Der radikalste Universalgelehrte und in den USA bedeutendste Mises-Schüler.
MURRAY N. ROTHBARD (geb. 1926 in New York, gest. 1995 ebenda)
Ausgewählte Werke:
- Die Ethik der Freiheit. Sankt Augustin: Academia Verlag, 2006 [1982]
- The Irrepressible Rothbard. The Rothbard-Rockwell Report – Essays of Murray N. Rothbard. Hrsg. von Llewellyn Rockwell, Jr. Burlingame: Center for Libertarian Studies, 2000
Die Ethik der Freiheit
Man mag durchaus fragen, warum das Leben ein objektiver höchster Wert sein sollte, warum der Mensch sich für (dauerhaftes und qualitativ hochwertiges) Leben entscheiden sollte. Zur Erwiderung können wir bemerken, daß eine Aussage den Rang eines Axioms einnimmt, wenn gezeigt werden kann, daß derjenige, der sie verneint, gerade bei seiner vermeintlichen Widerlegung auf sie zurückgreift. Nun ist es so, daß jede Person, die an irgendeiner Art Diskussion – einschließlich solcher über Werte – teilnimmt, kraft dieser Teilnahme lebt und das Leben bejaht. Denn wenn sie wirklich gegen das Leben eingenommen wäre, so fände sie keinen Anlaß zu einer solchen Diskussion, in der Tat fände sie keinen Anlaß, weiterhin zu leben. Daher bejaht der vermeintliche Gegner des Lebens dasselbe gerade im Vorgang seiner Diskussion, und folglich hat die Bewahrung und Förderung des eigenen Lebens den Rang eines unbestreitbaren Axioms. 48f
Wir haben mithin eine Theorie der Eigentumsrechte. Daß jeder Mensch ein absolutes Recht darauf hat, seinen eigenen Körper zu beherrschen und zu besitzen, und auf unbenutzte Landvorkommen, die er findet und umgestaltet. Er hat auch das Recht, solches materielle Eigentum wegzugeben (wenn er auch die Beherrschung seiner eigenen Person und seines eigenen Willens nicht veräußern kann) und es gegen das in entsprechender Weise gewonnene Eigentum anderer zu tauschen. Folglich rührt jedes rechtmäßige Eigentumsrecht von dem Eigentum her, das jeder Mensch an seiner Person hat, sowie von dem „Ersterwerbsprinzip“, daß herrenloses Eigentum rechtmäßig dem ersten Besitzer gehört. Wir haben auch eine Theorie der Kriminalität: Ein Krimineller ist jemand, der solches Eigentum verletzt. Alle kriminellen Besitzansprüche sollten für nichtig erklärt und dem Opfer oder dessen Erben übergeben werden; falls kein Opfer zu finden ist und wenn der gegenwärtige Besitzer nicht selber der Kriminelle ist, dann fällt das Eigentum aufgrund unseres „Ersterwerbsprinzips“ rechtmäßig an den gegenwärtigen Besitzer. Sehen wir nun, wie diese Eigentumstheorie auf verschiedene Kategorien von Eigentum angewendet werden kann. Der einfachste Fall ist natürlich Eigentum an Personen. Das grundlegende Axiom der liberalen Theorie besagt, daß jede Person ein Selbst-Besitzer sein muß und daß niemand das Recht hat, in solchen Selbstbesitz einzugreifen. Daraus folgt unmittelbar die völlige Unzulässigkeit von Eigentum an einer anderen Person. Ein bekanntes Beispiel dieser Art von Eigentum ist die Institution der Sklaverei. 75f
Bloße Versprechen sind also keine korrekterweise durchzusetzenden Verträge, weil ihr Bruch keinen Eingriff in Eigentum oder stillschweigenden Diebstahl mit sich bringt. Schuldverträge sind nicht deshalb korrekterweise durchzusetzen, weil ein Versprechen gegeben wurde, sondern weil das Eigentum des Gläubigers ohne dessen Zustimmung angeeignet – d. h. gestohlen – wird, wenn die Schuld nicht getilgt wird. 91[…] daß bloße Versprechen keine Übertragung von Eigentumsansprüchen sind; daß es zwar durchaus der moralische Weg sein könnte, die eigenen Versprechen zu halten, es aber in einem liberalen System nicht die Aufgabe des Gesetzes (d. h. gesetzlicher Gewalt) ist und sein kann, für Sittlichkeit zu sorgen (in diesem Fall das Einhalten von Versprechen). 143
Der Kriminelle bzw. der Eingreifer verliert sein eigenes Recht in dem Maße, in dem er einen anderen Menschen um das seinige beraubt hat. Wenn ein Mensch einem anderen etwas von dessen Selbstbesitz oder von dessen Ausdehnung in physisches Eigentum vorenthält, so verliert er in diesem Maße seine eigenen Rechte. Aus diesem Grundsatz folgt unmittelbar die Verhältnismäßigkeitstheorie der Strafe – die am besten in dem alten Sprichwort „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ zusammengefaßt wird. 92f
Zunächst einmal sollte klar sein, daß der Grundsatz der Verhältnismäßgkeit eine Höchstgrenze und kein Gebot für die Bestrafung des Kriminellen ist. In der liberalen Gesellschaft gibt es – wie wir sahen – nur zwei Parteien bei einem Rechtsstreit bzw. bei einem Gerichtsverfahren: das Opfer (bzw. der Kläger) und der angebliche Kriminelle (bzw. der Beklagte). Es ist der Kläger, der vor Gericht Beschuldigungen gegen den Übeltäter vorbringt. In einer liberalen Welt gäbe es keine Verbrechen gegen eine unbestimmte „Gesellschaft“ und mithin auch keinen „Staatsanwalt“, der über eine Beschuldigung entscheidet und dann diese Beschuldigung gegen einen angeblichen Kriminellen vorbringt. Die Verhältnismäßigkeitsregel sagt uns, wieviel Strafe ein Kläger von einem überführten Übeltäter fordern darf, und nichts weiter; sie legt der Strafe eine Höchstgrenze auf, die zugefügt werden darf, ohne daß der Strafende selber ein krimineller Aggressor wird. Es sollte daher vollkommen klar sein, daß die Todesstrafe unter liberalem Recht strikt auf das Verbrechen des Mordes eingeschränkt werden müßte. 96f
Doch unter liberalem Recht gäbe es für den Kläger bzw. dessen Erben keinen Zwang, diese Höchststrafe zu fordern. Wenn zum Beispiel der Kläger oder sein Erbe – aus welchem Grund auch immer — nicht an die Todesstrafe glaubte, könnte er dem Täter freiwillig einen Teil seiner Strafe oder auch die ganze Strafe erlassen. […] Ein Problem könnte im Fall von Mord entstehen – da sich zeigen könnte, daß die Erben eines Opfers nicht gerade gewissenhaft bei der Verfolgung des Mörders sind oder unbotmäßig dazu neigen, den Mörder sich aus der Strafe herauskaufen zu lassen. Diesem Problem könnte auf einfache Weise dadurch begegnet werden, daß die Leute in ihrem Testament kundtun, welche Strafe sie ihren eventuellen Mördern auferlegt wissen möchten. 97
