Die unsichtbare Hand des Marktes, wie sie Adam Smith in seinem ökonomischen Grundlagenwerk „Vom Wohlstand der Nationen” beschrieben hat, zeigt, wie das Streben nach individuellem Vorteil zu gesamtwirtschaftlicher Wohlfahrt führt. In der Marktwirtschaft erfolgt der Dienst am Nächsten durch Produkte und Dienstleistungen, die freiwillig nachgefragt werden. Jeder tauscht seine Produktion gegen die der anderen Tauschpartner. Im weiten Sinn ist somit jeder Unternehmer, der seine Leistung auf einem Markt feilbietet. Ludwig von Mises spricht vom Unternehmer als Diener des Konsumenten. Er definiert hierbei die Unternehmer im engen Sinn, als jene Gruppe von Marktteilnehmern, die mit eigenen Ressourcen und vollem Risiko Güter produzieren und um die Gunst der Kunden eifern. Verbindet man das Theorem der unsichtbaren Hand mit dem Mises’schen Unternehmerbegriff, so könnte man meinen, dass der Unternehmer in der Tat nichts anderes als wohlstandsmehrende Güter hervorbringt.
Blickt man in die Realität des 21. Jahrhunderts, so scheinen erste Zweifel an diesem moralischen Blankoscheck für das Unternehmertum aufzukommen. Es drängt sich die Frage auf, ob Unternehmer heute im statistischen Durchschnitt tatsächlich mehr Werte schaffen oder mit ihren Produkten und Dienstleistungen langfristig mehr Schaden als Nutzen stiften.
Haben wir vielleicht schon Peak-Entrepreneurship erreicht? In Analogie an das imaginäre Peak-Oil, die falsche Prognose eines Förderklimax für Erdöl, könnte man so den Punkt bezeichnen, an dem mehr Unternehmertum nicht mehr at the margin den Grenznutzen der Menschen erhöht, sondern gar einen Grenzschaden verursacht. Das Erreichen dieses Punktes wäre freilich nicht alleine den Unternehmern vorzuwerfen, sondern vor allem den Urhebern der Marktverzerrungen.
Der aktuelle Hype um sogenannte Start-Ups zeigt, dass bei vielen Unternehmen potentiell bereits mehr Kapital aufgebraucht wird, als wertschöpfend aus den getätigten Investitionen erzeugt wird. Die meisten Start-Ups finden sich in rasch skalierbaren, konsumorientierten Märkten.
Konsum in einem noch nie da gewesenen Umfang wird möglich, da die Transaktionskosten aufgrund der digitalen Schnittstellen sowie marginalen Logistikkosten gegen Null tendieren (Bestellung per Mausklick). Zwar ist die Vermehrung von Konsumgütern eines der zentralen Merkmale des marktwirtschaftlichen Prozesses und Ausdruck von Wohlstand, in einem zunehmend verzerrten, inflationistischen Umfeld kann dies aber auch gefährlich sein. Breite Bevölkerungsschichten sind heute von einer Mentalität schnellen und ständigen Konsums geprägt und werden potenziell durch Angebote marginaler Grenz-Unternehmer zu weiterem Konsum – auf Kosten von nachhaltiger Ersparnisbildung – verleitet. Angesichts einer erodierenden Einkommensbasis, vor allem bei Jugendlichen, liegt der Schluss nahe, dass das gegenwärtige Konsumniveau nur auf Kosten des bestehenden Kapitalstocks gehen kann.
In der Hochkonjunktur des inflationsinduzierten Aufschwungs profitiert jedoch nicht nur der Konsumgüter-, sondern auch der Investitionsgütermarkt. Durch die künstliche Zinssenkung infolge der Geldmengenausweitung werden Unternehmer zu weiteren Investitionen verleitet. Aufgrund des Cantilloneffekts profitieren zunächst Produzenten, die nahe an der Geldschöpfung wirtschaften (Banken, Venture Capital, Bauwirtschaft und Industrie). Die zusätzliche Geldschöpfung wird in den kapitalintensiven Sektoren über das so genannte „Financial Engineering” genutzt, um die Eigenkapitalrenditen der Unternehmen – im Wesentlichen durch Ausnutzung des Hebeleffektes – zu erhöhen.
