Der wichtigste Denker der modernen Wiener Schule und Schüler Böhms, mit besonderer Berücksichtigung seiner Beiträge zur Konjunkturzyklus- und Geldtheorie.
LUDWIG VON MISES (geb. 1881 in Lemberg, gest. 1973 in New York)
Ausgewählte Werke:
- Grundprobleme der Nationalökonomie. Untersuchungen über Verfahren, Aufgaben und Inhalt der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre. Jena: Verlag Gustav von Fischer, 1933
- Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens (unveränderter Nachdruck der 1. Auflage. Genf: Editions Union, 1940). München: Philosophia Verlag, 1980 (1940)
- Die Bürokratie, übersetzt aus dem Amerikanischen von Carsten und Jörg-Guido Hülsmann. St. Augustin: Academia Verlag, 2004 (1944)
- Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik. Jena: Gustav von Fischer, 1928
- Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel. München/Leipzig: Duncker & Humblot, 1912
- The Theory of Money and Credit. Indianapolis: Liberty Fund, 1981 (1934)
Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens
Die Lehre vom menschlichen Handeln hat den Menschen nicht zu sagen, welche Ziele sie sich setzen und wie sie werten sollen. Sie ist eine Lehre von den Mitteln zur Erreichung von Zielen, nicht eine Lehre von der richtigen Zielwahl. Die letzten Entscheidungen, die Wertungen und Zielsetzungen, liegen jenseits des Bereichs der Wissenschaft. Die Wissenschaft sagt nicht, wie man handeln soll; sie zeigt nur, wie man handeln müsste, wenn man die Ziele, die man sich gesetzt hat, erreichen will. 8
Handeln ist bewusstes Verhalten. Wir können auch sagen: Handeln ist Wollen, das sich in Tat und Wirken umsetzt und damit verwirklicht, ist ziel- und zweckbewusstes Sichbenehmen, ist sinnhafte Antwort des Subjekts – der menschlichen Persönlichkeit – auf die Gegebenheit der Welt und des Lebens.[1] 11f
Bewusstes Verhalten hebt sich scharf ab vom unbewussten Verhalten, von den Reflexvorgängen und der Reaktion der Zellen auf Reize. Man ist geneigt anzunehmen, dass die Grenze zwischen bewusstem Verhalten der menschlichen Persönlichkeit und unbewusstem Reagieren […] fließend sei. Das ist nur soweit richtig, als es mitunter nicht leicht sein mag, festzustellen, ob ein konkretes Verhalten als bewusstes oder als unbewusstes anzusprechen ist. Doch die Scheidung von Bewusst und Unbewusst ist nichtsdestoweniger scharf und kann klar vollzogen werden. […] Unsere Betrachtungen sind allein auf das Handeln gerichtet und nicht auf die seelischen Vorgänge, die zum Handeln führen. Das eben trennt die allgemeine Lehre vom Handeln, die Praxeologie, von der Psychologie. Gegenstand der Psychologie sind die Vorgänge in unserem Innern, die zu einem bestimmten Handeln führen oder führen können; Gegenstand unserer Wissenschaft ist das Handeln selbst. 11f
Handeln ist nicht etwa einfaches Vorziehen und Bevorzugen. […] So kann man Sonnenschein dem Regen vorziehen und hoffen, dass die Sonne scheinen möge. Wer nur wünscht und hofft, greift in das Getriebe der Welt und in die Gestaltung seines Lebens nicht selbsttätig ein. Anders der Handelnde. Er wählt und entscheidet. Von zwei unvereinbaren Dingen nimmt er das eine und lässt sich das andere entgehen. Jedes Handeln ist daher zugleich ein Nehmen und ein Verzichten. 13
„Man muss […] das Handeln von dem Einsatz von Arbeit unterscheiden. Das Handeln setzt Mittel für die Erreichung von Zwecken ein. Zu diesen Mitteln wird meist auch die Aufwendung eigener Arbeit gehören. Doch das ist durchaus nicht immer der Fall. Unter bestimmten Bedingungen genügt das Wort. Wer dem Wagenlenker das Ziel angibt, wer Befehle und Weisungen erteilt, handelt auch ohne die geringste Aufwendung eigener Arbeit. Sprechen und Schweigen, ja mitunter schon Lächeln oder Ernstbewahren können Handeln sein. Verzehren und genießen sind ebenso Handeln wie die Enthaltung von Verzehr und Genuss, die sich dem Handelnden bieten. Auch das Nichtstun und das Nichtarbeiten, auch das Unterlassen und das Dulden sind Handeln. 13
Handeln ist immer vernünftig, gleichviel ob es nun in einem Tun, einem Unterlassen oder einem Dulden besteht. Der Ausdruck ‚rationales Handeln‘ ist mithin pleonastisch und daher vom logischen Gesichtspunkt abzulehnen. Wer ein Handeln als nicht rational oder als irrational bezeichnet, wertet und richtet es. ‚Irrational‘ soll dann soviel bedeuten als: es hätte anders gehandelt werden sollen, ich oder ein konstruierter Idealmensch hätte an der Stelle des Handelnden anders gehandelt […]. Die Wissenschaft vom Handeln hat das Handeln zu betrachten und zu erforschen, nicht aber zu werten und zu richten. Sie kennt nicht gutes und schlechtes, richtiges und unrichtiges, vernünftiges und unvernünftiges Handeln; für sie ist alles Handeln in gleicher Weise Gegenstand der Forschung. Sie hat keine Wertmaßstäbe, um das Handeln an ihnen zu messen. Sie erforscht das Sein des Handelns und fragt nicht danach, wie gehandelt werden soll. 14
Die Vernunft wirkt im menschlichen Denken und im menschlichen Handeln. Vom Standpunkt der Wissenschaft vom menschlichen Handeln betrachtet, ist das Denken Vorbedenken künftigen eigenen oder fremden Handelns und Nachbedenken vergangenen (eigenen oder fremden) Handelns. Das Denken arbeitet dem Handeln vor. Der Denkakt ist stets zielgerichtet (intentional); er ist gewissermaßen ein inneres Handeln, dessen Ziel Erkenntnis ist. […] In diesem Sinne kann man von dem Subjektivismus der Wissenschaft vom Handeln sprechen. Sie nimmt die Wertsetzungen der handelnden Menschen als gegeben an, sie bewahrt ihnen gegenüber vollständige Neutralität und fällt selbst keine Werturteile über die von den Menschen angestrebten Ziele und Zwecke. 15
Das Wissen vom Handeln, mit dem wir uns in der Praxeologie, der allgemeinen Lehre vom menschlichen Handeln, zu befassen haben, ist von strenger Allgemeinheit. Es enthält nur Sätze, die notwendig immer und ausnahmslos gelten […]. Es ist ein Wissen wie das der Logik und der Mathematik. […] Alle Sätze der Lehre vom Handeln sind aus dem Grundbegriff des Handelns logisch abgeleitet […], sie geben nichts, was nicht schon in den Voraussetzungen enthalten war.[2] 18f
Handeln kann der Mensch nur, weil er in einer Welt lebt, in der er Kausalbeziehungen zu entdecken vermag. Handeln setzt die Kategorie der Kausalität voraus. Nur der Mensch, der die Umwelt im Lichte der Kausalität sieht, vermag zu handeln. Die Kausalität ist eine Kategorie des Handelns. Die Kategorie Mittel-Zweck setzt die Kategorie Ursache-Wirkung voraus. In einer – unserem Denken unvorstellbaren – Welt ohne Kausalität wäre für menschliche Vernunft und für menschliches Denken kein Feld. Eine so beschaffene Welt wäre ein Chaos, in dem die Menschen sich nicht zu orientieren vermöchten. […] Um handeln zu können, muss der Mensch die Verknüpfung zweier Tatbestände kennen. Und nur wenn er sie richtig erkannt hat und soweit er sie richtig erkannt hat, wird sein Handeln Erfolg haben können. 22f
Keine Künstelei kann die Tatsache, dass das Verhalten der Menschen in allen Lagen von der Absicht, Zwecke zu verwirklichen, geleitet wird, wegwischen. Eben dieses Verhalten – das Handeln – ist Gegenstand unserer Erforschung. Wir können an diesen unseren Gegenstand gar nicht herankommen, wenn wir nicht auf den Sinn eingehen, den die handelnden Menschen in den Situationen erblicken, und auf den Sinn, den sie mit ihrem eigenen Handeln verbinden. 27f
