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Wiener Schule der Politik: Hans-Hermann Hoppe

Rahim Taghizadegan am 15. September 2015

Der Rothbard-Schüler wie populärste Vertreter der modernen Wiener Schule und seine Gedanken zur Politik und zur Gerechtigkeit.

HANS-HERMANN HOPPE (* 1949 in Peine)

Ausgewählte Werke:

  • Über die Fehler des klassischen Liberalismus und die Zukunft der Freiheit. In: Demokratie. Der Gott, der keiner ist. Monarchie, Demokratie und natürliche Ordnung. Waltrop/Leipzig: Edition Sonderwege bei Manuskriptum, 2003 [2001]1
  • Staat oder Privatrechtsgesellschaft? In: Der Wettbewerb der Gauner. Über das Unwesen der Demokratie und den Ausweg in die Privatrechtsgesellschaft. Berlin: Holzinger Verlag, 2012.

Über die Fehler des klassischen Liberalismus und die Zukunft der Freiheit

I

Der klassische Liberalismus befindet sich seit über einem Jahrhundert im Niedergang. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind statt dessen sowohl in den USA als auch in Westeuropa öffentliche Angelegenheiten zunehmend von sozialistischen Ideen gestaltet worden. Tatsächlich könnte das 20. Jahrhundert sehr wohl als das Jahrhundert des Sozialismus par excellence beschrieben werden: des Kommunismus, des Faschismus, des Nationalsozialismus und, am dauerhaftesten, der Sozialdemokratie (moderner amerikanischer Liberalismus und Neokonservatismus).

Sicher, dieser Niedergang ist kein kontinuierlicher gewesen. Aus liberaler Sicht wurde es nicht ständig schlechter. Es gab auch einige Erholungspausen. Als Ergebnis des Zweiten Weltkriegs z.B. erfuhren Westdeutschland und Italien eine deutliche Liberalisierung im Vergleich zum status quo ante unter dem Nationalsozialismus und dem Faschismus. Ähnlich führte der Zusammenbruch des kommunistischen Sowjetimperiums in den späten 1980er Jahren zu einer beachtlichen Liberalisierung in ganz Osteuropa. Sosehr Liberale diese Ereignisse willkommen hießen, waren sie jedoch kein Zeichen einer Renaissance des Liberalismus. Statt dessen waren die Liberalisierung Deutschlands und Italiens in den Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges und die gegenwärtige postkommunistische Liberalisierung Osteuropas das Ergebnis externer und zufälliger Ereignisse: der militärischen Niederlage und/oder des vollständigen wirtschaftlichen Bankrotts. Es war in jedem Fall Liberalisierung durch Fehlfunktion des alten Systems, und die im folgenden angenommene Fehlfunktionsoption war lediglich eine andere Variante des Sozialismus: soziale Demokratie, wie von den USA als einzig verbliebener – noch nicht militärisch besiegter oder wirtschaftlich bankrotter – Supermacht beispielhaft dargestellt wird.

Selbst wenn die Liberalen somit einige Erholungspausen genossen haben, ist die Verdrängung des Liberalismus durch den Sozialismus doch vollständig gewesen. In der Tat, so vollständig ist der sozialistische Sieg gewesen, daß heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, einige Neokonservative triumphal über das “Ende der Geschichte” und die Ankunft des “letzten Menschen”, d.h. das letzte Jahrtausend der globalen, US-überwachten sozialen Demokratie und eines neuen homo socio-democraticus schreiben.

II

Selbst wenn man die hegelianischen Aspirationen dieser Interpretation als grotesk betrachtet, wonach der Liberalismus nur eine Übergangsphase in der Evolution des vollständig entwickelten sozialdemokratischen Menschen markiert, muß Liberalen schon allein der Anschein der Wahrheit neokonservativen Philosophierens Schmerzen bereiten. Sie können sich auch nicht mit dem Wissen trösten, daß auch die Sozialdemokratie mit Sicherheit wirtschaftlich zusammenbrechen wird. Sie wußten, daß der Kommunismus zusammenbrechen musste, jedoch als er es tat, leitete dies keine liberale Renaissance ein. Es gibt keinen a-priori-Grund anzunehmen, daß der zukünftige Zusammenbruch der sozialen Demokratie günstigere Ergebnisse hervorbringen wird.

Angenommen, daß der Verlauf der Menschheitsgeschichte durch Ideen (statt blinde Kräfte) bestimmt wird und daß historische Veränderungen das Resultat ideologischer Verschiebungen in der öffentlichen Meinung sind, dann folgt daraus, daß die sozialistische Transformation der letzten einhundert Jahre als Resultat der intellektuellen – philosophischen und theoretischen – Niederlage des Liberalismus verstanden werden muß, d.h. als zunehmende Ablehnung der liberalen Doktrin durch die öffentliche Meinung als falsch. In dieser Situation können Liberale auf zweierlei Art reagieren. Einerseits können sie darauf bestehen, daß der Liberalismus eine solide Doktrin ist und daß die Öffentlichkeit ihn trotz seiner Wahrheit ablehnt. In diesem Fall muß man erklären, weshalb die Menschen an falschen Vorstellungen festhalten, selbst wenn sie sich der richtigen liberalen Ideen bewußt sind. Hält die Wahrheit nicht ihre eigene Attraktion und ihren eigenen Lohn bereit? Ferner muß man erklären, weshalb die liberale Idee zunehmend zugunsten sozialistischer Unwahrheiten abgelehnt wird. Wurde die Bevölkerung zunehmend träge und degeneriert? Wenn ja, wie kann dies erklärt werden?

Andererseits kann man die Ablehnung als Hinweis auf einen Fehler in der eigenen Doktrin betrachten. In diesem Fall muß man ihre theoretischen Fundamente überdenken und den Fehler identifizieren, der nicht nur eine Erklärung für die Ablehnung der Doktrin als falsch liefern kann, sondern auch für den tatsachlichen Verlauf der Ereignisse. Mit anderen Worten, die sozialistische Transformation muß als eine verständliche und systematisch vorhersehbare fortschreitende Dekonstruktion und Degenerierung der liberalen politischen Theorie erklärt werden, die in diesem Fehler ihren Ursprung hat und als Quelle aller folgenden sozialistischen Verwirrung logisch aus ihm hervorgeht.

III

Der zentrale und folgenträchtige Fehler des Liberalismus liegt in seiner Theorie der Regierung.

Klassisch-liberale politische Philosophie – personifiziert durch Locke und am prominentesten durch Jeffersons Unabhängigkeitserklärung dargestellt – war zunächst und vor allem eine Morallehre. Auf der Philosophie der Stoiker und späten Scholastiker aufbauend, konzentrierte sie sich auf die Ideen des Selbsteigentums, der ursprünglichen Aneignung naturgegebener (herrenloser) Ressourcen, von Eigentum und Vertrag als universeller Menschenrechte, impliziert in der Natur des Menschen als vernunftbegabtes Tier. In der Umgebung fürstlicher und königlicher Herrscher stellte diese Betonung der Universalität der Menschenrechte die liberale Philosophie in radikale Opposition zu jeder etablierten Regierung. Für einen Liberalen war jeder Mensch, ob König oder Bauer, denselben universellen und ewigen Prinzipien des Rechts unterworfen, und eine Regierung konnte ihre Berechtigung entweder aus einem Vertrag zwischen Privateigentumsbesitzern ableiten, oder sie konnte überhaupt nicht gerechtfertigt werden. Aber konnte irgendeine Regierung solchermaßen gerechtfertigt werden?

Die zustimmende liberale Antwort ist wohlbekannt. Sie ging von der nicht zu leugnenden wahren Voraussetzung aus, daß es, so wie die Menschheit nun einmal ist, immer Mörder, Räuber, Diebe, Schurken und Trickbetrüger geben wird und daß das Leben in der Gesellschaft unmöglich sein wird, wenn diese nicht mit physischer Strafe bedroht werden. Um eine liberale Sozialordnung aufrechtzuerhalten, bestanden Liberale darauf, daß es notwendig sei, daß die Mitglieder der Gesellschaft in der Lage sind, Druck (durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt) auf jeden auszuüben, der Leben und Eigentum anderer nicht respektiert und sich weigert, den Regeln der Gesellschaft anzupassen. Aus dieser korrekten Prämisse schlossen die Liberalen, daß diese unverzichtbare Aufgabe der Bewahrung von Recht und Ordnung die einzigartige Funktion der Regierung sei.

