Die Politik hat den Bitcoin entdeckt. Nach einer langen Vorgeschichte vergeblicher Verbote setzt nun ein gegenläufiger Wettbewerb ein: Politiker versuchen, vom Bitcoin zu profitieren. Am deutlichsten ist der Umschwung in den USA, sodass der Kursanstieg oft allein Donald Trump zugeschrieben wird.
Das trügt: Trump hält kaum Bitcoin, versteht das Phänomen nur sehr oberflächlich und ist persönlich vor allem fasziniert von den Bereicherungsmöglichkeiten, die digitale Tokens bieten. Krypto braucht es dafür aber nicht, wie Trumps Projekt Truth Social gezeigt hat. 1 Mrd. $ liess sich hierfür von Trump-Fans einsammeln. Immerhin ging nach grossem Druck das meiste Geld an die Investoren zurück, was bei Tokens niemals passiert. Daher ist der nächste Anlegernepp der Familie Trump ein typischer «Shitcoin» namens World Liberty Financial, der wesentlich mehr Bereicherung erlaubt.
Der Bitcoin hatte lange vor Trumps Umarmung zum Höhenflug angesetzt. Der Kurs folgt dabei dem gewohnten Muster vorheriger Zyklen. Der Anstieg liegt eher noch niedriger als nach den letzten Halbierungen der Bitcoinbelohnung für Schürfer, wie sie etwa alle vier Jahre vorkommen. Der Bitcoin benötigt Trump nicht, doch Trump meinte, den Bitcoin zu benötigen. Der Grund liegt im Abzielen auf eine immer wichtigere Wählergruppe.
Der Bitcoin verbindet in ungewöhnlicher Weise finanziell lukrative Anlage, eine wachsende Industrie und hohen Idealismus. Idealistische Wähler bewegen sonst wenig Kapital, und wirtschaftliche relevante Interessensgruppen sind oft zynisch. Natürlich gibt es auch eine Kryptoindustrie, das heisst digitale Bereicherungsprojekte, die Lobbying betreiben können. Der finanzkräftigste Lobbyist aus diesem Bereich war der mittlerweile inhaftierte FTX-Gründer Samuel Bankman-Fried, der hauptsächlich – in typischem Finanzzynismus – linke Politiker bezahlte.
Beim Bitcoin wirkt eher der Netzwerkeffekt von Anhängern in aller Welt, die darin eine moralische Mission sehen und zusätzlich fast alle Finanzprofis in der Anlage schlagen. Das gibt dem Phänomen seine politische Kraft: eine rasant wachsende Zahl von Überzeugten mit Leidenschaft und Selbstbewusstsein.
Fast jeden Tag hört man nun von einem Politiker irgendwo in der Welt, der auf diese Wählerkraft setzt. Der wohl nächste Premier Kanadas, Pierre Poilievre, wird bitcoinfreundlich sein, in El Salvador, Mexiko, Surinam und vielen anderen Ländern stellen sich Politiker hinter den Bitcoin. Zuletzt ist sogar Christian Lindner in Deutschland auf den Zug aufgesprungen, weil er um das politische Überleben kämpft und dringend auf ein paar wahlentscheidende Stimmen angewiesen ist. Er schlägt neuerdings den Bitcoin als Währungsreserve vor.
In ein ähnliches Horn stösst die Bitcoininitiative in der Schweiz, für die derzeit Unterschriften gesammelt werden. Der SNB sind gesetzlich Goldreserven vorgeschrieben, dies soll um eine kleine Bitcoinreserve frei wählbarer Höhe aktualisiert werden. Immerhin wird der Bitcoin als digitales Gold verstanden, das das analoge als dringend nötige Innovation übertreffe.
In den USA könnte es ebenso zu einer strategischen Bitcoinreserve kommen, zumindest gibt es hierfür schon einen Gesetzesvorschlag und die Sympathie von Trump. Dabei wird das Konzept der strategischen Ölreserven (SPR) vermischt mit der historischen Rolle von Zentralbankaktiven.
Doch weder beim US-Fed noch bei der SNB dienen die Währungsreserven zur Deckung und damit zur Stärkung der Währung, sondern ganz im Gegenteil: Die über Geldschöpfung erworbenen Devisen dienen der Schwächung der eigenen Währung zur Umverteilung von Kleinsparern hin zur Exportwirtschaft. Gold ist nur aus historischen und psychologischen Gründen noch Aktivposten, auch wenn einmal erworbene Reserven zur späteren Stützung der Währung abgestossen werden können.
Aus Sicht der Zentralbankaktionäre wäre der Bitcoin jedenfalls deutlich überlegen, denn er schlägt langfristig alle anderen Anlagen. Zu den «Reserven» der SNB zählten etwa fast 10 Mio. Meta-Aktien (Facebook), just im Moment, als der Aktienkurs um mehr als 20% nachgab. Beim derzeitigen Wettbewerb bestehen kaum Zweifel, dass diejenige Zentralbank, die Bitcoinbestände zuerst aufbaut, von hoher Aufwertung profitieren würde. Dass der Bitcoin in immer weniger Portfolios fehlen darf, zeigt auch der ETF-Zufluss von über 36 Mrd. $ allein im letzten Jahr.
Der Bitcoin als Aktivposten der Zentralbank bringt keine Währungsstärkung, aber neben dem Interesse von Aktionären und Bitcoinhaltern spricht vor allem eine Gerechtigkeitserwägung dafür: Satoshi (kurz Sat), der Vermögenswert des Bitcoinnetzwerks, ist der Einzige, der allen Menschen rund um die Welt und rund um die Uhr – für noch weniger als ein Zehntel Rappen – zugänglich ist. Sinnvoller als die willkürliche Veräusserung von Franken gegen Aktien ausländischer Unternehmen wäre das Sammeln von Sat allemal.
Als strategische Reserve würde sich der Bitcoin aber besser in einem Staatsfonds eignen, der Überschüsse in guten Jahren für Notlagen in harten Jahren anlegt. Das mag ein Schweizer seinem Staat noch zutrauen, anderswo ist dieses Vertrauen nicht mehr gerechtfertigt, und es ist fragwürdig, ob die Bereicherung des Staates durch Bitcoinanlagen nicht eher die Verarmung der Bürger bedeutet. Immerhin ist weltweit der Staat die grösste Hürde für den Wohlstandsaufbau.
So könnten sich auch Trumps Umarmung des Bitcoins und die weitere Konzentration der Bitcoinschürfer in den USA als grösstes Risiko für den Bitcoin erweisen. In der Geschichte hat der Bitcoin aber erstaunliche Antifragilität bewiesen. Oft brachten die grössten Bedrohungen ihn voran. Bereits bei der Nutzung als unzensierbarer Spendenkanal für Wikileaks hatte der anonyme Gründer kalte Füsse bekommen. Auch das zweite grosse Risiko, die Nutzung als Zahlungsmittel am Schwarzmarkt Silk Road, schien fatal. Doch es kam zu einer paradoxen Wendung, diese Sat begründen heute die US-Reserve. Die Biden-Regierung versucht in diesem Moment, die damals beschlagnahmten 7 Bio. Sat auf den Markt zu werfen, was den unerwarteten Kursrücksetzer erklärt. Doch der Bitcoin wird sich wohl wieder behaupten und seine wachsende Liquidität beweisen.
Zuerst erschienen in Finanz und Wirtschaft.