Lange Zeit beklagten NGOs und karitative Organisationen im Nahbereich der Kirche, dass Spenden in Österreich steuerlich nicht abzugsfähig waren. Finanzielles zivilgesellschaftliches Engagement, das
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NEOS Lab Talk: Philosophische & historische Wurzeln des Liberalismus
Im Zentrum des Liberalismus als Grundposition der politischen Philosophie stehen sowohl das Individuum, seine Freiheit und Verantwortung, als auch die Frage, wie eine Ordnung der Freiheit aussehen kann.
Sind Peer-to-peer-Kredite (P2P) unmoralisch?
Die historische Legitimierung des beliebig ausweitbaren Kreditgeldes – dem „credit mobilier” – fußte auf der sozialistischen Idee, dass jedermann, egal welcher Herkunft, Klasse und ökonomischer Potenz, mittels Kredit am Wirtschaftsleben teilhaben sollte. Dieses Versprechen des Banken- und Finanzsystems, scheint trotz scheinbar grenzenloser Geldproduktion nicht haltbar.
Dieser Umstand motivierte innovative Unternehmer dazu, das Kredit-Kartell der Banken zu durchbrechen. Durch Gründung digitaler Bankenplattformen, sollen so genannte P2P(Peer to Peer)-Kredite direkt zwischen Sparern und Kreditnachfragern vermittelt werden; die fortschreitende Digitalisierung macht dies zu geringen Transaktionskosten möglich. Die P2P-Betreiber übernehmen dabei die Kreditprüfung (bei Krediten an Kleinunternehmen wird auch eine oberflächliche Due Diligence gemacht) und leiten das zuvor im Wesentlichen in Westeuropa eingesammelte Geld an die Kreditnehmer weiter. Die Zinsen lassen westeuropäische Beobachter Wucher vermuten und bewegen zwischen 20% und 60% je nach Bonität des Schuldners.
Was ist von diesen „Kreditinnovationen” zu halten? Zunächst stellt der nüchterne Beobachter fest, dass es sich im Wesentlichen um klassische Bankgeschäfte handelt, die aufgrund regulatorischer Hürden aber nicht als solche bezeichnet werden dürfen. Deshalb spricht man von „P2P-Geschäften” oder „Crowd-Finanzierung”.
Die moralische Wertung solcher Geschäfte ist indes schon schwieriger. Ruft man sich die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Moderne (post 2008) in Erinnerung, ist man erstaunt, wie schnell die Lehren aus diesen Ereignissen vergessen wurden. In der Tat waren faule Immobilienkredite (d.h. Konsumkredite) an die rückzahlungsunfähige Unterschicht eine der Hauptursachen für das Platzen der Spekulationsblase. Neu geschöpftes Kreditgeld an NINJAs (no Income, no Jobs, no Assets) zu vergeben, kann als unmoralisch interpretiert werden (vgl. Hülsmann, 2007, Ethik der Geldproduktion).
Die derzeit interessantesten Plattformanbieter – wie Twino, Mintos oder Finbee – sind tatsächlich jedoch nur „Geld-Vermittler” und können deshalb nicht selbst Kreditgeld aus dem Nichts erzeugen, was die moralische Interpretation erschwert. Da die Geldmenge nicht ausgeweitet werden kann, kommt bei diesem de facto Vermittlungsgeschäft zunächst kein Dritter zu schaden, wie dies bei der „klassischen” Kreditvergabe unumgänglich ist. Tatsächlich handelt es sich um „crowd securitization”, also um den digitalen Vertrieb verteilter Sicherheiten für unbesicherte Kredite, die durch einen Teil der Zinsspanne abgegolten werden. P2P-Anbieter geben im Vergleich zu Banken einen höheren Teil der Zinsspanne an ihre Einleger weiter, was sie auch nicht unmoralischer macht. Digitale Plattformen sind schließlich auch wesentlich günstiger als Filialnetze.
Verkompliziert wird der Umstand der Kreditbesicherung noch dadurch, dass einige der Plattformen einen Rückkauf dieser „Sicherheiten” anbieten – d.h. den Investoren eine Ausfallsgarantie geben. Das scheint paradox, da der Zinsanteil schließlich für die Kreditrisikoübernahme gezahlt wird. De facto gleicht das Unternehmen das einzelne Ausfallsrisiko durch ein Klumpenrisiko des Unternehmens aus: Die Rückkaufgarantie erhöht die Ausfallswahrscheinlichkeit des gesamten Unternehmens. Sollte die Kreditausweitung also zyklisch erfolgen, steigt in der Korrekturphase das Risiko in genau dem Maße, in dem es vorher gesenkt wurde. Sichere Zinserträge kann es nicht geben. Die Unternehmen können diese aggressive Taktik fahren, weil der Markt für Konsumkredite in Teilen Europas noch nicht voll durch klassische Banken bedient wird und sich in einer dynamischen Hausse befindet.
