Bitcoin wird von vielen als Alternative zu Fiat-Geld angesehen, die sehr viel weiter geht, als bloß eine alternative Vermögensanlage zu sein. „Bitcoin fixes this – Bitcoin bringt das in Ordnung“ ist die Antwort auf alle erdenklichen Übel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Dass Technologie moralische Probleme lösen soll, ist wenig plausibel. So erscheint auch jene Lösung ideologische Übertreibung zu sein. Die Zweifel werden besonders groß, wenn sich wieder einmal Krypto-Vermögen in Luft auflösen, extreme Unmoral zutage tritt und der Bitcoin-Kurs so abschmiert, dass sich die Todesanzeigen häufen.
Das letzte Debakel rund um die Krypto-Börse FTX ist allerdings eher Symptom und Höhepunkt der Fiat-Welt. Es enthält eigentlich alle Zutaten jener politökonomischen Mischung, die bei Bitcoin- und Freiheitsfreunden Brechreiz verursachen. Weit entfernt davon, unregulierter „Wilder Westen“ der Finanz zu sein, galt FTX als Musterknabe der Regulierung. Sam Bankman-Fried, der FTX-Gründer mit dem in ironischer Weise ominösen Namen, forderte strengere Regulierung ein und sprach vor einem Ausschuss des US-Senats vor. Dort betonte er seine beispielhafte Vorreiterrolle bei Diversität, Klimawandel und Umverteilung.
Hier haben wir das typische Muster, nach dem Regulierung entsteht: Ein Unternehmen – üblicherweise eines der größeren und moralisch fragwürdigeren innerhalb einer Industrie – betreibt massives Lobbying für Gesetze, die eigene Methoden ausnahmsweise erlauben, aber jene der Konkurrenz verbieten. Dieses Lobbying für mehr Regulierung mit den exakt passenden Ausnahmen für das eigene Geschäftsfeld ließ sich Bankman-Fried hohe Summen kosten. Freilich nicht aus eigenen Mitteln, sondern jenen seiner Investoren und – noch unverschämter – seiner Kunden. So wurde er zum zweitgrößten Financier von Joe Biden, kaufte weitere Teile der Democrats und stellte der Partei gar für Wohlverhalten eine Milliarde Dollar in Aussicht.
Seine Investoren waren Wagniskapitalfonds, die von der Geldmengenausweitung profitieren, seine Kunden Zocker, die von künstlicher Volatilität profitieren. Den größten Teil seines vermeintlich immensen Finanzvolumens druckte er aber gleich selbst – als Krypto-Tokens. Diese Tokens sind nicht illegale Geldfälschung, sondern Intention und Folge von Regulierung. Weil Wertpapiere zum Kartellschutz der Finanzindustrie willkürlichen Vorgaben unterliegen, wurde durch den Regulierungsdruck die Fiktion von „utility tokens“ geschaffen, digitalen Gutscheinen, die den Anlegern keinerlei Rechte gewähren und nur die Emittenten begünstigen. Diese Absurdität wird nun mit der üblichen, von Regulatoren abgesegneten und vorgeschriebenen Finanzpraxis verbunden, und fertig sind die Fiat-Tokens: Ein fiktiver Verkauf eines dieser Gutscheine kann mit der beliebig hohen Ausgabemenge multipliziert werden, um so die „Marktkapitalisierung“ zu berechnen. Mehr fiat (es werde!) geht gar nicht als diese alchemistische Umwandlung von nichts in Milliarden. Hierbei von „Krypto“ zu reden, ist reine Verschleierungstaktik.
Dieselbe Masche betrügerischer Verschleierung perfektionierte Bankman-Fried bei seinem moralischen Alibi. Er gab dabei selbst zu, dass es sich um eine gewöhnliche Masche handelt, und kann daher als Kronzeuge für die Korruption unserer Sittenwächter in Medien, Behörden und Universitäten gelten. Er finanzierte Hauptstrommedien, die zufällig in der Pandemiefrage alle die vermeintlich moralisch alternativlose Zero-Covid-Linie fuhren. Darüber hinaus spendete er hohe Summen für weitere „Pandemiebekämpfung“, sein Bruder leitet sogar eine „Pandemiestiftung“. Sam Bankman-Fried hatte angekündigt, sein gesamtes Vermögen für gute Zwecke herzugeben. Das ist ihm früher gelungen als gedacht: von 26 Milliarden Dollar auf null in einer Woche. Auch der Zweck ist weit besser als von ihm vorgesehen: abschreckende Aufklärung statt Geltungstugend.
Sein vorgegebener Zweck war „effektiver Altruismus“. Es handelt sich dabei um Fiat-Philanthropie im Stile von Bill Gates: Gottspielertum, das allwissend-utilitaristisch Menschenleben gegeneinander aufrechnet und sich nur die allergrößten Weltprobleme für die größte Geltung vornimmt. Seinen eigentlichen Zweck gab er schließlich auf dem Scherbenhaufen seiner Projekte einem befreundeten Journalisten gegenüber zu: Seine vorbildliche Wokeness sei nur vorgespielt, wie es alle Abendländer tun müssten, die „gut“ erscheinen wollten, um ihre krummen Geschäfte ungestört weiterführen zu können. Schon Robert Musil hatte erkannt: „Ohne Philosophie wagen heute nur noch Verbrecher, anderen Menschen zu schaden.“
Und dennoch korreliert der Kurs von Bitcoin, der doch eine Absage an all diesen Abschaum der Finanzwelt, Massenmedien und Politik sein soll, völlig mit jener Fiat-Krypto-Welt. Das liegt daran, dass noch immer für die dem Volumen nach größten Bitcoin-Käufer der Nominalpreis das wichtigste Anlageargument ist. Doch die der Zahl nach meisten Bitcoin-Käufer unterscheiden sich nach und nach gewaltig von diesen noch übermäßig großen Fiat-Volumen. Einige Zahlen mögen als Indizien für diese erstaunliche Anomalie in der Fiat-Krypto-Welt inmitten eines der schlimmsten Bärenmärkte aller Zeiten herangezogen werden: Die Anzahl an Wallets, die über mehr als ein Bitcoin verfügen, hat ihr Allzeithoch überschritten und liegt mittlerweile bei fast einer Million. Zwei Drittel der Bitcoin-Halter bewegen ihr Vermögen auch bei extremen Kursverlusten nicht, sondern halten stur wider jede gewohnte Anlagerationalität an diesen digitalen Werten fest. Während sich der FTX-Token FTT rapide dem Preis null annähert, steht ein Bitcoin nach einer der härtesten Korrekturen der Geschichte über 15.000 Euro und damit dreimal so hoch wie bei der letzten starken Korrektur am Anfang des Pandemie-Interventionismus. Eine Liste von Todesanzeigen für Bitcoin durch Experten und Journalisten zählt bislang fast 500.
Das Versprechen bleibt: Bitcoin erlaubt es, ohne Finanzintermediäre und ihre Geldschöpfung auszukommen. Den menschlichen Makel, nach Fiat – nach Wohlstand aus dem Nichts – zu gieren, wird es wohl kaum beheben.
Zuerst erschienen in eigentümlich frei.