Auch dieses Jahr schlägt Bitcoin fast alle Anlagealternativen, trotz erheblichen Gegenwinds. Dieser Aufstieg, ökonomisch noch weitgehend unverstanden, zeigt sich auch in den letzten Rückzugsgefechten. Ein Experte und ein Laie seien beispielhaft herausgegriffen, da sie sich im letzten Monat mit Warnungen an die Öffentlichkeit drängten und besonders hilfreich für ein Verständnis der letzten Schwellen für die Verbreitung von Bitcoin sind.
Ein Zürcher Aktivist ringt im Rahmen eines kaum bekannten Vereins um eine Volksinitiative für ein Bitcoinverbot, während ein EZB-Ökonom ein solches Verbot nach vermeintlich wissenschaftlicher Studie anregt. Beide, Laie und Experte, sind in der Motivation näher beieinander als es scheint. Ersterer bemüht das ökologische, letzterer das soziale Argument. Tatsächlich gestehen beide die Unaufhaltsamkeit von Bitcoin ein und reihen sich in die alte Tradition rückwärtsgewandter Ludditen (Technologiefeinde).
Der Klimaaktivist gibt zu, dass die Initiative nur geringe Aussicht auf Erfolg habe. Bitcoin werde gehypet, und die Jugend kehre den grünen Verbotsparteien den Rücken, betrauert er. Der Experte sieht Bitcoin bereits als Selbstläufer in der Anlage, es werde immer mehr Anleger anziehen und die Gesellschaft tiefgreifend verändern.
Noch vor kurzem klang er ganz anders. Vor zwei Jahren sagte er wie viele Experten vor ihm das Ende von Bitcoin voraus. Seither hat sich der Kurs mehr als verdoppelt – bzw. die Währung, deren Stabilität Mandat der EZB ist, mehr als halbiert. Vielleicht ist ihm die Blamage bewusst, und der Ruf nach dem Verbot erfolgt zur Ehrenrettung.
Leider bedeutet „Expertise“ im geschützten Bereich das Fehlen jeder Konsequenz und damit Verantwortlichkeit für falsche Prognosen. Das hat dazu geführt, dass die Prognosen von Ökonomen im Durchschnitt schlechter sind als reiner Zufall. Der Zweck ist also letztlich nicht bessere Einschätzung der Zukunft, sondern Rationalisierung von mächtigen Interessen – meist jener, welche die Ökonomengehälter bezahlen.
Der Laie folgt in seinem Argument – wie so oft – mittlerweile widerlegter, bereits veralteter Expertise. Erste Artikel zum Energieverbrauch von Bitcoin vermuteten bei mangelhafter empirischer Basis allzu hohe CO2-Emissionen. Mittlerweile ist die Datenlage klar, und 10 der 11 aktuellsten wissenschaftlichen Arbeiten sehen die Klimaauswirkung von Bitcoin gar positiv. Das scheint kontraintuitiv, daher benötigte das Verständnis einige Zeit.
Während bei „öko-sozial“ bevorzugten Proof-of-Stake Blockchains passive Halter von Coins neue Coins ohne Aufwand bekommen, führt der energieintensive Proof-of-Work-Prozess von Bitcoin zu überraschenden Anreizen: Nur, wer im harten Wettbewerb um Zugang zur günstigsten Energie besteht, erhält neue BTC. Die günstigste Energie ist jene, die sonst keine Verwendung findet: Energiespitzen der erneuerbaren Energie und – noch besser – ungenutzt in die Atmosphäre austretendes Methan, das abgefangen und einer Verwertung zugeführt werden kann. Die überwiegende Mehrheit der Bitcoin-Miner operiert mittlerweile mit solchem Strom, der Energiemix wird zunehmend grüner. Bitcoin liefert daher private Subventionen für die Energiewende, ohne dass Steuerzahler die Rechnung begleichen müssen. Das macht Bitcoin bei den Steuergünstlingen nicht beliebter.
Vergleichen wir dies mit der politischen Energiewende, wie sie Aktivisten und Experten gefordert haben, aber nicht verantworten müssen: In Deutschland gehen die CO2-Emissionen in der Tat zurück. Der Grund liegt aber überwiegend in der politisch verursachten Deindustrialisierung und Verarmung. Während die Industrieemissionen einbrechen und insgesamt nur 15 Prozent der Reduktionen auf Einsparungen zurückzuführen sind, gehen in den nächst gereihten Bereichen Verkehr und Gebäude mangels technischen Fortschritts die Emissionen leicht hinauf.
