Ist das Projekt der Aufklärung gescheitert, abgeschlossen oder ein gefährlicher Irrweg? Gibt und gab es eine österreichische Aufklärung? Fehlt dem Islam eine Aufklärung oder hatte er zu viel davon?
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Dialog-EF: Zeitenwende
Blockchain – Hype oder Rettung?
Der Vorteil einer Blockchain gegenüber alternativen Lösungen ist, dass sie ohne zentrale Steuerungsinstanz auskommt. Das ist eine bedeutende Innovation mit zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten.
Beruhend auf diesem Prinzip lassen sich etwa „Smart Contracts” erstellen, „intelligente Verträge“, die ohne Juristen auskommen sollen. Diese Verträge sind eigentlich Algorithmen, die wiederum dezentral überprüft werden und so vor Manipulationen sicher sein sollen. Man könnte Verträge dieser Art auch als „dumme Verträge” bezeichnen, da der spezifizierte Algorithmus stur ausgeführt wird.
Was man sich an Juristen erspart, könnte man für Informatiker aufwenden müssen. Die programmierten Vertragsinhalte sind für alle Teilhaber der jeweiligen Blockchain einsehbar, und damit auch potenzielle Lücken im Code, die schneller zum Nachteil von Vertragsparteien ausgenützt als korrigiert werden könnten.
Mit der Zeit wird es aber wohl bewährte Standardverträge geben und kombinierbare Musterlösungen. Da überraschend viel Informatikkompetenz aus Idealismus frei verfügbar ist, dürften „Smart Contracts” eine ökonomischere Lösung für Vertrauensprobleme darstellen: Die technische Infrastruktur entsteht durch geeignete Anreize spontan und ersetzt zwangsbasierte Institutionen und teure Juristen.
Die Innovationskraft, die ökonomische Tragweite und der futuristische Charme machen solche Ansätze attraktiv. Klugerweise hat sich die Schweiz einen gewissen Vorsprung gesichert und zieht besonders in Zug junge Unternehmen in diesem Bereich an. Auch die Banken zeigen großes Interesse, und jede Bank, die etwas auf sich hält, hat schon mindestens eine Arbeitsgruppe zum Thema Blockchain im Einsatz. Dabei findet allerdings eine lukrative Verwechslung statt, die auf einem Missverständnis der Blockchain beruht.
Die Technik der Blockchain ist nicht bloß eine weitere „Cloud-Lösung” für verteilte Datenspeicherung. Essenziell ist die Notwendigkeit verteilter Anreize und Hürden durch reale Kosten – und diese realen Kosten gehen zulasten der Effizienz. Eine Blockchain wäre eine völlig unökonomische Lösung für Datenverteilung, wenn es nicht darum ginge, ein Vertrauensproblem ohne zentrale Institution zu lösen.
Die verteilte Überprüfung der Bitcoin-Blockchain erfordert derzeit mehr Energie, als der Reaktor Beznau insgesamt produziert. Will eine Bank Transaktionsdaten verteilen, um vor Serverausfällen sicher zu sein, so gibt es dafür wesentlich ökonomischere Lösungen. Die Blockchain-Technik ist nur dann sinnvoll und notwendig, wenn man auf eine Bank gänzlich verzichten möchte.
Schaufeln sich die Banken also gerade ihr eigenes Grab? Im Gegenteil, es handelt sich eben bloß um eine lukrative Verwechslung – lukrativ für Programmierer und Banken, und für beide aus demselben Grund: Marketing. Dabei wird „Blockchain” als zeitgeistiges Synonym für Datenbankentwicklung verwendet; über diese Fehlbezeichnung wird zu beidseitigem Nutzen hinweggesehen.
Der Wert von Bitcoin liegt derzeit hauptsächlich darin, ein unkorreliertes Asset zu sein. Der überwiegende Teil der Nachfrage ist spekulative Anlegernachfrage, das Zahlungsvolumen im Alltag ist verschwindend gering gegenüber dem Börsenvolumen. Das spricht nicht gegen Bitcoin; immerhin leistet es auch die Zahlungsfunktion problemlos. Besonders für Zahlungen im Rahmen der Schattenwirtschaft (vor allem Rauschmittel) und zur Umgehung von Kapitalverkehrskontrollen erweist Bitcoin schon heute gute Dienste.
Dass dennoch der Anlageaspekt überwiegt, ist dem aktuellen wirtschaftlichen Umfeld geschuldet. Die exponentielle Geldmengenausweitung treibt Sparer vor sich her, die immer verzweifelter nach Anlagemöglichkeiten suchen. Das macht unkorrelierte Assets zu seltenen Gütern; die steigende Volatilität macht sie zusätzlich attraktiv.
Daher zieht sogar ein digitales Asset ohne jeden dinglichen Hintergrund, das nur eine kleine Minderheit tatsächlich versteht, beachtliche Anlegergelder an. Aufgrund der asymptotisch beschränkten Gesamtmenge jemals verfügbarer Bitcoin und der eingeschränkten Kontrollier-, Regulier- und Manipulierbarkeit sowie der hohen Fungibilität konkurriert Bitcoin innerhalb derselben Anlageklasse wie Gold.
