Wenn der weltgrösste Vermögensverwalter einen völlig neuen Vermögenswert in seine Portfolios aufnimmt, dann ist dieser nicht mehr exotisch zu nennen: Der Bitcoin ist entgegen allen Erwartungen – auch derjenigen von Larry Fink – an der Wallstreet angekommen. Die Emission mehrerer ETF war ein voller Erfolg. Mehr als fünfzig Tage durchgehender Mittelzufluss auf bislang insgesamt über 60 Mrd. $ ist aussergewöhnlich.
Warum vollzog Fink eine Kehrtwende und sprang BlackRock auf diesen Zug auf? Der Bitcoin trat einst als Gegenentwurf zum Finanzsystem an und benötigt weder ETF noch Vermögensverwalter. Im Gegensatz zu anderen Vermögenswerten lässt er sich in beliebiger Höhe gebührenfrei selbst verwahren und bleibt dabei dennoch liquide: frei 24/7 weltweit übertragbar. Wozu also überhaupt ein ETF?
Ein weiterer, kürzlich emittierter ETF von BlackRock zeigt die mögliche Strategie hinter dem Bitcoin-ETF und ihre Probleme auf. Der hierfür genutzte Ticker BUIDL ist bedeutungsschwer. Er kann als kleine Spitze gegen Konkurrenten VanEck gelesen werden, der für seinen Bitcoin-ETF den Ticker HODL gesichert hatte. HODL verweist auf ein bekanntes Bitcoin-«Meme», das einem trunkenen Tippfehler entstammt, aber nun konservatives Anlageverhalten beschreibt: «hold» – Bitcoin nicht spekulativ zu handeln, sondern langfristig anzusparen, um vom Durchschnittskosteneffekt zu profitieren.
Dagegen regt sich schon lange Widerspruch: Dass das innovative Internet-Geld vor allem dazu dienen soll, wie Sammelmarken angehäuft zu werden, widerspricht manch Intuition und Hoffnung. Den Gegenentwurf bezeichnet die scherzhafte Losung BUIDL! – Bitcoin produktiv einsetzen, um Neues aufzubauen, entweder als Zahlungsmittel oder als Investition für neue Industrien und Infrastrukturen.
Der jüngste ETF steht zunächst nur institutionellen Anlegern ab einer Einlage von 5 Mio. $ offen. Dafür bietet er ein Pionierprodukt der Tokenisierung – der Entsprechung anderer Vermögenswerte auf einer Blockchain. Die tokenisierten Vermögenswerte sind wenig innovativ. Sie folgen dem beeindruckenden, erstaunlich wenig rezipierten Erfolg der Schattenbank Tether: Zinsbringende Dollarwerte decken einen digitalen Stablecoin, der die freie digitale Übertragbarkeit einer Blockchain nutzen kann.
Im Gegensatz zu Tether zahlt BlackRock auch täglich Zinsen aus. Dafür wird aber die – von Tether gebotene – freie Übertragbarkeit aufgegeben. Ob die einfachere Übertragung zwischen den wenigen Token-Haltern tatsächlich relevante Vorteile oder höhere Liquidität bringt, ist zweifelhaft.
Die genutzte Blockchain ist Ethereum, die vor allem aufgrund des Netzwerkeffekts zum Einsatz kommt. Einem Ethereum-ETF zur Anlage direkt in Ethereum-Token hingegen, den auch BlackRock gerne emittieren würde, blieb die Zulassung bislang verwehrt.
Eine erste bittere Erfahrung des BUIDL-ETF zeigt, woran das liegen könnte. Sobald eine mit dem Fonds in Verbindung stehende Ethereum-Adresse öffentlich wurde, gingen dort ungefragte Sendungen ein: Unzählige Meme Coins, manche davon gesetzlich problematisch, wurden in böser Absicht an BlackRock geschickt.
Bei Meme Stocks handelt es sich immerhin um legale und legitime Aktien, die «viral gehen», also plötzlich ein Internet-Publikum finden, das nicht auf Dividenden, sondern geteilte Identität, Freude und Netzwerkeffekte abzielt. Meme Coins hingegen zielen auf «Viralität» beliebiger und willkürlicher Token ab. Der einzige damit verbundene Wert ist der Token-Name, der oft ins penetrant Vulgäre oder Schreckliche geht, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu erlangen.
