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S4-E14-2: Gehlen, Moral und Hypermoral

Rahim Taghizadegan am 17. Jänner 2024

Folgendes Exzerpt wurde besprochen:

  • Gehlen – Moral und Hypermoral: eine pluralistische Ethik

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Filed Under: Lebensphilosophie, Seminar, Studium Generale

S4-E14-1: Richard Alexander, Biologie der Moral

Rahim Taghizadegan am 17. Jänner 2024

Folgendes Exzerpt wurde besprochen:

  • Alexander – The biology of moral systems

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Filed Under: Lebensphilosophie, Seminar, Studium Generale

Eine Geschichte der Privatsphäre

Rahim Taghizadegan am 15. Jänner 2024

Der Schutz der Privatsphäre gilt heute als Recht, das vom Gesetzgeber gewährt und vor Unternehmen geschützt werden muss. Diese Auffassung ist relativ neu, wurde in den USA popularisiert und hat eigentlich mit Sex zu tun. Beim Sex beginnt auch die Geschichte der Privatsphäre.


Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.

Erscheint in der kommenden Ausgabe des Magazins „21“.

Filed Under: Geopolitik, Scholien

Fehler im Geldsystem und die Lösungspotentiale von Bitcoin

Rahim Taghizadegan am 15. Jänner 2024

Mängel im Geld- oder Finanzsystem zu erkennen, ist ein Gemeinplatz. Fast jedes politische Lager, jede gesellschaftskritische Strömung, jeder Reformansatz vermutet diese. Doch die Einigkeit über die konkreten Mängel selbst ist gering, noch geringer ist sie nur über die möglichen Verbesserungsansätze. Lösungsvorschläge gibt es viele, doch die mangelnde Einigkeit ist eine demokratische Schwelle, die auch etwas Gutes hat: Sie schützt uns vor falschen und voreiligen Lösungen. Was, wenn die Rezepte der Geldreformer mehr Schaden als Nutzen anrichten? Ideen und gute Intentionen sind zu wenig, in der Wirklichkeit erweisen sich die besten Pläne und Absichten oft als gefährliche Irrwege.


Der bessere und ungefährlichere Weg ist der über die Experimente von Pionieren. Die Geschichte ist voll von alternativen Geld- und Finanzstrukturen. Manches hatte lokal starke Wirkung. Doch bislang blieben alle alternativen Experimente, wenn sie nicht auf Zwang und Gewalt zurückgreifen konnten, eng begrenzt. Wenige überlebten, nichts wirkte global als Vorbild einer realistisch erreichbaren, besseren Geldordnung.


Der Grund dafür liegt in der Besonderheit von Geld. Es hat dann die größte Bedeutung, wenn das Vertrauen am geringsten ist: wenn entfernte Fremde kooperieren. Familien und kleine Gemeinschaften benötigen Geld eigentlich nicht, eine akribische Gegenrechnung mit völliger Loslösung beliebig ersetzbarer Geldeinheiten von den handelnden Personen und ihren gewachsenen Beziehungen ist oft sogar schädlich.


Dieses Paradoxon des Geldes erklärt nicht nur einen großen Teil der Ablehnung von Geld – weshalb einige Reformansätze die Geldlosigkeit erstreben –, sondern auch die Schwierigkeit von kleinen Experimenten. Wo das Vertrauen groß genug ist, alternativen Abrechnungssystemen zu vertrauen, ist der Bedarf an Geld klein. Wo der Bedarf an Geld aber groß ist, in der fernen Welt globaler Zahlungen, Unternehmensfinanzierungen und Vermögensanlagen, dort fehlt das Vertrauen, unerprobten Rezepten einzelner Geldverbesserer zu folgen – denn wer kommt für den Schaden auf, wenn es schiefgeht? Experimente gehen fast immer schief!


Dass sich ein besseres Geld also wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Misstrauens ziehen kann, wäre ein Wunder. Immer mehr Menschen in aller Welt sind überzeugt, ein solches Wunder miterlebt zu haben. Das erklärt die oft religiös anmutende Begeisterung für ein Geldexperiment, das in den konkreten Details zunächst allzu abstrakt, ungewiss und technisch anmutet: Bitcoin!


