We discuss the Scholarium’s study program based on the Austrian School. Additionally, we discuss the original Austrian School and the modern Viennese perception, which differs a bit from the US. Finally,
Themen
Hochkonjunktur der Dummheit
Beide Phänomene sind Facetten einer Dynamik, die jeder kreditfinanzierten Blase eigen ist: Die Dummheit des durchschnittlichen Investors steigt ebenso wie die Dummheit des durchschnittlichen Konsumenten. Diese Perspektive bietet neue Indikatoren für die Position im Konjunkturzyklus: Marktbeobachter können sich an der Tendenz der Anlageentscheidungen orientieren (viele klagen über die verblüffende Dummheit, die institutionelle Investoren an den Tag legen). Menschen, welche die Finanzwelt weniger im Auge haben, können ihr Augenmerk dem Konsummarkt schenken: Solange die Absurdität neuer Produkte steigt und die intellektuelle Anforderung der Unterhaltungsformate sinkt, können wir davon ausgehen, uns noch weiter vom realwirtschaftlichen Boden zu entfernen.
Der Grund ist einfach: Wir müssen erklären, woher der Wohlstand der Nachfrager kommt. Da Intelligenz bis zu einer gewissen Schwelle mit der Fähigkeit korreliert, Wohlstand zu mehren und zu bewahren, kann bei Intelligenzmangel nur durch externe Liquiditätszuschüsse Kaufkraft erhalten bleiben: durch Verschuldung und Subventionen. Das ist freilich keine Arroganz des Intelligenten, sondern nüchterne Ökonomik. Ganz im Gegenteil, ich persönlich halte die erwähnte Schwelle, nach der sich die Dynamik umdreht, für weit niedriger als die meisten glauben. Die wirklich kolossalen Fehler und Dummheiten erfordern einen relativ hohen IQ. Allerdings befindet sich unsere Blasenwirtschaft bereits weit unter dieser Schwelle, sodass der durchschnittliche Konsum die durchschnittliche Wertschöpfungskompetenz übertrifft – bzw. die durchschnittliche Anlageentscheidung die durchschnittliche Werterhaltungskompetenz übertrifft.
Was bedeutet sinkende Durchschnittsintelligenz von Investoren und Konsumenten? Es verstärken sich Mitläufereffekte, wodurch Anlagehypes und Kaufmoden ausgeprägter sind: sowohl an der Börse als auch in den Produktzyklen wird die Volatilität größer. Durchschnittlich dümmere Konsumenten bedeuten allerdings nicht, wie viele glauben, einen höheren Beratungsbedarf und dadurch Chancen für den spezialisierten Einzelhandel. Ganz im Gegenteil: Dummheit besteht ja gerade darin, das eigene Wissen zu überschätzen, bzw. gar nicht zu wissen und zu beachten, was man nicht weiß. In der Psychologie nennt man dies den Dunning-Kruger-Effekt. Darum profitieren „brick-and-mortar stores”,Einzelhändler mit Straßenläden, nur in geringem Ausmaß vom steigenden Konsumismus, die meiste Nachfrage wird direkt in digitale und mobile Angebote abgesaugt, die noch niedrigschwelliger, da konsumnäher sind. Und hier befinden wir uns erst ganz am Anfang einer Entwicklung. Die Hoffnung vieler Ökonomen, dass mehr Konsumnachfrage Arbeitsplätze halten würde, ist also auch in dieser Hinsicht völlig verfehlt. Ich werde im Folgenden im Detail zeigen, was hinter dieser Dynamik steckt und warum sie eigentlich kein Marktphänomen ist.
Crowdfunding als Markt-Demokratie?
Die Hoffnung trügt jedoch. Wie der Name schon sagt, handelt es sich hier um potentielle Massenphänomene (Crowds), mit ihren eigenen Dynamiken. Massendynamiken sind durch Selbstverstärkung und power laws gekennzeichnet, also logarithmische Größenverhältnisse. Dies deutet daraufhin, dass der erwartete Demokratisierungseffekt langfristig abgeschwächt und gar umgekehrt werden könnte. Dafür mehren sich die Anzeichen, wie ich im Weiteren ausführe.
