiter, sorgte er nicht nur für die Erschließung des Nordwestens, sondern auch für die Besiedelung.

Der Nordwesten der USA mit seinem vergleichsweise harschen Klima und schwerer zugänglichen Ressourcen war damals das letzte noch nicht richtig erschlossene und integrierte Landstück und macht immerhin etwa ein Sechstel der Fläche der USA aus. Um seiner Bahnlinie laufende Einnahmen zu sichern, bot Hill die Fahrt in den Nordwesten für lediglich zehn Dollar an, wenn die Fahrgäste in der Nähe seiner Strecke als Landwirte tätig werden würden. Eine für beide Parteien vorteilhafte Strategie: die neuen Landwirte bekamen eine billige Anreise, billiges Land und eine gute Infrastruktur. Hill bekam dafür sichere und stetige Einnahmen.

Auf ähnliche Weise schob Hill später – um 1900 – den Export von Baumwoll- und anderen Textilprodukten nach Asien an. Mit „Dumpingpreisen” erschloss er den chinesischen und japanischen Markt für amerikanische Textilproduzenten, um in der Folge mit seinen Eisenbahnen und Dampfschiffen von der regelmäßigen Auslastung zu profitieren. Der Asienhandel Hills kam allerdings zu einem jähen Ende, nachdem in den USA Gesetze zum Tragen kamen, die vorgeblich den Wettbewerb stärken sollten:

Was Hill letztlich mehr noch als Zölle und Subventionen bedauerte, waren die ICC [Interstate Commerce Commission] und der Sherman Antitrust Act. […] Der Hepburn Act, 1906 verabschiedet, stellte es Eisenbahngesellschaften unter Strafe, unterschiedliche Preise für unterschiedliche Kunden zu verlangen. […] Es schadete letztendlich Hill, der jetzt auf Exporte, die auf der Great Northern Richtung Osten transportiert wurden, keine Preisrabatte anbieten konnte. Hill hatte den Japanern und Chinesen Spezialtarife auf amerikanische Baumwolle, Weizen und Eisenbahnschienen gewährt, um sie an amerikanische Exporte zu gewöhnen. (Folsom 1991: S. 35)

Daraufhin sah Hill notgedrungen vom Asienhandel ab und verkaufte schließlich seine Schiffe. Laut Folsom brachen die amerikanischen Exporte nach China und Japan infolge der Gesetzesänderung zwischen 1905 und 1907 um 40 Prozent (41 Millionen USD) ein. Neben dieser Episode, die Burton Folsom in seinem Buch über den Mythos der „Robber Barons” (Raubbarone, eine Schmähbezeichnung für erfolgreiche Unternehmer im 19. und 20. Jahrhundert in den USA) beschreibt, liefert Thomas DiLorenzo in seinem Artikel über die Hintergründe der Antitrust-Gesetzgebung zahlreiche weitere Beispiele für den Druck von Interessensgruppen.

Der Hintergrund des politischen Drucks auf Hill war die Verärgerung der Landwirte. Das ist überraschend, wo es doch ausgerechnet Landwirte waren, die in den Genuss der Rabatte kamen. Doch Lobbygruppen vertreten stets eher die alteingesessenen Branchenvertreter als neue Konkurrenten. Die selektiven Rabatte für Neubauern in einer Zeit, in der Transport und Verkehr noch ein bedeutender Kostenfaktor war, schürten den Neid und die Angst der Alteingesessenen. Sie mussten die vollen Preise bezahlen. Die Rabatte hingegen nahmen sie als „Dumpingpreise” für Konkurrenten war und sahen sich „diskriminiert”. Das ist das Problem jeder Preisdifferenzierung: Sie trifft den Nerv von Fairnessvorstellungen.

Hill galt als Paradebeispiel des „predatory pricing“, einer „bösartigen Preispolitik”. Gemeint ist Preisdifferenzierung, die Rabatte bietet, die teilweise Preise unterhalb der Kosten gewähren. Mit „Politik” im heutigen Sinne hat das freilich gar nichts zu tun. Will ein Unternehmen andere Unternehmen mittels Preissenkungen schwächen, kann eine solche Strategie für ersteres Unternehmen nur so lange gut gehen, wie dieses auch liquide bleibt, um die Verluste, welche über die Preissenkungen entstehen, ausgleichen zu können.