Bislang waren Banken, nach dem Staat, die Hauptprofiteure der Geldmengenausweitung. Das erklärt ihre hohe nominelle „Produktivität” bei geringer realer Innovationskraft. Die wachsende Regulierungsdichte infolge der bloß an den Symptomen ansetzenden Symbolpolitik nach der letzten Finanzkrise schränkt allerdings die Möglichkeiten der Banken massiv ein, weiterhin so einfach zu profitieren. Wirklich kreative Nutzung der durch Geldmengenausweitung geschaffenen Profitmöglichkeiten ist nur noch potenten nichtinstitutionellen Investoren möglich, während der Staat als einziger direkter Nutznießer der Schuldenaufblähung verbleibt.
Es ist allerdings relativ unwahrscheinlich, dass nun innerhalb des Bankenkartells plötzlich unternehmerischer Geist aufkommt. Die hohen Summen, die in Blockchain-Projekte fließen, dürften überwiegend als PR-Aufwand abzuschreiben sein. Da sowohl bei der Geldproduktion als auch im Bankensektor Privilegien anstelle von Wettbewerb herrschen, stellen Peer-to-Peer-Ansätze, wie die Blockchain sie möglich macht, eigentlich die Antithese dar.
Nicht bloß im ideologischen Sinn, sondern im viel relevanteren wirtschaftlichen Sinn: Geldsystem und Bankensystem sind eng korreliert. Blockchain-basierte Titel auf Assets sind daher potenzielle Rettungsboote, die diejenigen aufnehmen, die das Sinken der Finanzschiffe als mögliches Szenario betrachten.
Diese Konkurrenzsituation spüren Banken und Behörden, darum handelt es sich bei viel vermeintlichem Engagement rund um die Blockchain um „Feindbeobachtung”. Da Bitcoin aber auch mit Gold und Bargeld konkurriert, den anderen zwei schwer regulierbaren Assets außerhalb des Bankensystems, erscheint es auch als mögliche Blaupause eines digitalen Zeichengeldes. Manche sehen in der Blockchain einen Weg, die immer häufiger geforderte Bargeldabschaffung als Innovation auszugeben.
Das allerdings ist Teil der lukrativen Verwechslung, die somit eine sinistre Wendung nimmt: Zentral erfasste und erfassbare Assets benötigen keine Blockchain, der Begriff wäre bloße Fassade für ein zentrales Vermögensregister. Dieses als Blockchain umzusetzen, wäre völlig absurd.
Verteilte Datenbanken mit zentraler Überprüfung, ohne kostenintensives „Mining”, die konzeptuell von Blockchain-Lösungen zu unterscheiden sind, können durchaus sinnvolle Angebote sein, sofern sie sich dem Wettbewerb stellen. Denn Wettbewerb ist eine andere Lösung des Vertrauensproblems: Die Möglichkeit, Angebote abzulehnen, diszipliniert die Anbieter.
Abseits des Wettbewerbs, dort, wo sich heute die privilegierte Geldproduktion durch Zentralbanken und Geschäftsbanken abspielt, lässt sich das Vertrauensproblem aber keinesfalls technisch auflösen, es lässt sich nur durch PR-Bluffs überdecken. Im schlimmsten Fall verkommt „Blockchain” dann zum Propagandabegriff für die digitale Auflösung analoger Freiheit in der „Big Data Cloud”.
Dieser Artikel erschien in der Zeitung „Finanz und Wirtschaft”.
Dialog-EF: Generationenmentalitäten im Papiergeldzeitalter
Interview zum Buch Helden, Schurken, Visionäre
Rahim Taghizadegan: Der Konjunkturzyklus ist im Wesentlichen ein Täuschungszyklus – Wirtschaftskrisen bedeuten die Aufdeckung gehäufter Unternehmerirrtümer, deren Häufung und zeitliche Verdichtung nur durch Täuschung erklärbar ist. Insofern sind heutige Unternehmer in Gefahr, zu wenig renitent zu sein und sich zu stark von verzerrten Marktsignalen sowie Politik- und Prestigesignalen in die Irre führen zu lassen.
THE ESSENTIALIST: Welche Rolle sollte eine zukunftsgerichtete unternehmerische Elite ausführen?
Rahim Taghizadegan: Die Funktion des Unternehmertums ist, die Zukunft reibungsloser hervorzubringen, indem sie knappe Produktionsmittel entgegen aktueller Interessen im Sinne der zukünftigen Präferenzen, Nöte und Möglichkeiten der Menschen umordnen. Während Politik aktuellen Mehrheits-Präferenzen nachläuft und damit die Zukunft für die Gegenwart opfert, verhilft langfristiges Unternehmertum der Zukunft zu ihrem Recht.
THE ESSENTIALIST: Wie unterscheiden sich die Begriffe Contrepreneur und Visionär? Und wie sind im Gegensatz dazu mittelständische Familienunternehmer in Zukunft zu sehen, die zwar nicht innovativ sind, aber auch keine Pseudo- oder Zeitgeist-Entrepreneure, sondern realen Wert an konkrete Kunden liefern?