Das Risiko für den Investor wird dadurch etwas verringert, dass kleinere Konsumkredite relativ krisensicher sind. Zyklische Geldmengenkontraktionen treffen zuerst Unternehmen, die zugunsten höherer Profitabilität geringe Liquiditätspolster haben. Privathaushalte sind ineffizienter und haben dadurch relativ größere Polster (absolut natürlich im Schnitt viel kleinere). Konsumkredite reagieren daher relativ verzögert, sodass sie durch eine nachfolgende Hausse aufgefangen werden können – die freilich alles andere als gewiss ist.
Information, Aufklärung und Demokratie
Der große Denker Karl Jaspers liefert eine Definition, die Demokratie, Aufklärung und Information so definiert, dass die obige Behauptung wirklich sinnvoll zu werden scheint. Ihm schwebt ein Ideal von Demokratie und Volksbildung vor, dem auch viele liberale Denker anhingen:
Demokratie heißt Selbsterziehung und Information des Volkes. Es lernt nachdenken. Es weiß, was geschieht. Es urteilt. Die Demokratie befördert ständig den Prozeß der Aufklärung.
Diese Definition ist prägnant und stimmig. Sie hat nur den Haken, dass sie die drei großen Begriffe jeweils wechselseitig durch einander definiert – also streng genommen eine Tautologie darstellt. Die Definition ist selbstreferenziell und lässt die Maßstäbe völlig offen, die sie eigentlich liefern sollte. Denn ein Ideal bedarf eines Maßstabs, bzw. entspricht einem Maßstab – sonst kann es nicht der Orientierung dienen. Diese Problematik wird heute offensichtlich, wenn der Streit um die „fake news” eskaliert. Wer definiert, was die falsche Information ist, was anti-aufklärerische „Hetze” ist und was aufklärerische „Hintergrundinformation”? Wer sind die Erziehungsberechtigten, die Selbsterziehung von fremder Verziehung oder eigener Rationalisierung der Unerzogenheit unterscheiden können und dürfen?
Dieses Problem der Jaspers’schen Definition (wiewohl sie einer der klügsten Formulierungen zur Definitionsfrage darstellt) wird noch verstärkt durch einen zweiten Haken. Jaspers’ Grundthese und wesentliche Rationalisierung des Medienbetriebs lautet wie folgt: Man müsse den Menschen nur genug Informationen zur Verfügung stellen, dann würden sie lernen und richtigere Entscheidungen treffen. Diese Grundthese wurde durch den deutschen Psychologen Gerd Gigerenzer überzeugend widerlegt. Er kommt zum konträren Schluss:
Bei Entscheidungen
Digitalisierung – Ende der Arbeit?
Entsprechend groß ist die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust durch das Zusammenspiel von Digitalisierung und Automatisierung. Amazon beschäftigt bereits eine große Zahl von Robotern als Lagerarbeiter; das selbstfahrende Auto und die selbststeuernde Drohne sind technologisch nahezu realisiert und eher durch regulatorische Hemmschwellen eingebremst. Die wachsende Bedeutung digitaler Steuerung hat den Investor Marc Andreessen zur Aussage geführt: „Software frisst die Welt auf.”
Software ist eigentlich schon ein alter Hut. Was führt nun zur verdichteten Wahrnehmung ihres revolutionären Potenzials? Der wichtigste Grund ist psychologisch: Angst steigert unsere Wahrnehmungskraft. Seit 2007 hat sich ein Unwohlsein über die wirtschaftliche Stabilität breitgemacht, das nicht nur eingebildet ist, sondern ökonomische Gründe hat.
Das Papiergeldzeitalter scheint seinem Ende zuzugehen, das Kartenhaus wird immer wackliger. Da die Perspektive getrübt ist, wachsen die Risikoaversion, das Festhalten am vermeintlich Sicheren und die Sorge um die Ungewissheit der Zukunft. Die beeindruckenden technischen Fortschritte, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten mindestens genauso dynamisch und kreativ-zerstörend waren, werden zunehmend nicht mehr nur als willkommener Wohlstandszuwachs interpretiert, sondern als düstere Vorzeichen drohender Armut. Diese Ahnung enthält einen Kern Wahrheit, der jedoch psychologisch weit über seinen Gehalt hin ausgedehnt ist.
Neben der angstverzerrten Wahrnehmung gibt es allerdings auch qualitative technische Fortschritte, die revolutionär sind und deren Potenzial nun sichtbar wird. Nicht die Software hat sich qualitativ geändert, sondern die Schnittstellen. Die wichtigste Schnittstelle ist die zum Menschen. Begünstigt durch den geldpolitisch befeuerten Konsumismus und verlockt durch kostenlose Unterhaltung haben wir uns daran gewöhnt, unsere Aufmerksamkeit und unsere Daten Plattformen anzuvertrauen.
Diese Aufmerksamkeitsallokation skalierte zu einer digitalen „Weltöffentlichkeit” hoch, vor der die bisherigen Aufmerksamkeitsbewirtschafter ratlos in Schockstarre verharren. Schon beim Siegeszug des Fernsehens, der ähnliche fortschrittskritische Warner aufkommen ließ, lieferte der Literat David Foster Wallace eine gute Erklärung für die merkwürdige Schieflage der Skaleneffekte, die für die digitalen Plattformen unserer Tage noch mehr Gewicht hat: „Die Menschen neigen dazu, in ihren vulgären, anrüchigen und dummen Interessen wirklich ähnlich zu sein und völlig verschieden in ihren raffinierten, moralischen und intelligenten Interessen.”