Liquidität beschafft sich dieses Unternehmen vorwiegend über den Kapitalmarkt bei Geschäftsbanken. Ob eine Geschäftsbank einem Unternehmen allerdings Liquidität zur Verfügung stellt, hängt von der Profitabilität des zu belehnenden Unternehmens ab. Eine Bank bemisst die Ertragskraft eines Unternehmens, um deren zukünftige Bonität als Kreditnehmer zu eruieren. Senkt ein Unternehmen nun also seine Preise und generiert damit vorübergehend Verlust, dann muss logischerweise auch dessen Ertragskraft sinken. Sinkt jedoch dessen Profitabilität, sind Banken weniger gewillt, Kredite an dieses Unternehmen zu vergeben. Das Unternehmen hat folglich größere Schwierigkeiten an Liquidität zu gelangen. Diese wäre jedoch eine Voraussetzung dafür, das Verhalten des „predatory pricing” aufrechtzuerhalten.

Im konkreten Fall liegt das doppelte Phänomen des „Dumping” zur Anwerbung von Neukunden vor. Dieses ist Grundlage heute vor allem im Internet bewährter „freemium“-Modelle. Solche Modelle haben überhaupt nichts mit „Marktmacht” oder Wettbewerbsbeschränkung zu tun und werden auch von winzig kleinen Unternehmen eingesetzt. Hill wollte Transportkunden gewinnen durch Förderung von Landwirtschaft und Export. Diese Förderung hat, obwohl sie Hill nutzen sollte, nichts Bösartiges, ganz im Gegenteil ist sie gerade aus US-nationaler Perspektive, die gegen den „bösen” Unternehmer angeführt wurde, günstig.

Ähnlich, aber mit gewichtigem Unterschied, operiert heute der chinesische Staat als Universalunternehmer bei seinem Projekt der „Neuen Seidenstraße” (siehe Scholien 02/16). Durch künstlich niedrige Wechselkurse wird die Exportindustrie bezuschusst, während die Eisenbahninfraktruktur massiv gefördert wird. Der gewichtige Unterschied liegt darin, dass diese Förderung einerseits zulasten chinesischer Sparer, andererseits zulasten chinesischer Steuerzahler erfolgt. Unternehmer wie Hill müssen ihr „predatory pricing” aus der eigenen Tasche bezahlen – als wirklicher „predator”, als Raubtier, kann also nur derjenige operieren, der sich der Gewalt bedient. Denn unternehmerische Angebote kann man immer ablehnen; auch wenn uns nicht immer behagt, welche Angebote angenommen werden. Aus der Sicht des Konkurrenten sind solche Preismodelle natürlich sehr unangenehm, aus der Sicht des Kunden aber oft ein Segen.

Daran zeigt sich, dass die Wettbewerbspolitik zwar stets mit den Kundeninteressen legitimiert wird, aber selten dem Kundeninteresse folgt. Die immensen Strafzahlungen, welche die EU Microsoft aufgebrummt hat, haben keinem Kunden einen positiven Nutzen beschert – allein den Interessen, die sie durchgesetzt haben. Die Zahlungen gingen direkt an die Obrigkeiten, die sie verordnet haben. weiterlesen

Kategorie: Scholien, Unternehmertum

Robotersteuer und Grundeinkommen

Rahim Taghizadegan am 9. Mai 2017

Die Dynamik des digitalen Wandels lässt auch bei immer mehr Unternehmern eine alarmistische Stimmung aufkommen. Elon Musk prophezeit den Siegeszug der künstlichen Intelligenz und sorgt sich nun nicht nur um das Ersetzen von Arbeitsplätzen, sondern sogar um das Ersetzen der Menschheit. Bill Gates fordert eine Robotersteuer, um den Menschen zumindest Einkommen aus Umverteilung zu erhalten. Marc Andreessen sympathisiert mit einem Grundeinkommen. Die Verblüffung ist groß, solche Ansätze ausgerechnet aus dem Zentrum des vermeintlichen Kapitalismus zu vernehmen.

