Kürzlich beschädigte Javier Milei seinen Ruf durch die Empfehlung eines Memecoins an Fans in den unsozialen Medien. Warum sollte ihm verwehrt sein, was Donald Trump vorlebte? Ist es nicht die freie Entscheidung am Markt, wer welchen Coin kauft? Immerhin schlägt Milei nicht vor, dass Steuermittel eingesetzt werden, um Coins zu kaufen, wie es Trump anregt. Bei näherer Betrachtung zeigen sich aber Unterschiede zulasten Mileis.
Trump ist ein opportunistischer Profiteur. Er kam aber zum Schluss, dass Transparenz seinen Feinden mehr schadet als ihm selbst. Sowohl die Memecoins von Trump und seiner Gattin als auch „World Liberty Finance“, eine Art Kryptofonds unter Management seiner Söhne, sind transparente Bereicherungsversuche. 80 Prozent der Memecoins wurden noch nicht auf den Markt geworfen, bislang haben eher trumpnahe Erstkäufer profitiert als Trump selbst – und die Kursentwicklung erlaubt noch keinen Abverkauf der Trump-Reserven. Auch sieht es nicht danach aus, als wäre Trump so unverschämt, einen direkten Kauf seines Coins mit Steuermitteln für eine „Kryptoreserve“ vorzuschlagen. Der Kryptofonds hat ein – dank Blockchain – transparentes Portfolio von allerlei unsinnigen Kryptocoins, die noch nicht allzu viel Übereinstimmung mit den Botschaften zur Kryptoreserve zeigen. Trump hat Geld der Kryptoindustrie gerne angenommen, dabei aber immerhin nicht die subventionierte Ablehnung des dezentraleren Bitcoin durch dessen Konkurrenten übernommen. Als Zocker und „Dealmaker“ hat Trump jedoch Sympathien für das Kryptocasino.
Bei Milei erfolgte die Empfehlung nicht zur eigenen Bereicherung. Das mag nach der moralisch höherwertigen Position aussehen, das Gegenteil ist aber richtig. Die Empfehlung folgte aus Inkompetenz in diesem Bereich, und in der Politik ist Naivität schädlicher als Egoismus. Die Inkompetenz kommt aus der Verweigerung vieler akademischer Ökonomen, auch der Österreichischen Schule, Bitcoin als Phänomen so ernst zu nehmen, dass sich ein tieferes Verständnis lohnt. Das fehlende Verständnis wird meist mit leeren Marktbekenntnissen übertüncht: „Der Markt soll entscheiden“ im Sinne von „je mehr Coins, desto mehr Wettbewerb“.
Das ist ökonomischer Unsinn, den ich schon früher an dieser Stelle widerlegt habe. Der Irrtum entspricht ungefähr der Aussage, dass ein Geldfälscher den Geldwettbewerb erhöhe, und ist Ablenkung von der Schädigung gutgläubiger Betrugsopfer.
Bei Memecoins und anderen Kryptozockern ist der Übergang zum Betrug gewiss allzu fließend für legale Klarheit. Beim argentinischen Memecoin hatten die Anleger nicht damit gerechnet, dass die Schöpfer der Coins diese sofort alle auf den Markt werfen würden, um den kurzfristigen Ertrag für sich selbst zu maximieren. Grundsätzlich stimmt es, dass diese Option für Kryptocoins normal ist und Käufer dies berücksichtigen müssten. Doch ohne die Unwissenheit des Publikums hätten diese Wetten überhaupt keine Grundlage, daher ist die Täuschungsabsicht inhärent.
Ein wenig relativiert kann ein Memecoin nur werden, wenn es sich um eine Möglichkeit im legalen Graubereich handelt, um den Meme-Urheber zu unterstützen. Die Bereicherung von Trump ist im Sinne der Trump-Anhänger, die wiederum Käufer des Trumpcoins sind. Immerhin verspricht ein Memecoin keine weitere Funktionalität, blufft nicht mit „White papers“ und Doktortiteln, und ist in dieser Hinsicht transparenter und ehrlicher als die meisten anderen Kryptocoins. Der argentinische Memecoin versteckte sich aber hinter dem lächerlichen Versprechen, die argentinische Wirtschaft und Freiheit zu unterstützen. Diese Kombination aus trügerischer Absicht der Initiatoren und inkompetenter Auswahl durch Milei hebt sich noch negativ von der kurzfristigen Abzocke der Trump-Familie ab. Kein Wunder daher, dass die argentinische Börse abschmierte, immerhin hat Milei seine Präsidentschaft gefährdet – es wurde gar ein öffentliches Verfahren gegen ihn eingeleitet.
Das gesamte Phänomen der Memecoins erscheint als lachhafter Abschluss des Kryptocasinos. Doch mit „Krypto“ hat dies gar nicht so viel zu tun, wenn wir uns an die Memestocks erinnern – und eingedenk der virulenten Memes und „Shitstorms“ in den unsozialen Medien. Memecoins sind Reduktion und Essenz des Fiatsystems: ein leeres Tickersymbol, gegen das zur Spekulation gedrängte Sparer ihre laufend an Kaufkraft verlierenden Fiatgelder eintauschen und auf den Netzwerkeffekt der Anlage hoffen. Dieses gehetzte Spiel ist eine „Reise nach Jerusalem“ mit viel zu wenig Stühlen. Memecoins haben die Wartezeit zwischen dem „Pumpen“ in Richtung Kleinanleger und dem „dump“ – Abstoßen durch die Profiteure – auf ein Minimum reduziert. Oft ist der Zyklus schon in ein paar Stunden durch. Das hat gegenüber den herkömmlichen Fiat-Anlagen zumindest den Vorteil, dass die gesamtwirtschaftlichen Verzerrungen gering gehalten werden.
Das gesamte Feld der Vermögensanlage ist aufgrund schlechter Anreize eigentlich ein Betrugssystem. Besonders übel ist das Ausnützen von Ideologie, um schlechte Anlagen zu vertreiben. Die Vertriebler von Goldminenaktien, Silber, Kryptocoins, die – wie im Fall von Mileis Umfeld – mit libertären Losungen hausieren gehen, sind kaum besser als der Strukturvertrieb von anderen Produkten auf der Grundlage anderer Ängste. Ideologie blendet. Relativiert werden die libertären Ausnahmen im Versuch aller, auf Kosten aller anderen zu leben, jedoch davon, dass die am weitesten verbreitete Ideologie am meisten blendet. Im Bereich der Vermögensanlage ist das gewiss der Etatismus, der die Bürger glauben lässt, ihre Ersparnisse seien sicher und sie wüssten es nicht besser als Experten im Dienst von Staat und Zentralbanken. Da ist die gelegentliche Dummheit, mit Memecoins zu zocken, sicherlich der ständigen Dummheit vorzuziehen, per „Sparbuch“ zu sparen. In den USA ist der Spekulationstrieb größer, weil die Kapitalmärkte mehr Publikum haben, in Argentinien, weil die Inflationserfahrung näher ist. Die Abwesenheit deutscher Memecoins ist also gewiss kein gutes Zeichen moralischer Überlegenheit.
Zuerst erschienen in eigentümlich frei.