Zunächst ist zu beachten, daß die Betonung bei der Strafe nicht darauf liegen darf, daß man „der Gesellschaft“ seine Schuldigkeit tut (was das auch immer heißen mag), sondern daß man dem Opfer seine „Schuld“ bezahlt. […] Angenommen, daß der Dieb – wie in den meisten Fällen – das Geld bereits ausgegeben hat. In diesem Fall besteht der erste Schritt einer korrekten liberalen Strafe darin, den Dieb zur Arbeit zu zwingen und das hieraus entstehende Einkommen an das Opfer weiterzugeben, bis es ausgezahlt ist. Die ideale Situation bringt den Kriminellen dann ganz offen in einen Zustand der Versklavung an sein Opfer, und in dieser gerechten Sklaverei verbleibt er, bis er den Mißstand bei dem von ihm geschädigten Menschen behoben hat.Wir sollten bemerken, daß die Betonung der Entschädigungs-Bestrafung der gegenwärtigen Strafpraxis genau entgegengesetzt ist. Was heute geschieht, ist die folgende Absurdität: A stiehlt DM 15.000 von B. Die Regierung spürt A auf, bringt ihn vor Gericht und verurteilt ihn – und das alles auf Kosten von B als einem der zahlreichen Steuerzahler, die in diesem Prozeß zu Opfern werden. Dann geht es weiter: Anstatt A zu zwingen, B auszuzahlen oder Zwangsarbeit zu leisten, bis die Schuld bezahlt ist, zwingt die Regierung B, das Opfer, Steuern zu zahlen, um den Kriminellen für zehn oder zwanzig Jahre im Gefängnis zu unterhalten. Wo in aller Welt ist hier die Gerechtigkeit? 97f
Die Idee der vorrangigen Entschädigung des Opfers hat großartige Präzedenzfälle im Gesetz; es handelt sich in der Tat um einen alten Rechtsgrundsatz, den man in dem Maße, in dem der Staat wuchs und die Rechtsinstitutionen monopolisierte, verfallen ließ. Im mittelalterlichen Irland etwa war der König nicht das Staatsoberhaupt, sondern eher ein Versicherer gegen Verbrechen; wenn jemand ein Verbrechen beging, so bezahlte der König zuallererst einmal die „Versicherungs“-Leistung an das Opfer, und machte sich anschließend daran, den Verbrecher zu zwingen, ihn wiederum auszuzahlen (wobei die Entschädigung der Versicherungsgesellschaft des Opfers sich gänzlich aus der Idee der Entschädigung des Opfers ableitete). In vielen Teilen des kolonialen Amerikas, die zu arm waren, um sich den zweifelhaften Luxus von Gefängnissen leisten zu können, wurde der Dieb von den Gerichten durch Pachtvertrag an sein Opfer gebunden, um dort gezwungen zu werden, solange für sein Opfer zu arbeiten, bis die „Schuld“ abgetragen war. Das bedeutet nicht unbedingt, daß Gefängnisse in der liberalen Gesellschaft verschwinden würden, doch unzweifelhaft würden sie sich drastisch wandeln, da ihr Hauptanliegen darin bestünde, die Kriminellen dazu zu zwingen, ihre Opfer zu entschädigen. 98
Im Falle von Diebstahl können wir daher sagen, daß der Kriminelle das Doppelte der Diebstahlssumme zahlen muß: einmal zur Rückerstattung des gestohlenen Betrags und ein weiteres Mal als Verlust dessen, was er einem anderen geraubt hat. Aber wir haben immer noch nicht genügend herausgearbeitet, in welchem Umfang ein Verbrechen den Verlust von Rechten mit sich bringt. Denn A hatte nicht einfach nur DM 15.000 von B gestohlen, wofür nach Rückerstattung des Geldes eine gleichwertige Strafe auferlegt werden kann. Er hat B auch in Angst und Unsicherheit versetzt, in Unsicherheit über das Ausmaß, in dem B seiner Rechte beraubt würde. Doch A‘s Strafe steht bereits im voraus fest, und das versetzt A in eine weitaus bessere Lage als die seines einstigen Opfers. Um daher eine verhältnismäßige Bestrafung zu erzielen, müßten wir dem Doppelten noch etwas hinzufügen, um das Opfer irgendwie für die unsicheren und angstvollen Aspekte seiner besonderen Nervenbelastung zu entschädigen. Worin diese zusätzliche Entschädigung bestehen sollte, kann man unmöglich genau sagen, doch das entläßt kein rationales Strafsystem – einschließlich desjenigen, das in der liberalen Gesellschaft zur Anwendung käme – aus der Pflicht, sie so gut wie möglich herauszuarbeiten. Bei dem Problem eines körperlichen Angriffs, bei dem keine Rückerstattung möglich ist, können wir wieder unser Kriterium verhältnismäßiger Strafe anwenden; so daß, wenn B von A in bestimmter Weise verprügelt wurde, er das Recht hat, A eher noch mehr als nur im gleichen Maße zu verprügeln (oder ihn von Gerichtsbediensteten verprügeln zu lassen). Hier gäbe es für den Kriminellen in der Tat die Möglichkeit, sich aus der Strafe herauszukaufen, doch nur aufgrund eines freiwilligen Vertrages mit dem Kläger. Angenommen zum Beispiel, daß B von A verprügelt wurde; B hat nun das Recht, A genauso sehr – oder ein wenig mehr – zu verprügeln oder eine Person bzw. eine Organisation zu diesem Zweck anzustellen (in einer liberalen Gesellschaft könnten das die bei privatwirtschaftlichen Gerichten angestellten Vollzugsbeamten sein). Doch A steht es natürlich frei, sich herauszukaufen – B dafür zu bezahlen, daß er auf sein Recht verzichtet, seinen Angreifer zu verprügeln. Das Opfer hat mithin das Recht, eine durch das Ausmaß des Verbrechens bestimmte, verhältnismäßige Menge an Strafe zu verlangen, doch es steht ihm auch frei, entweder seinem Angreifer zu ermöglichen, sich aus der Strafe herauszukaufen, oder ihm teilweise oder vollkommen zu vergeben. Das verhältnismäßige Strafniveau legt das Recht des Opfers bzw. die zulässige Höchstgrenze der Strafe fest; doch in welchem Maße und ob überhaupt das Opfer sich dazu entscheidet, dieses Recht auszuüben, liegt an ihm selbst. 99f
In ähnlicher Weise würde privates Eigentum an allen Straßen das Problem des „Menschenrechts“ auf Einwanderungsfreiheit lösen. Ohne Frage ist es eine Tatsache, daß die bestehenden Einwanderungshemmnisse nicht so sehr ein „Menschenrecht“ auf Einwanderung einschränken, als vielmehr das Recht von Eigentümern, Eigentum an Einwanderer zu vermieten oder zu verkaufen. Es kann kein Menschenrecht auf Einwanderung geben, denn auf wessen Eigentum hat jemand das Recht herumzutrampeln? Kurzum können wir nicht sagen, daß, wenn „Primus“ nun von irgendeinem anderen Land nach Deutschland ziehen möchte, er das absolute Recht hat, sich in diesem Gebiet anzusiedeln. Denn was ist mit jenen Eigentümern, die ihn auf ihrem Eigentum nicht wünschen? Hingegen mag es andere Eigentümer geben (und unzweifelhaft gibt es sie), die die Gelegenheit ergreifen würden, Eigentum an Primus zu vermieten oder zu verkaufen, und die heutigen Gesetze verletzen ihre Eigentumsrechte, indem sie sie davon abhalten. Die liberale Gesellschaft würde die gesamte „Einwanderungsfrage“ auf der Grundlage absoluter Eigentumsrechte lösen. Denn Menschen haben lediglich das Recht, zu denjenigen Anwesen und Ländereien zu ziehen, deren Eigentümer an sie vermieten oder verkaufen möchten. Zunächst hätten sie das Reiserecht in der freien Gesellschaft nur auf denjenigen Straßen, deren Eigentümer damit einverstanden sind, und dann hätten sie das Recht, Unterkünfte von willigen Eigentümern zu mieten oder zu kaufen. Wiederum würde – ganz wie im Fall tagtäglicher Bewegungen auf Straßen – ein verschiedenartiges und sich wandelndes Muster des Wanderungszugangs entstehen. 131