Die Sorgen sind völlig berechtigt. Doch kann Umverteilung von der zunehmend digitalen Wertschöpfung zu immer wertschöpfungsferneren Menschen diese Entwicklungen auffangen und uns vor dystopischen Verhältnissen bewahren? In einer Zeit, in der Geld aus unermesslichen digitalen Beträgen besteht, scheint es die einfachste Sache der Welt zu sein, Einkommen zuzuteilen: Es handelt sich um eine schlichte Buchungszeile.

Diese Perspektive übersieht jedoch die reale Bedeutung von Einkommen: Beträge sind irrelevant, entscheidend ist der Zugriff auf reale Güter und Dienstleistungen, also die Kaufkraft. Für diese Kaufkraft müssen auf der anderen Seite der Verteilung stets Produzenten von Gütern und Dienstleistungen stehen, die diese abgeben. Märkte beruhen auf gegenseitigem Nutzen und damit freiwilligem Tausch. Reicht der Gegenwert nicht, so kann die Lücke nur durch Freigiebigkeit oder Zwang gefüllt werden. Dieser Zwang wird oft unter der Fassade einer „Pflicht” maskiert.

Genau dies zeigt sich beim Vordenker der Idee des Grundeinkommens, der diesen Ansatz besser zu verstehen hilft. Der österreichische Philosoph Josef Popper-Lynkeus formulierte die notwendige Gegenseite des Grundeinkommens als Anspruch auf reale Güter: eine „Nährpflicht“. Gemeint war damit in Analogie zur „Wehrpflicht” der staatlich administrierte Zwang für jeden Staatsbürger, eine gewisse Zeit seines Lebens als Zwangsarbeiter die Lebensmittel zu schaffen, die dann an alle als Grundversorgung verteilt würden. Der Gedanke ist wesentlich ehrlicher, weil er aus einer Zeit stammt, in der der „Schleier des Geldes” noch nicht so blasenhaft die Umverteilungsprozesse überzog.

Gewiss könnte man heutige Umverteilung durch Pauschalen ersetzen, was dem Gedanken einer „Grundsicherung” entspricht, oder als einkommensabhängige „Negativsteuer“. Doch eine Umverteilung der Umverteilung bedeutet Verlierer, sodass politisch realistisch nur eine Ergänzung ist – also noch höhere Umverteilung. Die Problematik eines solchen automatischen Anspruchs zeigt sich gerade in Wien: Dort sind bereits gut die Hälfte aller Bezieher einer „Mindestsicherung” Zuwanderer, und die Zahl solcher „Gesicherten” würde sich im Zuge der Massenmigration momentan alle drei Jahre verdoppeln. Durch steigende Steuereinnahmen ist dieses Wachstum längst nicht gedeckt. Sollten im Hochsteuerland tatsächlich die steuerlichen Daumenschrauben noch weiter angezogen werden, könnte es recht bald nichts mehr zu verteilen geben. Schon heute setzt Unternehmertum in Österreich eine masochistische Veranlagung voraus.

Viel problematischer noch ist, was dieses Grundeinkommen bei den Empfängern bedeutet. Die österreichischen Soziologen Marie Jahoda und Paul Lazarsfeld hatten in einer berühmten Studie bereits 1933 gezeigt, dass das Hauptproblem der Arbeitslosigkeit nicht mangelndes Einkommen ist, sondern mangelnde Struktur und mangelnder Lebenssinn. Menschen in den besten Jahren werden als Empfänger unverdienter Beträge abgespeist, während ihnen sinnvolle Aufgaben verschlossen bleiben. Die schädliche Auswirkung auf ihre Lebenseinstellung wird weit unterschätzt. Gewiss erlaubt die materielle Absicherung, eigenen Interessen nachzugehen und selbst sinnvolle Aufgaben zu finden. Doch der Nexus des Marktes richtet Menschen auf das Dienen am Mitmenschen aus und liefert einen disziplinierenden Maßstab für das Schaffen. Die Gewöhnung an das Unverdiente hingegen enthebt die Menschen in eine irreale, unsoziale und sinnleere Parallelwelt.