Während ein ETF eine gewisse Würdigung und Reife für einen Vermögenswert bedeutet, fehlt dem Bereich der Ethereum-Token diese Reife noch. Das liegt auch daran, dass die Tokenisierung an einem Grundproblem krankt, das wenige verstehen. Der Bitcoin wird von BlackRock und vielen anderen Anlegern als Vorbild eines tokenisierten Vermögenswerts interpretiert, das die Zukunft einer neuen digitalen Infrastruktur für beliebige, auch herkömmliche Vermögenswerte verheisst.
Das ist ein Irrtum. Der Bitcoin ist darin besonders, eben nichts zu tokenisieren, sondern selbst nur reinster Token zu sein. Es ist kein von Vermögensverwaltern oder Unternehmern hervorgebrachter Token, sondern ein streng durch einen konsensual fixierten Algorithmus zugeteilter. Diese Zuteilungsmethode ist ein ausgeklügelter Energiewettbewerb, der dem Bitcoin einen realen Anker und seine reale Beschränkung gibt. Der Bitcoin verweist durch seine Konstruktion auf die Realität knapper Energie, aber auf keinen äusseren Wert. Er ist damit ein rein digitaler, aber selbst schon realer, kein virtueller Vermögenswert.
Vor allem aber stösst der Bitcoin nicht an das sogenannte Orakelproblem. Jede digitale Entsprechung für analoge Werte fusst auf menschlicher Definition oder Konvention. Gewiss kann man Uhren, Kunstwerke, Oldtimer oder auch Aktien und Anleihen Zahlenwerten in einer Blockchain zuweisen. Doch die Zuweisung folgt weder aus der Natur der Vermögenswerte noch aus der Natur der Blockchain, sie ist und bleibt eine Setzung.
Bislang handelt es sich hauptsächlich um Etikettenschwindel, der – wenn man die dazu nötigen Dienstleister und die regulatorischen Schwierigkeiten einberechnet – kaum günstiger, effizienter oder «demokratischer» als die bisherigen Anlagemethoden ist. Die digitale Repräsentation von «Real World Assets» ist aber von verständlichen Hoffnungen getragen: grössere Liquidität, Transparenz und Zugänglichkeit bei beliebig kleiner Stückelung und einer Handelbarkeit rund um die Uhr.
Daher hofft auch BlackRock, irgendwann die Billiarden Dollar an verwalteten Vermögenswerten auf diese Weise digital transferierbar zu machen. Anlässlich des neuen ETF hat BlackRock in das auf Tokenisierung spezialisierte Unternehmen Securitize investiert.
Die Anlagehürden sind jedoch weniger technisch, sondern mehr regulatorisch. Es ist daher aus anderen Gründen möglich, dass BlackRocks Strategie aufgeht. Nicht weil die Nutzung der Ethereum-Blockchain als ineffiziente Datenbank für reale Vermögenswerte sonderlich sinnvoll wäre. Sondern weil einerseits der Vorwand neuer Technologie manchmal regulatorische Freiräume und Graubereiche eröffnen kann. Andererseits kann Technologie oft als Verpackung dienen: als Innovationsmarketing, das schlechtere Lösungen zu höheren Tarifen verkaufen kann, weil sich die Kunden besonders innovativ vorkommen dürfen.
Bitcoin nutzt eine Blockchain, um erlaubnislos und zensurresistent zu sein. Nur im Zusammenspiel mit dem energieteuren Zuteilungsalgorithmus (Proof of Work) und der Abwesenheit eines Gründers und damit mangelnder Zurechenbarkeit zu jeder weltlichen Struktur entzieht sich der Bitcoin als reine Information weitgehend der Regulierbarkeit und dem Mitschneiden von Anwälten und Finanzintermediären.
Gewiss wäre eine Umsetzung als digitales Inhaberpapier eine Verbesserung für viele Vermögenswerte. Im besten Fall wäre gar die Umwandlung von Ärgernissen in neue Vermögenswerte denkbar, etwa mit frei übertragbaren Landnutzungsrechten und Externalitäten anstelle unflexibler Widmungen. Doch die Tokenisierung lässt als technisches Problem erscheinen, was vor allem ein regulatorisches Problem ist. Nutzniesser der überbordenden Finanzregulierung wie BlackRock könnten daran besonderes Interesse haben.
Zuerst erschienen in Finanz und Wirtschaft.