Ob diese Schlußfolgerung korrekt ist oder nicht, hängt von der Definition der Regierung ab. Sie ist korrekt, wenn Regierung einfach ein Individuum oder ein Unternehmen bezeichnet, das eine freiwillig zahlende Kundschaft von Privateigentümern mit Schutz- und Sicherheitsdiensten versorgt. Dies ist jedoch nicht die Definition der Regierung, von der die Liberalen ausgehen. Für einen Liberalen ist die Regierung nicht einfach ein Spezialunternehmen. Statt dessen besitzt die Regierung zwei einzigartige Kennzeichen. Im Gegensatz zu einem normalen Unternehmen besitzt sie ein territoriales Zwangsmonopol der Gesetzgebung (höchste Entscheidungsfindung) und das Recht der Besteuerung. Wenn man jedoch diese Definition der Regierung annimmt, dann ist die liberale Schlußfolgerung falsch. Es folgt nicht aus dem Recht auf und dem Bedürfnis nach Schutz von Person und Eigentum, daß dieser Schutz rechtmäßig oder effektiv von einem Gesetzgebungs- und Besteuerungsmonopolisten angeboten werden sollte und kann. Im Gegenteil, es kann gezeigt werden, daß jegliche Institution dieser Art mit rechtmäßigem und effektivem Eigentumsschutz unvereinbar ist.

Entsprechend der liberalen Doktrin gehen private Eigentumsrechte logisch und zeitlich jeder Regierung voraus. Sie sind das Resultat von Handlungen der ursprünglichen Aneignung, der Produktion und/oder des Tauschs vom vorherigen zum späteren Besitzer und betreffen das Recht des Eigentümers auf ausschließliche Rechtsprechung über bestimmte physische Ressourcen. Es ist in der Tat der Zweck des Privateigentums, physisch separate Domänen der ausschließlichen Rechtsprechung zu etablieren, um mögliche Konflikte bezüglich der Verwendung knapper Ressourcen zu vermeiden. Kein Privateigentumsbesitzer kann sein Recht auf letztinstanzliche Rechtsprechung über sein Eigentum und dessen physischen Schutz jemand anderem übertragen, es sei denn, er verkauft sein Eigentum oder überträgt es einem anderen auf andere Weise (in welchem Fall jemand anderes die ausschließliche Rechtsprechung darüber erhält). Jeder Eigentumsbesitzer darf jedoch an den Vorteilen der Arbeitsteilung teilhaben und mehr oder besseren Schutz seines Eigentums durch Kooperation mit anderen Eigentümern und ihrem Eigentum suchen. Jeder Eigentumsbesitzer darf mehr oder besseren Eigentumsschutz von jedem anderen Eigentümer kaufen oder an ihn verkaufen oder auf andere Weise herstellen und einen entsprechenden Vertrag abschließen, und jeder Eigentumsbesitzer kann jederzeit einseitig solch eine Kooperation mit anderen beenden oder seine entsprechenden Angliederungen verändern. So wäre es, um die Nachfrage nach Schutz zu decken, rechtlich möglich und ökonomisch wahrscheinlich, daß spezialisierte Individuen oder Agenturen entstehen, die freiwillig zahlenden Kunden Schutz, Versicherungen und Schlichtungsdienste anbieten.

Während es einfach ist, sich den vertraglichen Ursprung eines Systems konkurrierender Sicherheitsanbieter vorzustellen, ist es unvorstellbar, wie Privateigentümer einem Vertrag beitreten könnten, der einen anderen Agenten dazu berechtigt, jede Person innerhalb eines gegebenen Territoriums zu zwingen, zwecks Schutz und rechtlicher Entscheidungsfindung ausschließlich zu ihm zu kommen und jeden anderen Agenten vom Anbieten von Schutzdienstleistungen abzuhalten. Solch ein Monopolvertrag würde bedeuten, daß ein jeder Privateigentümer sein Recht auf letztinstanzliche Entscheidungsfindung und Schutz seiner Person und seines Eigentums dauerhaft jemand anderem übergibt. Indem er dieses Recht jemand anderem überträgt, begibt sich eine Person im Endeffekt in dauerhafte Sklaverei. Doch entsprechend der liberalen Doktrin ist jeder derartige Unterwerfungsvertrag von Beginn an unzulässig (und damit null und nichtig), weil er der praxeologischen Grundlage aller Verträge widerspricht, d.h. dem Privateigentum und dem Eigentum einer Person an ihrem Körper. Keiner kann rechtmäßig zustimmen, und keiner wird tatsachlich zustimmen, seine Person und sein Eigentum auf Dauer schutzlos den Handlungen eines anderen auszuliefern. Gleichfalls unvorstellbar ist die Idee, daß er seinen monopolistischen Beschützer mit dem dauerhaften Recht der Besteuerung ausstatten würde. Niemand kann oder wird einem Vertrag zustimmen, der dem Beschützer erlaubt, einseitig, ohne Zustimmung des Beschützten, die Geldsumme zu bestimmen, die der Beschützte für seinen Schutz zu zahlen hat.

Seit Locke haben Liberale versucht, diese inneren Widersprüche durch den Notbehelf der »stillschweigenden«, »impliziten« oder »begrifflichen« Übereinkünfte, Verträge oder Verfassungen zu lösen. Doch alle diese typischerweise gequälten und verwirrten Versuche haben nur zur selben unvermeidbaren Schlußfolgerung beigetragen: daß es unmöglich ist, eine Berechtigung für die Regierung aus expliziten Verträgen zwischen Privateigentumsbesitzern abzuleiten.

IV

Der Fehler des Liberalismus, die Institution der Regierung als vereinbar mit den grundlegenden liberalen Prinzipien des Selbsteigentums, der ursprünglichen Aneignung, des Eigentums und des Vertrags zu akzeptieren, führte konsequenterweise zu seiner eigenen Zerstörung.

Zunächst und vor allem folgt aus dem Ausgangsfehler bezüglich des moralischen Status der Regierung, daß die liberale Lösung des ewigen menschlichen Problems der Sicherheit – eine verfassungsmäßig beschränkte Regierung – ein widersprüchliches, praxeologisch unmögliches Ideal ist. Im Gegensatz zur ursprünglichen liberalen Absicht der Sicherung der Freiheit und des Eigentums besitzt jede minimale Regierung die inhärente Tendenz, sich in eine maximale Regierung zu verwandeln.

Wenn einmal das Prinzip der Regierung – Rechtsprechungsmonopol und die Besteuerungsmacht – fälschlicherweise als gerecht akzeptiert ist, ist jede Vorstellung der Zügelung der Regierungsmacht und des Schutzes individueller Freiheit und des Eigentums illusorisch. Es ist vorherzusehen, daß unter monopolistischer Schirmherrschaft der Preis der Gerechtigkeit und des Schutzes kontinuierlich steigen und die Qualität der Gerechtigkeit und des Schutzes sinken wird. Eine steuerfinanzierte Schutzagentur ist ein Widerspruch in sich, denn sie ist ein enteignender Eigentumsschützer, was unweigerlich zu immer mehr Steuern und weniger Schutz führen wird. Selbst wenn, wie Liberale vorgeschlagen haben, eine Regierung ihre Aktivitäten ausschließlich auf den Schutz vorgegebener Privateigentumsrechte beschränkte, würde die Folgefrage auftauchen, wieviel Sicherheit zu produzieren sei. Motiviert (wie es jeder ist) durch Eigeninteresse und den negativen Nutzen der Arbeit, aber ausgestattet mit der einzigartigen Macht der Besteuerung, wird es unweigerlich das Ziel einer Regierung sein, die Ausgaben für den Schutz zu maximieren (und theoretisch kann fast das gesamte Vermögen einer Nation für die Schutzkosten konsumiert werden) und gleichzeitig die Produktion des Schutzes zu minimieren. Je mehr Geld man ausgeben kann und je weniger man arbeiten muß, um zu produzieren, desto besser geht es einem.

Ein Rechtsmonopol wird darüber hinaus zu einem stetigen Verfall in der Qualität des Schutzes führen. Wenn keiner für Gerechtigkeit in Berufung gehen kann, außer sich an die Regierung zu wenden, wird Gerechtigkeit, trotz Verfassungen und Oberster Gerichte, zugunsten der Regierung pervertiert. Verfassungen und Oberste Gerichte sind Verfassungen und Agenturen der Regierung, und was immer für Beschränkungen im Hinblick auf Regierungshandlungen sie beinhalten oder finden mögen, wird unweigerlich von Agenten gerade derjenigen Institution entschieden, die davon betroffen ist. Es ist vorherzusehen, daß die Definition des Eigentums und des Schutzes kontinuierlich verändert wird und die Reichweite der Gesetzgebung sich zum Vorteil der Regierung ausweiten wird.

