James Watt gilt als einer der größten Erfinder der Geschichte und einer der Pioniere der Industriellen Revolution. Gelegentlich wird er fälschlicherweise als Erfinder der Dampfmaschine angeführt. Diese Innovation geht allerdings auf den etwa ein Jahrhundert vor Watt tätigen Franzosen Denis Papin zurück. Dessen Erkenntnisse entwickelte der englische Ingenieur Thomas Savery weiter, worauf wiederum der englische Mechaniker Thomas Newcomen mit seiner Dampfmaschine aufbaute. Eine solche Newcomen-Maschine begann der schottisch-stämmige Watt zu verbessern. Vor allem die Trennung von Kondensation und Zylinder reduzierte die Dampfverluste und erhöhte den Wirkungsgrad beträchtlich. 1769 meldet er auf die zahlreichen Verbesserungen der Dampfmaschine ein Patent an und in den Folgejahren stellt er in der gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Matthew Boulton gegründeten Fabrik stets bessere und leistungsstarke Maschinen her, die maßgeblich zur Industriellen Revolution beitragen. In der Folge wird Watt unter anderem zum Ehrendoktor der Universität Glasgow gekürt und gar die SI-Einheit der Leistung nach ihm benannt.
So die gängige Geschichtsschreibung. Die beiden Ökonomen Michele Boldrin und David K. Levine halten einen Großteil dessen für „heiße Luft” und – um die Metapher weiterzuführen – lassen in ihrem 2010 erschienen Werk „Against Intellectual Monopoly” ordentlich Dampf ab. Leicht schelmisch – wie überhaupt das ganze informative Buch amüsant geschrieben ist – bezeichnen sie Watt als „auserkorenen Schurken” ihrer Abhandlung gegen die Monopolisierung sogenannten geistigen Eigentums. Boldrin und Levine behaupten, dass Watt einen großen Teil seiner Energie darauf verwand, rivalisierende Erfinder juristisch zu bekämpfen.
Durch die Hilfe seines reichen und einflussreichen Partners Boulton gelang es Watt, sich bis ins Jahr 1800 patentgeschützte Monopolrechte zu sichern. Watt sei eher ein Bremser als ein Beschleuniger der technischen Entwicklung gewesen. Seine Konkurrenten warteten wohl mit der Veröffentlichung ihrer Innovationen bis zum Ablauf des Wattschen Patents, da ihre Erfindungen – so viel besser sie auch gewesen sein mögen – nicht ohne den patentierten getrennten Kondensator auskamen:
Während der Gültigkeit der Patente Watts kamen in Großbritannien pro Jahr durch Dampfmaschinen etwa 750 PS Leistungsstärke hinzu. In den 30 Jahren nach dem Ablauf der Wattschen Patente wurden pro Jahr etwa 4000 PS hinzugefügt. Außerdem veränderte sich die Treibstoffeffizienz der Dampfmaschinen während des Zeitraums der Wattschen Patente kaum, wohingegen sie sich zwischen 1810 und 1835 schätzungsweise verfünffachte. Nach dem Ende der Wattschen Patente gab es nicht nur eine Explosion in der Herstellung und Effizienz der Maschinen, die Dampfkraft kam auch als treibende Kraft der Industriellen Revolution voll zur Geltung. Dreißig Jahre lang wurden Dampfmaschinen abgeändert und verbessert, während solch entscheidende Innovationen wie die Dampflokomotive, das Dampfschiff und der Dampfreiniger flächendeckende Verwendung fanden. Die Schlüsselinnovation war die Hochdruck-Dampfmaschine – eine Entwicklung, die durch Watts strategische Verwendung seines Patents verhindert wurde.
Die für sogenanntes „geistiges Eigentum” gewährten Monopolrechte sorgten auch damals schon für komplizierte rechtliche Strukturen. Die verzwickte und verschachtelte Situation der Patentkonkurrenz führt zu zahlreichen Absurditäten. So wurde ironischerweise auch Watt durch ein Patent daran gehindert, mittels einer Kurbel und eines Schwungrads die beste Methode für eine stabile Rotationsbewegung zu verwenden. James Pickard hatte sich diese Verfahrensweise patentieren lassen. Erst nach dem Ablauf dieses Patents konnten Watt und Boulton 1794 dieses System für die Produktion ihrer Dampfmaschinen nutzen.
Watt und Boulton hatten allerdings erst nach dem Ablauf ihrer eigenen Patente wirklich begonnen zu produzieren. Vorher bezogen sie ihre Monopolrenten hauptsächlich durch Lizenzierung an unabhängige Vertragspartner, die die meisten Teile herstellten. Das unorthodoxe Urteil Boldrin und Levines fällt dementsprechend harsch aus. Sie sehen in Watt mitnichten einen heroischen Erfinder, der für die Industrielle Revolution verantwortlich zeichnet:
Watt ist einer der vielen schlauen Erfinder, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts daran arbeiteten, die Dampfkraft zu verbessern. Nachdem er der Masse einen Schritt voraus war, blieb er nicht durch bessere Innovation vorne, sondern durch besseres Ausnutzen des Rechtssystems.
Watt verhinderte also jahrelang technische Innovationen durch die ihm zugesicherten Monopolrechte. Als positives Gegenbeispiel hierzu wird Richard Trevithick angeführt. Dieser erfand die erste Hochdruckmaschine und meldete dafür kein Patent an, sondern erlaubte es jedem, der wollte, diese Methode zu kopieren. Seine Erfindung, die ähnliche Effizienzgewinne wie Watts Innovation bescherte, war der Anstoß für eine Phase, in der nach Boldrin und Levine „kompetitiv-kollaborative Innovation” herrschte. Zahlreiche kleine Verbesserungen verschiedener Tüftler sorgten für eine Periode technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts – noch heute bekannt als die Industrielle Revolution.
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