Aus einem Nischenexperiment weniger Cypherpunks – einer kleinen Strömung fortschrittsfreundlicher Freiheitsfreunde und technikkundiger Überwachungsgegner – ist mittlerweile ein globales Phänomen geworden. Bitcoin wird in aller Welt für Zahlungen, als Anlage, als Besicherung und als digitale Infrastruktur verwendet. Die relativ stärkste Nutzung erfährt es in jenen Staaten, in denen Menschen für ihre Ansichten verfolgt und von internationalen Zahlungssystemen ausgeschlossen werden, während korrupte Politik ihre Heimwährungen dramatischem Wertverfall aussetzt.


Die empirische Realität der Bitcoin-Nutzung ist beeindruckend: Sie ist eine der wenigen verbliebenen Dynamiken, die Menschen in Afrika und Europa in freiwilliger Weise auf gleicher Augenhöhe verbindet. Völlig unabhängig von aktuellen Kursen wächst die Zahl der Abermillionen kleinen Bitcoin-Nutzer, die monatlich in Bitcoin sparen – in einer Geldform, die ohne Erlaubnis und geschützt vor dem Zugriff totalitärer Staaten bei geringsten Kosten zensurfrei international versendet, bewegt und verteilt werden kann.


Doch ist Bitcoin auch besseres Geld? Für uns privilegierte Europäer ist die Frage nicht so einfach zu beantworten; in der aufstrebenden Welt abseits unserer Blase ist die Antwort klar. Ein junger Afrikaner hat nichts von der Euro- oder Dollar-Schöpfung in unseren Finanzzentren, welche die globale Ungleichheit laufend vergrößert. Bitcoin hingegen ist jedem zugänglich, kann von jedem – individuell oder gemeinsam in basisdemokratischen Vertrauensstrukturen – ohne jeden Finanzintermediär gehalten werden. Die Blockchain – die fälschungssichere Datenbank aller Transaktionen – ist für jeden transparent, so auch der Algorithmus. Bitcoin ist Open-Source-Software, nicht Privileg von wenigen, sondern offene Infrastruktur für viele.


Im gegenwärtigen Finanzsystem fließen – intransparent und letztlich willkürlich – immense Dollar- und Euro-Beträge an Banken, Fonds und Staaten in Schieflage und an die Halter bestimmter Vermögenswerte. Diese systemischen Bail-Outs sozialisieren private Verlustrisiken und werden als alternativlos verkauft. Die Alternativlosigkeit folgt aus der fragilen Komplexität des Geldsystems, die in der Tat Reformansätze abschmettert.


Die Inspiration für Bitcoin war der ungerechte Bail-Out nach der großen Finanzkrise 2008. Doch es war kein politisches Projekt; diese Inspiration ist subtil in den ersten Einträgen der Datenbank versteckt. Bitcoin trotzte der Alternativlosigkeit, indem es als freiwilliges Experiment antrat, das zunächst kaum jemand ernst nahm. So konnte das Netzwerk ungestört wachsen – und könnte bald “too big to fail” sein, in ironischer Umkehrung der heutigen Finanzwirtschaft: nicht als willkürlich von oben zugesprochenes Privileg für wenige, sondern von unten als Alternative der vielen.


Andere utopische Geldideen mögen besser scheinen und viel mehr versprechen. Nur Bitcoin funktioniert bislang als neutrales Werkzeug – egal, wie sehr wir uns misstrauen, wie groß unsere ideologischen und kulturellen Unterschiede und wie stark die Widerstände von etablierten Interessen sind. Allein damit schon ist es besseres Geld: Es verbindet in einer Zeit der Polarisierung, der geopolitischen Gegensätze und Zukunftsängste die unterschiedlichsten Menschen in aller Welt peer-to-peer, in philanthropischen Projekten und NGOs, in Unternehmungen und der vielleicht einzigen systemkritischen Bewegung, die nicht ängstliche Reaktion und apokalyptische Panik ist, sondern voll positiver Energie und Hoffnung.


Wie aber steht es um die “Nachhaltigkeit”? Bitcoin wird oft wegen hohen Energieverbrauchs und der Ungleichheit zwischen frühen und späteren Einsteigern kritisiert. Doch gerade der Begriff “Nachhaltigkeit”, sollte die langfristige Entwicklung betrachten und nicht bloß eine statische Momentaufnahme. Bitcoin ist nicht nur die Industrie mit dem größten Anteil an erneuerbarer Energie, sondern auch jene, in welcher die Energiewende am schnellsten vorangeht – ohne Verbote und Subventionen, die stets zu Verzerrungen und Gegenreaktionen führen.