Wenn ein Konzept noch neu ist, reicht das, um die Aufmerksamkeitsschwellen zu durchbrechen. Daher kommt stets der anfängliche Enthusiasmus bei neuen Ideen der Aufmerksamkeitsbewirtschaftung im Massenmarkt. Der Erste, der auf die Idee kam, seine Website pixelweise als Werbefläche zu verkaufen, verdiente sich eine goldene Nase. Der Erste, der im Internet frech genug war, um die Masse anzubetteln, mit kleinen Beiträgen seine Kreditkartenschulden abzutragen, erreichte mehr als sein Ziel. Das sind nur zwei Beispiele, die beide unzählige Nachahmer fanden, die enthusiastisch das große Geld im Kleinen witterten. Die ersten Crowdfunding-Kampagnen hatten den Charakter des Neuen, Revolutionären, gar Rebellischen. Sympathische Kleinstunternehmer, die zuvor kein Mensch kannte, begeisterten Massen für ihre Projekte. Doch nun drängen immer mehr in diesen Markt. Es mehren sich die negativen Erfahrungen: Denn nur auf der Grundlage einer Konzeptskizze, die meist ein cooles Gadget vorstellt, wird um Geld gefragt, was sich eher im Bereich einer typischen Affekt-Konsumentscheidung als einer Investition bewegt. Hier ein typischer Kommentar: Yet another Kickstarter gadget disaster. Be careful what you crowd-fund, kids.
Die Folge ist ein verschärfter Wettkampf um Aufmerksamkeit. Immer neue bunte Spielzeuge werben um den durchschnittlichen Internetkonsumenten und schmeicheln ihm, er sei weltbewegender Investor. Sobald ein Konzept einmal die Masse erreicht hat, wird der Erfolg zwar nicht völlig vorhersehbar, doch relativ teuer: Die Aufmerksamkeitsschwellen zu überwinden kostet. Dadurch manifestieren sich dann die „unfairen” Gesetzmäßigkeiten der Power Laws, der Exponentialverhältnisse: Die bereits erfolgreicheren Projekte haben verhältnismäßig noch mehr Erfolg, die bereits bekannteren Projekte gewinnen verhältnismäßig noch mehr Aufmerksamkeit. Hat man einmal die Aufmerksamkeit, lässt sich einfach eine Crowdfunding-Kampagne anhängen. Hat man sie noch nicht, hilft auch das Crowdfunding nur in seltenen Ausnahmefällen.
Damit stellt Crowdfunding eher einen zusätzlichen Vertriebskanal als einen Finanzierungskanal dar. Selbst im Falle der – aufgrund der Regulierungslage meist gewählten – Nachrangdarlehen, handelt es sich eher um Preisdifferenzierung für Konsumenten mit erhöhter Zahlungsbereitschaft, also eine Art „Merchandising” für Unternehmen. Besonders deutlich ist dies bei Crowdfunding-Plattformen, die anstelle von Darlehen eher Subskriptionscharakter haben: Das heißt, Konsumenten bezahlen de facto das Produkt vor seiner Erstellung – was durchaus sympathisch ist. Doch die Hoffnung, dass dies in Summe die Kleineren begünstigen wird, sehe ich nicht erfüllt. Solange Start-ups noch als cool gelten, werden sie als Rekrutierungs- und Marketinginstrument von Großkonzernen aufgekauft, die sich dadurch auch das Crowdfunding erschließen – wenn es den Konsumenten nicht ohnehin egal ist, welches Unternehmen da gerade die Crowd anbettelt, und sie eher das Produkt oder das verbundene Merchandising im Auge haben.
