An einem Tag fünf Frauen tot – so unlängst die Schlagzeile in Wien. Drei davon wurden von einem Scheinasylanten, der illegal in Wien war, mit einem Messer abgeschlachtet. Kurz darauf packte ein sozialistischer Gemeinderat aus: Er habe nun Gewissensbisse, nachdem er 100 jungen afghanischen Männern zum Asylstatus verholfen habe, die – selbst für ihn – erkenntlich gelogen hätten. Die erste Lüge habe er stets geglaubt, beim zweiten Mal die identische Lüge dann „fast geglaubt“, beim dritten Mal als Lüge erkannt, aber dennoch allen ausnahmslos „geholfen“.
Der Helfer gibt zu: Viele seien Dealer, Drogensüchtige, Kleinkriminelle, junge Intensivtäter, junge Männer mit drogenindizierten Psychosen. „Meist ohne jede plausible Fluchtmotivation, und es besteht meist im eigentlichen Sinne auch keine individuelle Rückkehrunmöglichkeit. Oft wurden sie von der eigenen Familie aus Überforderung auf die Reise geschickt.“
Dieser Funke Ehrlichkeit kommt zu spät. Gemindert wird er noch dadurch, dass es sich um bloße Worte handelt und keinerlei Verantwortungsübernahme zu erwarten ist. Was wäre los, wenn ein Gemeinderat anderer Gesinnung 100 Unternehmern mit unwahren Angaben zur Steuerminderung verholfen hätte – und zwar in einem Volumen, das ungefähr den langfristigen Kosten der Asylbewirtschaftung von 100 jungen Afghanen entspricht?
Doch nicht die Beihilfe zum Asylbetrug, sondern diese Beichte regte eine Wiener Journalistin auf. Sie warf Pauschalisierung vor, obwohl der Gesinnungsgenosse ausschließlich eigene Erfahrungen berichtet hatte. Sogar die Positivbeispiele hatte er erwähnt, sind der Journalistin aber nicht positiv genug. Von 100 jungen Afghanen seien als „Happy Ends“ nur anzuführen: Küchenhilfe, Gärtner, Hilfsarbeiter, Arbeit in der Flüchtlingsbetreuung. „Manche haben Kinder bekommen, manche einen Bauch. Manche haben den Führerschein gemacht, manche sind zurück nach Afghanistan gegangen, und einer lebt jetzt endlich so homosexuell, wie er schon immer hätte leben sollen.“ Aber immerhin freundlich seien sie oft, die jungen Männer gegenüber dem freundlichen Mann, der ihnen zum Leben im Westen verhalf.
Nicht genug, dass diese Journalistin kein Interesse an Tatsachen, nur an richtiger Gesinnung hat. Unfreiwillig bot sie in ihrem Kommentar ein Psychogramm, das die eigentliche Problematik gut illustriert. Zu jungen Afghanen, auch in dieser subventionierten Negativauswahl, habe ich mehr kulturelle Nähe – verstehe immerhin die Sprache der meisten – als zu dieser Dame aus bester Wiener Gesellschaft. Bei aller geistigen Ferne ist mir ihr Gedankengut leider wohlvertraut.
Die Lösung, die die Journalistin anbietet, ist die gewohnt unverschämte Gier urbaner Anspruchsmenschen: Mehr Geld für Leute wie mich! Es bräuchte! Man müsste! Das Problem sei Patriarchat, und dagegen helfe nur mehr Geld für Problemjugendliche und all die Planerinnen, Leiterinnen, Beraterinnen, Schreiberinnen und Akademikerinnen, die deren Probleme bewirtschaften, damit sie sich selbst finanziell vom Patriarchat emanzipieren können. Schuld an allem, was stört, seien Andersdenkende, die die Geldflüsse an die Guten bremsen und nicht ausweiten.
Den Bock aber schießt die Dame mit folgendem Gedanken ab: Es sei „unfair“ gegenüber afghanischen Frauen, Messermörder nach Afghanistan auszuweisen. So deutet sie es zur moralischen Großtat um, das Messermorden ein wenig von Afghanistan nach Europa umzuverteilen. Was nicht nur ethischer Irrsin ist, sondern auch die Wirklichkeit außer Acht lässt, dass Mann Afghaninnen gar nicht mehr messern muss, weil schon verhüllt und kontrolliert.
Demaskiert hatte diese verquere Logik und Ethik einst eine starke Frau, unverhüllt und unkontrolliert – Ayn Rand. Die Journalistin würde sie gewiss als „Extremistin“ des Geschlechterverrats zeihen. Doch Rand fand den literarisch bislang besten Ausdruck für die Denk- und Lebensform der gutmeinenden Journalistin. Die Geltungstugend rund um die Anteilnahme an immer neuen Opfergruppen demaskiert sich in deren Lücken.
Das Aufopfern der Flüchtlingshelfer und Frauenrechtler sei eigentlich der Herrschsucht näher. Denn, so Rand, die Wahl sei „nicht zwischen Selbstaufopferung und Beherrschung, sondern zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit“.
Rand weiter: „Ein Mensch denkt allein und arbeitet allein. Doch rauben, ausbeuten, herrschen, das vermag ein Mensch nicht allein. Raub, Ausbeutung, Herrschaft, das alles setzt Opfer voraus. Das bringt Abhängigkeit mit sich. Das ist das Gebiet des Mitläufers. Beherrscher von Menschen sind keine Egoisten. Denn sie schaffen nichts. Sie bestehen durch, sie sind angewiesen auf die Persönlichkeit anderer Menschen. Ihr Ziel liegt in ihren Untertanen beschlossen, ihr Tun ist auf Knechtung gerichtet. Sie sind so abhängig wie der Bettler, der Sozialarbeiter und der Bandit.“
Natürlich gibt es echte Fürsorge, und die Journalistin hat zweifellos einigen Menschen wirklich geholfen. Immerhin habe, so gibt der Gemeindepolitiker an, er selbst ihre Hilfe in den aussichtsreichsten Fällen für seine Schützlinge in Anspruch genommen – was auch den selektiven Blick der Journalistin erkläre. Denn bei Fällen, die möglichst günstiges Licht auf fremde Schützlinge und möglichst ungünstiges Licht auf Einheimische werfen, motiviert die Gesinnung zur Tat, die sich trefflich als selbstlose Aufopferung darstellen lässt.
Woher die Fürsorge für fremde, überwiegend sexistisch eingestellte junge Männer, während kulturell näher stehende Männer pauschal als problematisch abgekanzelt und wohl eher einer Anzeige als eines Lächelns gewürdigt würden? Es ist der Bedürftigkeitswettbewerb, den Ayn Rand in ihrem Hauptwerk „Atlas Shrugged“ schildert. Es gibt eben einträglicheren Opferstatus, der in Einkommen und Status umgemünzt werden kann. Von den geeigneten Opfern, die schnell lernen, durch Lügen ihren Opferstatus zu mehren. Vor allem aber von den Bedürftigkeitsparasiten, die in aller Welt Opfer suchen, um ihre eigene Gutheit, ihre eigene Geltung, ihre eigenen Interessen zu fördern.
Zuerst erschienen in eigentümlich frei.