Individuen besitzen nicht deshalb Rechte weil wir fühlen, daß sie Rechte haben sollten, sondern infolge einer rationalen Untersuchung der Natur des Menschen und des Universums. Kurz gesagt hat der Mensch Rechte, weil es sich um natürliche Rechte handelt. Sie wurzeln in der Natur des Menschen: in der Fähigkeit des individuellen Menschen, bewußte Entscheidungen zu treffen; in der Notwendigkeit, daß er seinen Verstand und seine Energie gebraucht, um sich Ziele und Werte zueigen zu machen, um die Welt zu erforschen und um seine Ziele zu verfolgen, auf daß er überlebt und vorwärtskommt; in seiner Fähigkeit und seinem Bedürfnis, mit anderen Menschen zu kommunizieren und zu verkehren; in seiner Fähigkeit und seinem Bedürfnis, an der Arbeitsteilung teilzunehmen. Kurzum, der Mensch ist ein rationales und geselliges Wesen. Kein anderes Tier oder Wesen besitzt diese Vernunftbegabung und diese Fähigkeit, bewußte Entscheidungen zu treffen, seine Umwelt für das eigene Fortkommen günstig zu gestalten und in der Gesellschaft und in der Arbeitsteilung bewußt mitzuarbeiten. 164
In der ganzen Geschichte haben Gruppen von Menschen, die sich „Regierung“ oder „Staat“ nannten, gewöhnlich mit Erfolg versucht, ein Zwangsmonopol auf die Schaltzentralen von Wirtschaft und Gesellschaft zu erringen. Insbesondere hat sich der Staat ein Zwangsmonopol auf Polizei- und Militärdienste, auf die Bereitstellung von Gesetzen, auf richterliche Entscheidungen, auf das Münzwesen und die Befugnis zur Geldschaffung, auf ungebrauchtes Land („öffentliches Eigentum“), auf Straßen und Autobahnen, Flüsse und Küstengewässer und auf die Produktionsmittel der Post angemaßt. Die Herrschaft über Land und Transporte ist seit langem ein hervorragendes Verfahren, um die allumfassende Herrschaft über eine Gesellschaft sicherzustellen. In vielen Ländern waren Schnellstraßen zunächst ein Mittel, um der Regierung die rasche Bewegung ihrer Truppen durch das von ihr beherrschte Land zu ermöglichen. Die Herrschaft über das Geldangebot ist ein Verfahren, um dem Staat ein leichtes und schnell verfügbares Einkommen zu sichern, und der Staat stellt sicher, daß sein selbstangemaßtes Monopol auf die Befugnis, neues Geld zu fälschen (d.h. zu schaffen), von keinem privaten Wettbewerber verletzt wird. Das Postmonopol ist für den Staat seit langem eine bequeme Methode, um ein Auge auf möglicherweise widerspenstige und umstürzlerische Gegner seiner Herrschaft zu halten. In den meisten Epochen der Vergangenheit hatte der Staat auch die Religion fest im Griff. Dabei festigte er gewöhnlich ein komfortables, auf beiderseitigen Nutzen angelegtes Bündnis mit einer vorherrschenden Kirche: Der Staat gab den Priestern Macht und Reichtum, und die Kirche ihrerseits lehrte der unterworfenen Bevölkerung ihre göttlich verordnete Pflicht, Caesar zu gehorchen. Nun jedoch, da die Religion viel von ihrer gesellschaftlichen Überzeugungskraft verloren hat, ist der Staat häufig willens, von der Religion abzulassen und sich auf ähnliche, wenn auch losere Bündnisse mit eher weltlichen Intellektuellen zu konzentrieren. In jedem Fall stützt sich der Staat auf die Herrschaft über die Druckmittel der Propaganda, um seine Untertanen davon zu überzeugen, daß sie ihren Herrschern gehorchen oder diese sogar lobpreisen sollen. Doch das entscheidende Monopol ist die Herrschaft des Staates über den Gewaltgebrauch: über Polizei und Armee und über die Gerichte, den Locus letzter Entscheidungsgewalt in Streitigkeiten über Verbrechen und Verträge. Die Herrschaft über Polizei und Armee ist besonders wichtig zur Durchsetzung und Sicherstellung aller anderen Befugnisse des Staates, einschließlich der allerwichtigsten Befugnis: sein Einkommen per Zwang zu beziehen. 167f
Besteuerung ist Diebstahl, schlicht und einfach, wenn sie auch Diebstahl in einem dermaßen großen Maßstab ist, daß kein gewöhnlicher Verbrecher ihn erreichen könnte. Sie ist die Zwangspfändung des Eigentums der Staatseinwohner bzw. seiner Untertanen. Es wäre eine belehrende Übung für den skeptischen Leser, zu versuchen, eine Definition der Besteuerung aufzustellen, die nicht auch Diebstahl einschließen würde. Wie ein Räuber fordert der Staat Geld praktisch mit vorgehaltener Pistole: Wenn der Steuerzahler die Zahlung verweigert, wird sein Vermögen gewaltsam beschlagnahmt, und wenn er sich dieser Plünderung widersetzt, wird er eingesperrt oder – bei anhaltendem Widerstand – erschossen. Es stimmt, daß Staatsapologeten behaupten, die Besteuerung sei „in Wirklichkeit“ freiwillig. Eine einfache und doch lehrreiche Widerlegung dieser Behauptung besteht darin, sich zu überlegen, was geschehen würde, wenn die Regierung die Besteuerung abschaffen und sich auf die bloße Bitte um freiwillige Beiträge beschränken würde. Glaubt irgendjemand wirklich daran, daß dem Staat irgendein Einkommen zufließen würde, das seinem jetzigen, riesigen Einkommen vergleichbar wäre? 168f
Wenn Besteuerung somit einen Zwangscharakter trägt und daher von Diebstahl nicht zu unterscheiden ist, so folgt daraus, daß der Staat, der von der Besteuerung lebt, eine riesige kriminelle Vereinigung ist, weit größer und erfolgreicher als irgendeine „private“ Mafia in der Geschichte. Zudem sollte er nicht nur gemessen an der Theorie des Verbrechens und der Eigentumsrechte, wie sie in diesem Buch dargelegt wurde, als kriminell angesehen werden, sondern selbst gemessen an der gewöhnlichen Anschauung der Menschheit, die Diebstahl immer als Verbrechen ansieht. 172
Es lohnt sich, der Frage nachzugehen, warum sich der Staat im Gegensatz zum Straßenräuber zwangsläufig mit einer Legitimitäts-Ideologie umgibt und warum er sich in den ganzen Heucheleien ergeht, die Spooner darlegt. Der Grund liegt darin, daß der Straßenräuber kein sichtbares, ständiges, rechtmäßiges oder berechtigtes Mitglied der Gesellschaft ist – und erst recht kein Mitglied hohen Ranges. Er befindet sich ständig auf der Flucht vor seinen Opfern oder vor dem Staat selber. Doch der Staat wird im Gegensatz zu einer Räuberbande nicht für eine kriminelle Organisation gehalten. Im Gegenteil haben seine Günstlinge im allgemeinen Stellungen von höchstem Rang in der Gesellschaft innegehabt. Es ist ein Rang, der dem Staat erlaubt, seine Opfer hinzuhalten, während er zumindest die meisten von ihnen dazu bewegt, diesen Ausbeutungsvorgang zu unterstützen oder sich wenigstens in ihn zu fügen. In der Tat besteht die Aufgabe der ideologischen Günstlinge und Verbündeten des Staates gerade darin, der Öffentlichkeit zu erklären, daß der Kaiser wirklich ein paar hübsche Kleider hat. Kurzum müssen die Ideologen erklären, daß es zwar böse und kriminell ist, wenn eine oder mehrere Personen oder Gruppen stehlen, daß aber kein Diebstahl, sondern