Es ist ein häufiger Irrtum, den Energieverbrauch dem Netzwerk und Zahlungssystem Bitcoin zuzuschreiben. Tatsächlich wird die Energie von jenen aufgewandt, die Zugang zu günstigerer Energie haben, und so durch Schürfen neuer bitcoin (die Einheit, zur Unterscheidung kleingeschrieben) billiger zu diesen kommen können aus durch Zukauf. Dieser Energieaufwand ist dezentraler Schutzmechanismus für das Netzwerk, eine für alle gleiche Schwelle zum Zugang zu neuen bitcoin, deren Gesamtmenge beschränkt ist und deren Neuemission gegen null geht. Die günstigste Energie ist erneuerbare oder ungenutzte Energie, die sonst verschwendet wird – oder im schlimmsten Fall in die Atmosphäre abgefackelt wird. Bitcoin-Schürfen tendiert daher langfristig zur Klimaneutralität. Die Umweltschäden durch bestehende Vermögenswerte (wie etwa leer stehende Anlageimmobilien) sind nicht nur ungleich höher als jene, die der Wettbewerb um bitcoin verursacht, sondern auch die Tendenz ist trotz politischer Massnahmen weit weniger günstig.


Noch gravierender ist der Unterschied bei der Ungleichheit. Bitcoin ist das einzige Anlagegut, das langfristig einen sinkenden Gini-Koeffizienten aufweist, das heißt, dass bitcoin gleichmäßiger verteilt werden. Frühe Einsteiger konnten bitcoin zwar viel günstiger erwerben und schürfen – doch damals war die Ungewissheit auch so groß und die Infrastruktur so unzureichend, dass die meisten Früheinsteiger den Einstieg gewaltig vermasselten. Je später, desto kürzer die Lernkurve, desto größer die (überwiegend kostenlose und ehrenamtliche) Unterstützung, desto mehr und bessere technische Werkzeuge, desto höher die Akzeptanz und desto einfacher die Nutzung.


Während alle anderen Anlagegüter die wachsende Ungleichheit durch ungerechte Geldschöpfung im Finanzsystem widerspiegeln, wächst die Zahl der kleinen Bitcoin-Nutzer laufend, die in aller Welt dieselbe niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeit haben, egal wie arm oder politisch unterdrückt. Sogar jene, die am letzten Höchstkurs in Bitcoin einstiegen und dem richtigen und wichtigen Rat folgten, nicht zu zocken, sondern ihre kleinen Ersparnisse stetig in “sats” (satoshi ist die eigentliche Einheit, 100 Millionen davon sind 1 bitcoin) zu sichern, haben fast jede andere Anlage geschlagen – vor allem die der hoch bezahlten Fondsmanager in den Finanzzentren.


Aus dieser Richtung kommt auch der größte Widerstand – denn es handelt sich um die erste Demokratisierung der Vermögensanlage, an der Finanzintermediäre nichts verdienen können. Daher richtet sich das Interesse der Bankiers und Financiers überwiegend auf kurzfristige Hypes wie “Blockchain”, “Crypto”, “NFT”, unter denen Venture-Kapital nach neuen Bereicherungsmöglichkeiten und Pyramidenspielen heischt – während die eigentliche Revolution nahezu unbemerkt stattfindet. Bitcoin ist vielleicht nicht das beste denkbare, aber wahrscheinlich das beste real existierende und ökologisch und sozial “nachhaltigste” Geld unter realen – nicht utopischen – Bedingungen.

Zuerst erschienen im Forum Nachhaltig Wirtschaften

Filed Under: Bitcoin, Scholien

Schocktherapie in Argentinien?

Rahim Taghizadegan am 15. Jänner 2024

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Mit ähnlich grossem Überraschungseffekt wie einst Trump in den USA hat sich in Argentinien der Aussenseiter Javier Milei durchgesetzt. So wird er auch in derselben Schublade eingeordnet: Rechtspopulist mit Hang zum Autoritären. Während Trump nur Schockwert hatte, bietet Milei eine Schocktherapie. Aus dem hoch regulierten Land soll eine Oase wirtschaftlicher Freiheit werden.

