Die Millionenstadt Wien, mit den dominanten Sozialdemokraten, steht im Gegensatz zum ländlicheren Rest Österreichs, wo bislang eher die Volkspartei (ÖVP) dominierte. Die stärkste Partei ist nun aber die Freiheitliche Partei (FPÖ), die nicht nur ländliche Gemeinden erobert, sondern mittlerweile auch die Arbeiterschaft. Lange sollte eine «Brandmauer» ihren Einzug in die Regierung verhindern, stärkte sie aber, bis zu wiederkehrenden innerparteilichen Spaltungen.
Das Kernthema ist hier dasselbe wie anderswo: Durch subventionierte Negativauswahl bei der Zuwanderung sinkt die Lebensqualität für den unteren Mittelstand, während infolge hoher Steuerlast die Wirtschaft stagniert. Wie in anderen Ländern tendieren die Wähler daher zu denjenigen, die eine Kehrtwende durch scharf antielitäre Parolen verheissen.
In Österreich zeigt sich besonders deutlich, woher der Widerstand gegen eine Änderung der verfehlten Zuwanderungspolitik kommt: Einerseits ist die Moralisierung der Zuwanderung ein wichtiges rhetorisches Mittel des Parteienkartells, andererseits geht es bei den Problemen weniger um Grenzschutz als um formale Strukturen eines aufgeblähten Sozialstaates, der vor allem dem oberen Mittelstand in den Städten nützt.
Österreich ist eine Umverteilungsgesellschaft, in der die Mehrheit die Bevölkerung von staatlichen Transfers abhängig ist. Rund um die staatliche Umverteilung wuchert nicht nur die Politik als letzte Wachstumsindustrie, sondern ein Geflecht von Medien und staatlich finanzierten, nur formal nichtstaatlichen Organisationen.
Die Zuwanderungswelle bietet zusätzlich Nachfrage nach Beamten, Sozialarbeitern, Soziologen, Betreuern, Beratern und anderen Versorgungsdienstleistern. Die Schärfe in der Politik ist oft reiner Verteilungskampf. Die FPÖ vertritt die Zukurzgekommenen, die SPÖ vertritt Pensionisten und Zuwanderer, die ÖVP-Funktionäre in Kammern und Banken, die Grünen und die Neos wohlhabendere Städter mit Hang zur Geltungstugend, die Grünen zusätzlich mit Hang zum Antikapitalismus aus schlechtem Gewissen.
Zunächst täuschten die Verhandlungen rasche Einigung vor, als es um Haushaltskürzungen ging zur Abwendung des drohenden EU-Defizitverfahrens. Doch dabei konnte man es sich aufgrund vorheriger Verschwendung besonders leicht machen. Das Streichen des «Klimabonus», einer reinen Giesskannenverteilung an jeden, der sich mehr als sechs Monate in Österreich aufhält, brächte bereits 2 Mrd.
Die zuvor regierenden Grünen wollten mehr «Klimagerechtigkeit», um die Mehrkosten ihrer Politik zu kaschieren. Weitere einfache Kürzungen, auf die man sich einigte, waren: die korrupten Subventionen durch staatliche Anzeigenkäufe für Medien zu reduzieren und die «Bildungskarenz» zu kürzen, die hauptsächlich als staatlich bezahlter Elternurlaub genutzt wird.
Letztlich scheiterten die Verhandlungen am Beharren beider Parteien, zugleich Innen- und Finanzressort zu führen. Die FPÖ argumentierte über den Führungsanspruch, die ÖVP brachte die weniger überzeugenden Argumente, als Juniorpartner auch schon früher diese Ressorts ergattert zu haben, sowie Bedenken internationaler Geheimdienste. Der wichtigste, der amerikanische, wird wohl kaum Bedenken gegen eine Partei haben, die weit moderater auftritt als die eigene Regierung.
Leider ist auch die FPÖ entfernt davon, eine strukturelle Reform durchzusetzen. Ihr Kernthema bleibt: «mehr Geld für die eigenen Leute». Auch wenn die grösseren Nutzniesser des Umverteilungsstaates laut «Nazi» rufen, krankt eine Partei, die – wie ähnliche Parteien fast überall auf der Welt – in Zeiten wirtschaftlichen Abstiegs nostalgisch-identitäre Bezüge bemüht, vor allem daran, dass die österreichische Identität wie kaum eine andere in der Selbstverständlichkeit verwurzelt ist, sich am Staat zu bedienen. FPÖ-Politiker haben sich der typischen Bereicherung bislang auch nicht enthalten.
Im Kern scheiterte die Koalition daran, dass die ÖVP in jedem Fall – Regierungsbeteiligung oder nicht – verliert, die FPÖ in jedem Fall gewinnt. Internationaler, nationaler und innerparteilicher Druck auf die ÖVP-Verhandler tat das Übrige, Ersterer aus Sorge um die Brandmauern anderswo.
Nun hofft die FPÖ auf Neuwahlen und weitere Zugewinne. Wahrscheinlicher ist ein Neuaufguss der bereits gescheiterten Verhandlungen der Wahlverlierer. Gescheitert waren sie daran, dass SPÖ-Parteichef Andreas Babler zu noch höheren Steuern drängte.
Unter starker Rückendeckung urbaner Staatsprofiteure forderte er unter anderem Vermögenssteuern, die einst in Österreich abgeschafft wurden, weil der Ertrag den Aufwand der Eintreibung nicht lohnte und der Vermögensaufbau steuerlich bereits massiv erschwert wird. Gewiss kein gutes Signal für ein Land, das ohnedies kaum noch Vermögende anzieht, sondern stets weitere Umverteilungsempfänger.
Zuerst erschienen in Finanz und Wirtschaft.