Zufriedenheit oder Befriedigtsein nennen wir den Zustand eines Menschen, der nicht zum Handeln führen kann und führt. Der Handelnde sucht einen Zustand, der ohne sein Dazutun gegeben ist, durch einen anderen Zustand zu verdrängen. In seinem Denken sieht er einen Zustand, der ihm mehr zusagt als der gegebene, und sein Handeln ist darauf gerichtet, diesen gewünschten Zustand zu verwirklichen. Antrieb des Handelns ist das Unbefriedigtsein. Ein zufriedenes Wesen würde nicht handeln; es würde nur einfach dahinleben. Doch damit gehandelt werde, muss zum Unbefriedigtsein und zum Wissen von einem Zustand, der besser befriedigen würde, noch ein Weiteres hinzutreten: die Meinung, dass man fähig sei, durch sein Verhalten das Unbefriedigtsein zu beheben oder doch wenigstens zu mildern. Wo diese Meinung fehlt, wird nicht gehandelt. Dem Unabwendbaren und Unentrinnbaren muss sich der Mensch fügen. Er muss das Schicksal über sich ergehen lassen. Allgemeinste Bedingungen des Handelns sind mithin: Unzufriedenheit mit dem gegebenen Zustand[3] und die Annahme der Möglichkeit der Behebung oder Milderung dieser Unzufriedenheit durch das eigene Verhalten. Der Mensch ist das irdische Wesen, das unter diesen Bedingungen lebt; er ist nicht nur homo sapiens, sondern auch homo agens, das handelnde Wesen. 30f
Doch um den Sinn des Handelns der Mitmenschen zu erfassen, bedarf es noch eines Weiteren als des bloßen Begreifens. Man muss auch den Sinn der Zielsetzungen und der Beweggründe dieser Zielsetzungen erfassen. Es genügt nicht […] zu begreifen, man muss auch verstehen. Das Verstehen ist das Erfassen des Sinns, den die handelnden Menschen mit ihren Zielsetzungen verbinden. Das Begreifen ist auf die Erfassung des Sinns des Handelns als reines Zweckverfolgen und Zielesuchen ohne Rücksicht auf die Beschaffenheit der Zwecke und Ziele gerichtet. Das Verstehen ist auf die Erfassung des Sinns der konkreten Zielsetzungen und Zwischenzielsetzungen gerichtet. 52
Man kann Werturteile nicht beweisen und nicht in einer Weise rechtfertigen und begründen oder ablehnen und verwerfen, die jedermann, der logisch denkt, als gültig annehmen muss. Werturteile sind irrational und subjektiv, man kann sie loben oder tadeln, billigen oder missbilligen, doch man kann sie nicht als wahr oder unwahr bezeichnen. Ein Ziel mag von vielen, ja nahezu von allen Menschen sehr hoch oder an höchster Stelle gewertet werden, wie etwa Leben, Gesundheit, Freiheit; es bleibt doch subjektiv. Man hat mitunter behauptet, dass der Wertung des eigenen Lebens, die man als Ausfluss eines aller Kreatur innewohnenden Selbsterhaltungstriebes hinstellen wollte, eine Sonderstellung zukomme, die sie zu einer absoluten Wertung stemple. Doch es wird immer wieder verkündet und immer wieder, wenn auch seltener, durch die Tat bewiesen, dass man andere Ziele höher stellen kann als die Erhaltung des Lebens. Ziele und Zwecke und die Wertung der Ziele und Zwecke kann man weder praxeologisch begreifen noch mit den Methoden des naturwissenschaftlichen Kausalitätsprinzips erklären; man kann mit der Vernunft an sie überhaupt nicht herankommen. Den Sinn der Zielsetzungen und Wertungen kann man [allerdings] verstehen. 53
Die moderne Nationalökonomie […] geht nicht von dem Handeln des Geschäftsmannes oder eines fiktiven homo oeconomicus aus, sondern von dem jedermanns. Sie umfasst alles Handeln, mag es egoistisch oder altruistisch sein, mag es nach Idealem oder nach Gemeinem streben. Sie begreift in derselben Weise das Handeln des Sparsamen, Berechnenden, Vorausschauenden wie das des Verschwenders, des Leichtsinnigen und des nur auf das Heute Bedachten. Sie begreift alles menschliche Handeln, nicht nur das eines bestimmten menschlichen Typus. 59f
Den Erfolg, den das Handeln herbeiführen will, nennen wir Ziel, Zweck oder Ende. Man bedient sich dieser Ausdrücke im Sprachgebrauch des Alltags auch zur Bezeichnung von Zwischenzielen, Zwischenzwecken und Zwischenenden; das sind Punkte, die das Handeln nur darum erreichen will, weil es über sie zum Endziel, zum Endzweck und zum letzten Ende gelangen zu können glaubt. Streng genommen ist in letzter Linie Ziel, Zweck oder Ende immer die Behebung eines Unbefriedigtsein. Mittel ist das, was zur Erreichung des Ziels, Zwecks oder Endes führt. Mittel sind nicht schlechthin in der Welt, in der der Mensch lebt; in dieser Welt sind nur Dinge. Ein Ding wird zum Mittel, indem menschliches Denken es zur Erreichung eines Zweckes einzusetzen plant und menschliches Handeln es zur Erreichung eines Zweckes einsetzt. Der denkende Mensch sieht in den Dingen Mittelhaftigkeit, und der handelnde Mensch macht sie zu Mitteln. Mittel sind immer begrenzt, d.h. knapp im Hinblick auf die Zwecke, zu deren Erreichung sie eingesetzt werden sollen. Denn wäre dem anders, dann müsste in Bezug auf sie nicht gehandelt werden. Denken wir alle Dinge, von denen die Behebung eines Unbefriedigtsein abhängt, im Überflusse gegeben, dann haben wir auch das Unbefriedigtsein fortgedacht. Das Handeln muss sich durch die Unzulänglichkeit der Versorgung beengt fühlen, damit es Handeln werde. Es ist daher überflüssig, von einem besonderen Prinzip der Knappheit der Mittel zu sprechen. Der Begriff des Mittels schließt schon alles ein, was dieses Prinzip ausdrücken soll. Wären die Mittel im Hinblick auf das Unbefriedigtsein nicht knapp, so würde nicht gehandelt werden; es 5 würde mithin keine Veranlassung bestehen, Mittel und Zweck zu unterscheiden. 65f
Wer das Nichthandeln zum höchsten Zweck des Lebens machen will, wer es als das Letzte und Beste ansieht, nicht zu handeln, ganz duldend zu sein wie die Pflanze, mit einem Worte: pflanzenhaft dahin zu leben (zu vegetieren), hat sich das Auslöschen des Menschentums zum Ziele gesetzt […] Kritisieren kann die Wissenschaft von ihrem Standpunkte diese Zielsetzung nicht, sie kann sie nur verzeichnen und dazu bemerken, dass sie sich nur mit dem handelnden Menschen befasst und nicht mit einem zur Pflanze gewordenen. 74
Im Begriff des Handelns ist der der Zeitfolge enthalten. Wir haben hier die Zeit vor der Befriedigung, wir haben den Einsatz des Handelns und die Dauer zwischen dem Einsatz des Handelns und dem Eintritte des Erfolges, und wir haben schließlich die Dauer der durch den Erfolg erzielten Befriedigung. Durch die Bezugnahme auf das Aufeinanderfolgen scheidet sich die Praxeologie von der Logik. Man mag sie immerhin die Logik des Handelns nennen, man darf aber nicht vergessen, dass sie das Element der Zeitlichkeit kennt, das der Logik und der Mathematik fremd ist.[4]77
Grundprobleme der Nationalökonomie. Untersuchungen über Verfahren, Aufgaben und Inhalt der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre
Der Ausgangspunkt unseres Denkens ist nicht die Wirtschaft, sondern das Wirtschaften, d. i. das Handeln oder, wie man pleonastisch zu sagen pflegt, das rationale Handeln. […] Den Begriff des Handelns erfassen wir als denkende und handelnde Menschen. Indem wir diesen Begriff erfassen, erfassen wir zugleich die Begriffspaare Weg und Ziel, Mittel und Zweck, Ursache und Wirkung, Anfang und Ende und damit auch die Begriffe Wert, Gut, Tausch, Preis, Kosten. Sie alle sind notwendigerweise mitgedacht im Begriffe des Handelns und mit ihnen die Begriffe Werten, Rangordnung und Wichtigkeit, Knappheit und Überfluß, Vorteil und Nachteil, Erfolg, Gewinn und Verlust. 22f
Die Bürokratie
Die Begriffe Bürokrat, bürokratisch und Bürokratie sind eindeutig Schmähungen. Niemand nennt sich selbst einen Bürokraten oder seine eigenen Geschäftsmethoden bürokratisch. Diese Worte werden immer mit einem ehrenrührigen Unterton verwendet. Sie enthalten immer eine geringschätzige Kritik von Personen, Institutionen und Handlungsweisen. Niemand bezweifelt, daß Bürokratie von Grund auf schlecht ist und daß sie in einer vollkommenen Welt nicht existieren sollte.