Zweitens folgt ebenfalls aus dem Fehler bezüglich des moralischen Status der Regierung, daß die traditionelle liberale Präferenz für lokale (dezentrale und territorial kleine) Regierung inkonsequent und widersprüchlich ist. Im Gegensatz zur ursprünglichen liberalen Absicht besitzt jede Regierung, einschließlich der lokalen Regierung, eine inhärente Tendenz zur Zentralisierung und letztlich dahin, eine Weltregierung zu werden. Wenn erst einmal fälschlich akzeptiert wird, daß es, um friedliche Kooperation zwischen zwei Individuen A und B herzustellen und aufrechtzuerhalten, gerechtfertigt und notwendig ist, einen Gesetzgebungsmonopolisten X zu haben, folgen zwei Schlüsse. Wenn es mehr als einen territorialen Monopolisten gibt, X, Y und Z, dann kann es, genausowenig wie angeblich zwischen A und B ohne X, auch keinen Frieden zwischen X, Y und Z geben, solange sie zueinander im »Zustand der Anarchie« verbleiben. Daher ist, um das liberale desideratum des universellen und ewigen Friedens zu erfüllen, sämtliche politische Zentralisierung und Vereinigung und letztendlich die Etablierung einer einzigen Weltregierung gerechtfertigt und notwendig.

Schließlich folgt aus dem Fehler, die Regierung als gerecht zu akzeptieren, daß die uralte Idee der Universalität der Menschenrechte und der Einheit des Rechts verwirrt und unter dem Motto »Gleichheit vor dem Recht« in ein Instrument des Egalitarismus verwandelt wird. Wenn im Gegensatz zu den antiegalitären oder gar aristokratischen Einstellungen der alten Liberalen die Idee der universellen Menschenrechte erst einmal mit der der Regierung verbunden wird, wird das Resultat Egalitarismus und die Zerstörung der Menschenrechte sein.

Wenn eine Regierung erst einmal fälschlicherweise als gerecht angenommen wird und Erbfürsten und Könige als unvereinbar mit der Idee universeller Menschenrechte ausgeschlossen werden, taucht die Frage auf, wie die Idee der Universalität und der Gleichheit der Menschenrechte mit einer Regierung auf einen Nenner zu bringen ist. Die liberale Antwort besteht darin, allen Personen mittels Demokratie gleichermaßen die Beteiligung an der Regierung und den Zutritt zu ihr zu eröffnen. Jedem – nicht nur der Klasse des Erbadels – ist es erlaubt, ein Regierungsbeamter zu werden oder eine Regierungsfunktion auszuüben. Diese demokratische Gleichheit vor dem Gesetz ist jedoch etwas gänzlich anderes und unvereinbar mit der Idee des einen universellen Rechts, gleichermaßen auf alle, überall und jederzeit anwendbar. Die vorherige anstößige Trennung und Ungleichheit des höheren Rechts der Könige im Gegensatz zum untergeordneten Recht der gemeinen Untertanen bleibt in der Demokratie als Trennung von öffentlichem und privatem Recht und der Vorherrschaft des ersteren über das letztere erhalten. In einer Demokratie ist insofern jeder gleich, als der Zutritt zur Regierung allen unter gleichen Bedingungen offensteht. In einer Demokratie gibt es keine persönlichen Privilegien. Es existieren jedoch funktionale Privilegien und privilegierte Funktionen. Solange sie in ihrer offiziellen Eigenschaft handeln, werden öffentlich Bedienstete vom öffentlichen Recht regiert und geschützt und nehmen damit eine privilegierte Stellung gegenüber Personen ein, die lediglich unter der Autorität des Privatrechts handeln (am fundamentalsten, indem es ihnen erlaubt wird, ihre Aktivitäten mit Steuern zu finanzieren, die den Privatrechtsuntertanen auferlegt werden). Privilegien und rechtliche Diskriminierung verschwinden nicht. Im Gegenteil. Anstatt auf Fürsten und Adelige beschränkt zu sein, werden Privilegien, Protektionismus und rechtliche Diskriminierung allen zur Verfügung gestellt und können von allen ausgeübt werden.

Unter demokratischen Bedingungen wird die Tendenz eines jeden Monopols, die Preise zu erhöhen und die Qualität zu senken, vorhersehbar noch stärker und ausgeprägter sein. Als Erbmonopolist betrachtete ein König oder Fürst das Territorium und die Menschen unter seiner Gesetzgebung als persönliches Eigentum und betrieb die monopolistische Ausbeutung seines »Eigentums«. In der Demokratie verschwinden Monopole und monopolistische Ausbeutung nicht. Selbst wenn es jedem erlaubt ist, der Regierung beizutreten, eliminiert dies nicht den Unterschied zwischen Herrschern und Beherrschten. Regierung und Regierte sind nicht ein und dieselbe Person. Statt eines Fürsten, der sein Land als Privateigentum betrachtet, wird einem vorübergehenden und austauschbaren Verwalter die monopolistische Kontrolle des Landes übertragen. Der Verwalter besitzt das Land nicht, aber solange er im Amt ist, ist es ihm erlaubt, es zu seinem Vorteil und dem seiner Schützlinge zu nutzen. Er besitzt seinen gegenwärtigen Nutzen – die Nutznießung –, aber nicht seinen Kapitalstock. Dies wird die Ausbeutung nicht eliminieren. Im Gegenteil, die Ausbeutung wird weniger kalkulierend sein und mit wenig oder ohne Beachtung des Kapitalstocks durchgeführt werden. Mit anderen Worten, die Ausbeutung wird kurzsichtig sein. Mit freiem Zutritt zur und öffentlicher Teilnahme an der Regierung wird die Pervertierung des Rechts noch schneller voranschreiten. Statt vorgegebene Privateigentumsrechte zu schützen, entwickelt sich die demokratische Regierung in eine Maschinerie der kontinuierlichen Umverteilung gegebener Eigentumsrechte im Namen einer illusorischen »sozialen Sicherheit«, bis die Idee universeller und unveränderlicher Menschenrechte schließlich verschwindet und durch die Idee des Rechts als positiver, regierungsseitig erlassener Gesetzgebung ersetzt wird.

V

Im Lichte all dessen kann eine Antwort auf die Frage nach der Zukunft des Liberalismus gesucht werden.

Aufgrund seines eigenen fundamentalen Fehlers bezüglich des moralischen Status der Regierung hat der Liberalismus in Wirklichkeit zur Zerstörung all dessen beigetragen, was er ursprünglich zu bewahren und zu schützen beabsichtigte. Wenn das Prinzip der Regierung erst einmal fälschlich akzeptiert worden war, war der letztliche Triumph des Sozialismus über den Liberalismus nur eine Frage der Zeit. Das gegenwärtige neokonservative »Ende der Geschichte« der globalen, von den USA durchgesetzten Sozialdemokratie ist das Resultat von zwei Jahrhunderten liberaler Konfusion. Der Liberalismus hat somit in einer gegenwärtigen Form keine Zukunft. Seine Zukunft ist die Sozialdemokratie, und die Zukunft ist schon angekommen (und wir wissen, daß sie nicht funktioniert).

Wenn die Prämisse der Regierung erst einmal akzeptiert ist, haben Liberale kein Argument übrig, wenn Sozialisten diese Prämisse bis an ihr logisches Ende verfolgen. Wenn ein Monopol gerecht ist, dann ist Zentralisierung gerecht. Wenn Besteuerung gerecht ist, dann ist mehr Besteuerung ebenfalls gerecht. Und wenn demokratische Gleichheit gerecht ist, dann ist die Enteignung von Privateigentümern ebenso gerecht (während Privateigentum ungerecht ist). Was kann ein Liberaler zugunsten von weniger Besteuerung und Umverteilung sagen? Wenn zugegeben wird, daß Besteuerung und das Monopol gerecht sind, kann der Liberale keine prinzipielle moralische Verteidigung vorlegen. Steuern zu senken ist keine moralische Notwendigkeit. Statt dessen ist das liberale Argument ein rein ökonomisches. Zum Beispiel werden niedrigere Steuern bestimmten langfristigen wirtschaftlichen Nutzen produzieren. Aber wenigstens kurzfristig und für einige Menschen (die gegenwärtigen Empfänger von Steuergeldern) bedeuten niedrigere Steuern auch ökonomische Kosten. Ohne daß ihm ein moralisches Argument zur Verfügung steht, bleibt einem Liberalen nur das Werkzeug der Kosten-Nutzen-Analyse, aber solch eine Analyse muß immer einen interpersonellen Nutzenvergleich beinhalten, und solch ein Vergleich ist unmöglich (wissenschaftlich unzulässig). Daher ist das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Analyse willkürlich, und jeder Vorschlag, der mit Bezug auf sie gerechtfertigt wird, ist lediglich eine Meinung. In dieser Situation erscheinen demokratische Sozialisten als aufrichtig, logisch und konsequent, während Liberale als blauäugig, konfus und prinzipienlos oder gar opportunistisch aufzutreten scheinen. Sie akzeptieren die grundlegende Prämisse der gegenwärtigen Ordnung – die demokratische Regierung –, lamentieren dann aber ständig über ihre antiliberalen Ergebnisse.