Der Start-Up-Hype in der Investitionsgüterindustrie wurde durch Venture Capital-Unternehmen befeuert. Die dabei finanzierten Projekte werden in die innovativ klingenden Gruppen FinTech (Finanzindustrie), MedTech (Medizintechnik) oder CleanTech (erneuerbare Energien) eingeteilt.
2016 veröffentlichte das MIT eine Studie zur Wirtschaftlichkeit der Start-Up-Projekte im Bereich CleanTech und kam zu ernüchternden Ergebnissen. Zwischen 2006 und 2011 verloren die Investoren über 50 Prozent Ihres kumuliert eingesetzten Kapitals von USD 25 Milliarden. In keinem der Unternehmen konnte eine positive Kapitalrendite erwirtschaftet werden. Die anderen Technikgruppen wurden nicht im Detail untersucht, sondern nur als Vergleich herangezogen, zeigten jedoch auch nur minimale Renditen, wenngleich der Kapitalverlust, durch einige erfolgreiche Exits (Verkauf an multinationale Konzerne), im Schnitt verhindert werden konnte. Die Studie fasst die Gründe für das Scheitern der Projekte im Wesentlichen wie folgt zusammen:
- die extreme Kurzfristigkeit im Geschäftsmodell der Venture Capital-Unternehmen, deren Investitionszyklus vielfach bereits nach fünf Jahren einen Exit bedeutet. Die „Hardware”-intensiven – sprich kapitalintensiven und langfristigen Güter des Anlagevermögens (Kraftwerke, Pumpspeicher etc.) – binden Kapital jedoch auf einen deutlich längeren Durchrechnungszeitraum, wodurch eine renditegetriebene Skalierung binnen fünf Jahren vielfach unmöglich ist. Die Unternehmen scheiterten durchwegs, lange bevor die Techniken überhaupt eine erste Skalierung erlaubt hätten.
- Die Technikunternehmen hatten ihr operatives Kerngeschäft in Sektoren mit minimalen Margen (Rohstoffgewinnung, Energieerzeugung), die nicht den geringsten Raum für unternehmerische Fehlkalkulationen ließen.
- Es gab keine realistische Exit-Strategie, da große Industrieunternehmen in den entwickelten Technologien keine für ihr Geschäftsmodell relevanten Innovationen erkannten, die eine Akquisition gerechtfertigt hätten.
All dies führte zu einem miserablen Rendite-Risiko-Profil für Venture Capital-Unternehmen und hat den Finanzierungsmarkt für Hochrisikoinvestitionen im Bereich der Technik vollständig ausgetrocknet. Für die notwendige längerfristige Perspektive bei der Investition in Hardware, also Technik, die in die analoge Realität reicht, schlägt die Studie eine engere Kooperation zwischen Staat, nationalen Forschungseinrichtungen und Großunternehmen mit entsprechend großzügigen Förderungen vor, um die Renditeüberlegungen auf einen längeren Durchrechnungszeitraum zu verteilen.
Das ist ein weiterer Hinweis auf die verheerende Interventionsspirale, in der wir uns befinden. Die extreme Marktverzerrung durch staatliche Interventionen legitimiert weitere staatliche Interventionen. Das gewünschte Ziel kann dabei niemals erreicht werden. Die Empfehlungen, die offensichtlich den Interessen der Studienautoren entsprechen, würden natürlich die Zeitpräferenz noch weiter erhöhen und damit die Kurzfristigkeit. Wenn dieses staatlich angeschobene Unternehmertum dann weiterhin als Unternehmertum bezeichnet wird, wäre Peak-Entrepreneurship zweifellos überschritten. Spätestens dann brauchen wir einen neuen Begriff. Contrepreneurship würde sich anbieten:
Der Begriff [Entrepreneur] hatte das feudale Zeitalter überlebt, das Papiergeldzeitalter wird er aber womöglich nicht mehr überleben. Dann werden die Entrepreneure nur noch als Arbeitsplatzbewirtschafter, als Menschenwirte und Wirtschaftsräte, als Betriebsführer und Subventionsempfänger, als Funktionäre und Alibi der Politik gesehen, und die eigentlichen Träger der Ungewissheit, die Pioniere des Erahnten und Verdrängten, die Visionäre werden sich vielleicht eher als Contrepreneure verstanden fühlen. (Helden, Schurken, Visionäre)