Der ehrenrührige Sinn dieser Begriffe ist nicht auf Amerika und andere demokratische Länder beschränkt. Es ist eine universelle Erscheinung. Sogar in Preußen, dem Muster des autoritären Staates, wollte niemand als Bürokrat bezeichnet werden. Der „wirkliche geheime Oberregierungsrat“ des preußischen Königs war stolz auf seine Würde und auf die Macht, die sie verlieh. Die Ehrerbietung seiner Untergebenen und des Volkes waren Labsal für seine Eitelkeit. Er war erfüllt von der Idee seiner eigenen Wichtigkeit und Unfehlbarkeit. Doch er hätte es als freche Beleidigung angesehen, wenn jemand die Unverschämtheit besessen hätte, ihn einen Bürokraten zu nennen. Er war seiner Meinung nach kein Bürokrat, sondern ein Staatsbeamter, der Stellvertreter seiner Majestät, ein Funktionär des Staates, der sich Tag und Nacht dem Wohlergehen der Nation widmet. 19
Jeder scheint also der Auffassung zuzustimmen, daß die Bürokratie ein Übel ist. Doch niemand hat bislang den Versuch unternommen, in unzweideutiger Sprache zu bestimmen, was Bürokratie eigentlich bedeutet. Im allgemeinen wird das Wort lose gebraucht. Die meisten Leute würden in Verlegenheit kommen, wenn man sie nach einer genauen Definition und Erklärung fragen würde. 20
Wir behandeln hier Bürokratie als ein Prinzip der Verwaltungstechnik und der Organisation. Dieses Buch betrachtet Regeln und Beschränkungen nicht nur als Maßnahmen zum Schutz der Menschen und zur Sicherung der Bürgerrechte und der Freiheit, sondern als Maßnahmen zur Ausführung des Willens der obersten Behörde. In jeder Organisation ist es notwendig, die Machtbefugnisse der Untergebenen zu beschränken. Unsere Aufgabe ist es, den besonderen Charakter bürokratischen Wirtschaftens im Unterschied zur kaufmännischen Geschäftsführung zu untersuchen.
Bürokratisch heißt die Art der Geschäftsführung, die sich an genaue Regeln und Vorschriften halten muß, welche wiederum von der Autorität einer übergeordneten Person festgelegt werden. Die Aufgabe des Bürokraten liegt in der Ausführung dessen, was diese Regeln und Vorschriften ihm auftragen. Seine Freiheit, nach eigener, bester Überzeugung zu handeln, wird durch sie bedeutend eingeschränkt.
Privatwirtschaftlich bzw. gewinnorientiert heißt dagegen die Art des Wirtschaftens, die vom Gewinnmotiv bestimmt wird. Das Ziel privatwirtschaftlicher Geschäftsführung sind Gewinne. Ob dieses Ziel verwirklicht wird oder nicht, kann durch die Kostenrechnung ermittelt werden, und zwar nicht nur für das Gesamtunternehmen, sondern auch für jeden seiner Teile. Deshalb ist es möglich, Geschäftsführung und Verantwortlichkeit zu dezentralisieren, ohne die Einheit des Betriebs und das Erreichen seiner Ziele aufs Spiel zu setzen. Verantwortlichkeit kann aufgeteilt werden. Es ist nicht nötig, die Verfügungsfreiheit der Untergebenen durch Regeln und Vorschriften einzuschränken – bis auf die eine Regel, die allen Geschäftsaktivitäten zu Grunde liegt, nämlich, gewinnbringend tätig zu sein.
Die Ziele der öffentlichen Verwaltung können nicht in Geld bemessen und mit Wirtschaftsrechnung überprüft werden. Nehmen Sie als Beispiel ein auf nationaler Ebene operierendes Polizeisystem wie das F.B.I. Kein Maßstab ist bekannt, mit dessen Hilfe ermittelt werden könnte, ob die Ausgaben einer seiner regionalen oder örtlichen Zweige nicht übermäßig waren. Die Ausgaben einer Polizeiwache werden nicht durch ihre erfolgreiche Geschäftsführung gedeckt und verändern sich auch nicht im Verhältnis zum erzielten Erfolg. Wenn der Leiter der Gesamtbehörde es sich einfallen ließe, den ihm untergebenen Wachtmeistern bei der Geldausgabe freie Hand zu lassen, so wäre das Ergebnis ein großer Anstieg der Kosten, da jeder von ihnen eifrig bemüht wäre, den Dienst seiner Abteilung so weit wie möglich zu verbessern. Es würde für den leitenden Beamten unmöglich werden, die Ausgaben innerhalb der von den Volksvertretern zugewiesenen Grenze – oder überhaupt in irgendeiner Grenze – zu halten. Nicht aus kleinlicher Genauigkeit legen die Verwaltungsvorschriften fest, wieviel jedes kommunale Amt für Gebäudereinigung, Möbelreparaturen, Licht und Beheizung ausgeben darf. In einem privatwirtschaftlichen Konzern können solche Dinge ohne Zögern dem Ermessen des verantwortlichen örtlichen Leiters überlassen werden. Er wird nicht mehr als nötig ausgeben, da es gewissermaßen sein eigenes Geld ist; vergeudet er das Geld es Konzerns, gefährdet er den Filialgewinn und verletzt dadurch indirekt seine eigenen Interessen. Doch mit dem örtlichen Leiter einer Regierungsbehörde verhält sich das anders. Indem er mehr Geld ausgibt, kann er – häufig wenigstens – sein Ergebnis verbessern. Sparsamkeit muß ihm durch Reglementierungen auferlegt werden.
In der öffentlichen Verwaltung gibt es keinen Zusammenhang zwischen Einkünften und Ausgaben. Die öffentlichen Dienste geben Geld nur aus. Die unbedeutenden Einkünfte aus besonderen Quellen (z.B. aus dem Verkauf von Druckerzeugnissen der staatlichen Druckerei) sind mehr oder weniger nebensächlich. Die Einkünfte aus Zöllen und Steuern werden nicht vom Verwaltungsapparat „produziert“. Ihre Quelle ist das Gesetz, nicht das Handeln von Zollbeamten und Steuereintreibern. Es ist nicht das Verdienst eines Kassierers von Staatseinkünften, daß die Bewohner seines Bezirkes reicher sind und höhere Steuern zahlen, als die Bewohner anderer Bezirke. 59f
In der öffentlichen Verwaltung gibt es für Leistung keinen Marktpreis. Das macht es unerläßlich, öffentliche Ämter gemäß Prinzipien zu leiten, die völlig verschieden von denen sind, die unter Gewinnorientierung zur Anwendung kommen.
Nun sind wir in der Lage, eine Definition bürokratischen Wirtschaftens zu geben: Bürokratisches Wirtschaften ist die Methode zur Führung von Verwaltungsgeschäften, welche keinen Geldwert auf dem Markt haben. Man beachte, daß wir nicht sagen, daß die erfolgreiche Handhabung öffentlicher Angelegenheiten keinen Wert besitzt, sondern, daß ihr Wert nicht durch Markttransaktionen ersichtlich wird und daß er konsequenterweise nicht in Geldbegriffen ausgedrückt werden kann. 60f
Die Gesellschaft gibt Geld für die Unterhaltungskosten der Behörden, für die Bezahlung von Gehältern und Löhnen und für den Erwerb der benötigten Ausrüstungsgegenstände und Materialien aus. Doch was sie für die Ausgaben erhält, nämlich die geleisteten Dienste, kann nicht in Geldbegriffen abgeschätzt werden, wie wichtig und wertvoll dieser „Ertrag“ auch immer sein mag. Seine Bewertung hängt vom Ermessen des Staates ab.