Wenn der Liberalismus eine Zukunft haben soll, muß er seinen fundamentalen Fehler korrigieren. Liberale müssen erkennen, daß keine Regierung vertragsmäßig gerechtfertigt werden kann, daß jede Regierung das zerstört, was sie erhalten soll und daß Schutz und Sicherheitsproduktion rechtmäßig und effektiv nur in einem System konkurrierender Sicherheitsanbieter erbracht werden können. Das bedeutet, daß sich der Liberalismus in eine Theorie des Privateigentumsanarchismus (oder einer Privatrechtsgesellschaft) verwandeln muß, wie erstmals vor einhundertfünfzig Jahren von Gustave de Molinari [Anm. IWW: in „De la production de la sécurité“, 1849] skizziert und in unserer Zeit von Murray Rothbard detailliert ausgearbeitet.

Eine derartige theoretische Transformation hätte zwei unmittelbare Folgen. Zum einen würde sie zu einer Reinigung der gegenwärtigen liberalen Bewegung führen. Sozialdemokraten in liberalem Gewand und viele hochrangige liberale Regierungsfunktionäre würden sich schnell von dieser neuen liberalen Bewegung distanzieren. Zum anderen würde diese Verwandlung zu einer systematischen Radikalisierung der liberalen Bewegung führen. Für jene Mitglieder der Bewegung, die noch an der klassischen Idee universeller Menschenrechte festhalten und an der Idee, daß Selbsteigentum und Privateigentumsrechte jeder Regierung und Gesetzgebung vorangehen, ist der Übergang vom Liberalismus zum Privateigentumsanarchismus nur ein kleiner intellektueller Schritt, insbesondere angesichts des offensichtlichen Versagens der demokratischen Regierung, die einzige Dienstleistung anzubieten, die sie jemals anbieten sollte (die des Schutzes). Privateigentumsanarchismus ist lediglich konsequenter Liberalismus, Liberalismus bis zur letzten Konsequenz durchdacht oder zu seiner ursprünglichen Absicht zurückgekehrter Liberalismus. Dieser kleine theoretische Schritt hat jedoch gewaltige Auswirkungen.

Indem Liberale diesen Schritt vornehmen, würden sie ihre Loyalität dem gegenwärtigen System gegenüber aufkündigen, demokratische Regierungen als illegitim verurteilen und ihr Recht auf Selbstverteidigung zurückbeanspruchen. Politisch würden sie mit diesem Schritt an den frühesten Anfang des Liberalismus als revolutionäres Kredo zurückkehren. Indem der klassische Liberalismus die Rechtsgültigkeit aller Erbprivilegien ablehnte, stand er in fundamentaler Opposition zu allen etablierten Regierungen. Es ist bezeichnend, daß der größte politische Triumph des Liberalismus – die Amerikanische Revolution – das Ergebnis eines Sezessionskrieges war. Und in der Unabhängigkeitserklärung bekräftigte Jefferson, die Handlungen der amerikanischen Kolonisten rechtfertigend, daß »unter Menschen Regierungen eingesetzt werden, die ihre gerechte Macht aus der Zustimmung der Regierten ableiten«, um das Recht auf »Leben, Freiheit und das Streben nach Glück« zu sichern; und »wann immer eine Regierungsform diesen Zielen abträglich ist, ist es das Recht der Menschen, sie zu verändern oder abzuschaffen und eine neue Regierung einzusetzen, ihr Fundament auf solchen Prinzipien aufbauend und ihre Macht so organisierend, wie es ihnen am geeignetsten erscheint, um ihre Sicherheit und ihr Glück zu bewirken.«

Privateigentumsanarchisten würden lediglich das klassisch-liberale Recht zurückbeanspruchen, »solch eine Regierung abzuwerfen und für neuen Schutz ihrer zukünftigen Sicherheit zu sorgen.«

Natürlich, in sich selbst hätte der erneuerte Radikalismus der liberalen Bewegung eine geringfügige Folgewirkung (obwohl, wie die Amerikanische Revolution lehrt, Radikalismus sehr wohl populär sein kann). Statt dessen ist es die inspirierende Vision einer fundamentalen Alternative zum gegenwärtigen System, die sich aus dem neuen Radikalismus ergibt, die am Ende die sozialdemokratische Maschine zerbrechen wird. Statt supranationaler politischer Integration, Weltregierung, Verfassungen, Gerichten, Banken und Geld, globaler sozialer Demokratie sowie universellen und allgegenwärtigen Multikulturalismus schlagen anarchistische Liberale die Zerlegung des Nationalstaates in seine heterogenen Bestandteile vor. Wie ihre klassischen Vorgänger streben die neuen Liberalen nicht nach Regierungsübernahme. Sie ignorieren die Regierung. Sie wollen nur von der Regierung allein gelassen werden, von ihrer Gesetzgebung sezedieren und ihren eigenen Schutz organisieren. Im Unterschied zu ihren Vorgängern jedoch, die lediglich eine größere Regierung durch eine kleinere ersetzen wollten, folgen die neuen Liberalen der Sezessionslogik bis zu ihrem Ende. Sie schlagen eine unbegrenzte Sezession vor, d.h. die unbeschränkte Vermehrung unabhängiger, freier Territorien, bis die Reichweite der staatlichen Gesetzgebung sich schließlich ins Nichts aufgelöst hat. Zu diesem Zweck – und in totalem Gegensatz zu den etatistischen Projekten der »europäischen Integration« und einer »neuen Weltordnung« – fordern sie die Vision einer Welt aus Zehntausenden freier Länder, Regionen, Kantone, von Hunderttausenden freier Städte – so wie die gegenwärtigen Kuriositäten Monaco, Andorra, San Marino, Liechtenstein, (das frühere) Hongkong und Singapur – und noch zahlreicheren freien Bezirke und Nachbarschaften, wirtschaftlich integriert durch freien Handel (je kleiner das Territorium, desto größer der wirtschaftliche Druck, sich für den freien Handel zu

entscheiden!) und einen internationalen Gold-Warengeld-Standard.

Wenn und wann immer diese alternative liberale Vision in der öffentlichen Meinung Bekanntheit gewinnt, ist das Ende des sozialdemokratischen »Endes der Geschichte« gekommen, und eine liberale Renaissance greift Platz.

Staat oder Privatrechtsgesellschaft?

Das Problem gesellschaftlicher Ordnung

Robinson Crusoe, allein auf seiner Insel, kann tun und lassen, was er will. Die Frage nach Regeln eines geordneten menschlichen Zusammenlebens stellt sich für ihn nicht. Diese Frage kann naturgemäß erst auftreten, wenn eine zweite Person, Freitag, die Insel betritt. Doch auch dann bleibt die Frage so lange irrelevant, so lange es keine Knappheit gibt. Angenommen, es handele sich bei der Insel um das Schlaraffenland. Alle äußeren Güter existieren im Überfluss. Sie sind „freie Güter,” so wie die Luft, die wir atmen, üblicherweise ein „freies” Gut ist. Was auch immer Robinson mit diesen Gütern gegenwärtig anstellt, seine Handlungen haben weder Rückwirkungen auf seinen eigenen zukünftigen Gütervorrat, noch auf den gegenwärtigen oder zukünftigen Vorrat derselben Güter seitens Freitag (und umgekehrt). Es ist deshalb ausgeschlossen, dass es zwischen Robinson und Freitag jemals zu einem Konflikt hinsichtlich der Verwendung dieser Güter kommen kann. Ein Konflikt ist erst dann möglich, wenn Güter knapp sind, und erst dann wird es zum Problem, Regeln zu finden, die ein geordnetes – konfliktfreies – Zusammenleben ermöglichen.

Im Schlaraffenland gibt es nur ein knappes Gut: den physischen Körper einer Person und dessen jeweiligen Standplatz. Robinson und Freitag haben jeweils nur einen einzigen Körper und Standplatz. Sie können nicht gleichzeitig an mehreren Standorten anwesend sein, und sie können nicht gleichzeitig sämtliche ihrer Bedürfnisse befriedigen. Vielmehr müssen sie unaufhörlich zwischen besseren und schlechteren Standorten und vorrangigen und nachrangigen Bedürfnissen wählen. Doch damit kann es zwischen Robinson und Freitag auch zu Konflikten kommen: Robinson und Freitag können nicht gleichzeitig denselben Standplatz einnehmen wollen, ohne dabei in einen physischen Konflikt miteinander zu geraten. Deshalb muss es selbst im allgemeinen Überfluss des Schlaraffenlandes Regeln des Zusammenlebens geben – Regeln hinsichtlich der Platzierung und räumlichen Bewegung von Personen. Und außerhalb des Schlaraffenlandes, im Reich der Knappheit, muss es darüber hinaus Regeln geben, die den Umgang nicht nur mit Personenkörpern und ihren Standplätzen, sondern mit allen knappen Gütern so ordnen, dass sämtliche möglichen Konflikte ausgeschlossen werden können. Dies ist das Problem gesellschaftlicher Ordnung.