Gap years und Freiwilligendienste als Ausdruck der Sinnsuche
In Großbritannien entstand die Tradition der Gap Years, bei denen Jugendliche oft ein Jahr in der Dritten Welt in Hilfsprojekten verbringen. Diese Idee setzt sich nun auch in den USA durch und gewinnt auch in Europa immer mehr Anhänger. Ist ein solches Sinn-Jahr nicht eine hervorragende Ergänzung zum Universitätstrott? Leider fällt eine Gesellschaft, die sich nach Sinn sehnt, allzu leicht auf Unsinn herein, auf wohlklingende Täuschungen. Gap Years und Freiwilligendienste können tatsächlich einmalige Erfahrungen sein, mit größerer Wichtigkeit für die Persönlichkeitsbildung als alle Zertifikate zusammen. Meist jedoch handelt es sich um teure Täuschungen, nämlich illusionäre Abenteuerurlaube. Ergänzungsprogramme dieser Art treten ja gerade unter der Prämisse an, jungen Menschen einen unbequemen Erkenntnisweg zu öffnen, der aus der Parallelwelt hinausführt, welche die von der Realität abgeschotteten schulischen Institutionen vermitteln. Oft verstärken solche Erfahrungen aber die Realitätsferne, anstatt sie zu verringern.
So wie das Universitätsstudium trotz (nicht wegen) der Institution eine wichtige Episode der Persönlichkeitsentwicklung sein kann, gilt das auch für Auslandsaufenthalte: Viele Jugendliche sind dabei erstmals fern der elterlichen Obsorge, müssen sich das erste Mal wirklich selbst durchschlagen, sich um ihre Unterkunft und Verpflegung kümmern und ihre Wäsche waschen. Je ferner der Kulturkreis, desto größer solche alltags-praktischen Herausforderungen. Dennoch wäre es dazu nicht nötig, an das andere Ende der Welt zu jetten – rein psychologisch fühlen sich die Eltern aber in diesem Fall freilich ferner an und die Verantwortung größer.
Die Hilfsausflüge von Kindern aus gutem Hause in ferne Weltgegenden sehen sich allerdings wachsendem Spott ausgesetzt. Die Erinnerungsfotos solcher Aufenthalte verdichteten sich in der Wahrnehmung durch das Mitteilungsbedürfnis dieser Jugendlichen in den „sozialen” Medien. Dabei ist das immer feinere Sensorium für politische Unkorrektheiten angesprungen: Eben noch Fotos vom Shaken und Chillen in der Timeline, und dann ein Selfie inmitten von kleinen Schwarzen. Direkt mit dem Jet von der coolen Party zum coolen Entwicklungshilfeprojekt. Ist das Rassismus? Kolonialismus? Die coolen Kinder verspottet freilich niemand. Die Uncoolen aber sahen ihren coolen Freiwilligendienst bald bissigem Spott ausgesetzt. So wie das Selfie mit den coolen Kids auf der Party fake wirkt, so wirkt auch das Selfie mit den coolen, unterernährten und barfüßigen, kleinen Stimmungsbomben in Afrika ungut.
Das Sensorium für Rassismus und Kolonialismus schlägt heute vielleicht allzu leicht aus, auch wenn gar keine böse Intention besteht, doch hier deutet es doch auf Widersprüche, die es in sich haben. Wie sinnvoll ist es, dass Jugendliche, die auf einer Party schon mal das Monatseinkommen von Menschen in unterentwickelten Ländern versaufen, dann zur Gewissensberuhigung Sinn durch Hilfsprojekte in ebendiesen Ländern suchen? Diese polemische Gegenüberstellung von Geldwerten meine ich allerdings ganz anders als gewohnt: Meist wird eine abstrakte Schuld aus solchen Beispielen abgeleitet. Tatsächlich geht es hier um Realitätsunterschiede, die mit Schuld relativ wenig zu tun haben. Es ist nicht sinnlos und dumm, Menschen am anderen Ende der Welt helfen zu wollen, obwohl oder weil man in ganz anderen Vermögensverhältnissen aufgewachsen ist. Die wesentlichere Frage ist: Kann man diesen Menschen als Jugendlicher aus gutem Haus auf dem Entwicklungshilfetrip überhaupt helfen? Eine gewisse Überheblichkeit scheint da schon implizit zu sein, ideologische Beobachter würden sie vielleicht „kolonialistisch” schimpfen, das trifft aber glatt daneben. Mit Rassismus und Kolonialismus hat die Sache nämlich gar nichts zu tun. Nur mit der Kluft zwischen Fremdeinschätzung und Selbsteinschätzung, die hinter den Neurosen der Generation Y steckt. Wenn diese Kluft nicht adressiert wird, wächst sie im Zuge eines solchen Gap Years noch, was die Neurose verstärkt, anstatt sie abzubauen.