Es stimmt, daß die Bewertung der verschiedenen auf dem Markt verkauften und erworbenen Waren nicht weniger von Gutdünken – nämlich vom Gutdünken der Verbraucher – abhängig ist. Doch da die Verbraucher eine große Masse verschiedener Menschen sind, ein anonymes, formloses Aggregat, gerinnen die Urteile, die sie fällen, in ein unpersönliches Phänomen – den Marktpreis – und sind so von ihrem willkürlichen Ursprung gelöst. Außerdem beziehen sich ihre Urteile auf Waren und Dienstleistungen als solche und nicht auf deren Produzenten. In der gewinnorientierten Wirtschaft ist das Verhältnis von Verkäufer und Käufer genau wie die Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine reine Frage der Tatsachen und unpersönlich. Es handelt sich um ein Geschäft, aus dem beide Seiten einen Vorteil ziehen. Sie tragen gegenseitig zum Überleben des anderen bei. Aber in einer bürokratischen Organisation ist es anders. Dort ist die Bindung zwischen Vorgesetzen und Untergebenen eine persönliche. Der Untergebene ist vom Urteil des Vorgesetzten über seine Person – nicht über seine Arbeit – abhängig. 65f
Nationalökonomie. Theorie des Handelns und Wirtschaftens
Da alles Handeln auf die Zukunft gerichtet ist, mag es auch mitunter nur die allernächste Zukunft sein, wird es durch alle Veränderungen der Daten, die in der Zeitspanne zwischen seinem Einsatz und seiner Auswirkung eintreten, berührt. Jedes Handeln ist in diesem Sinne Spekulation; der Erfolg jedes Handelns wird durch die Veränderung der Daten beeinflusst. Das gilt für Robinson, den hypothetischen isolierten Wirt, geradeso wie für jeden Wirt in der Marktwirtschaft oder für die Wirtschaft eines sozialistischen Gemeinwesens. 246
Die Unternehmerfunktion liegt im Einsatz der Produktionsmittel für die Produktion, somit für die Zukunft, und das Unternehmerrisiko entstammt der Ungewissheit, die über die künftige Marktlage herrscht. 247
Wenn die Nationalökonomie vom Unternehmer spricht, dann hat sie den Wirt im Hinblick auf die Veränderungen der Marktlage im Auge. Wenn sie vom Kapitalisten und vom Grundbesitzer spricht, dann hat sie den Wirt im Hinblick auf jene Wertveränderungen im Auge, die sich auf dem Markte auch ohne Veränderung der Daten und der Marktlage […] ergeben. Wenn sie vom Arbeiter spricht, dann hat sie den Wirt als Verkäufer von Arbeitsleistung im Auge. Wenn die Nationalökonomie so vorgeht, dann hat sie die Marktwirtschaft funktionell gegliedert; jede Funktion erscheint in einem besonderen Träger verkörpert. Der Unternehmer erzielt Unternehmergewinne oder erleidet Unternehmerverluste, der Eigentümer von Produktionsmitteln bezieht Urzins, der Arbeiter empfängt Lohn. […]
Die Nationalökonomie bedient sich jedoch des Ausdrucks Unternehmer noch in einem andern Sinne als in dem, der ihm im Gedankenbild der funktionell gegliederten Marktwirtschaft zukommt. Sie bezeichnet als Unternehmer auch jene Wirte, die es sich zur besonderen Aufgabe machen, aus den Veränderungen der Marktlage zu profitieren, jene unternehmenderen Wirte, die, weiterblickend und wagemutiger als die anderen Wirte, besonders darauf bedacht sind, Unternehmergewinne zu erzielen. Von dem Unternehmerbegriff, der dem Gedankenbilde der funktionell gegliederten Marktwirtschaft eingefügt ist, unterscheidet sich dieser Begriff durch den engeren Umfang; er schließt viele Wirte nicht ein, die jener umfasst. Er kann auch nicht streng als praxeologischer Begriff abgegrenzt werden. Dennoch kann die Nationalökonomie auf ihn nicht verzichten. Denn er bezieht sich auf einen Tatbestand, der allem Handeln in der Marktwirtschaft als Datum gesetzt ist, und dem man in der Behandlung aller nationalökonomischen Probleme Rechnung zu tragen hat. Das ist der Tatbestand, dass die einzelnen Wirte auf die Veränderung der Daten nicht gleichzeitig und nicht in der gleichen Weise reagieren. Die natürliche (angeborene) und die durch die Verschiedenheit der im Leben gemachten Erfahrungen und erlittenen Schicksale erworbene Ungleichheit der Einzelnen tritt auch hierin hervor. Es gibt Menschen, die sich schneller und besser den Veränderungen der Marktlage anzupassen wissen, es gibt auch auf dem Markte unter den Wirten solche, die vorausschreiten, und solche, die nachfolgen; es gibt auch hier Führer und Geführte. Das Getriebe der Marktwirtschaft wird durch die unternehmenderen Wirte, die man kurz die Unternehmer nennt, in Gang gesetzt und in Gang erhalten. 248f
Die Ungewissheit, die über die künftige Marktlage herrscht, gibt der Unternehmertätigkeit ihren Spekulationscharakter; aus ihr fließen Unternehmergewinn und Unternehmerverlust. 265 Die Auslese des Marktes bildet keine Stände, Kasten oder Klassen im marxistischen Sinne. Auch die Unternehmer – unternehmungslustigsten Wirte – bilden keine besondere geschlossene Gruppe. Jeder Einzelne kann Unternehmer werden, wenn er sich die Gabe zutraut, die künftige Gestaltung der Marktlage besser vorauszusehen als seine Mitbürger, und wenn seine Versuche, sich auf eigene Gefahr und Verantwortung zu betätigen, Erfolg haben. Man wird Unternehmer, indem man sich – im vollen Sinne des Wortes – vordrängt und damit der Prüfung stellt, der der Markt ohne Ansehung der Person jeden unterwirft, der Unternehmer werden oder bleiben will. Jedermann hat die Wahl, ob er sich diesem strengen Prüfungsverfahren aussetzen will oder nicht. Er hat nicht darauf zu warten, dass man ihn dazu auffordert; er muss selbst aus eigenem Antrieb vortreten und muss sich selbst darum kümmern, wie und wo er die Mittel für die Betätigung als Unternehmer finden kann. 272f
Was den Unternehmer von den übrigen Wirten unterscheidet, ist gerade, dass er sich in seinem Handeln nicht durch das bestimmen lässt, was war und ist, sondern allein durch das, was seiner Meinung nach sein wird. Er sieht, wie alle übrigen Menschen, die Vergangenheit und die Gegenwart; doch er sieht die Zukunft anders als sie. Den Antrieb zum Handeln gibt ihm seine, von den Meinungen seiner Mitbürger abweichende Erwartung über die Gestaltung der Zukunft. Dass er von der Zukunft eine andere Auffassung hat als die Mitmenschen, dass er die Produktionsmittel anders bewertet, als sie sie bewerten, scheint ihm eine Quelle von Gewinnen zu erschließen, die er nutzen will. 531
Der Begriff der Gegenwart gehört nur dem praxeologischen Denken an. Zu den Begriffen Vergangenheit und Zukunft vermag auch das naturwissenschaftliche Denken zu führen, zum Begriff der Gegenwart als Dauer führt nur das Denken der Praxeologie. Die Gegenwart als Dauer ist das Andauern der dem Handeln gegebenen Bedingungen. 79
Die Produktion erscheint uns nicht als ein Materielles, sondern als ein Geistiges. Nicht dass Dinge der Außenwelt und menschliche Arbeit kombiniert werden, sondern dass sie durch die Vernunft als Mittel zur Erreichung von Zwecken verwendet werden, macht ihr Wesen aus. Nicht dass einer sich plagt und Arbeitsleid auf sich nimmt, führt den Erfolg herbei, produziert das Produkt; das Entscheidende ist, dass er im Plagen und Mühen den Geboten der Vernunft folgt. […] Der Mensch produziert kraft seiner Vernunft; er setzt den Zweck und setzt die Mittel ein, um den Zweck zu erreichen. Man konnte das nicht ärger missdeuten als durch die landläufige Behauptung, die Nationalökonomie hätte es mit der materiellen Seite des Menschen zu tun. Das menschliche Handeln ist ein Geistiges. In diesem Sinne ist die Praxeologie Geisteswissenschaft. 113f
Das Rechnen im Handeln ist an eine Reihe von gesellschaftlichen Voraussetzungen geknüpft. Es muss Arbeitsteilung und Sondereigentum an den Produktionsmitteln bestehen, und die Güter aller Güterordnungen und die Dienstleistungen müssen auf dem Markte durch Vermittlung eines allgemein gebräuchlichen Tauschmittels, des Geldes, umgesetzt werden. 218
Schließlich hat man geglaubt, den Begriff Nachfrage nach Geld aus folgenden Erwägungen als unbrauchbar ablehnen zu müssen: Der Grenznutzen des Geldes sinke beträchtlich langsamer als der aller übrigen wirtschaftlichen Güter, ja, er sinke so langsam, dass man sein Sinken praktisch unberücksichtigt lassen dürfe. Vom Geld sage niemand, dass er davon genug habe, und niemand verzichte praktisch darauf, mehr Geld zu erwerben, wenn die Gelegenheit sich bietet. Die Nachfrage nach Geld könne daher nicht als eine begrenzte Nachfrage angesehen werden; die Vorstellung einer unbegrenzten Nachfrage sei aber sinnlos. In diesem Gedankengang steckt jedoch ein krasser Denkfehler; er verwechselt die Nachfrage nach Geld für die Kassenhaltung mit dem – in Geld ausgedrückten – Begehren nach reichlicherer Ausstattung mit wirtschaftlichen Gütern aller Art. 364
Handeln muss immer und ausnahmelos Befriedigung in einem näher gelegenen Zeitabschnitt höher schätzen als Befriedigung gleicher Art und Stärke in einem ferner gelegenen gleichlangen Zeitabschnitt. Täte es das nicht, dann könnte es nie dazu gelangen, sich für eine Befriedigung 10 zu entscheiden. Wer verbraucht oder gebraucht, wer Unbefriedigtsein durch sein Handeln in größerem oder geringerem Umfange zu beheben sucht, muss darin immer Befriedigung in einem näher gelegenen Zeitabschnitt der in einem ferner gelegenen Zeitabschnitt vorziehen. Wer verzehrt und genießt, hat damit eine Wahl zwischen Befriedigung im nächsten Zeitabschnitt und Befriedigung in einem ferneren Zeitabschnitt getroffen und die frühere Befriedigung vorgezogen. Würde er anders entscheiden, würde er nicht die frühere Befriedigung der späteren vorziehen, könnte er nie zum Genuss kommen. Er könnte auch morgen nicht verzehren und genießen, weil auch die Entscheidung zwischen dem nun zum Heute gewordenen Morgen und dem zum Morgen gewordenen Übermorgen die Höherwertung der früheren Befriedigung gegenüber der späteren Befriedigung verlangt, wenn nicht ein neuer Aufschub des Genusses eintreten soll. 443f
Die Konjunktur bricht ab, wenn die Vermehrung der Geldmenge und der Zustrom zusätzlicher Mittel auf den Geldmarkt ihr Ende erreichen. Doch sie könnte auch dann nicht endlos weitergehen, wenn die Inflation und die Kreditexpansion endlos fortgesetzt werden würden.