Die Problemlösung: die Idee des Privateigentums

Vorschläge zur Lösung des Problems gesellschaftlicher Ordnung gibt es viele, und diese Vorschlagsvielfalt hat dazu beigetragen, dass die Suche nach einer einzigen, „korrekten” Problemlösung vielfach für illusorisch gehalten wird. Und doch gibt es eine seit langem bekannte korrekte Lösung, und für einen moralischen Relativismus besteht deshalb keinerlei Grund. Die Lösung des Problems gesellschaftlicher Ordnung ist die Idee des Privateigentums.

Zunächst formuliere ich die Lösung für den speziellen Fall des Schlaraffenlandes und anschließend für den allgemeinen Fall einer Welt, die durch all-umfassende Güterknappheit gekennzeichnet ist.

Im Schlaraffenland besteht die Lösung in einer einfachen Regel, die bestimmt, dass jede Person ihren Körper überall platzieren und hinbewegen darf, vorausgesetzt nur, dass diese Standorte nicht bereits vorher von den Körpern anderer Personen eingenommen worden sind. Und außerhalb des Schlaraffenlandes besteht die Lösung in vier logisch miteinander verbundenen Regeln.

Erstens: Jede Person ist der private (exklusive) Eigentümer ihres physischen Körpers. In der Tat, wer sonst, wenn nicht Robinson, sollte der Eigentümer von Robinsons Körper sein? Freitag, oder Robinson und Freitag gemeinsam? Aber dann würde Konflikt nicht zweckgemäß vermieden, sondern erzeugt und vorprogrammiert!

Zweitens: Jede Person ist darüber hinaus privater Eigentümer aller derjenigen natur-gegebenen Güter (Dinge), die sie zuerst als knapp wahrgenommen und mit Hilfe ihres eigenen Körpers zu nutzen und bearbeiten begonnen hat, d.h., bevor dieselben Güter von anderen Personen als knapp wahrgenommen und benutzt wurden. Wer sonst, wenn nicht der erste Nutzer, sollte ihr Eigentümer sein? Der zweite Nutzer, oder der erste und der zweite gemeinsam? Doch dann würde Konflikt wiederum zweckwidrig erzeugt, statt vermieden!

Drittens: Jede Person, die mit Hilfe ihres Körpers und anderer von ihr „ursprünglich” angeeigneter Dinge (Güter) dann weitere Güter herstellt, wird damit zum Eigentümer dieser zusätzlichen Güter, vorausgesetzt nur, dass sie im Produktionsprozess nicht die physische Integrität des Eigentums anderer Personen unaufgefordert verletzt.

Viertens: Nachdem ein Gut erstmals von einer Person angeeignet worden ist, indem diese, wie John Locke es ausgedrückt hat, ihre Arbeit mit ihm „gemischt” hat, kann Eigentum an ihm und allen weiteren, mit seiner Hilfe hergestellten Güter nur noch auf dem Weg einer freiwilligen, d.h., wechselseitig vorteilhaften und konfliktfreien, Eigentumstitelübertragung von einem früheren auf einen späteren Eigentümer erfolgen.

An dieser Stelle kann ich mir eine ausführliche, sowohl ethische als auch ökonomische Rechtfertigung dieser Regeln ersparen. Das ist andernorts geschehen. Hier gilt es nur folgendes kategorisch festzuhalten.

Entgegen der vielfach gehörten Behauptung, es handele sich bei der gerade erläuterten Institution des Privateigentums nur um eine Konvention, muss vielmehr dies konstatiert werden: Eine Konvention dient einem Zweck und es gibt zu ihr eine Alternative. So ist zum Beispiel das lateinische Alphabet eine Konvention. Es dient dem Zweck der schriftlichen Kommunikation und es gibt zu ihm eine Alternative, wie z. B. das kyrillische Alphabet. Doch was ist der Zweck von Regeln bzw. Normen? Gäbe es keine interpersonellen Konflikte – d.h. gäbe es aufgrund einer prästabilierten Harmonie der Interessen aller Personen nie eine Situation, in der zwei oder mehr Personen ein- und dasselbe Gut einer unterschiedlichen (inkompatiblen) Nutzung zuführen wollen – dann benötigte man keinerlei Normen. Es ist der Zweck von Normen, ansonsten unvermeidbaren Konflikt zu vermeiden. Eine Norm, die Konflikte erzeugt, anstatt sie zu vermeiden, widerspricht dem Sinn einer Norm. Es ist eine dys-funktionale Norm bzw. eine Perversität. Hinsichtlich des Zwecks der Konfliktvermeidung ist die Institution des Privateigentums nun aber ersichtlich keine bloße Konvention Denn es gibt zu ihr keine Alternative. Nur privates (exklusives) Eigentum macht es möglich, dass alle ansonsten unvermeidbaren Konflikte tatsächlich vermieden werden können. Und nur wenn privates Eigentum in letzter Instanz auf ursprüngliche individuelle Aneignungsakte zurückgeht, ist es möglich, dass jeder mögliche Konflikt von Anfang der Menschheit an vermieden werden kann. Denn nur eine erste Aneignung eines zuvor unangeeigneten Gutes kann konfliktfrei erfolgen, einfach deshalb, weil (per definitionem) niemand zuvor irgendetwas mit dem Gut zu tun gehabt haben kann.

Das Problem der Normdurchsetzung und des Privateigentumschutzes: der Staat

So wichtig die Einsicht in die Alternativlosigkeit der Einrichtung des Privateigentums als Mittel der Konfliktlösung ist, sie reicht doch nicht aus, um auch tatsächlich soziale Ordnung zu schaffen. Denn auch wenn jedermann weiß, wie Konflikte vermieden werden können, so ist es doch möglich, dass Personen Konflikte gar nicht vermeiden wollen, sondern sich von ihnen persönliche Vorteile (auf Kosten anderer) erhoffen. In der Tat, so lange Menschen sind wie sie sind, wird es auch Mörder, Räuber, Diebe und Betrüger geben, die sich nicht an die erläuterten Regeln halten. Eine jede Sozialordnung benötigt darum, um Bestand zu haben, Mechanismen, die dafür sorgen, dass Regelbrecher erfolgreich in Schach gehalten werden. Doch wie ist diese Aufgabe zu lösen, und durch wen?

Die Standardantwort auf diese Frage lautet: dies, d.h., die Durchsetzung von Recht und Ordnung, ist die vornehmste (und einzige) Aufgabe des Staates. Das ist insbesondere die Antwort, die seitens des klassischen Liberalismus gegeben wird, auch von meinem persönlichen intellektuellen Lehrmeister, dem großen österreichischen Wirtschafts- und Gesellschaftstheoretiker Ludwig von Mises. Ob diese Antwort zutrifft, hängt davon ab, was der Staat ist. Der Staat ist, dieser Standardantwort zufolge, nicht einfach eine normale, spezialisierte Firma. Statt dessen wird der Staat als eine Agentur definiert, die durch zwei besondere, logisch verbundene Merkmale gekennzeichnet ist. Erstens (und entscheidend) ist der Staat eine Agentur, die ein territoriales Monopol der Letztentscheidung bezüglich sämtlicher Konfliktfälle ausübt. Der Staat ist der ultimative Schiedsrichter bei allen Konfliktfällen, einschließlich solcher, in die er bzw. seine Agenten selbst verwickelt ist bzw. sind. Es gibt keine höhere Appellationsinstanz als den Staat selbst. Und zweitens besitzt der Staat ein territoriales Monopol der Besteuerung. Das heißt, der Staat kann einseitig, ohne die Zustimmung sämtlicher Betroffener, den Preis bestimmen, den die auf “seinem” Territorium ansässigen Personen für die Finanzierung seiner letzt-richterlichen Tätigkeit bezahlen müssen.

Der Grundirrtum des Etatismus

So weitverbreitet diese Standardantwort und die ihr entsprechende Auffassung von der Notwendigkeit und Wünschbarkeit der Einrichtung eines Staates als eines territorialen Monopolisten ultimativer Rechtsprechung ist, so steht sie doch im eklatanten Widerspruch zu elementaren ethischen und ökonomischen Grundsätzen und Gesetzen.