Diese Neurosen sind anerzogen und angelernt. Einerseits neigen Eltern mit Sinnproblemen zu Projektionen, bei denen dem Kind zu viel Aufmerksamkeit zuteilwird. Dabei entstehen Prinzen und Prinzessinnen, denen die Eltern den Eindruck vermitteln, sie könnten alles, was sie wollten. Das führt später gleichzeitig zu Selbstüberschätzung und Entscheidungsüberforderung. Andererseits werden diese Neurosen in den Schulen verstärkt, in denen egalitäre Illusionen, massive Realitätsferne von Institution und Lehrkörper sowie wohlmeinende Kumpelhaftigkeit der Persönlichkeitsentwicklung nicht genügend Reibeflächen bieten.
Wenn ich europäische Jugendliche mit solchen, die ich im Nahen Osten, in Südostasien, in Lateinamerika und in Afrika kennengelernt habe, vergleiche, bemerke ich sehr deutlich jene unheilvolle Kombination von Selbstüberschätzung und Lähmung. Jugendliche in unterentwickelten Regionen wissen, dass ihnen eben nicht alles offen steht, darum haben sie aber auch mehr Leistungsbereitschaft und ein realistischeres Selbstbild, das mit mehr Demut einhergeht. Aus der reichen Erfahrung im Umgang mit Jugendlichen aus aller Welt kann ich mir das Lachen nicht verkneifen, wenn westliche Jugendliche in unterentwickelte Länder reisen, um den Jugendlichen dort „zu helfen” oder gar „etwas beizubringen”. Was es in unterentwickelten Ländern braucht, ist die Fähigkeit, aus nichts etwas zu machen. Das lernen die neugierigen und blitzgescheiten Kinder dort von klein auf. Irgendwann sterben dann allenfalls die Neugier und der Ehrgeiz, wenn die kleinen Versuche, aus nichts etwas zu machen, durch Krieg oder Plünderung immer wieder hintertrieben werden. Hört die Zerstörung und Plünderung einmal auf, ist die Dynamik der wirtschaftlichen Entwicklung beeindruckend. Mit Geldmangel, Wissensmangel oder gar Intelligenzmangel hat das Ausbleiben dieser Dynamik relativ wenig zu tun.
Westliche Jugendliche wissen vor allem, wie man aus viel weniger macht. Aus nichts etwas machen müssen sie kaum jemals. Wenn man etwas will, braucht man nur Geld dafür. Die Gap Years sind in erster Linie Konsum. So wie die Erasmus-Semester während des Studiums. Zu diesen absurden Entwicklungshilfetrips gehören Abenteuerurlaube in Kuba, bei denen „antikapitalistische” Jugendliche aus dem Westen bei der Ernte im Agrarkollektiv „helfen”, Südseeatmosphäre mit einem kräftigen Schuss Rum genießen und dank der mitzubringenden Dollars auf keine Annehmlichkeiten verzichten müssen. Die Wertschöpfung bei der Erntearbeit ohne Erfahrung, mit kaum Sprachkenntnissen und bei wenigen Stunden physischer Leistungsfähigkeit im ungewohnten Klima steht in keiner Relation zum Reise-, Verpflegungs-, Unterkunfts- und Unterhaltungsaufwand.