Wenn der digitale Wandel wachsenden Wohlstand zu schaffen vermag, wären dann nicht genügend Mittel da, um die Grundversorgung für alle zu gewährleisten? Hier liegt ein Missverständnis vor: Der Grund, warum Hungersnöte in unseren Breiten selten sind, ist nicht Zuteilung eines Minimums, sondern die Vergünstigung durch die unglaubliche Produktivitätsexplosion seit dem 19. Jahrhundert. Die Quelle des Wohlstands, nämlich Produktivitätserhöhung dank technischem Fortschritt, mit einer Steuer bestrafen zu wollen, ist grundverkehrt.

Sollten sich die Erwartungen – ob Hoffnungen oder Ängste – erfüllen, so entsteht automatisch eine Art Grundeinkommen: Dramatische Vergünstigung führt dazu, dass für lebenswichtige Güter immer weniger Arbeitseinkommen nötig ist. Schweizer Armut ist schon heute im historischen und sogar im geografischen Vergleich unglaublicher Reichtum – und das ist keineswegs zynisch gemeint.

Geldverteilung setzt Geldwert voraus, und der Wert heutigen Geldes liegt an einer Verschuldungsdynamik, die Ungleichheit vergrößert und damit scheinbar Umverteilung nötig macht. Gerade bei Zukunftsforderungen sollte man dieses System nicht einfach weiter extrapolieren. Letztlich läuft es auf Güterverteilung hinaus, und diese setzt Güterproduktion voraus. Doch was sind die Güter des digitalen Wandels? Die Produktionsmittel sind Programme und Baupläne, also Daten. Wenn die Entwicklung so weiterläuft, wird auch die analoge Produktion an digitale Anweisungen angeschlossen werden. Wenn nur noch Automaten arbeiten, dann geht der größte wirtschaftliche Wert auf die Anweisungen über. In der Science Fiction liefert der Replikator beliebige materielle Güter, sobald die jeweiligen Baupläne eingespeist sind.

Ein Grundeinkommen, das direkt von den Urhebern zu den potenziell Leidtragenden dieses Wandels liefe, bestünde also letztlich aus Datentransfers. Wert haben diese nur im Kontext der richtigen Schnittstellen und Einsatzmöglichkeiten. Ein freiwilliges „Grundeinkommen” dieser Art gibt es schon: Auch die Ärmsten haben heute schon kostenlosen Zugang zu Medien und Foren sowie zu Applikationen, die vor kurzem noch utopische Fantasie waren. Gewiss, es gibt – wie bei jedem freiwilligen Tausch – eine Gegenseite: Die digital Grundversorgten liefern im Gegenzug Daten und Aufmerksamkeit. Die einseitige Zwangszuteilung von Digitalem hingegen, ganz „kostenlos”, würde so schieflaufen wie jede Kapitalverteilung: Sie verzehrt mehr, als nach der Zuteilung bleibt. Gerade bei Daten ist dies offensichtlich: Nur im korrekten und konkreten Einsatz sind sie wertvoll, sonst bleiben sie unverständliche Muster.

Eine Robotersteuer brächte auch die üblichen Interventionsprobleme mit sich: Wer definiert die zu besteuernden „Roboter”? Ist es ein Zufall, dass der Softwareproduzent bloß die Hardware für seine Steuerpläne anführt? Was, wenn Musks neuestes Unternehmen Erfolg hat und die Trennung zwischen Mensch und Maschine schwindet?

Eine Dampfmaschinensteuer hätte vielleicht ein paar Kutschern noch eine sinnleere Existenz als Zuteilungsempfänger finanzieren können. Viel wesentlicher als die Kreativität, sich neue Steuern auszudenken, war die Kreativität, Wege zu finden, die neue Technik den Menschen dienlich zu machen. An das unglaubliche „Grundeinkommen” des gehobenen Grundwohlstands durch die technische Produktivitätsexplosion haben wir uns schon so gewöhnt, dass wir es bereits übersehen.

Dieser Artikel erschien in der Zeitung „Finanz und Wirtschaft”. weiterlesen

Kategorie: Scholien, Unternehmertum

Peak-Entrepreneurship: Schaffen Unternehmer noch reale Werte?