Zunächst: Zwei unter Ökonomen und politischen Philosophen nahezu einhellig akzeptierte Aussagen sind diese:

Erstens: Jedes „Monopol” ist aus Sicht von Konsumenten „schlecht.” Monopol ist dabei in klassischer Weise definiert als ein einem einzigen Dienstleistungs- oder Güterproduzenten verliehenes Privileg, d.h. als Abwesenheit “freien Eintritts” in einen bestimmten Produktionsbereich. Nur ein Produzent, A, darf ein bestimmtes Gut, X, herstellen. Ein solcher Monopolist ist „schlecht” für Konsumenten weil, vor potenziellen Anbieterkonkurrenten geschützt, der Preis seines Produkts höher und dessen Qualität niedriger sein wird als bei freier Konkurrenz.

Und zweitens: Die Produktion von Recht und Ordnung bzw. von „Rechtssicherheit,” ist die erstrangige Aufgabe eines „Staates” (so wie er gerade definiert worden ist). Sicherheit wird dabei in der weiten, in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung verwendeten Bedeutung verstanden: als Schutz von Leben, Eigentum und dem persönlichen Glücksstreben, vor innerer und äußerer Aggression, d.h. Kriminalität und Krieg.

Beide Aussagen sind offenkundig miteinander unvereinbar. Doch hat dieser Umstand Ökonomen und Philosophen nur selten Sorgen bereitet. Und wenn doch, so ist es die typische Reaktion, die ausnahmslose Geltung der ersteren, nicht aber der letzteren Aussage in Zweifel zu ziehen. Dabei gibt es schlagende theoretische Gründe (und Berge empirischer Evidenz) dafür, umgekehrt die Geltung letzterer Aussage zu bestreiten.

Als territoriales Monopol der ultimativen Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung ist der Staat nicht nur irgendein Monopolist, wie z.B. ein Milchmonopolist oder ein Automonopolist, der Milch oder Autos von vergleichsweise geringerer Qualität und zu höheren Preisen produziert. Im Unterschied zu allen übrigen Monopolisten kann der Staat außer minderwertigen Gütern vielmehr auch Un-Güter produzieren. In der Tat, er muss erst Un-Güter produzieren, ehe er irgendetwas herstellen kann, das dann als (minderwertiges) Gut angesehen werden kann.

Wenn eine Agentur Letztentscheidungsbefugnis in sämtlichen Fällen von Konflikt hat, dann hat sie diese Befugnis auch bezüglich aller Konfliktfälle, die sie selbst involvieren. Dementsprechend ist zu erwarten, dass der Monopolist nicht bloß als Vermeider und Schlichter von Konflikten tätig wird, sondern dass er insbesondere auch selbst Konflikte herbeiführt oder provoziert, um sie dann zu seinen eigenen Gunsten zu entscheiden. Wenn man nur an den Staat appellieren kann, um Gerechtigkeit zu erfahren, wird Gerechtigkeit zunehmend zugunsten des Staates pervertiert. Hieran können auch „Verfassungen” und „oberste Gerichte” nichts ändern. Denn es handelt sich hierbei doch immer um Staats-Verfassungen und Staats-Gerichte. Welche „Begrenzungen” diese Verfassungen einem Staat in seinem Tun auch immer auferlegen mögen, die Entscheidung darüber, ob sein Handeln rechtens oder unrechtens ist, wird in allen Fällen von Personen getroffen, die selbst Agenten des Staates sind. Es ist daher voraussehbar, dass die Definition von Privateigentum und Eigentumsschutz kontinuierlich zugunsten der legislativen Gewalt des Staates verändert und ausgehöhlt wird. An die Stelle eines ewigen, unverrückbaren – erkenn- und einsehbaren – Rechts tritt willkürliche Gesetzgebung.

Mehr noch, als Letztentscheidungsinstanz verfügt der Staat auch über territoriale Steuerhoheit, d.h. er darf einseitig, ohne die Zustimmung aller davon Betroffenen, den Preis festlegen, den die ihm unterworfenen Privatrechtssubjekte für das staatlich erbrachte, pervertierte Recht zu entrichten haben. Eine steuerfinanzierte Agentur, die beansprucht, Leben und Eigentum zu schützen, ist freilich ein Widerspruch in sich: ein enteignender Eigentumsschützer. Motiviert wie jedermann durch Selbstinteresse und Arbeitsleid, aber ausgestattet mit der einzigartigen Befugnis Steuern zu erheben, ist darum zu erwarten, dass die Agenten des Staates stets versuchen werden, die Ausgaben für Sicherheit zu maximieren und gleichzeitig die tatsächliche Produktion von Sicherheit zu minimieren. Je mehr Geld man ausgeben kann und je weniger man dafür leisten muss, umso besser dran ist man.

Weitere etatistische Irrtümer: der demokratische Staat

Neben dem Grundirrtum des Etatismus gibt es noch weitere, spezielle Irrtümer bezüglich des besonderen Falles eines demokratischen Staates, die hier zumindest kurz angesprochen werden müssen. (Eine ausführliche Behandlung dieses Themas ist ebenfalls andernorts erfolgt.)

Die traditionelle, vormoderne Form des Staates ist die einer (absoluten) Monarchie. Der Monarchie als Staatsform wurde jedoch vorgeworfen, insbesondere auch von klassisch liberaler Seite, dass sie unvereinbar mit dem ehernen Grundsatz der „Gleichheit aller vor dem Gesetz” sei und statt dessen auf personellen Privilegien beruhe. Darum, so wurde argumentiert, galt es den monarchischen Staat durch einen demokratischen Staat zu ersetzen. Indem man jedermann gleichberechtigte Teilnahme an und Zutritt zu der Staatsregierung gewähre, statt diese einer privilegierten Klasse von Adligen vorzubehalten, meinte man, dem Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz entsprechen zu können.

In Wahrheit ist diese „demokratische Gleichheit” jedoch etwas völlig anderes, und gänzlich unvereinbar mit der Idee eines universellen Rechtes, das für jedermann gleichermaßen, überall und immer Geltung besitzt. Der vormalige, beanstandete Dualismus des Rechts – eines höheren Rechts der Könige und Adligen und eines niederen Rechts der Untertanen – bleibt unter demokratischen Bedingungen weiterhin in Kraft, wenn auch in anderer Gestalt. Er verwandelt sich nurmehr in einen Dualismus von sogenanntem „öffentlichen Recht” auf der einen Seite und „Privatrecht” auf der anderen, sowie der Überlegenheit des ersteren gegenüber dem letzteren. Unter demokratischen Bedingungen hat jede Person ein gleiches Eintrittsrecht in die Staatsregierung. Jeder kann sozusagen Koenig werden, nicht nur ein privilegierter Personenkreis. Es gibt von daher in der Demokratie keine personellen Privilegien oder privilegierte Personen. Doch gibt es funktionelle Privilegien und privilegierte Funktionen. Solange und insofern eine Person in offizieller (staatlicher) Funktion tätig ist, unterliegt ihr Handeln den Bestimmungen des „öffentlichen Rechts” und nimmt sie damit eine privilegierte Position gegenüber Personen ein, die unter der Autorität des bloßen Privatrechtes stehen. Als staatliche Funktionsträger dürfen Personen Handlungen durchführen, die ihnen als bloßen Privatpersonen strikt – als kriminell – untersagt sind. Insbesondere dürfen „öffentlich Bedienstete” ihre eigene Tätigkeit durch Steuern finanzieren oder subventionieren. Das heißt, sie müssen ihr Einkommen nicht, wie bei Privatrechtssubjekten der Fall, durch den Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen erzielen für die es freiwillig zahlende Abnehmer gibt, sondern sie dürfen einseitig auferlegte Zwangsabgaben erheben. Kurz: sie dürfen als Staatsbedienstete das tun und davon leben, was im normalen Privatrechtsverkehr als Diebstahl und Diebesbeute gilt. Privilegien – und der Unterschied zwischen Herrschern und Untertanen – verschwinden also nicht unter demokratischen Verhältnissen. Vielmehr: Anstatt Diebstahl und Herrschaftsausübung auf nur einen Koenig und wenige Adlige zu begrenzen, wie unter monarchischen Bedingungen, erlaubt es die Demokratie allen Personen, zum Dieb zu werden und sich an der Diebesbeute zu beteiligen. […]

Das heißt: demokratische Herrscher verfügen über ein zeitlich begrenztes Nutzungsrecht bezüglich eines Landes – usufruct (Nießbrauch) – aber sie sind nicht die Eigentümer des Kapitalstocks, den das Land repräsentiert. Ausbeutung hört damit nicht auf. Im Gegenteil: die Ausbeutung wird weniger berechnend – weil sich ein Verwalter, im Gegensatz zu einem Eigentümer, wenig oder gar nicht um die Rückwirkungen seiner gegenwärtigen Handlungen auf den Wert des Kapitalstocks kümmert. Ausbeutung wird kurzsichtig und führt zu erhöhtem Kapitalverzehr. […]

Die Lösung: Privatrechtsgesellschaft statt Staatsordnung

Wenn der Staat und insbesondere der demokratische Staat nachweislich untauglich ist, soziale Ordnung aufrechtzuerhalten; wenn er, anstatt Konflikte vermeiden zu helfen, selbst Quelle andauernden Konfliktes ist; und wenn er, anstatt Rechtssicherheit zu gewährleisten, selbst durch Gesetz-gebung andauernd Unsicherheit schafft und Recht durch Willkür ersetzt, dann stellt sich unausweichlich die Frage nach der korrekten – offenkundig nicht-etatistischen Lösung des Problems sozialer Ordnung: von Recht und Rechtsdurchsetzung (Sicherheit).

