Ein vor kurzem veröffentlichter Bericht zeichnet den Untergang der Bitcoin-Handelsbörse MtGox nach. Diese hatte Anfang 2014 Konkurs angemeldet, wodurch die unglücklichen Nutzer der einst größten Börse dieser Art sämtliche Handelswerte verloren. Die Betreiber hatten Sicherheitsdefizite von Bitcoin als Ausrede geltend gemacht, so seien sie selbst Opfer von raffinierten Kriminellen geworden. Aufgrund des digitalen Charakters dieser Währung sei ein unsichtbarer Bankraub möglich: das Entwenden aller Werte, ohne dass diese sichtbar verschwinden. Das wäre schon sehr nahe am perfekten Verbrechen – was wiederum Befürchtungen bestärkte, Digitalwährungen seien vor allem die Sache von Betrügern und noch schlimmeren Gaunern. Auf den Konkurs folgte ein scharfer Einbruch des Bitcoin-Kurses und viele wandten der Digitalwährung enttäuscht den Rücken zu. Ich war selbst als Bitcoin-Spekulant unmittelbar involviert und werde im Anschluss von meiner Erfahrung berichten. Früh hatte ich den Verdacht auf Teilreservehaltung geäußert und daher meine Guthaben von der Börse abgezogen.
Kim Nilsson von WizSec fasst den Bericht wie folgt zusammen:
Die meisten oder alle vermissten Bitcoins wurden ab Ende 2011 nach und nach direkt aus dem hot wallet von MtGox gestohlen. Infolge dessen operierte MtGox viele Jahr hindurch mit Teilreserven (ob wissentlich oder nicht) und der Bitcoin-Bestand war 2013 praktisch erschöpft. Eine bedeutende Zahl gestohlener Bitcoins wurden an verschiedenen Börsen platziert, darunter MtGox selbst, und wahrscheinlich gegen Bargeld verkauft (welche zu den damaligen Bitcoinkursen deutlich weniger wert gewesen wären als die Hunderten Millionen Dollar ihres Wertes zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs von MtGox).
Das hot wallet bezeichnet bei Bitcoins direkt mit dem Internet verbundene Guthaben, die damit freilich auch einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind. Der Gegensatz dazu ist ein cold wallet, das sogar aus einem Ausdruck auf Papier bestehen kann, wobei höhere Sicherheit – wie auch bei anderen Anlageformen – mit niedriger Liquidität einhergeht.
Zwei Charts zeigen das sukzessive Abziehen vermeintlich überschüssiger Reserven:
Teilreservehaltung resultiert aus der Erkenntnis, dass kaum jemals, außer im finalen Ansturm – dem bank run – ein größerer Teil der Anlagen behoben werden. Um Bitcoins zu handeln, muss man sie an der Börse platzieren, damit geht der Besitz über – ob damit auch das Eigentum übergeht ist eine alte Streitfrage. Die Kunden der Börse sahen das freilich nicht so, sie gingen davon aus, dass ihre Guthaben auch in ihrer Verfügungsgewalt blieben und nicht zu ungewissen Anteilen einer allfälligen Konkursmasse würden. Intuitiv scheint das auch eine rechtmäßige Erwartung zu sein, deren bewusstes Hintergehen betrügerischen Charakter hat. Das wird in diesem Fall besonders deutlich: von der Vollreserve zur Teilreserve führt sukzessiver Diebstahl an den Guthaben. Dennoch hat MtGox hier kaum etwas anders gemacht als alle anderen Banken. Der wesentliche Unterschied ist nur: keine Liquidität durch die staatliche Zentralbank, keine Einlagensicherung durch den Staat. Dennoch zeigt sich, dass in einem neuen Markt mit großem Vertrauensproblem schlechte Anreize ganz ohne staatliche Intervention ausreichen, um kriminelle Energie zu entfachen. Nur ist der Schaden geringer, damit auch die Beute für die Kriminellen: Die Betreiber konnten allenfalls für wenige Jahre dem japanischen Konsumismus frönen.
Ein Teil des Textes ist leider nicht öffentlich zugänglich, da der Autor für Freunde schreibt und sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Intimität der alten Wiener Salons ist im scholarium Voraussetzung der Erkenntnis, die keinerlei Rücksicht auf Empfindlichkeiten nehmen kann. Vertrauen beruht auf Gegenseitigkeit, gerne laden wir Sie dazu ein.