der legitime und sogar heilige Tatbestand der „Besteuerung“ vorliegt, wenn der Staat solche Handlungen begeht. Die Ideologen müssen erklären, daß es zwar böse ist und bestraft werden muß, wenn eine oder mehrere Personen oder Gruppen morden, daß aber kein Mord, sondern ein höherer, als „Krieg“ oder „Bekämpfung inneren Aufruhrs“ bekannter Tatbestand vorliegt, wenn der Staat tötet. Sie müssen erklären, daß Entführungen oder Sklaverei zwar böse sind und verboten werden müssen, wenn sie von einer oder mehreren Personen oder Gruppen begangen werden, daß aber keine Entführung oder Sklaverei, sondern „Wehrpflicht“ – eine Maßnahme, von der die öffentliche Wohlfahrt abhängt und die sogar ein Erfordernis der Sittlichkeit an sich ist – vorliegt, wenn der Staat solche Handlungen begeht. Die Aufgabe der staatsorientierten Ideologen besteht darin, am Trugbild der kaiserlichen Kleider herumzuspinnen und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, daß mit zwei grundverschiedenen Maßstäben gemessen werden muß: daß, wenn der Staat die schlimmsten Schwerverbrechen begeht, er dies in Wirklichkeit nicht tut, sondern etwas anderes, das notwendig, einwandfrei, lebenswichtig und sogar – in früheren Zeiten – ein göttliches Gebot ist. Der jahrhundertelange Erfolg der Staatsideologen ist vielleicht der übelste Scherz in der Geschichte der Menschheit. Ideologie war für das fortgesetzte Bestehen des Staates stets notwendig, wie aus dem systematischen Gebrauch von Ideologie seit den alten Reichen des Morgenlandes hervorgeht. Der jeweilige Inhalt der Ideologie hat sich im Laufe der Zeit natürlich gewandelt. Dabei paßte er sich der veränderten Lage und den jeweils anderen Kulturen an. In den Despotien des Morgenlandes wurde der Herrscher von der Kirche für göttlich gehalten. In unserem eher weltlichen Zeitalter richten sich die Argumente eher auf „öffentliche Güter“ und „das Gemeinwohl“. Doch der Zweck ist immer der gleiche: die Öffentlichkeit zu überzeugen, daß der Staat – anders, als man denken mag – kein Verbrechen in gewaltigem Maßstab ist, sondern etwas Notwendiges und Lebenswichtiges, das man unterstützen muß und dem man Gehorsam schuldet. Der Grund, aus dem Ideologie so wichtig für den Staat ist, liegt darin, daß der Staat letztlich immer der Unterstützung der Mehrheit bedarf. Diese Unterstützung erhält der Staat unabhängig davon, ob er eine „Demokratie“, eine Diktatur oder eine absolutistische Monarchie ist. Denn die Unterstützung besteht im Willen der Mehrheit (nicht aber, um es nochmal zu sagen, jedes Individuums), mit dem System auszukommen: Steuern zu zahlen, ohne große Klagen für den Staat in den Krieg zu ziehen, den Regeln und Anordnungen des Staates zu gehorchen. Diese Unterstützung muß keine aktive Begeisterung sein, um wirksam zu werden; passive Resignation ist genauso gut. Aber es muß Unterstützung geben. Denn wenn der größte Teil der Öffentlichkeit wirklich von der Unrechtmäßigkeit des Staates überzeugt wäre, wenn er überzeugt wäre, daß der Staat nicht mehr und nicht weniger ist als eine Verbrecherbande im großen Stil, dann würde der Staat bald zusammenbrechen und keinen höheren Rang bekleiden oder eine größere Existenz führen als jede andere Mafia. Dies ist der zwingende Grund, aus dem der Staat Ideologen beschäftigt, und es ist der zwingende Grund des uralten Bündnisses zwischen dem Staat und den Hofintellektuellen, die die Rechtfertigung für die Herrschaft des Staates zurechtschmieden. 174f
Daher hat der ständige Bedarf an einer überzeugenden Ideologie den Staat immer dazu bewogen, die meinungsbildenden Intellektuellen der Nation auf seine Seite zu bringen. In früheren Zeiten waren die Intellektuellen allesamt Priester, und daraus ergab sich das von uns dargelegte, uralte Bündnis zwischen Kirche und Staat, Thron und Altar. Heute erfüllen „wissenschaftliche“ und „wertfreie“ Ökonomen, „Sicherheitsberater“ u.a. eine ähnliche ideologische Aufgabe für die Staatsgewalt. In der modernen Welt – in der eine herrschende Kirche häufig nicht mehr eingerichtet werden kann – ist es für den Staat besonders wichtig, die Herrschaft über das Erziehungswesen zu erlangen und dadurch das Denken seiner Untertanen zu formen. Neben der indirekten Beeinflussung der Universitäten durch alle möglichen Subventionen und der direkten Beeinflussung staatlicher Universitäten, lenkt der Staat das Erziehungswesen auf den niedrigeren Ebenen durch die allgemeinen Einrichtungen der öffentlichen Schule, durch Auflagen für private Schulen und durch Schulpflichtgesetze. Dazu rechne man die praktisch vollkommene Herrschaft des Staates über Radio und Fernsehen – entweder durch staatliche Sender, wie es in den meisten Ländern der Fall ist, oder, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika, durch die Verstaatlichung der Sendefrequenzen und durch die Befugnis einer Bundesbehörde, Lizenzen zum Gebrauch dieser Frequenzen und Kanäle an die Sender zu vergeben. 175f
Wir haben gesehen, warum der Staat die Intellektuellen braucht. Doch warum brauchen die Intellektuellen den Staat? Einfach gesagt: weil Intellektuelle, deren Dienste von den meisten Konsumenten häufig nicht in besonderem Maße verlangt werden, in den Reihen des Staates einen gesicherteren „Markt“ für ihre Fähigkeiten finden. Der Staat kann ihnen eine Macht, eine Stellung und einen Reichtum geben, die sie im freiwilligen Tausch häufig nicht erhalten können. 176
Der Staat ist also eine kriminelle Zwangsorganisation, die sich durch ein gesetzlich geregeltes, großangelegtes System des Besteuerungsdiebstahls erhält und die ungestraft davonkommt, indem sie mit Hilfe einer Gruppe von meinungsbildenden Intellektuellen, die sie mit einem Teil ihrer Macht und ihres Mammons entlohnt, eine Unterstützung durch die Mehrheit (wieder gesagt: nicht aller) zuwege bringt. Doch es gibt noch einen anderen wichtigen Gesichtspunkt des Staates, den wir berücksichtigen müssen. Wir kommen nun zu einem entscheidenden Argument für den Staat, nämlich zu dem stillschweigenden Argument, daß der Staatsapparat das Territorium, über das er die Gerichtsbarkeit beansprucht, wirklich und rechtmäßig besitzt. 177