Rahim Taghizadegan: Visionen können auch Utopien oder Wahnvorstellungen sein. Unternehmerische Umsetzung auf eigene Kosten ist mehr als schöne Worte und große Pläne. Doch in der Gegenwart, insbesondere, wenn sie so verzerrt ist wie heute, geht die konkrete Umsetzung des Neuen oft gegen den Strom – der Contrepreneur ist der Andersmacher, im Gegensatz zum Mitläufer oder bloßem Andersdenker. Ich schlage den Begriff vor, denn es könnte sein, dass der Entrepreneur oder Unternehmer bald durch subventioniertes, verzerrtes und kurzfristiges Pseudounternehmertum diskreditiert wird.
THE ESSENTIALIST: Welche Eigenschaften sollten Contrepreneure und Entrepreneure in ihrer Ethik und Wertehaltung haben?
Rahim Taghizadegan: Entrepreneure stehen für die alte Tugend des Maßhaltens, des effizienten Mitteleinsatzes, der Produktion anstelle des Konsums. Doch diese Tugend ist zu wenig ohne die vorgelagerten Tugenden der Weisheit und des Mutes, die in Zeiten des Wahnsinns und der Feigheit renitent erscheinen: um diese Tugenden zu betonen, spreche ich vom Contrepreneur.
THE ESSENTIALIST: Sehen Sie Globalisierung und wachsende internationale Vernetzung als Chance oder Bedrohung für europäische Unternehmer?
Rahim Taghizadegan: Internationale Arbeitsteilung bedeutet stets mehr Chancen und Möglichkeiten, ob für Unternehmer oder Konsumenten. Es gibt auch ein davon unabhängiges Phänomen der „Globalisierung”, die eine Nivellierung der Welt durch monetäre Verzerrung und Politik bedeutet. Diese Angleichung, die nicht den freiwilligen Präferenzen der Menschen entspricht, geht ihrem Ende zu und löst starke Gegenreaktionen und Sehnsüchte aus. Europäische Unternehmer, sofern sie sich nicht mit dem Status quo allzu sehr arrangiert haben, sind dafür prädestiniert, von der steigenden Sehnsucht nach Vielfalt und Authentizität zu profitieren.
THE ESSENTIALIST: Sie fragen, „Muss man wahnsinnig sein, um in Europa noch Unternehmer zu werden?” Warum erwähnen Sie spezifisch Europa?
Rahim Taghizadegan: Europa steht für die Weltregion mit der höchsten Kapitaldichte, insbesondere, wenn man kulturelles Kapital berücksichtigt. Von diesem Kapital leben wir nachwievor sehr gut, doch es hat auch zu einer unglaublichen Anspruchsmentalität geführt, hinter der erschreckender Kapitalkonsum abläuft. Dieser Kapitalkonsum beruht vor allem darauf, dass Unternehmern die undankbare Funktion zukam, de facto als Finanzbeamte zu wirken und als Sündenböcke für die Geldentwertung und Arbeitsbelastung herhalten zu müssen. Mit dem abgeschöpften Wohlstand konnten sich ganze Generationen leisten, in einer Parallelwelt eingelullt zu werden, in der Wohlstand vom Staat kommt und nur verteilt werden muss. Als Unternehmer hat man sich entweder als Systemprofiteur arrangiert oder steht mit einem Fuß im Gefängnis oder am Pranger. Es braucht also eine ganze Menge Wahnsinn oder Leichtsinn, um in Europa – besonders in Westeuropa – noch Unternehmer zu werden. Da man Wahnsinn im Vorhinein nicht von Genialität unterscheiden kann, sollten wir für diese Wahnsinnigen dankbar sein.
THE ESSENTIALIST: Wie heißt das? Wenn die Welt untergeht, soll man nach Wien gehen. Da passiert alles fünf/zehn/zwanzig Jahre später. 🙂
Rahim Taghizadegan: Ja, die größere Schlampigkeit, Korruption und Mauschelei gehören zu den letzten Assets in Wien. Je gründlicher, kälter und geradliniger der politische Apparat wird, desto unerträglicher wird Wien. Bis heute gilt: Österreichs Totalitarismus ist fünf Jahre sanfter als der in Deutschland. Kein großer Unterschied, aber immerhin.
THE ESSENTIALIST: Sie sehen Start-Ups oft als mediale Projektionsfläche. Brauchen wir Start-Ups überhaupt oder ist das nur ein Hype? Was wäre eine Alternative?
Rahim Taghizadegan: Subventionierte Start-ups sind aktuell ein Hype der Symbolpolitik. Dabei nimmt die Idee des Unternehmertums so großen Schaden, dass wir uns wohl bald vom Unternehmerbegriff verabschieden müssen. Die Alternative nenne ich daher Contrepreneurship – wie diese Alternative aussehen kann, warum sie notwendig ist und welche spannende Geschichte dahinter steht, zeige ich in meinem Buch.
Veröffentlicht in englischer Fassung in der Publikation THE ESSENTIALIST.