Rahim Taghizadegan am 3. Mai 2017

Die unsichtbare Hand des Marktes, wie sie Adam Smith in seinem ökonomischen Grundlagenwerk „Vom Wohlstand der Nationen” beschrieben hat, zeigt, wie das Streben nach individuellem Vorteil zu gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt führt. In der Marktwirtschaft erfolgt der Dienst am Nächsten durch Produkte und Dienstleistungen, die freiwillig nachgefragt werden. Jeder tauscht seine Produktion gegen die der anderen Tauschpartner. Im weiten Sinn ist somit jeder Unternehmer, der seine Leistung auf einem Markt feilbietet. Ludwig von Mises spricht vom Unternehmer als Diener des Konsumenten. Er definiert hierbei die Unternehmer im engen Sinn, als jene Gruppe von Marktteilnehmern, die mit eigenen Ressourcen und vollem Risiko Güter produzieren und um die Gunst der Kunden eifern. Verbindet man das Theorem der unsichtbaren Hand mit dem Mises’schen Unternehmerbegriff, so könnte man meinen, dass der Unternehmer in der Tat nichts anderes als wohlstandsmehrende Güter hervorbringt.

Blickt man in die Realität des 21. Jahrhunderts, so scheinen erste Zweifel an diesem moralischen Blankoscheck für das Unternehmertum aufzukommen. Es drängt sich die Frage auf, ob Unternehmer heute im statistischen Durchschnitt tatsächlich mehr Werte schaffen oder mit ihren Produkten und Dienstleistungen langfristig mehr Schaden als Nutzen stiften.

Haben wir vielleicht schon Peak-Entrepreneurship erreicht? In Analogie an das imaginäre Peak-Oil, die falsche Prognose eines Förderklimax für Erdöl, könnte man so den Punkt bezeichnen, an dem mehr Unternehmertum nicht mehr at the margin den Grenznutzen der Menschen erhöht, sondern gar einen Grenzschaden verursacht. Das Erreichen dieses Punktes wäre freilich nicht alleine den Unternehmern vorzuwerfen, sondern vor allem den Urhebern der Marktverzerrungen.

Der aktuelle Hype um sogenannte Start-Ups zeigt, dass bei vielen Unternehmen potentiell bereits mehr Kapital aufgebraucht wird, als wertschöpfend aus den getätigten Investitionen erzeugt wird. Die meisten Start-Ups finden sich in rasch skalierbaren, konsumorientierten Märkten.

Konsum in einem noch nie da gewesenen Umfang wird möglich, da die Transaktionskosten aufgrund der digitalen Schnittstellen sowie marginalen Logistikkosten gegen Null tendieren (Bestellung per Mausklick). Zwar ist die Vermehrung von Konsumgütern eines der zentralen Merkmale des marktwirtschaftlichen Prozesses und Ausdruck von Wohlstand, in einem zunehmend verzerrten, inflationistischen Umfeld kann dies aber auch gefährlich sein. Breite Bevölkerungsschichten sind heute von einer Mentalität schnellen und ständigen Konsums geprägt und werden potenziell durch Angebote marginaler Grenz-Unternehmer zu weiterem Konsum – auf Kosten von nachhaltiger Ersparnisbildung – verleitet. Angesichts einer erodierenden Einkommensbasis, vor allem bei Jugendlichen, liegt der Schluss nahe, dass das gegenwärtige Konsumniveau nur auf Kosten des bestehenden Kapitalstocks gehen kann.

In der Hochkonjunktur des inflationsinduzierten Aufschwungs profitiert jedoch nicht nur der Konsumgüter-, sondern auch der Investitionsgütermarkt. Durch die künstliche Zinssenkung infolge der Geldmengenausweitung werden Unternehmer zu weiteren Investitionen verleitet. Aufgrund des Cantilloneffekts profitieren zunächst Produzenten, die nahe an der Geldschöpfung wirtschaften (Banken, Venture Capital, Bauwirtschaft und Industrie). Die zusätzliche Geldschöpfung wird in den kapitalintensiven Sektoren über das so genannte „Financial Engineering” genutzt, um die Eigenkapitalrenditen der Unternehmen – im Wesentlichen durch Ausnutzung des Hebeleffektes – zu erhöhen.

Der Start-Up-Hype in der Investitionsgüterindustrie wurde durch Venture Capital-Unternehmen befeuert. Die dabei finanzierten Projekte werden in die innovativ klingenden Gruppen FinTech (Finanzindustrie), MedTech (Medizintechnik) oder CleanTech (erneuerbare Energien) eingeteilt.