Doch unsere Theorie des Ersterwerbs, die wir oben darstellten, reicht aus, um alle derartigen Ansprüche des Staatsapparates zu vernichten. Denn nach welchem Erdenrecht beanspruchen die Staatskriminellen das Eigentum am Staatsgebiet? Es ist schlimm genug, daß sie die letzte Entscheidungsgewalt über dieses Gebiet an sich gerissen haben. Aber welches Kriterium könnte ihnen rechtmäßiges Eigentum daran verschaffen? Der Staat kann daher als eine solche Organisation definiert werden, die wenigstens eines der folgenden Kennzeichen trägt (faktisch sind es fast immer beide): (a) sie erwirbt ihr Einkommen durch physischen Zwang (Besteuerung); und (b) sie sichert sich ein Zwangsmonopol der Gewalt und der obersten Rechtssprechung in einem bestimmten Territorium. Jede dieser wesentlichen Staatsbetätigungen stellt notwendigerweise eine kriminelle Verletzung der gerechten Privateigentumsrechte (einschließlich des Rechts auf Selbstbesitz) der Untertanen dar. Denn die erste bedeutet und begründet Diebstahl im großen Stil, während die zweite den freien Wettbewerb zwischen Sicherheits- und Rechtssprechungsorganisationen in einem bestimmten Gebiet untersagt, wodurch der freiwillige Kauf und Verkauf von Sicherheits- und Rechtssprechungsdiensten verboten wird. 178
Während also die praxeologische Wirtschaftstheorie äußerst nützlich ist, um die Tatsachen und das Wissen für die Gestaltung einer Wirtschaftspolitik bereitzustellen, kann sie alleine nicht ausreichen, um dem Ökonomen irgendwelche Werturteile oder das Eintreten für irgendeine öffentliche Maßnahme zu erlauben. Ungeachtet der gegenteiligen Auffassung von Mises reicht weder die praxeologische Nationalökonomie noch der utilitaristische Liberalismus Mises‘scher Prägung aus, um die Sache des Laissez-faire und der freien Marktwirtschaft zu begründen. Dazu muß man über die Ökonomie und den Utilitarismus hinausgehen, um eine objektive Ethik zu begründen, die den vorrangigen Wert der Freiheit bekräftigt und alle Formen staatlicher Eingriffe – vom Egalitarismus bis zur „Ermordung der Rothaarigen“ – sowie solche Ziele wie die Befriedigung von Machtgier und Neid moralisch verurteilt. 216
Wenn Freiheit das höchste politische Ziel sein soll, so bringt dies mit sich, daß die Freiheit mit den effizientesten Mitteln, d.h. mit jenen Mitteln, die das Ziel am schnellsten und gründlichsten verwirklichen, angestrebt werden sollte. Das bedeutet, daß der Liberale ein „Abschaffer“ sein muß, d.h. er muß das Ziel der Freiheit so schnell wie möglich zu verwirklichen wünschen. Wenn er vor dem Abolitionismus zurückschreckt, hält er die Freiheit nicht mehr für das höchste politische Ziel. Der Liberale sollte daher ein Abolitionist sein, der, wenn er es könnte, unverzüglich alle Verletzungen der Freiheit abschaffen würde. Nach dem Beispiel des klassischen Liberalen Leonard Read, der nach dem Zweiten Weltkrieg die sofortige und vollkommene Abschaffung der Preis- und Lohnvorschriften forderte, können wir hierbei von dem „Knopfdruck-Kriterium“ sprechen. So erklärte Read: „Wenn es auf diesem Rednerpult einen Knopf gäbe, mit dem man alle Lohn- und Preisvorschriften unverzüglich aufheben könnte, indem man ihn drückt, so würde ich meinen Finger auf ihn legen und drücken!“ Der Liberale sollte also eine Person sein, die einen Knopf zur unverzüglichen Abschaffung aller Verletzungen der Freiheit drücken würde, wenn dieser Knopf nur existierte – was ein Utilitarist im übrigen wahrscheinlich kaum jemals tun würde. 255
Die liberalen Ziele – einschließlich der unverzüglichen Abschaffung von Freiheitsverletzungen – sind in dem Sinne „realistisch“, daß sie erreicht werden könnten, wenn genügend Menschen sie billigten, und daß, wenn sie erreicht wären, das sich daraus ergebende liberale System lebensfähig wäre. Das Ziel unmittelbarer Freiheit ist nicht unrealistisch oder „utopisch“, denn seine Verwirklichung hängt – im Gegensatz zu solchen Zielen wie „Beseitigung der Armut“ – vollkommen vom menschlichen Willen ab. Wenn zum Beispiel jeder plötzlich und sofort der vorrangigen Erwünschtheit der Freiheit zustimmte, dann wäre sofort vollkommene Freiheit erreicht. Die strategische Beurteilung, wie der Weg zur Freiheit wahrscheinlich eingeschlagen wird, ist natürlich ein ganz anderes Problem. William Lloyd Garrison, der liberale Abolitionist der Sklaverei, war beispielsweise nicht „unrealistisch“, als er in den 1830er Jahren das Ziel der sofortigen Emanzipation der Sklaven zum Maßstab erhob. Sein Ziel war moralisch und liberal gesehen richtig, und es hatte nichts mit „Realismus“ oder mit der Wahrscheinlichkeit seiner Verwirklichung zu tun. In der Tat zeigte sich Garrisons strategischer Realismus in dem Umstand, daß er nicht erwartete, daß die Sklaverei sofort bzw. mit einem Handstreich enden würde. Wie er sorgsam unterschied: „Fordern wir die sofortige Abschaffung mit allem Ernst – letztlich wird es, leider!, eine schrittweise Abschaffung sein. Wir haben niemals gesagt, daß die Sklaverei mit einem Streich beseitigt werden würde. Das [sic] das so sein sollte, werden wir immer behaupten.“ Im übrigen warnte Garrison energisch: „Allmählichkeit in der Theorie bedeutet Unaufhörlichkeit in der Praxis.“ In der Tat unterhöhlt Allmählichkeit in der Theorie das vorrangige Ziel der Freiheit an sich. Daher ist sie nicht einfach nur von strategischer Bedeutung, sondern sie steht in einem Gegensatz zu dem Ziel an sich und ist mithin als Teil einer Freiheitsstrategie unzulässig. Denn sobald das Ziel unverzüglicher Abschaffung aufgegeben wird, gibt man zu, daß dieses Ziel im Vergleich zu anderen, anti-liberalen Erwägungen zweit- oder drittrangig ist, da diese Erwägungen nun höher als die Freiheit angesiedelt sind. 255ff
Jede neue Idee und jede neue Disziplin beginnt notwendigerweise mit einem oder wenigen Menschen und verbreitet sich dann weiter nach außen auf einen größeren Kern von Konvertiten und Anhängern. Selbst wenn sie zu voller Größe gelangt, gibt es infolge der großen Vielfalt von Interessen und Fähigkeiten unter den Menschen zwangsläufig nur eine Minderheit im professionellen Kern oder Kader der Liberalen. Daher liegt nichts Unheilvolles oder „Undemokratisches“ darin, eine liberale „Avantgarde“ zu fordern, genau wie es auch nicht böse und undemokratisch ist, von einer Avantgarde der Buddhisten oder Physiker zu sprechen. Hoffentlich wird diese Avantgarde dazu beitragen, daß eine Mehrheit oder eine große und einflußreiche Minderheit zu Anhängern der liberalen Ideologie gemacht wird (oder sie sogar in den Mittelpunkt ihres Interesses stellt). Die Existenz einer liberalen Mehrheit unter den amerikanischen Revolutionären und im England des neunzehnten Jahrhunderts beweist, daß dieses Kunststück nicht unmöglich ist. In der Zwischenzeit, da wir auf dem Weg zu diesem Ziel sind, können wir uns die Verbreitung des Liberalismus wie eine Leiter oder Pyramide vorstellen, mit zahlreichen Individuen und Gruppen auf verschiedenen Sprossen der Leiter, die von vollkommenem Kollektivismus bzw. totaler Staatsorientierung zu reiner Freiheit führt. Wenn der Liberale das Bewußtsein der Leute nicht bis zur höchsten Sprosse reiner Freiheit „heben“ kann, so kann er ein geringeres, aber immer noch wichtiges Ziel verwirklichen, indem er ihnen hilft, ein paar Sprossen weit auf der Leiter emporzukommen. Zu diesem Zweck mag es der Liberale durchaus hilfreich finden, sich mit Nicht-Liberalen in Koalitionen zusammenzufinden, die der Förderung von einzelnen, auf bestimmte Fälle begrenzten Aktivitäten dienen. So mag sich der Liberale – je nach seinen Prioritäten angesichts der jeweiligen Lage der Gesellschaft – an bestimmten „Einheitsfrontaktivitäten“ beteiligen: mit einigen Konservativen, um die Einkommensteuer abzuschaffen, oder mit Linksliberalen zur Abschaffung der Wehrpflicht, des Pornographieverbots oder des Verbots „umstürzlerischer“ Reden. 261