Zunächst skaliert also Konsumistisches und Materialistisches; damit werden die Schnittstellen zu den Plattformen für kurzfristige Konsumgüter wertvoller als die Konsumgüter selbst. Wenn das gewünschte Auto wenige Minuten nach Bestellung über eine mobile Applikation vor der Haustür steht, verschiebt sich das Gewicht vom Auto – das ersetzbar wird – zur unersetzlichen Plattform.
Die zweite Schnittstelle, an der sich eine Revolution anbahnt, ist die zur materiellen Welt. Die Hype-Begriffe Internet der Dinge, Industrie 4.0, Big Data und maschinelles Lernen stehen jeweils für bestimmte Aspekte dieser Entwicklung. Dahinter steht im Wesentlichen das kreative Tüfteln von Millionen Menschen, die durch „technische Deflation” heute niedrigschwelligen Zugang zu Rechenleistung, technischen Bauteilen und Datenfülle haben. Dabei stehen Hobbybastler beim qualitativen Fortschritt Großkonzernen oft kaum nach.
Die Kombination von selbstlernenden Algorithmen oder voneinander lernenden Programmierern (Open Source) bringt qualitativ neue Skaleneffekte, die die Lösung immer komplexerer Steueraufgaben ermöglichen. Die neuesten Aktorenarrangements in der Robotik kommen menschlichen Gliedern schon erstaunlich nahe; die Komplexität dieser Aufgaben verleiht Respekt vor den Wundern des menschlichen Körpers.
Zwei zentrale Schnittstellen werden also gleichzeitig geschlossen: die von der Software zum Konsumenten und die zur Produktion. Diese Doppelentwicklung macht die aktuelle Dramatik aus. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis jeder materiell-körperliche Produktionsakt und jede Transaktion digital steuerbar werden und damit Arbeitskraft und Handel durch Software ersetzt werden. Unsere Krisenangst findet hier das ersehnte Argument für düstere Prognosen.
Doch der Begriff Arbeitskraft deutet – wie auch Arbeitsplatz – auf einen gravierenden Denkfehler hin. Dieser Denkfehler führte schon in der Vergangenheit zu den Wahnideen der Maschinenstürmer. Wirtschaftlicher Wohlstand entsteht durch Befreiung von den Beschränkungen menschlicher Kraft und statischer Gegebenheiten.
Bislang entstanden für eingesparte Kräfte und verschwundene Plätze stets unzählige neue Möglichkeiten, menschliche Kreativität und Schaffenskraft im Dienste des Nächsten besser einzusetzen. Verbunden war damit aber schon in der Vergangenheit eine steigende Abstraktion der Tätigkeiten vom Körperlich-Materiellen. Diese Abstraktionsleistung könnte hinter dem Flynn-Effekt stehen oder durch ihn möglich geworden sein – die empirisch beobachtete Zunahme analytischer Intelligenz.
Die geforderte Intelligenz und die Dummheit des erwähnten Denkfehlers trüben die euphorische Perspektive des Ökonomen allerdings ein wenig, sodass er den Ängsten eben doch einen Kern Wahrheit zugestehen muss. Einerseits könnten die Abstraktionserfordernisse der neuen schöpferischen Kybernetik das Durchschnittsniveau allzu weit übersteigen, zumal auch der Flynn-Effekt mittlerweile abgebremst, wenn nicht gar umgekehrt zu sein scheint. Zusammen mit den neuen Skalierungsmöglichkeiten würde die Ungleichheit dann dramatisch verstärkt. Tatsächlich zeigen digitale Produkte schon heute extremere Verteilungen nach Potenzgesetzen.
Das wäre noch nicht so dramatisch, da im Digitalen auch die Anzahl an Nischen exponentiell zunimmt und damit die Vielfalt an Schaffensmöglichkeiten. Diese Möglichkeiten passen aber nicht mehr in das Korsett von Arbeitsplätzen, ihre Wertschöpfung übersteigt kaum das Niveau von Einpersonenunternehmen und korreliert kaum noch mit der aufgewandten Arbeitskraft.
Diese altertümlich-ideologische Auffassung von Arbeit als physischem Produktionsfaktor, die völlig übersieht, dass Produktion wesentlich ein geistiger Prozess ist und Ökonomie ein Sinnzusammenhang und keine Materialmenge, schränkt die Dynamik des Entdeckungsprozesses dramatisch ein, der notwendig ist, um die neuen Wertschöpfungsmöglichkeiten unternehmerisch zu entdecken.
Paradoxerweise wird es der vermeintliche Schutz der Arbeitsplätze sein, der sie obsolet werden lässt. Wird die Kreativität verunmöglicht, bleibt nur noch die Zerstörung – das Verschwinden gewohnter Plätze und das Verbrauchen gewohnter Kräfte. Nur wenige können ihr Heil im technischen Rückschritt finden, in kraftvollen Fleißaufgaben an ruhigen Plätzen. Für die Masse bliebe als Alternative nur die Verarmung.