Bitcoin-Halter sind gelegentliche Kurseinbrüche gewohnt. Ein solcher in Zeiten rasant gestiegener Inflation wirkt aber doppelt verunsichernd. Verwirrung durch falsche Begriffen und schlechte Ökonomik verstärkt diese Verunsicherung noch.
Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.
Jeder Bärenmarkt verunsichert. Eine Korrektur der Kurse von Vermögenswerten ist mehr als nur die plötzliche Aufdeckung unerwartet ungünstiger Umstände, sie preist nicht nur neue Umstände ein, sondern auch die gestiegene Ungewissheit. Die Zweifel an bisherigen Anlageentscheidungen wachsen, bis sie teuer revidiert werden. Die Ungewissheit wurde vor allem politisch gesteigert; Ökonomen sprechen von „regime uncertainty“. Erst langsam wird die Ent-Täuschung über die historischen Katastrophen, in die uns kurzfristige Politik manövriert hat, eingepreist.
In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist Geldhaltung ein zielführender Weg, mit Ungewissheit umzugehen. Je höher die Ungewissheit, desto höher diese Geldnachfrage. Bitcoin hat zweifellos Geldqualität für eine wachsende Zahl langfristiger Halter. Noch überwiegt aber im Volumen die Bewertung als riskantes Anlagegut. In Zeiten steigender Ungewissheit profitieren jene Güter, über deren Absatzfähigkeit die geringsten Zweifel bestehen. Das erklärt die aktuelle Dollarstärke, welche die Schwäche fast aller anderen Vermögenswerte begründet.
Heutige Währungen haben die Funktion der Geldhaltung weitgehend verloren. Die Interessen von Schuldnern, insbesondere Regierungen, haben sich durchgesetzt und werden durch moderne ökonomische Theorien rationalisiert. Der Kaufkraft von Währungen wird eine obere Schranke durch interventionistische Geldschöpfung gesetzt.
Doch Interventionen zeigen stets Substitutionseffekte: Handelnde Menschen weichen aus, um ihre Ziele mit anderen Mitteln zu erreichen. Die Abdrängung der Geldhaltung führte zu einer Monetisierung von Vermögenswerten wie Anleihen, Aktien und Immobilien. Damit wurden Sparer in die Rolle von Spekulanten gedrängt, die verzweifelt Güter suchen, die schneller teurer werden als alle anderen. Das ist der vermeintliche „Inflationsschutz“: ein Wettlauf gegen den Kaufkraftverlust, bei dem Erwartungen über die Zukunft relevanter sind als vergangene Daten.
Geld ist das absatzfähigste Gut. Hohe Absatzfähigkeit und Geldnachfrage können zu einer gewissen Kursstabilisierung führen. In einer veränderlichen Welt gibt es aber keine dauerhafte Preisstabilität. Genauso wenig gibt es dauerhaftes, allen zugängliches „Alpha“ – eine Gewissheit, stets die gefragtesten Güter oder Währungen zu halten. Ludwig von Mises klärte dieses Missverständnis über Geld wie folgt auf:
Die Geldrechnung hat ihre Grenzen. Das Geld ist kein Maßstab des Wertes, auch kein Maßstab des Preises. Der Wert wird ja nicht in Geld gemessen. Auch die Preise werden nicht in Geld gemessen, sie bestehen in Geld. Das Geld ist als wirtschaftliches Gut nicht „wertstabil“. (Gemeinwirtschaft, S. 101)
Veränderliche Preise sind natürlich, eine beständige Abwärtsdrift der Währung aber künstlich. Diese sollte man als Teuerung bezeichnen und streng trennen vom Phänomen der Geldmengenausweitung, die ursprünglich als Inflation bezeichnet wurde.
Steigende Teuerung kann eine Folge steigender Geldmenge, aber auch sinkender Produktivität sein. Beide Faktoren unterliegen politischen Interventionen, was einfache Kausalitäten teilweise umkehrt. Aufgrund der Währungsmanipulation („Geldpolitik“) ist steigende Teuerung eine der Hauptbegründungen für Interventionen, die auf ein Senken der Geldmenge abzielen. Steigende Teuerung ist heute folglich ein Deflationssignal.
Die Geldschöpfung liegt hauptsächlich in den Händen von Geschäftsbanken. Kreditgewährung und damit verbundene Fiat-Giralgutschriften machen etwa 97 Prozent der Geldmenge aus. Die Bereitschaft zur Kreditaufnahme, die Produktivität zur Rückzahlung von Zinsen und die relative Qualität von Pfändern sind allerdings schwer vorhersehbar. Zentralbanken versuchen, dies zu „stabilisieren“. Die Schöpfung von Zentralbankgeld ist nur ein kleiner Teil dieser Interventionen und die Wirkung ungewiss. Das Mem des Gelddruckers ist also mehr Symbol für das Finanzsystem im Ganzen als eine präzise Beschreibung des Zentralbankwesens. Gewichtiger ist wohl das Werkzeug der Propaganda: Zentralbanken versuchen über Erwartungsmanagement die Geldmenge zu steuern. Künstlich vergrößerte Ungewissheit lässt ja auch tatsächlich die Kreditmenge schrumpfen.
Vor allem aber wirkt die Zentralbank heute als Garant für Staatsanleihen, was theoretisch unbeschränkte Fiskalpolitik erlaubt. Diese kann Rückgänge privater Kreditaufnahme wettmachen. Über die zentralistischen Eintrittspunkte für neues Geld wird die zyklische Verzerrung der Wirtschaft allerdings noch größer als durch Bankkredite. Statt Produktivität und Vermögenswerte werden Unproduktivität und Verschwendung gehebelt. Der aktuelle Mangel an Produktivität und Arbeitskraft ist eine Folge der Subvention von Unproduktivität bei gleichzeitigen Produktions- und Transportbeschränkungen während der Pandemie. Das erklärt die Teuerung trotz stagnierender Geldmenge.
Zuerst erschienen in https://einundzwanzig.shop/