Es sollte klar sein, daß rechter Opportunismus genau wie linkes Sektierertum der Verwirklichung des gesellschaftlichen Endziels abträglich sind: Denn der rechte Opportunist gibt dieses Ziel auf, während er kurzfristige Erfolge erzielt, und dadurch nimmt er diesen Erfolgen ihre Wirkung. Der linke Sektierer hingegen kleidet sich in das Mäntelchen der „Reinheit“ und macht durch diese Verurteilung aller notwendigen strategischen Schritte zum letztlichen Ziel sein eigenes höchstes Ziel zunichte. 263
Die Marxisten haben richtig erkannt, daß zwei Arten von Bedingungen für den Sieg eines jeden Programms radikalen sozialen Wandels notwendig sind. Sie unterscheiden zwischen der „objektiven“ und der „subjektiven“ Bedingung. Die „subjektive“ Bedingung ist die Existenz einer selbstbewußten Bewegung, die sich für den Triumph des jeweiligen gesellschaftlichen Ideals einsetzt – wir haben diese Bedingung oben diskutiert. Die objektive Bedingung ist die objektive Tatsache einer „Krisensituation“ im bestehenden System, einer Krisensituation, die groß genug ist, um allgemein wahrgenommen zu werden und um als Fehler des Systems selbst wahrgenommen zu werden. Denn die Menschen sind so beschaffen, daß sie sich nicht dafür interessieren, die Mängel eines bestehenden Systems zu untersuchen, solange es ausreichend gut zu funktionieren scheint. Und selbst wenn einige wenige anfangen, sich dafür zu interessieren, werden sie dazu neigen, daß [sic] ganze Problem für so abstrakt zu halten, daß es unerheblich für ihr tägliches Leben ist und mithin kein Handeln erforderlich macht – bis zur Wahrnehmung des krisenhaften Zusammenbruchs. Es sind solche Zusammenbrüche, die ein plötzliches Suchen nach neuen gesellschaftlichen Alternativen anregen – und dann müssen die Kader der Alternativ-Bewegung (die „subjektive Bedingung“) verfügbar sein, um diese Alternative zu liefern: um die Krise in einen Zusammenhang mit den Fehlern des Systems zu stellen und um darzulegen, wie das alternative System die bestehende Krise lösen und ähnliche Zusammenbrüche in der Zukunft verhindern würde. Es ist zu hoffen, daß die alternativen Kader die aktuelle Krise in der Vergangenheit vorhergesagt und vor ihr gewarnt haben. 263f
Wenn die Welt also unumkehrbar auf den Industrialismus und die mit ihm einhergehenden Lebensstandards festgelegt ist und wenn der Industrialismus Freiheit erfordert, dann muß der Liberale in der Tat auf lange Sicht ein Optimist sein. Denn der liberale Triumph muß sich früher oder später einstellen. Doch warum sollte man heute optimistisch für die kurze Sicht sein? Weil es glücklicherweise zutrifft, daß die verschiedenen Formen der Staatsorientierung, die der westlichen Welt in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts aufgehalst wurden, nunmehr kurz vor ihrem Zusammenbruch stehen. Die lange Sicht ist nun gekommen. Ein halbes Jahrhundert lang konnten staatsorientierte Interventionen ihre Plünderungen vornehmen, ohne klare und offensichtliche Krisen und Erschütterungen zu verursachen, weil die unter quasi-laissez–faire-Bedingungen erfolgte Industrialisierung des neunzehnten Jahrhunderts ein riesiges Polster gegen solche Plünderungen geschaffen hatte. Der Staat konnte dem System Steuern oder Inflation auferlegen, ohne offensichtlich schlechte Wirkungen zu ernten. Doch nun hat die Staatsorientierung so lange geherrscht und es ist mit ihr so weit gekommen, daß das Fettpolster aufgebraucht wurde. Wie der Ökonom Ludwig von Mises darlegte, ist die vom Laissez-faire geschaffene „Reserve“ nun „erschöpft“. Was auch immer der Staat nun tut, hat unmittelbare negative Folgen, die für die vormals Gleichgültigen und selbst für viele der glühendsten Staatsfans offensichtlich sind. 266
Das rapide Wachstum liberaler Ideen und Bewegungen in den letzten Jahren vollzog sich in vielen Bildungsbereichen und war besonders ausgeprägt unter jüngeren Gelehrten und im Journalismus, in den Medien, in der Geschäftswelt und in der Politik. Wegen der weiter anhaltenden objektiven Bedingungen ist es offensichtlich, daß dieser Ausbruch des Liberalismus an vielen neuen und unerwarteten Orten nicht bloß eine von den Medien ersonnene Modeerscheinung ist, sondern eine unvermeidliche, wachsende Antwort auf die Bedingungen, die in der objektiven Realität wahrgenommen werden. Da der menschliche Wille frei ist, kann niemand mit Sicherheit sagen, ob sich die wachsende liberale Stimmung in Amerika in Kürze verfestigen und dann ohne Zögern bis zum Erfolg des gesamten liberalen Programms weiterdrängen wird. Doch sicherlich führen sowohl die Theorie, als auch die Analyse der gegenwärtigen historischen Bedingungen zu der Schlußfolgerung, daß die heutigen Aussichten für die Freiheit selbst auf kurze Sicht sehr ermutigend sind. 269f
The Irrepressible Rothbard. The Rothbard-Rockwell Report. A Strategy for the Right (1992
One strategy, endemic to libertarians and classical liberals, is what we can call the “Hayekian” model, after F.A. Hayek, or what I have called “educationism.” Ideas, the model declares, are crucial, and ideas filter down a hierarchy, beginning with top philosophers, then seeping down to lesser philosophers, then academics, and finally to journalists and politicians, and then to the masses. The thing to do is to convert the top philosophers to the correct ideas, they will convert the lesser, and so on, in a kind of “trickle-down effect,” until, at last, the masses are converted and liberty has been achieved. First, it should be noted that this trickle-down strategy is a very gentle and genteel one, relying on quiet mediation and persuasion in the austere corridors of intellectual cerebration. This strategy fits, by the way, with Hayek’s personality, for Hayek is not exactly known as an intellectual gut-fighter. Of course, ideas and persuasion are important, but there are several fatal flaws in the