Die Lösung ist eine reine Privatrechtsordnung, d.h. eine Gesellschaft, in der jede Person und Institution ein- und denselben (eingangs erläuterten) Rechtsregeln unterworfen ist. Es gibt in dieser Gesellschaft kein sogenanntes „öffentliches Recht”, das Staatsangestellten funktionelle Privilegien gegenüber bloßen Privatpersonen einräumt, und kein „öffentliches Eigentum.” Es gibt kein ultimatives Rechtsmonopol und kein Steuerprivileg. Es gibt in dieser Gesellschaft nur Privateigentum und ein für jedermann gleichermaßen gültiges Privatrecht. Demzufolge ist es niemandem gestattet, Eigentum anders zu erwerben als durch ursprüngliche Aneignung, durch Produktion oder freiwilligen Austausch. Und niemandem ist es gestattet, eine andere Person an der freien Nutzung ihres privaten Eigentums zu hindern. Das heißt, jede Person ist berechtigt – mit ihrem Eigentum – bei der Herstellung aller beliebigen Güter und Dienstleistungen mit jeder anderen Person in Wettbewerb um freiwillig zahlende Kunden zu treten.

Konkret im Hinblick auf unser Problem bedeutet dies: die Produktion von Sicherheit (Recht und Ordnung) wird in einer Privatrechtsgesellschaft von frei finanzierten und im freien Wettbewerb miteinander stehenden Dienstleistern und Dienstleistungsunternehmen erledigt, genauso wie die Produktion aller übrigen Güter und Dienstleistungen.

Es wäre vermessen, die genaue Struktur der sich in einer Privatrechtsgesellschaft herausbildenden und entwickelnden „Sicherheitsindustrie” voraussagen zu wollen. Doch stellt es keine Schwierigkeit dar, einige zentrale Unterschiede herauszuarbeiten, die eine privatrechtlich organisierte Sicherheitsindustrie ebenso grundlegend wie vorteilhaft von der gegenwärtigen, sattsam bekannten staatlichen Produktion von (Un-)Recht und (Un-)Ordnung unterscheiden.

Obwohl Selbstverteidigung im Rahmen einer komplexen, arbeitsteiligen Gesellschaft nur eine zweitrangige Rolle bei der Produktion von Sicherheit spielen wird (aus unten noch zu erläuternden Gründen), so gilt es doch zunächst festzuhalten, dass in einer Privatrechtsgesellschaft jedermanns Recht, sich selbst gegenüber Angreifern auf seine Person und sein Eigentum verteidigen zu dürfen, unbestritten ist. Im Unterschied zur gegenwärtigen, etatistschen Praxis, die Bürger zunehmend zu entwaffnen und Angreifern wehrlos auszuliefern (wehrlose Bürger schützen schließlich auch den Staat bei der Steuereintreibung!), ist der private Besitz von Waffen in einer Privatrechtsgesellschaft sakrosankt. Und wie man aus der Erfahrung des keineswegs wilden, sogenannten Wilden Westens sowie einer großen Zahl neuerer empirischer Untersuchungen über den Zusammenhang von Waffenbesitz und Kriminalität weiß, ist die Kriminalitätsrate umso niedriger, je höher und weitverbreiteter der private Waffenbesitz ist. More guns, less crime!

Doch so wie man in einer entwickelten Wirtschaft in aller Regel nicht seine eigenen Schuhe, Anzüge, Fernsehapparate oder Telefone produziert, so ist es zu erwarten, dass man sich auch hinsichtlich der Produktion von Sicherheit weitgehend auf die Vorteile der Arbeitsteilung verlässt, und das umso mehr, je mehr Eigentum eine Person besitzt bzw. je reicher eine Gesellschaft insgesamt ist. Der Großteil des Angebots an Sicherheitsleistungen wird von daher zweifellos seitens spezialisierter und miteinander im Wettbewerb um freiwillig zahlende Klienten stehender Unternehmen erbracht werden: durch diverse private Polizei-, Versicherungs- und Schlichtungsagenturen.

Wollte man den entscheidenden Unterschied einer privatrechtlich organisierten Sicherheitsindustrie zur gegenwärtigen etatistischen Praxis in einem einzigen Wort zusammenfassen, so wäre dies: Vertrag. Der Staat operiert als ultimativer Rechtsmonopolist in einem vertragslosen rechtlichen Vakuum. Es gibt keinen Vertrag zwischen Staat und Bürger. Es ist nicht fixiert, wem was als Eigentum gehört und was es darum zu schützen gilt. Es ist nicht fixiert, welche Leistung staatlicherseits erbracht wird, was im Fall der Nichterbringung dieser Leistung geschieht, noch was der Preis ist, den der „Kunde” für eine derartige „Leistung” zu zahlen hat. Vielmehr setzt der Staat die Regeln des Spiels einseitig fest und kann sie während des Spiels, per Gesetzgebung, einseitig verändern.

Ein derartiges Verhalten ist für frei finanzierte Sicherheitsanbieter ersichtlich ausgeschlossen. Man stelle sich nur einmal einen Sicherheitsanbieter vor, gleichgültig ob Polizei, Versicherer oder Schlichter, dessen Angebot darin besteht, zu sagen: ich garantiere dir vertraglich gar nichts: Weder sage ich dir zu, welche Sachen es denn konkret sind, die ich als „dein Eigentum” zu schützen gedenke, noch sage ich dir, was ich mich zu tun verpflichte, wenn ich meine Leistung deiner Auffassung zufolge nicht erbringe – aber ich behalte mir in jedem Fall das Recht vor, einseitig den Preis für meine dermaßen undefinierte Leistung festzulegen. Ein solcher Anbieter würde mangels Kunden sofort vom Markt verschwinden.

Jeder private, frei finanzierte Sicherheitsproduzent muss seinen prospektiven Kunden darum einen Vertrag anbieten. Und diese Verträge müssen, um freiwillig zahlenden Kunden annehmbar erscheinen zu können, klare Eigentumsbeschreibungen sowie klar und eindeutig definierte wechselseitige Leistungen und Verpflichtungen enthalten, und sie können während ihrer vereinbarten Geltungsdauer nur im wechselseitigen Einverständnis aller Betroffenen verändert werden. […]

Doch insbesondere sind die Vorteile einer auf vertraglicher Basis beruhenden Produktion von Recht und Ordnung inhaltlich-qualitativer Natur.

Da ist zunächst das Problem der Verbrechensbekämpfung. Der Staat ist hier notorisch ineffizient, weil die Bezahlung seiner mit dieser Aufgabe betreuten Agenten aus Steuermitteln, d.h. unabhängig von ihrer Produktivität erfolgt. Warum sollte man arbeiten, wenn man auch für das Nichtstun belohnt wird? Mehr noch, es darf sogar unterstellt werden, dass die staatlichen Verbrechensbekämpfer ein gewisses Interesse an einer hohen Kriminalitätsrate haben, weil sich auf diese Weise höhere Budgetzuweisungen rechtfertigen lassen. Und noch schlimmer: bei der staatlichen Verbrechensbekämpfung spielt das Opfer und die Opferentschädigung keinerlei nennenswerte Rolle. Der Staat entschädigt Opfer nicht. Ganz im Gegenteil, das Opfer wird noch zusätzlich beleidigt, indem man es, qua Steuerzahler, auch noch zur finanziellen Unterhaltung des eingekerkerten Täters heranzieht (wenn man ihn denn fasst). Ganz anders dagegen ist die Situation in einer Privatrechtsgesellschaft. Sicherheitsanbieter, namentlich Versicherungen, müssen ihre Klienten im Schadensfall indemnifizieren (andernfalls finden sie schlicht keine Kunden). Sie müssen von daher effizient bei der Verbrechensbekämpfung sein. Sie müssen effizient bei der Prävention von Verbrechen sein, denn wenn sie ein Verbrechen nicht verhindern, müssen sie zahlen. Sie müssen effizient sein bei der Wiederauffindung gestohlener Güter, denn andernfalls müssen sie diese Güter ersetzen. Und vor allem müssen sie effizient bei der Aufspürung der Täter sein. Denn nur wenn der Täter aufgespürt wird, ist es möglich, ihn für die Opferentschädigung heranzuziehen, und auf diese Weise die eigenen Kosten zu reduzieren.