Die grösste Gefahr für die Schweiz liegt aktuell darin, dass sich realitätsferne Schichten wieder einmal vom verheerenden deutschen Idealismus anstecken lassen und vom dramatischen Niedergang des Nachbarlandes nichts lernen, sondern diesem im Todestrieb folgen wollen. Die verbissene Lebensfeindlichkeit des Verbotswahns ist eines der Symptome. Mit ökologischem Gewissen hat dieser Todestrieb, der sogar Kinder als „klimaschädlich“ ablehnt, gar nichts zu tun, er stellt gar das glatte Gegenteil dar. Was man nicht versteht und selbst nie hervorbringen könnte, muss abgewürgt und niedergemacht werden, damit diese trostlosen Existenzen selbst besser dastehen.
Ähnlich trostlos und verbissen ist der Experte mit der wertlosen, aber teuren Expertise. Auf sozialen Medien fordert er das Verbot und verweigert jede Diskussion. In seiner letzten Veröffentlichung will er wissenschaftlich die dramatisch ungleiche Verteilung von Bitcoin und den Charakter eines Negativsummenspiels belegen.
Natürlich gilt für jede Vermögensanlage, dass Prognosen und darauf basierende Entscheidungen echte Konsequenzen haben. Dafür hassen Menschen im geschützten Bereich die Märkte. Es ist schwer erträglich für den Experten, dass Laien hier oft besser abschneiden. Das wirkt „unfair“ – doch der Experte bemüht natürlich nicht den eigenen Nachteil als Argument, sondern das imaginäre Volk. Dabei unterläuft ihm ein peinlicher Fehler: Er geht davon aus, dass die Verbindung von Bitcoin UTXOs (BTC-Beständen) und Adressen ein Verteilungsindikator ist. Das wäre so, als würde man das Vermögen auf Bankkonten den Banken zuschreiben. Tatsächlich sind die grössten Bestände natürlich treuhänderisch verwahrte: Börsen, ETFs, Verwahrungsdienstleister, bei Bitcoin zudem oft unzugängliche frühe Bitcoin, die keine Rolle mehr spielen.
Der historisch einmalige Wertzuwachs einer Bitcoinanlage über die Zeit mag ungerecht erscheinen. Doch diese Perspektive ist nicht wissenschaftlich aus der Wirklichkeit abgeleitet, sondern eine Meinung auf der Grundlage eines für Experten typischen theoretischen Irrtums. Mit ihrem akkreditierten Wissen übersehen sie die reale Ungewissheit. Anlageerfolg, wie unternehmerischer Erfolg, scheinen im Nachhinein oft wie Glücksfälle. Wichtig ist aber die Entscheidung im Vorhinein.
Bei niedrigeren Bitcoinpreisen war der Einstieg nicht ungerechterweise einfacher und billiger. Ganz im Gegenteil. Das Wagnis war viel höher, daher haben fast alle Anleger und alle Experten den Einstieg verpasst. Der Einstieg war auch teurer, denn der nominale Preis ist irrelevant – im Gegensatz zum ökonomischen Irrtum bekannt als „Unit bias“. Teuer war der Einstieg mangels Infrastruktur, Information, vertrauenswürdigen Dienstleistern, Werkzeugen und Erfahrungswerten.
Der Einstieg in Bitcoin wird immer einfacher, ganz im Gegensatz zur sonstigen Tendenz hin zu Finanzkartellen, Anlegerbevormundung, Kapitalverkehrskontrollen und sonstigen unsozialen Regulierungspraktiken. Am wenigsten sozial schliesslich ist die Politik des Arbeitgebers dieses Experten: Bald werden die Geldplanwirtschaftler in Frankfurt wohl die Schweizer als unsozial kritisieren, weil der Franken wieder aufwertet. Das ist dieselbe Ablenkung von der Abwertung des Euro wie jene Bitcoinkritik. Währenddessen bereichern sich die Erstempfänger der „sozial“ und „ökologisch“ begründeten Euromilliarden, bei weiterer Verarmung der Letztempfänger und weiterer Versiegelung der Böden durch Prestigeprojekte und Büroflächen für die wachsende Zahl an Armutsexperten.
Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.
Dieser Artikel erschien in Teilen bei Finanz und Wirtschaft sowie auf eigentümlich frei.