Hayekian strategy. First, of course, the strategy at best will take several hundred years, and some of us are a bit more impatient than that. But time is by no means the only problem. Many people have noted, for example, mysterious blockages of the trickle. Thus, most real scientists have a very different view of such environmental questions as Alar than that of a few left-wing hysterics, and yet somehow it is always the same few hysterics that are exclusively quoted by the media. The same applies to the vexed problem of inheritance and IQ testing. So how come the media invariably skew the result, and pick and choose the few leftists in the field? Clearly, because the media, especially the respectable and influential media, begin, and continue, with a strong left-liberal bias. More generally, the Hayekian trickle-down model overlooks a crucial point: that, and I hate to break this to you, intellectuals, academics and the media are not all motivated by truth alone. As we have seen, the intellectual classes may be part of the solution, but also they are a big part of the problem. For, as we have seen, the intellectuals are part of the ruling class, and their economic interests, as well as their interests in prestige, power and admiration, are wrapped up in the present welfare-warfare state system. Therefore, in addition to converting intellectuals to the cause, the proper course for the right-wing opposition must necessarily be a strategy of boldness and confrontation, of dynamism and excitement, a strategy, in short, of rousing the masses from their slumber and exposing the arrogant elites that are ruling them, controlling them, taxing them, and ripping them off. Another alternative right-wing strategy is that commonly pursued by many libertarian or conservative think tanks: that of quiet persuasion, not in the groves of academe, but in Washington, D.C., in the corridors of power. This has been called the “Fabian” strategy, with think tanks issuing reports calling for a two percent cut in a tax here, or a tiny drop in a regulation there. The supporters of this strategy often point to the success of the Fabian Society, which, by its detailed empirical researches, gently pushed the British state into a gradual accretion of socialist power. The flaw here, however, is that what works to increase state power does not work in reverse. For the Fabians were gently nudging the ruling elite precisely in the direction they wanted to travel anyway. Nudging the other way would go strongly against the state’s grain, and the result is far more likely to be the state’s co-opting and Fabianizing the think-tankers themselves rather than the other way around. This sort of strategy may, of course, be personally very pleasant for the think-tankers, and may be profitable in cushy jobs and contracts from the government. But that is precisely the problem. It is important to realize that the establishment doesn’t want excitement in politics, it wants the masses to continue to be lulled to sleep. It wants kinder, gentler; it wants the measured, judicious, mushy tone, and content, of a James Reston, a David Broder, or a Washington Week in Review. It doesn’t want a Pat Buchanan, not only for the excitement and hard edge of his content, but also for his similar tone and style. And so the proper strategy for the right wing must be what we can call “right-wing populism”: exciting, dynamic, tough, and confrontational, rousing, and inspiring not only the exploited masses, but the often shell-shocked right-wing intellectual cadre as well. And in this era where the intellectual and media elites are all establishment liberal-conservatives, all in a deep sense one variety or another of social democrat, all bitterly hostile to a genuine right, we need a dynamic, charismatic leader who has the ability to short-circuit the media elites, and to reach and rouse the masses directly. We need a leadership that can reach the masses and cut through the crippling and distorting hermeneutical fog spread by the media elites. 9ff
Big-Government Libertarians (1994)
The fascinating point is that virtually all of these movement institutions, from the think-tanks to the magazines to the once purist Libertarian Party have, in the last few years, moved at remarkable speed to abandon any shred of their original principles: devotion to minimizing government or defending the rights of private property. Part of the reason, of course, needs no explanation: a pale shadow of Big Government conservatives who crave respectability, social acceptance at Washington cocktail parties, and, not coincidentally, power, cushy jobs, and financial support. But there is a lot more at work here. At bottom is the point which many of us had to learn painfully over the years: that there can be no genuine separation between formal political ideology and cultural views and attitudes. Libertarianism is logically consistent with almost any attitude toward culture, society, religion, or moral principle. In strict logic, libertarian political doctrine can be severed from all other considerations; logically one can be – and indeed most libertarians in fact are: hedonists, libertines, immoralists, militant enemies of religion in general and Christianity in particular – and still be consistent adherents of libertarian politics. In fact, in strict logic, one can be a consistent devotee of property rights politically and be a moocher, a scamster, and a petty crook and racketeer in practice, as all too many libertarians turn out to be. Strictly logically, one can do these things, but psychologically, sociologically, and in practice, it simply doesn’t work that way. Thus, Justin Raimondo pointed out, in pondering what went wrong with the libertarian movement, that the early movement of the 1970s grievously erred by deliberately cutting itself off from any sort of right-wing or any other culture or tradition in the United States. Following the spirit of Ayn Rand, of whom most libertarians had been ardent followers, libertarians claimed to be genuine individualists and revolutionaries, totally separate from the right-wing, and bringing to the world their own brand new political revelation. And indeed, the libertarian movement has always been almost willfully ignorant of any history or any aspect of foreign affairs. Arcane syllogisms of libertarian theory, science fiction, rock music, and the intricacies of computers, have been the sum and substance of their knowledge and their interest. Part of this grandiose separatism, which I did not fully realize at the time, stemmed from an intense hatred of the right-wing, from libertarian anxiety never to be connected with or labeled as a conservative or a right-wing movement. And part of that hatred has come from a broader and even more intense hatred of Christianity, some of which was taken over from Ayn Rand. To be specific, one important aspect of the recent shift toward statism and Big Government consists of a spill-over, of an infection, of libertarians’ political views by their deep-seated egalitarianism. Scratch an egalitarian, and you will inevitably find a statist. 101f