Nur zwei Wochen nach seinem Amtsantritt präsentierte er ein 351-seitiges Gesetzespaket, das zwei Drittel seiner Reformversprechen enthält. Mangels parlamentarischer Mehrheit strebt der erste Gesetzesvorschlag nach Notstandsbefugnissen, die dem Präsidenten für zwei Jahre freie Hand gewähren sollen.

Die Opposition setzte mit Massendemonstrationen und einem Generalstreik zum Widerstand an. Milei will das Ausnutzen des Versammlungsrechts zur Blockade nicht tolerieren: Für Organisatoren werden bis zu fünf Jahre Haft gefordert. Die Demonstranten sollen zudem die Kosten der Einsätze tragen. Das verstärkt die Vorwürfe, im liberalen Pelz stecke ein autoritärer Wolf. Für die radikale Linke ist ohnedies immer schon klar: Neoliberalismus sei Steigbügelhalter des Faschismus.

Die Zeit für solche ideologischen Verdrehungen ist jedoch vorbei. Der Aufstieg eines «autoritären Rechtspopulismus», der manchmal wirtschaftsliberale Ansätze nutzt, hat Gründe, die kaum ideologisch sind – höchstens als Gegenreaktion. Trump, Milei, Bolsonaro, Orbán haben ideologisch wenig gemeinsam. Sie einen hauptsächlich ihre ideologischen Gegner: Journalisten und Akademiker.

Die «Rechtspopulisten» sind nicht antidemokratisch, sondern eine Folge des Niedergangs der Demokratie. Die Ursprungsbedeutung von Demokratie sieht Subsidiarität von Gemeinden auf der Grundlage bürgerlicher Verantwortung vor. Intellektuelle haben mitgeholfen, daraus eine Kultur der Verantwortungslosigkeit zu machen, indem sie um «Demokratie» und «Rechtsstaat» mächtige Tabus geschaffen haben, die keinerlei Kritik mehr zulassen. Wahlen wurden, wie der amerikanische Publizist H. L. Mencken anmerkte, zum «Vorverkauf gestohlener Güter». Argentinien befindet sich im fortgeschrittenen Stadium dieses Wahlmissbrauchs. Peronismus war nichts anderes als besonders unverfrorene Umverteilungspolitik und Juan Perón viel eher Faschist.

Wenn sich der durchschnittliche Wähler als Nutzniesser dieser Umverteilung sieht, erscheint die als demokratisch getarnte Interessenpolitik unumkehrbar. In den meisten «demokratischen» Staaten ist der Punkt längst erreicht, wo die Mehrheit der Bevölkerung von Transferleistungen auf Kosten anderer lebt.

Doch so unumkehrbar ist die Sache doch nicht. Eine Dynamik wirkt zunächst unsichtbar, bis ihre Folgen das Umverteilungsregime von innen aushöhlen. Dann erkennt der Medianwähler, dass die Verhältnisse gegen seine Interessen gehen, und neigt zur wütenden Sanktionierung über die Wahlurne. Mit Liberalismus hat dies selten zu tun – dazu braucht es schon den lupenreinen Etatismus des Peronismus und die Ausnahmefigur eines Wirtschaftsprofessors als «Populist».

Die zunächst schleichende, dann unübersehbare Dynamik könnte man Inkompetenzspirale nennen. Steigende Anspruchsmentalität und sinkende Rechenschaft dank Tabuisierung und Geldmengenausweitung führen dazu, dass Positionen in Politik und Staat überwiegend an Günstlinge gehen und immer weniger Kompetenz voraussetzen. Am weitesten fortgeschritten ist der Prozess dort, wo die ideologische Tabuisierung zur «Alternativlosigkeit» führt – etwa in Venezuela und Südafrika. Die Bekenntnisse zum Sozialismus sind hierbei nebensächlich. In Venezuela kommen die Tabus aus der Geopolitik, in Südafrika von der Hautfarbe.

Argentinien ist eines der Geburtsländer des Narrativs vom «Neoliberalismus»: Dabei wurde, unter Mithilfe europäischer Intellektueller, ein ideengeschichtliches Etikett völlig umgedeutet und als Chiffre missbraucht, um negative Erfahrungen durch reale Schieflagen der Dollarschöpfung und geopolitischer US-Interessen mit Etatismus zu verbrämen. Vielleicht deshalb tritt ausgerechnet dort die Abrechnung mit der Inkompetenzspirale als Liberalismus auf.