Darüber hinausgehend wirkt sich eine privatwirtschaftlich organisierte Sicherheitsindustrie auch generell friedensförderlich aus. Staaten sind, wie schon ausgeführt, von Natur aus aggressiv. Sie können Konflikte verursachen oder provozieren, um diese dann zu ihren eigenen Gunsten zu „lösen”. Oder anders gesagt: Staaten dürfen die mit Aggression verbundenen Kosten auf andere Personen, d.h. die Steuerzahler, abwälzen und sind von daher aggressiver, sowohl gegenüber der „eigenen” Bevölkerung als auch gegenüber „Ausländern” (in der Form kriegerischer Handlungen). Dagegen sind konkurrierende Versicherungen von Natur aus defensiv und friedfertig. Denn einerseits ist jede Aggression kostspielig, erfordert also höhere Prämien, und führt somit zum Verlust von Kunden. Und andererseits sind nicht alle Risiken versicherbar. Nur Risiken, die den Charakter von „Unfällen” haben, sind versicherbar. Risiken dagegen, deren Wahrscheinlichkeit durch individuelle Handlungswahlen beeinflusst werden können, sind nicht versicherbar, sondern müssen individuell getragen und verantwortet werden. So ist es z.B. versicherungstechnisch unmöglich, sich gegen das Risiko zu versichern, morgen Selbstmord zu begehen oder das eigene Haus in Brand zu setzen. Ebenso ist es unmöglich, sich gegen das Risiko eines Geschäftsbankrotts, der Arbeitslosigkeit, oder das Gefühl, seine Nachbarn nicht ausstehen zu können, zu versichern. Denn in jedem dieser Fälle hat eine Person individuelle Kontrolle, direkt oder indirekt, hinsichtlich des Eintretens des betreffenden Risikos. Diese Nicht-Versicherbarkeit individueller Handlungen und Gefühle bedeutet konkret, dass keine Versicherung bereit ist, das Schadenrisiko abzudecken, das aus provokanten Handlungen des Versicherungsnehmers resultiert. Jeder Versicherer wird vielmehr darauf bestehen, dass sich sämtliche Versicherungsnehmer verpflichten, auf Provokationen aller Art zu verzichten.

Aus denselben finanziellen Erwägungen heraus werden Versicherer auch darauf bestehen, dass sich sämtliche Versicherungsnehmer dazu verpflichten, von allen Formen der Selbstjustiz Abstand zu nehmen (außer vielleicht in ganz exzeptionellen Fällen). Denn Selbstjustiz, auch wenn sie rechtens ist, erzeugt in jedem Fall Unsicherheiten und provoziert mögliche Vergeltungstaten seitens Dritter. Indem Versicherungsnehmer statt dessen verpflichtet werden, sich geregelten und öffentlich-durchsichtigen Verfahren zu unterwerfen, wann immer sie sich für angegriffen und geschädigt halten, können solche Störungen und damit verbundene Kosten weitgehend vermieden werden. Schließlich ist es erwähnenswert, dass die Verfolgung opferloser „Verbrechen,” wie z.B. die Herstellung oder der Konsum „illegaler” Drogen, die Prostitution oder das Glücksspiel, im Rahmen einer Privatrechtsgesellschaft keinerlei Rolle spielen wird. Während steuerfinanzierte Agenturen gegenwärtig in großem Stil und mit riesigem Aufwand gegen solche „Verbrechen” vorgehen, würden frei finanzierte Versicherungen sie als nicht-aggressive Privatangelegenheiten ignorieren. Eine „Versicherung” gegen derartige „Verbrechen” würde höhere Versicherungsprämien erfordern. Doch da diese „Verbrechen,” im Unterschied zu einem echten Verbrechen gegen Person und Eigentum, keinerlei Opfer erzeugen, würde sich niemand finden, der für einen derartigen „Schutz” mehr Geld auszugeben gewillt ist.

Und noch etwas gilt es in diesem Zusammenhang zu konstatieren. Während Staaten, wie schon festgestellt, immer und überall darauf bedacht sind, ihre Bevölkerung zu entwaffnen und somit eines zentralen Mittels der Selbstverteidigung zu berauben, kommt es in einer Privatrechtsgesellschaft zur umgekehrten Tendenz einer systematischen Volksbewaffnung. Man stelle sich nur vor, ein Sicherheitsproduzent mache es zur Bedingung, dass jeder seiner Kunden sich erst vollständig zu entwaffnen habe, ehe man ihn zu verteidigen gedenke. Mit Recht würde jedermann dies für einen bösen Witz halten und das Angebot dankend ablehnen. Im Gegensatz dazu belohnen Versicherungsgesellschaften bewaffnete, und insbesondere in der Handhabung von Waffen ausgebildete Personen mit niedrigeren Versicherungsprämien, genauso wie sie heute schon die Besitzer von Warnanlagen und Safes belohnen.

Schließlich hat ein System konkurrierender Sicherheitsproduzenten eine zweifache Auswirkung auf die Entwicklung des Rechts. Zum einen erlaubt es eine größere Variabilität des Rechts als es unter monopolistischen Bedingungen der Fall ist. Die Sicherheitsproduzenten können nicht nur hinsichtlich des Preises, sondern auch mittels Produktdifferenzierung konkurrieren. Katholische Produzenten bieten kanonisches Recht an, jüdische Produzenten mosaisches Recht, moslemische Produzenten islamisches Recht und nicht-religiöse Produzenten säkulares Recht. Niemand muss unter einem „fremden” Recht leben.

Zum anderen fördert dasselbe System privater Rechts- und Ordnungsproduktion gleichzeitig auch eine Tendenz zur Rechtsvereinheitlichung. Denn das „heimische” – kanonische, mosaische, römische, usw. – Recht findet nur auf diejenigen Personen Anwendung, die es tatsächlich gewählt haben. Das kanonische Recht z.B. wird nur auf bekennende Katholiken und bei intra-katholischen Zwistigkeiten angewendet. Doch kann es z.B. auch zu Streit zwischen Katholiken und Moslems kommen, und beide Rechtsordnungen mögen in bestimmten Fällen nicht zum gleichen Urteil gelangen. In diesem Fall gibt es für alle betroffenen Parteien – Versicherer und Versicherte – nur eine Lösung. Für diesen Fall muss sich ein jeder Versicherer und jeder seiner Klienten von vornherein dem Urteil eines unabhängigen Schlichters unterwerfen. Dieser Schlichter ist nicht nur unabhängig, er ist auch die einhellige Wahl beider Versicherer. Der Schlichter wird gewählt, aufgrund der gemeinsamen Erwartung, dass er die Fähigkeit besitzt, wechselseitig annehmbare Lösungen in Fällen von Inter-Gruppen-Konflikten zu formulieren. Scheitert er an dieser Aufgabe und verkündet Urteile, die von der einen oder der anderen Seite als „unfair” angesehen werden, so wird er im nächsten Fall von einem anderen, konkurrierenden Schlichter abgelöst werden. Aus dieser ständigen, sachlich unerlässlichen Kooperation diverser Versicherer und unabhängiger Schlichter bei der Behandlung von Inter-Gruppen-Konflikten erwächst so eine stetige Tendenz zur Vereinheitlichung des Eigentums- und Vertragsrechts, sowie der Harmonisierung von Verfahrens-, Beweis-, und Schlichtungsregeln. Jeder Versicherer und Versicherungsnehmer ist Teilnehmer eines integrierten Systems umfassender Konfliktvermeidung und Friedenssicherung. Jeder Konflikt und jeder Schadensanspruch, gleichgültig wo, zwischen wem und von wem an wen gerichtet, fällt in die Rechtsprechung eines oder mehrerer genau angebbarer Versicherer und wird entweder mittels des „heimatlichen” Rechts eines einzelnen Versicherers gelöst oder aber des „internationalen” Schlichter-Rechts, auf das man sich von vornherein vertraglich geeinigt hat.

An die Stelle von Konflikt und Unrecht, wie sie die gegenwärtige, etatistische Situation kennzeichnen, tritt damit Frieden, Recht und Rechtssicherheit.

1 Auf die Wiedergabe der ausführlichen und lehrreichen Fußnoten wurde hier verzichtet.

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