Kuba ist hier nur ein Beispiel, das selbe Bild bietet sich bei Freiwilligendiensten in Afrika oder Lateinamerika. Unlängst wies mich ein Praktikant auf das Angebot hin, als WU-Student einen Freiwilligendienst in Südafrika zu machen. Unterkunft und Verpflegung in den Slums sind relativ günstig, nur die Reisekosten schlagen etwas zu Buche. Diese Studenten sollen dann vor Ort südafrikanische Kleinunternehmer beraten und ihnen betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse vermitteln. Das klingt nach einer guten Idee, ich musste aber sogleich lachen. Ich hatte viel sowohl mit WU-Studenten als auch südafrikanischen Kleinunternehmern in den dortigen Slums zu tun. Unter den ersteren gibt es zweifellos ganz brillante junge Leute, die intelligent und ehrgeizig sind. Unter den letzteren gibt es zweifellos viele Bildungsmängel. Und doch sehe ich kaum Überlappungen zwischen der WU-Betriebswirtschaftslehre und der Realität der südafrikanischen Schattenwirtschaft. Der Gedanke, dass ein durchschnittlicher WU-Student einem durchschnittlichen südafrikanischen Unternehmer irgendetwas von Wert vermitteln könnte, scheint mir völlig realitätsfremd. Hier geht es darum, mit viel etwas zu machen (meist weniger), also Budgets zu verwalten, Geldströme zu erfassen, Ausgabeposten zu argumentieren. Dort geht es eben darum, mit nichts etwas zu machen (nämlich mehr), also praktische Lebenskunst, Wendigkeit, Auskommen mit wenig bis nichts. Was bringt es, einen Geschäftsplan mit mehr Tabellen auszustatten, wenn die Bilanzsumme nahe null ist?
Eigentlich müsste der afrikanische, asiatische, lateinamerikanische Jugendliche in den Westen kommen, um dort Entwicklungshilfe zu leisten. Bei uns wird Kapital konsumiert, dort wird Kapital aufgebaut, sobald es nicht mehr politisch zerstört und geplündert wird. Kapitalkonsum kann nach viel Wissen, Kultiviertheit, Weltläufigkeit aussehen. Konsum ist auch an sich nichts Schlechtes. Man sollte ihn aber nicht für ein Entwicklungsmodell halten.
Sich ein Jahr Zeit zu nehmen vor einer Studien- und Berufswahl ist eine gute Idee. Doch mehr Zeit an sich verbessert nur sehr selten eine Entscheidung. Das wissen erfolgreiche Unternehmer, die rasch und damit oft intuitiv entscheiden. Zeit für Persönlichkeitsentwicklung ist sinnvoll, doch das ganze Leben ist diese Zeit – die Lernphase ist nie zu Ende. Da Schulen aber keine idealen Orte der Persönlichkeitsentwicklung sind und die Studienentscheidungen viel zu ernst genommen werden, fühlen sich viele junge Menschen überfordert – diese sind die besten. Diejenigen, die sich nicht überfordert fühlen, sind oft Mitläufer. Ein Gap Year zur Persönlichkeitsentwicklung muss viele Kontexte bieten und Perspektiven, muss viele Potentiale und Talente prüfen und muss vor allem an die Realität heranführen. Nicht unbedingt die Realität der Zeit, denn die ist schon passé, sondern die Realität der Welt, die über künftige Entwicklungen entscheidet. Die meisten Gap Years und Freiwilligendienste führen aber noch weiter von der Realität weg, sie verstärken die Illusion, dass für Sinn schon gute Intentionen ausreichen.