2016 veröffentlichte das MIT eine Studie zur Wirtschaftlichkeit der Start-Up-Projekte im Bereich CleanTech und kam zu ernüchternden Ergebnissen. Zwischen 2006 und 2011 verloren die Investoren über 50 Prozent Ihres kumuliert eingesetzten Kapitals von USD 25 Milliarden. In keinem der Unternehmen konnte eine positive Kapitalrendite erwirtschaftet werden. Die anderen Technikgruppen wurden nicht im Detail untersucht, sondern nur als Vergleich herangezogen, zeigten jedoch auch nur minimale Renditen, wenngleich der Kapitalverlust, durch einige erfolgreiche Exits (Verkauf an multinationale Konzerne), im Schnitt verhindert werden konnte. Die Studie fasst die Gründe für das Scheitern der Projekte im Wesentlichen wie folgt zusammen:

  • die extreme Kurzfristigkeit im Geschäftsmodell der Venture Capital-Unternehmen, deren Investitionszyklus vielfach bereits nach fünf Jahren einen Exit bedeutet. Die „Hardware”-intensiven – sprich kapitalintensiven und langfristigen Güter des Anlagevermögens (Kraftwerke, Pumpspeicher etc.) – binden Kapital jedoch auf einen deutlich längeren Durchrechnungszeitraum, wodurch eine renditegetriebene Skalierung binnen fünf Jahren vielfach unmöglich ist. Die Unternehmen scheiterten durchwegs, lange bevor die Techniken überhaupt eine erste Skalierung erlaubt hätten.
  • Die Technikunternehmen hatten ihr operatives Kerngeschäft in Sektoren mit minimalen Margen (Rohstoffgewinnung, Energieerzeugung), die nicht den geringsten Raum für unternehmerische Fehlkalkulationen ließen.
  • Es gab keine realistische Exit-Strategie, da große Industrieunternehmen in den entwickelten Technologien keine für ihr Geschäftsmodell relevanten Innovationen erkannten, die eine Akquisition gerechtfertigt hätten.

All dies führte zu einem miserablen Rendite-Risiko-Profil für Venture Capital-Unternehmen und hat den Finanzierungsmarkt für Hochrisikoinvestitionen im Bereich der Technik vollständig ausgetrocknet. Für die notwendige längerfristige Perspektive bei der Investition in Hardware, also Technik, die in die analoge Realität reicht, schlägt die Studie eine engere Kooperation zwischen Staat, nationalen Forschungseinrichtungen und Großunternehmen mit entsprechend großzügigen Förderungen vor, um die Renditeüberlegungen auf einen längeren Durchrechnungszeitraum zu verteilen.

Das ist ein weiterer Hinweis auf die verheerende Interventionsspirale, in der wir uns befinden. Die extreme Marktverzerrung durch staatliche Interventionen legitimiert weitere staatliche Interventionen. Das gewünschte Ziel kann dabei niemals erreicht werden. Die Empfehlungen, die offensichtlich den Interessen der Studienautoren entsprechen, würden natürlich die Zeitpräferenz noch weiter erhöhen und damit die Kurzfristigkeit. Wenn dieses staatlich angeschobene Unternehmertum dann weiterhin als Unternehmertum bezeichnet wird, wäre Peak-Entrepreneurship zweifellos überschritten. Spätestens dann brauchen wir einen neuen Begriff. Contrepreneurship würde sich anbieten:

Der Begriff [Entrepreneur] hatte das feudale Zeitalter überlebt, das Papiergeldzeitalter wird er aber womöglich nicht mehr überleben. Dann werden die Entrepreneure nur noch als Arbeitsplatzbewirtschafter, als Menschenwirte und Wirtschaftsräte, als Betriebsführer und Subventionsempfänger, als Funktionäre und Alibi der Politik gesehen, und die eigentlichen Träger der Ungewissheit, die Pioniere des Erahnten und Verdrängten, die Visionäre werden sich vielleicht eher als Contrepreneure verstanden fühlen. (Helden, Schurken, Visionäre)

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Kategorie: Scholien, Unternehmertum

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