Der Ausgangspunkt aller geldtheoretischen Überlegungen muss immer die Erkenntnis bleiben, dass die Veränderungen der Preise, Löhne und Zinssätze, die durch Verschiebungen des Geldstands ausgelöst werden, nicht gleichzeitig und nicht gleichmäßig erfolgen. Diese Einsicht ist das Um und Auf der Geldtheorie. Würden die Veränderungen im Geldstande sofort und mit einem Schlage alle Preise und Löhne im gleichen Ausmaße heben oder senken, dann wäre das Geld neutral und die Veränderungen des Geldstandes würden das Gefüge der Wirtschaft, würden Verbrauch und Produktion und die Eigentumsverhältnisse nicht berühren. Auch der Zinssatz würde dann vom Gelde nicht – auch nicht vorübergehend – beeinflusst werden können. […] Die unmittelbare Wirkung der Geldmengenvergrößerung ist eine doppelte. Sie führt auf der einen Seite zu einer Steigerung des Konsums, soweit die Nutznießer, d.h. die, denen die zusätzliche Geldmenge zuerst zufließt, ihren Verbrauch erhöhen. Sie führt auf der anderen Seite zu erhöhter Investitionstätigkeit, soweit die Nutznießer sparen und dadurch das Angebot von Geld auf dem Darlehensmarkte erhöhen. Das Charakteristische des Grenzfalles, den wir betrachten, ist das, dass der gesamte zusätzliche Geldbetrag zunächst für Erweiterung der Versorgung künftigen Bedarfs ausgegeben wird und dass er zur Steigerung des Konsums im Anfange nur auf dem Wege über die Lohnsteigerung führt. Die zusätzliche Geldmenge gelangt in solcher Weise in das Wirtschaftsgefüge, dass ihre erste Wirkung in der durch die Verfälschung der Rentabilitätsrechnung hervorgerufenen Erweiterung der Produktion besteht. Es werden durch die Unternehmer die Produktionsprozesse verlängert, es werden Produktionsmittel – sachliche und persönliche – in Verfahren gesteckt, in denen sie erst später ein konsumreifes Produkt zu liefern vermögen. Nun ist aber die Menge der zur Verfügung stehenden Produktionsmittel und der zur Verfügung stehenden wirtschaftlichen Güter überhaupt nicht vergrößert worden. Auch der Verbrauch ist nicht eingeschränkt worden […]: die Produktion ist so umgestaltet worden, dass sie erst später zu einem konsumreifen Ergebnis führt, ohne dass die Nachfrage nach konsumreifen Gütern für die Zwischenzeit nachgelassen hätte. Wohl muss das die Preise der Konsumgüter in die Höhe treiben und damit den Konsum drosseln, also die Bedingungen, die zum erzwungenen Sparen führen können, in erhöhtem Masse setzen. Doch das Hinaufgehen der Genussgüterpreise verstärkt auch zugleich die Tendenzen, die die Unternehmer zu einer Erweiterung der Produktion (Verlängerung der Produktionsprozesse) treiben. Sie glauben nun den Beweis dafür zu besitzen, dass ihr Verhalten richtig ist, d.h. der Marktlage entspricht und rentabel ist. Sie suchen daher ihre Investitionstätigkeit zu erweitern, ihren Geschäften einen größeren Umfang zu geben und treiben die Preise der Produktionsmittel und damit auch die Löhne und die Preise der Genussgüter weiter hinauf; all das unter der Voraussetzung, dass der weitere Zufluss von zusätzlichem Geld zum Darlehensmarkt anhält. […] Die Produktionsmittel, die den neuen Geschäften zugeführt werden, können nicht anders aufgebracht werden als dadurch, dass man sie anderen Verwendungen entzieht. Zwischen den Unternehmern entbrennt ein Preiskampf 11 um die Produktionsmittel. 505ff
Das Wesen der Hausse liegt nicht in einem Übermaß der Investition, sondern in Investition am unrechten Orte. 509
Man geht so vor, wie ein Baumeister, der mit einer begrenzten Menge von Baumaterial und Arbeit einen Bau aufführen will und sich dabei verrechnet hat. Man legt die Fundamente zu groß an, verbraucht schon für die Fundamente den ganzen verfügbaren Bestand an Produktionsmitteln und kann dann nicht weiterbauen. Das ist nicht Überinvestition: man hat dabei nicht mehr verbaut, als man verhauen konnte; man hat das verfügbare Material falsch verwendet. 510
Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik
Nach dem Vorgang von Wicksell nennen wir jenen Zinssatz, der durch Nachfrage und Angebot festgestellt werden würde, wenn die Realkapitalien ohne Vermittlung des Geldes in natura dargeliehen würden, den natürlichen Kapitalzins, und jenen Zinssatz, der für Darlehen, die in Geld oder Geldsurrogaten bestehen, verlangt wird, den Geldzins. 46
Die allgemeine Preissteigerung bewirkt, daß alle Geschäfte mehr Mittel beanspruchen, als bei ihrem Eingehen […] berechnet wurde. Um sie durchzuführen, werden neue Mittel benötigt. Die von den Banken ausgegebene zusätzliche Menge von Umlaufsmitteln ist aber bereits erschöpft. Weiteren Ansprüchen können die Banken daher nicht mehr Genüge leisten; sie müssen daher mit dem Leihsatz wieder in die Höhe gehen, einmal, weil das Auftreten der positiven Preisprämie sie gezwungen hat, für fremde Gelder, die sie hereinnehmen, höhere Zinsen zu zahlen, dann aber auch, um zwischen den Kreditanträgen eine Auswahl treffen zu können. Diesen erhöhten Zinssatz können nicht alle Unternehmungen tragen; die, die es nicht können, geraten in Schwierigkeiten. 51
Die Krise bricht erst aus, bis die Banken ihr Verhalten ändern und zumindest die weitere Neuausgabe von Umlaufsmitteln und das Unterbieten der Zinssätze einstellen oder gar zur Einschränkung des Zirkulationskredits schreiten. 50f
Es ist also nicht zu vermeiden, daß früher oder später durch eine Wendung in dem Verhalten der Banken die Krise zum Ausbruch kommen muß. Je später nun die Krise ausbricht, je länger die Periode war, in der durch die Ausgabe zusätzlicher Umlaufsmittel die Kalkulation der Unternehmer irregeleitet war, und je größer diese zusätzliche Menge gewesen war, desto mehr Produktionsmittel wurden in der Zwischenzeit in Verwendungen festgerannt, die nur unter der Herrschaft des künstlich ermäßigten Zinsfußes als rentabel schienen und sich nun, da der Zinsfuß wieder gestiegen ist, als unrentabel erweisen. Durch verfehlte Kapitalanlage sind große Verluste entstanden. 52
Papiergeldinflationen zeigen keine Regelmäßigkeit der Wiederkehr. Sie entspringen im allgemeinen einer bestimmten Lage der Politik und nicht irgendwelchen Vorgängen innerhalb der Wirtschaft. Nur soviel kann man mit Bestimmtheit sagen, daß ein Staat, der die Inflationspolitik bis zum Ende oder doch sehr weit getrieben hat, nicht sobald wieder die Möglichkeit hat, sich dieses Mittels mit Erfolg zur Behebung seiner finanziellen Schwierigkeiten zu bedienen. Die durch die Erfahrung mißtrauisch gewordene Bevölkerung würde der Erneuerung des Inflationsversuches Widerstand entgegenstellen, man würde die Noten zurückweisen oder doch gleich von allem Anfang nur mit jenem, der schon eingetretenen Vermehrung ihrer Menge weit vorauseilenden Disagio nehmen, das die letzten Phasen der Inflationszeit kennzeichnet. So müßte der Versuch entweder ganz mißglücken oder sehr schnell zum katastrophalen Ende führen. Man kann annehmen – und die Währungsgeschichte bestätigt es, widerlegt es zumindest nicht -, daß ein neues Geschlecht heranwachsen muß, ehe man wieder daran denken kann, durch die Notenpresse den Staatsfinanzen aufzuhelfen. Manche Staaten haben niemals Papierinflationismus betrieben, manche haben nur einmal in ihrer bisherigen Geschichte dazu gegriffen. Doch selbst die klassischen Staaten des Notendrucks haben das Experiment nicht allzu oft wiederholt. Österreich hat nach der Bankozettelwirtschaft der napoleonischen Zeit fast ein Menschenalter gewartet, bis es wieder anfing – in bescheidenerem Umfang als zu Beginn des 19. Jahrhunderts – Inflationspolitik zu treiben, und zwischen dem Ende seiner zweiten und dem Beginn seiner dritten und letzten Inflationsperiode lag wieder fast ein halbes Jahrhundert. Nirgends kann man von einer zyklischen Wiederkehr von Papiergeldinflationen sprechen. 55f