Stop NAFTA! (1993)
Bush’s major trade legacy, now coming to a head, is of course the much heralded Nafta. Well, it says “free trade” right there in the title, so it must be good, right? Wrong. But unfortunately, the push is on, and free-market economists are leading the hysterical propaganda parade for Nafta. In addition to the usual neocon suspects such as the Wall Street Journal, and free trade supply-siders such as Robert Novak, virtually every free-market think-tank has joined in an unusual “Nafta Network,” to beat the drums for Nafta. Real free trade, of course, doesn’t require years of high-level government negotiations. Real free trade doesn’t require codicils and compromises and agreements. If the Bush administration had wanted real free trade, all they’d have had to do is to cut tariffs and quotas, abolish the International Trade Commission, the “anti-dumping” laws, and the rest of the panoply of monopolistic trade restrictions that injure American consumers and coddle inefficient producers. What the Establishment wants is government-directed, government-negotiated trade, which is mercantilism not free trade. What it wants also is institutions of internationalist super-government to take decisionmaking out of American hands and into the hands of super-governments, which would rule over Americans and not be accountable to the American people. The mercantilist Establishment, emphatically including the right-centrist Bush-types, wants government-regulated trade as well as subsidized exports. Negotiated trade, whether Bush or Clinton is doing the negotiating or David Rockefeller were doing the negotiating directly, lowers import barriers only as bargaining chips to force-feed American exports into foreign countries. In addition, there is “foreign aid,” essentially a vast racket by which the American taxpayer is forced to hand out billions to export firms and industries. 142f
It’s like the European Community, which is being sold to the public as a wonderful European “free trade zone.” But European superbureaucrats in Brussels have the power to enforce “harmonization” of: taxes, welfare state regulations, etc., in all these countries. In order to insure a “level playing field” (another synonym for left-wing “fairness”), the Eurocrats can and have forced low-tax countries to raise their taxes to be on par with their fellow-countries, and to impose a greater welfare state or more stringent labor regulations. The same powers would be placed by Nafta into the hands of these North American bureaucrat Commissions. The point is this: while leftist critics of Nafta are wailing about evil Mexico avoiding those wonderful statist and welfarist U.S. “labor” and “environmental” regulations, the real problem is precisely the opposite. The real problem is that these rotten statist measures will be enforced by supra-government commissions, commissions which have acquired super-sovereignty, over Americans, Canadians, and Mexicans, thereby injuring the consumers and the economies of all three nations. 144
The Nationalities Question (1990)
While the State is a pernicious and coercive collectivist concept, the “nation” may be and generally is voluntary. The nation properly refers, not to the State, but to the entire web of culture, values, traditions, religion, and language in which the individuals of a society are raised. It is almost embarrassingly banal to emphasize that point, but apparently many libertarians aggressively overlook the obvious. Let us never forget the great libertarian Randolph Bourne’s analysis of the crucial distinction between “the nation” (the land, the culture, the terrain, the people) and “the State” (the coercive apparatus of bureaucrats and politicians), and of his important conclusion that one may be a true patriot of one’s nation or country while – and even for that very reason – opposing the State that rules over it. 234
On Resisting Evil (1993)
The sellout abandons the cause and betrays his comrades, for money or status or power; the retreatist, properly loathing the sellouts, concludes that the real world is impure and retreats out of it; in both cases, whether in the name “pragmatism” or in the name of “purity,” the cause, the fight against evil in the real world, is abandoned. Clearly, there is a vast moral difference in the two courses of action. The sellouter is morally evil; the retreatist, in contrast is, to put it kindly, terribly misguided. The sellouts are not worth talking to; the retreatists must realize that it is not betraying the cause, far from it, to fight against evil; and not to abandon the real world. The retreatist becomes indifferent to power and oppression, likes to relax and say who cares about material oppression when the inner soul is free. Well sure, it’s good to have freedom of the inner soul. I know the old bromides about how thought is free and how the prisoner is free in his inner heart. But call me a low-life materialist if you wish, but I believe, and I thought all libertarians and conservatives believed to their core, that man deserves more than that, that we are not content with the inner freedom of the prisoner in his cell, that we raise the good old cry of “Liberty and Property,” that we demand liberty in our external, real world of space and dimension. I thought that that’s what the fight was all about. Let’s put it this way: we must not abandon our lives, our properties, our America, the real world, to the barbarians. Never. 258
Race! That Murray Book (1994)
What used to be widespread shared public knowledge about race and ethnicity among writers, publicists, and scholars, was suddenly driven out of the public square by Communist anthropologist Franz Boas and his associates in the 1930s, and it has been taboo ever since. Essentially, I mean the almost self-evident fact that individuals, ethnic groups, and races differ among themselves in intelligence and in many other traits, and that intelligence, as well as less controversial traits of temperament, are in large part hereditary. 383