Sie ereilt als selbsterfüllende Prophezeiung diejenigen Intellektuellen, die sich bequem im Umverteilungsstaat eingerichtet haben, aber ständig die Empörungswelle über die Entrechteten und Armen reiten. Kritik, besonders von Sozialwissenschaftlern, ist wichtig. Doch aus diesem hehren Auftrag wurde eine Unkultur der Kritiklosigkeit gegenüber Inkompetenz, bis hin zur «Wokeness». Diese setzt anstelle des Kompetenzwettbewerbs einen Wettbewerb um Opferstatus und ist damit Beschäftigungsprogramm für diejenigen, deren Inkompetenz tabuisiert und keiner Kritik mehr zugänglich ist.

Der Preis steigender Inkompetenz ist Minderleistung, die vor allem dann wütend macht, wenn Anspruchsdenken auf schwindende Qualität staatlicher Leistungen trifft. Sind im Höchststeuerland Deutschland nicht einmal mehr die Züge pünktlich, so mag man die Empörung als übertriebene Erwartungshaltung abtun. Tatsächlich sind solche Infrastrukturmängel aber Wegmarken nach Südafrika. Am Ende kommt dann auch der Strom nicht mehr aus der Steckdose.

Die Umwandlung der Demokratie in ein Instrument, mit dem zufällige Mehrheiten – meist nicht mehr als ein Fünftel der Bevölkerung – ihre Interessen rücksichtslos durchsetzen, verwandelt jede Politik in Populismus. Wenn Journalisten dieses Etikett einseitig vergeben, meinen sie hingegen die politische Strategie, Zustimmung der Bevölkerung statt der medialen und der akademischen Elite zu suchen. «Populismus» als Vorwurf bezeichnet dann nichts anderes als Wut über den Verlust der eigenen Torwächterfunktion.

«Autoritär» schliesslich ist die Intuition des Durchschnittsmenschen, wenn er unter Inkompetenz zu leiden beginnt. Dann steigt die Sehnsucht nach dem selbstbewussten «Aufräumer». Diese Sehnsüchte sind gewiss gefährlich, führen zur massiven Überbewertung von Politik und zur Heroisierung von Politikern, der diese kaum jemals entsprechen können. Das befördert Kompetenzdarsteller, denen das Schauspiel dank Narzissmus gut gelingt. Diese Karrieren sind jedoch nicht Siegeszug eines plötzlichen antidemokratischen Autoritarismus, sondern nur ein weiteres Symptom tabuisierter Inkompetenz in den Institutionen.

Buenos Aires liegt nicht geografisch, aber politisch genau zwischen Berlin und Johannesburg. Berlin steht für die Lage, in der erstmals paradoxe Interessengegensätze zwischen Politikern und ihren Wählern offensichtlich werden, weil Letztere zwar wollen (mehr Geld!), Erstere aber nicht mehr können (mehr Kaufkraft und Gratisleistungen zuteilen). Die Qualität sinkt dann schneller, als die Quantität es wettmachen kann. In Buenos Aires wurde schon vor zwanzig Jahren «que se vayan todos» skandiert – alle Politiker weg! Johannesburg steht für den Endpunkt dieser Entwicklung: völliges Staatsversagen, in dem die bürgerlichen Reste Parallelstrukturen aufbauen, weil der Staat gar nichts mehr zu bieten hat.

Für die Argentinier gibt es den Funken Hoffnung, dass unter hohem Leidensdruck eine Kehrtwende gelingt, sodass sich Buenos Aires doch noch von Berlin am Weg Richtung Johannesburg überholen lassen kann. Eine solche Umkehrung wäre gewiss begleitet von der geifernden Wut, aber letztlichen Ohnmacht deutscher Akademiker und Journalisten, die stets den Rechtsextremismus herbeischreiben. Demokratie und Rechtsstaat missbrauchen aber vor allem diejenigen, die selbst mit Geltungstugend und in tabuisierten Positionen Prestige und Einkommen konsumieren, während das gesellschaftliche Kapital einer Allianz von ideologischer Verblendung und Inkompetenz geopfert wird.

Zuerst erschienen in Finanz und Wirtschaft.

Filed Under: Geopolitik, Scholien

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