Daß diese Bemühungen immer wieder ungeachtet ihrer allgemein beklagten Folgen aufgenommen werden, so daß sich Konjunkturwelle an Konjunkturwelle reiht, ist auf das Vorherrschen einer Ideologie zurückzuführen, die in aufsteigenden Warenpreisen und ganz besonders in niedrigem Stand des Zinsfußes ein Ziel der Wirtschaftspolitik erblickt und der Meinung ist, auch dieses zweite Ziel durch Erweiterung der Umlaufsmittelausgabe erreichen zu können. Man beklagt die Krise und man beklagt die Depression, doch weil man den Kausalzusammenhang zwischen dem Vorgehen der Umlaufsmittelbanken und den beklagten Übeln unrichtig beurteilt, fördert man eine Zinspolitik, die notwendigerweise letzten Endes wieder zu Krise und Depression führen muß. 59f
Die letzte Wurzel der Erscheinung, daß Konjunkturwelle auf Konjunkturwelle folgt, ist mithin ideologischer Natur. Solange man glaubt, den Zinssatz durch Bankpolitik und nicht durch Kapitalbildung senken zu können, werden sie nicht verschwinden. 60
Der mäßige Zinsfuß soll die Produktion anregen, doch keine Börsenhausse bewirken. Nun steigen aber zunächst die Effektenkurse, die Warenpreise aber werden anfangs noch nicht vom Aufschwung erfaßt. Es gibt Börsenhausse und Börsengewinne, doch der „Produzent“ ist noch unbefriedigt und neidet dem „Spekulanten“ den „leichten Verdienst“. Daher sind die Machthaber mit dem Stand der Dinge nicht einverstanden. Das Geld, das der Börse zuströmt, fehle, meinen sie, der Produktion. Überdies berge gerade eine Börsenhausse große Krisengefahr. Darum will man der Börse das Geld entziehen, um es der „Volkswirtschaft“ zuzuführen. […] Wir sehen also, was es zu bedeuten hat, wenn die Zentralnotenbank die Herrschaft auf dem Geldmarkt anstrebt: entweder soll die Erweiterung des Zirkulationskredits von den Schranken befreit werden, an denen sie sich schließlich doch brechen muß, oder aber es soll durch besondere Maßnahmen bewirkt werden, daß die Hausse anders ablaufe, als sie ablaufen muß. Das Schlagwort von der Beherrschung des Geldmarktes hat also gerade Förderung der Haussepolitik, die in die Krise enden muß, im Auge. Wenn man Konjunkturpolitik zur Ausschaltung der Krisen treiben will, muß man darauf verzichten, den Geldmarkt beherrschen und unterjochen zu wollen. 77
Daß jede Hausse einmal ihr Ende finden muß, ist allbekannt. Für den Kaufmann aber kommt es darauf an, genau zu wissen, wann der Umschlag eintreten wird und wo zuerst. Diese Fragen kann kein Wirtschaftsbarometer beantworten. Es gibt nur Daten, aus denen man Schlüsse ziehen kann. Und da es den Zentralnotenbanken durch die Diskontpolitik immerhin möglich ist, den Eintritt der Katastrophe hinauszuschieben, so kommt es besonders darauf an, sich ein Urteil zu bilden über das Verhalten dieser Stellen. Da versagen begreiflicherweise alle verfügbaren Daten.
Wenn aber einmal die öffentliche Meinung vollkommen von der Auffassung beherrscht ist, daß die Krise unmittelbar bevorsteht, und wenn die Kaufleute darnach ihr Verhalten einrichten, dann ist es schon zu spät, aus diesem Wissen geschäftlichen Gewinn zu ziehen oder auch nur Verluste zu vermeiden. Denn dann bricht die Panik aus, dann ist die Krise schon da. 80
Das wichtigste Erfordernis aller Konjunkturpolitik, mag sie in der Zielsetzung noch so bescheiden sein, lautet: Verzicht auf jeden wie immer gearteten Versuch, den Zinssatz, der sich auf dem Markte bildet, durch bankpolitische Maßnahmen herabzudrücken. Das heißt also: Rückkehr zu dem (jedoch durch Einbeziehung der in Gestalt von Kassenführungsguthaben ausgegebenen Umlaufsmittel, dem Stande unserer Erkenntnis entsprechend, erweiterten) Programm der Currency-Schule, das alle künftige Ausdehnung des Zirkulationskredits und mithin alle weitere Schaffung von Umlaufsmitteln verbieten will. Die Banken werden verpflichtet, den Gegenwert der ausgegebenen Noten und eröffneten Kassenführungsguthaben, von dem absoluten Betrag, der schon heute metallisch nicht gedeckt ist, abgesehen, stets metallisch voll zu decken. Das würde eine vollkommene Neuordnung der Gesetzgebung über die Zentralnotenbanken bedeuten, die zu den Grundsätzen der Peelschen Bankakte, deren Bestimmungen aber nun auch auf die Giroguthabungen auszudehnen wären, zurückkehren müßte. 81
Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel

Wir wollen jenes Geld, das zugleich eine Ware im Sinne der Warenkunde ist, Sachgeld, jenes Geld hingegen, das aus juristisch besonders qualifizierten Stücken hergestellt, keine technologischen Besonderheiten aufweist, Zeichengeld nennen. Als dritte Kategorie wollen wir mit der Benennung Kreditgeld jenes Geld bezeichnen, welches ein Forderungsrecht gegen irgendeine physische oder juristische Person beinhaltet. Diese Forderung darf jedoch nicht jederzeit fällig und sicher sein; in diesem Falle könnte zwischen ihrem Werte und dem der Geldsumme, auf den sie lautet, keine Differenz entstehen, sie könnte nicht von den am Verkehre teilnehmenden Individuen zum Objekte einer besonderen Wertschätzung gemacht werden. Die Fälligkeit der Forderung muß vielmehr zeitlich irgendwie hinausgeschoben sein. Daß Zeichengeld prinzipiell möglich ist, wird kaum bestritten werden können; seine Existenzmöglichkeit ergibt sich aus dem Wesen der Geldwertgestaltung. Eine andere Frage ist es, ob Zeichengeld jemals in der Geschichte bereits vorgekommen ist. Man kann diese Frage nicht ohne weiteres bejahen. Die weitaus überwiegende Mehrheit jener Geldtypen, welche nicht unter die Kategorie des Sachgeldes fallen, ist unzweifelhaft dem Kreditgelde zuzurechnen. […] Diese Terminologie dürfte zweckmäßiger sein als die allgemein übliche; sie scheint die Wertgestaltungseigentümlichkeiten der einzelnen Geldtypen deutlich zum Ausdrucke zu bringen. Sie ist zweifellos korrekter als die beliebte Unterscheidung zwischen Hartgeld und Papiergeld. Unter Hartgeld werden außer dem Metallgelde auch die Scheidemünzen und solche Münzen, wie die deutschen Taler es von 1873-1907 waren, verstanden, unter Papiergeld meist nicht nur das aus Papier hergestellte Zeichengeld und Kreditgeld, sondern auch einlösliche Staats- und Banknoten. Diese Terminologie stammt aus dem Sprachgebrauche der Laien. Sie war ehemals, als das „Hartgeld“ noch öfter als heute Geld war, vielleicht etwas weniger unzutreffend, als sie es jetzt ist. Sie entsprach auch – oder entspricht auch noch – dem naiven und unklaren Wertbegriffe des Volkes, das in den Edelmetallen „an sich wertvolle“ Objekte, in dem papierenen Kreditgelde immer eine Anomalie sieht. Wissenschaftlich ist sie völlig wertlos und die Quelle unendlicher Mißverständnisse und Entstellungen. 45f