Eine Anthropologie des Wohlfahrtsstaates
Es sind im Wesentlichen drei anthropologische Prämissen, die den Wohlfahrtsstaat als notwendiges Projekt erscheinen lassen, das grundsätzlich jeden Preis wert sein müsse – und damit über der Ökonomie stehe. Am Anfang steht die These, dass eine plötzliche Häufung von Not freiwillige Strukturen, die eher dezentral und gemeinschaftlich sind, überfordere. In der Neuzeit nehmen solche Häufungen durch die wachsende Tragweite politischer und ökonomischer Wechselfälle zu. An der Geburtsstunde des Wohlfahrtsstaates steht vielfach die politische Aufhebung der Klöster, der bis dahin größten Nothilfestrukturen jenseits der engen Sippenkontexte. Natürlich lässt sich hier einwenden, dass da wohl der Staat die Bedürftigkeit vielfach erst geschaffen hatte, mit der er seine spätere Fürsorge legitimierte. Doch das wird die wenigsten Menschen überzeugen: Das moralische Gebot, Menschen in Not in größtmöglichem Maße – und daher eben auch systematisch von Staats wegen – zu helfen, wird durch die gegensätzliche Bewertung politischer Ursachen nicht aufhoben.
Gemeinhin wird die exponentielle Erhöhung der Sozialausgaben als Indiz der sich rapide verschlechternden sozialen Lage vieler Menschen interpretiert. Von dieser Korrelation ausgehend läge es aber auch nahe, auf eine paradoxe Kausalität zu schließen. Könnte es sein, dass der Wohlfahrtsstaat selbst Bedürftigkeit produziert? Eine ökonomische Anreizanalyse motiviert dies, wie eine Anekdote aus Vietnam verdeutlicht: Um einer Rattenplage Herr zu werden, bot die Regierung Prämien für die Schwänze toter Ratten. Damit stieg aber der Wert von Ratten, die daraufhin von den Rattenfängern zwar ihres Schwanzes entledigt, aber tunlichst nicht an der Vermehrung gehindert, geschweige denn getötet wurden. Die Zahl der Ratten wuchs dadurch noch weiter an.
Ist es zynisch davon auszugehen, dass als Folge bedarfsabhängiger Förderung die Bedürftigkeit gezielt erhöht wird? Krankt die Ökonomie schlicht an einem negativen, allzu pessimistischen Menschenbild? Tatsächlich handelt es sich hierbei jedoch nicht um ein einseitig negatives Bild vom Menschen, sondern um ein realistisches: Der Mensch war schon immer von Natur aus darauf angewiesen, ein Opportunist zu sein. An Kraft oder Schnelligkeit können wir es mit den Tieren nicht aufnehmen. Der Mensch ist, wie sich an Naturvölkern noch zeigt, ein beobachtender, wartender und verfolgender Jäger, der den kleinsten Vorteil zu seinen Gunsten ausnutzen muss. Eine plausible These zur evolutionären Entwicklung unseres Gehirns geht noch weiter: Unser Intellekt könnte direkt an der Notwendigkeit gewachsen sein, Tiere und unsere Mitmenschen zu überlisten. Da unser Überleben darauf beruhte, kann man dies dem Menschen schwerlich anlasten.
So ist es naheliegend, dass bedarfsabhängige Sozialleistungen die Pauperisierung nicht mindern, sondern verstärken. Unter Pauperisierung versteht man nicht unmittelbar Verarmung, sondern die Überhandnahme eines Bettlerdaseins, welches vom Wohlstandsniveau gänzlich unabhängig und eher psychologischer Natur ist: hohe Zeitpräferenz, geringe Sparneigung, geringe Eigenverantwortung. Ayn Rand schilderte diese psychologische Dynamik besonders klar anhand der Umstellung der Entlohnung in einem fiktiven Unternehmen, nach der jeder nach seinen Fähigkeiten arbeiten und nach seinen Bedürfnissen bezahlt werden sollte:
«Wissen Sie, was dieser Plan bewirkte und was er den Leuten antat? Versuchen Sie einmal, in einen Kessel Wasser zu schütten, aus dem