Wenn der Staat Kreditgeld schafft – und in noch höherem Maße würde dies naturgemäß von der Schaffung von Zeichengeld gelten – dann kann er dies nur in der Weise tun, daß er Objekte, welche im Verkehre bereits an Stelle des Geldes als jederzeit in Geld einlösliche sichere Forderungen, also als Geldsurrogate, umlaufen, durch Beseitigung der den Grundzug ihres Charakters bildenden Eigenschaft der jederzeitigen Einlösbarkeit zum Gegenstande selbständiger Bewertung macht. Andernfalls würde sich der Verkehr gegen die Aufdrängung eines staatlichen Kreditgeldes zweifellos wehren. Sicher ist, daß es bisher niemals gelungen ist, Kreditgeld unmittelbar in den Verkehr zu bringen, ohne daß die fraglichen Stücke vorher im Verkehre als Geldsurrogate zirkuliert hätten. 68f
Heute beruht der Wert des Goldes, des Geldstoffes unserer Zeit κατ έξοχήν, auf den beiden Verwendungsmöglichkeiten, auf der zu Geldzwecken und auf der zu industriellen Zwecken. 104
Die Vermehrung der Geldmenge in der Volkswirtschaft bedeutet immer eine Erhöhung des Geldeinkommens einer Anzahl von Wirtschaftssubjekten; sie muß aber nicht unbedingt zugleich auch eine Vermehrung des der gesamten Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Gütervorrates, nicht eine Erhöhung des Volkseinkommens bedeuten. Die Vermehrung des Zeichen- oder Kreditgeldes ist nur dann auch als Vergrößerung der der Volkswirtschaft zur Verfügung stehenden Gütervorräte anzusehen, wenn dadurch einem Verkehrsbedürfnis Genüge getan wird, das sonst anderweitig durch Sachgeld befriedigt worden wäre. Denn der Geldstoff für das Sachgeld hätte durch die Hingabe anderer Güter im Wege des Tausches beschafft oder unter Verzicht auf eine bestimmte andere Produktion hergestellt werden müssen. Hätte hingegen das Unterbleiben der Neuausgabe von Zeichen- oder Kreditgeld zu keiner Vermehrung des Sachgeldes geführt, dann kann in der Geldvermehrung eine Vermehrung des Volksvermögens oder des Volkseinkommens nicht erblickt werden. Die Vermehrung des Geldvorrates der Volkswirtschaft bedeutet also stets eine Vermehrung des Geldbesitzes, des Vermögens einer Anzahl von Wirtschaftssubjekten; diese können entweder die Emittenten des Zeichen- oder Kreditgeldes oder die Produzenten des Geldstoffes für das Sachgeld sein. Überdies wird bei diesen Personen das Verhältnis zwischen Geldbedarf und Geldvorrat verschoben; sie haben verhältnismäßig Überfluß an Geld, verhältnismäßig Mangel an anderen wirtschaftlichen Gütern. Die nächste Folge beider Umstände ist die, daß der Grenznutzen der Geldeinheit für die betreffenden Wirtschaftssubjekte sinkt. Das muß ihr Verhalten auf dem Markte beeinflussen. Sie sind „tauschfähiger“, „kaufkräftiger“ geworden. Sie müssen nun auf dem Markte ihre Nachfrage nach den Gegenständen ihres Bedarfes stärker zum Ausdruck bringen als bisher; sie können mehr Geld für die Waren bieten, welche sie zu erwerben wünschen. Es wird die selbstverständliche Folge davon sein, daß die betreffenden Güter im Preise steigen werden, daß der objektive Tauschwert des Geldes ihnen gegenüber sinkt. Die Preissteigerung auf dem Markte bleibt aber keineswegs auf jene Güter beschränkt, nach denen sich der Begehr der ersten Besitzer des neuen Geldes richtet. Auch diejenigen, die diese Güter zu Markte gebracht haben, sehen ja ihr Einkommen und ihren verhältnismäßigen Geldvorrat vergrößert und sind ihrerseits wieder in der Lage, nach den Gütern ihres Bedarfes eine stärkere Nachfrage zu entfalten, so daß auch diese Güter im Preise steigen. So setzt sich die Preissteigerung, sich dabei verflachend, solange fort, bis alle Waren, die einen in stärkerem, die anderen in schwächerem Maße, von ihr erfaßt sind. Nicht für alle Individuen bedeutet die Geldvermehrung auch eine Einkommensvermehrung. Diejenigen Schichten der Gesellschaft, an die die zusätzliche Geldmenge zuletzt gelangt, erfahren vielmehr eben im Gefolge der durch die Geldvermehrung hervorgerufenen Geldwertverminderung eine Einkommensschmälerung […]. 150ff
Zunächst ist festzustellen, daß es ein Müßigliegen des Geldes im volkswirtschaftlichen Sinne überhaupt nicht gibt. Alles Geld, gleichviel ob es gerade in den Kassen (im weitesten Sinne des Wortes) ruht oder in Bewegung ist, d. h. im Augenblicke der Betrachtung gerade seinen Eigentümer wechselt, ist in gleicher Weise dem Gelddienste gewidmet. Da ein Geldstück, das im Tausche hingegeben wird, von der Verfügungsgewalt des einen Kontrahenten in die des anderen unvermittelt übergeht und kein Zeitraum ermittelt werden kann, in dem es gerade in Bewegung ist, so sehen wir alles Geld als Geldvorrat bei irgendwelchen Individuen ruhen. Der Geldvorrat der Volkswirtschaft ist die Summe der Geldvorräte der Einzelwirtschaften; wanderndes Geld, das auch nur vorübergehend nicht einen Teil eines einzelwirtschaftlichen Geldvorrates bilden würde, gibt es nicht. Alles Geld liegt in den Einzelwirtschaften für voraussichtliche zukünftige Verwendung bereit. Gleichgültig ist, ob der Zeitpunkt des nächsten Geldbedarfes, in dem das fragliche Geld ausgegeben werden wird, früher oder später eintritt. 161
Wieser spricht von dem Städter, der auf das flache Land zum Sommeraufenthalte zu gehen pflegt und gewohnt ist, dort stets billige Preise zu finden. Eines Jahres aber, als er wiederkehrt, findet er, daß alle Preise auf einmal höher geworden sind; das Dorf ist mittlerweile in den Geldverkehr einbezogen worden, die Bauern verkaufen ihre Milch, ihre Eier, ihr Geflügel in die Stadt, sie fordern nun auch von den Sommergästen die höheren Preise, die sie dort zu erhalten hoffen. Aber das, was Wieser hier schildert, ist nur die eine Hälfte des Prozesses. Die andere Hälfte spielt in der Stadt, wo Milch, Eier und Geflügel, die aus dem neu für die Versorgung der Bürger erschlossenen Dorfe auf den Markt kommen, eine Tendenz zur Preisermäßigung auslösen. Die Einbeziehung eines bis dahin naturalwirtschaftlichen Gebietes in den Tauschverkehr bringt keine einseitige Preiserhöhung mit sich, sondern eine Ausgleichung der Preise. Die entgegengesetzte Wirkung müßte eine jede Einengung des Tauschverkehres hervorrufen; ihr würde die Tendenz innewohnen, die Preisdifferenzen zu erhöhen. 179
Beim Abschlusse von langfristigen auf Geld lautenden Verträgen fehlt den Kontrahenten regelmäßig das Bewußtsein, daß es ein Spekulationsgeschäft ist, das sie eingehen. Die Vorstellung, daß das Geld „wertstabil“ sei, daß es keinen Schwankungen des objektiven Tauschwertes, oder zumindest nicht des inneren objektiven Tauschwertes unterliege, leitet die Individuen in ihrem wirtschaftlichen Handeln. Dies wird am klarsten, wenn man die Stellung, die die Rechtssysteme dem Probleme des objektiven Tauschwertes des Geldes gegenüber einnehmen, betrachtet. Der Rechtsordnung gilt das Geld als wertstabil. […] Für die ältere Zeit knüpft sich daran die Frage, ob für das rechtliche Wesen des Geldes der landesherrliche Stempel oder der Gehalt der Münze maßgebend sei, für die spätere, ob für die rechtliche Zahlkraft des Geldes der Befehl des Gesetzes oder die Übung im freien Verkehre entscheidend sei. Die Antwort, die das auf dem Boden des Privateigentums und des Schutzes erworbener Rechte fußende allgemeine Rechtsbewußtsein erteilt, lautet in beiden Fällen gleich: Prout quidque contractum est, ita et solvi debet; ut cum re contraximus, re solvi debet, veluti cum mutuum dedimus, ut retro pecuniae tantundem solvi debeat. Daß hier unter Geld nur dasjenige anzusehen sei, was zur Zeit des Verkehrsabschlusses als solches galt, daß die Schuld nicht nur in jenem Metall, sondern auch in jener Münzsorte zu zahlen sei, welche beim 16 Vertragsabschlusse ausbedungen worden war, ergab sich aus der volkstümlichen, von allen Kreisen der Bevölkerung, insbesondere aber auch von den Kaufleuten als allein richtig angesehenen Auffassung, daß das eigentliche Wesen der Münze ihr Metallgehalt sei und daß dem Stempel keine andere Bedeutung zukomme als die einer obrigkeitlichen Bestätigung eines bestimmten Schrot und Korns. Niemand fiel es ein, im Tauschverkehre die Münze anders zu behandeln als andere Stücke Metall von gleichem Gewicht und Gehalt. Es herrschte eben, woran kein Zweifel mehr zulässig ist, Sachgeldwährung. 238ff
Für die Tätigkeit der Banken als Kreditvermittler gilt die goldene Regel, welche verlangt, daß zwischen den Aktivgeschäften und den Passivgeschäften ein organischer Zusammenhang hergestellt werde. Der Kredit, den die Bank erteilt, soll nicht nur in Quantität, sondern auch in Qualität jenem Kredit entsprechen, den sie selbst in Anspruch nimmt. Genauer ausgedrückt: „Es darf der Termin für die fälligen Zahlungsverbindlichkeiten der Bank nicht diesseits des Termines für die Realisierung entsprechender Forderungen fallen.“ Nur dann kann sie die Gefahr der Insolvenz vermeiden. Ein gewisses Risiko bleibt freilich bestehen. 299f
Das Umlaufsmittel ist sohin charakterisiert als eine nicht durch Gelddepots gedeckte, jederzeit fällige Forderung auf Auszahlung eines bestimmten Geldbetrages, die vermöge ihrer rechtlichen und technischen Ausstattung geeignet ist, an Stelle des Geldes in Erfüllung von auf Geld lautenden Zahlungsverpflichtungen gegeben und genommen zu werden. 318
Die Darlehensgesuche, die an die Banken herantreten, sind nicht Gesuche um Überlassung von Geld, sondern um Überlassung von anderen wirtschaftlichen Gütern. Der Darlehenswerber sucht Kapital, nicht Geld; er sucht Kapital in Geldform, weil allein die Verfügung über Geld ihm die Möglichkeit bietet, auf dem Markte alle jene Realkapitalien zu erwerben, die er gerade benötigt. Die eigentümliche Erscheinung, deren Wesen dem Nationalökonomen seit mehr als hundert Jahren die schwierigsten Rätsel aufgegeben hat, besteht nun darin, daß das Bedürfnis der Kreditsucher nach Kapital von den Banken durch Ausgabe von Geldsurrogaten befriedigt wird; es ist klar, daß es sich dabei nur um eine vorläufige Befriedigung der Kapitalansprüche handeln kann. Aus dem nichts können die Banken kein Kapital ins Leben rufen; wenn die Umlaufsmittel den Begehr nach Kapital stillen, somit den Darlehensempfängern wirklich die Herrschaft über Kapitalgüter sichern, dann müssen wir uns erst nach der Quelle umsehen, aus der dieser Kapitalzufluß kommt. Es wird nicht besonders schwer sein, sie aufzudecken: Wenn die Umlaufsmittel als Geldsurrogate alle Dienste des Geldes leisten, wenn sie den Geldvorrat der Menschen im weiteren Sinne vermehren, dann muß ihre Ausgabe von entsprechenden Einwirkungen auf die Gestaltung des zwischen dem Gelde und den übrigen wirtschaftlichen Gütern bestehenden Austauschverhältnisses begleitet sein. Die Kosten der Kapitalbeschaffung für die Empfänger der in Umlaufsmitteln gewährten Darlehen tragen alle jene, welche durch die eintretenden Veränderungen des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes geschädigt werden; der Gewinn aus der ganzen Transaktion aber kommt sowohl den Emittenten der Umlaufsmittel, die ihn freilich mitunter mit anderen Subjekten teilen müssen (man denke z. B. an die verzinslichen Kassenführungsguthaben oder an die Beteiligung der Staaten am Reingewinne der Notenbanken) als auch den Kreditnehmern zugute. 363f
Ceteris paribus sorgt ein Individuum, das über ein größeres Einkommen verfügt, besser für die Zukunft als ein solches mit geringerem Einkommen, vorausgesetzt, daß sich beide bei der Verwendung ihres Einkommens lediglich von wirtschaftlichen Motiven leiten lassen. Je geringer das Einkommen eines Individuums ist, desto größer ist seine Überschätzung gegenwärtiger Güter im Verhältnis zu künftigen Gütern. Umgekehrt steigt mit zunehmendem Wohlstand die Fürsorge für die Zukunft, damit auch die Schätzung der künftigen Güter. 411
Wird nun auf künstliche Weise der Darlehenszinsfuß unter die natürliche Höhe des Kapitalzinssatzes, wie sie sich durch das freie Spiel der auf dem Markte wirksamen Kräfte gebildet hat, hinunter gedrückt, so ergibt sich für die Unternehmer die Möglichkeit und die Notwendigkeit, längere Produktionsperioden einzuschlagen. Das Einschlagen eines längeren Produktionsumweges bringt wohl eine absolute Vermehrung des Produktionserträgnisses; relativ tritt jedoch eine Abnahme des Erträgnisses ein, da die zunehmende Verlängerung des kapitalistischen Produktionsumweges zwar fortwährend zu Mehrerträgnissen, aber von einem gewissen Punkte an zu Mehrerträgnissen von abnehmender Größe führt. Der längere Produktionsumweg kann somit nur dann eingeschlagen werden, wenn der Unternehmer auch noch bei der geringeren Ergiebigkeit seine Rechnung findet. Solange der Darlehenszinsfuß mit dem natürlichen Kapitalzinsfuß zusammenfällt, ist dies nicht der Fall; das Einschlagen eines längeren Produktionsumweges ist dann nur unter Verlust möglich. Anderseits muß die Ermäßigung des Darlehenszinsfußes auch zu einer Verlängerung der Produktionsperiode führen. Die neu der Produktionstätigkeit zuströmenden Kapitalien können ja nur dann eine Verwendung finden, wenn neue Produktionsumwege eingeschlagen werden. Jeder neu eingeschlagene Produktionsumweg muß aber auch ein weiterer Umweg sein; neue Produktionsumwege, die kürzer sind als die eingeschlagenen, können nicht gefunden werden. Denn jedes Kapitalteilchen wird ja zunächst in dem kürzesten, weil ergiebigsten Produktionsumweg angelegt; erst wenn alle kürzeren Produktionsumwege besetzt sind, findet eine Verwendung von Kapitalgütern in längeren Produktionsumwegen statt. Die Verlängerung der Produktionsperiode erscheint jedoch nur dann durchführbar, wenn entweder die Unterhaltsmittel eine Vermehrung erfahren, um die Arbeiter und Unternehmer während der längeren Periode zu ernähren, oder wenn die Ansprüche der Produzenten beider oder einer Gruppe sich dermaßen vermindert haben, daß sie mit den gleichen Unterhaltsmitteln während der längeren Periode das Auskommen finden können. Die Vermehrung der Umlaufsmittel bewirkt nun zwar im Verlaufe der durch sie ausgelösten Verminderung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes eine Verschiebung der Besitzverhältnisse, welche recht wohl zu einer Stärkung des Sparsinnes und zu einer Verringerung der Lebenshaltung führen kann. Die Geldentwertung führt auch unter Umständen, nämlich dann, wenn Sachgeld in Gebrauch steht, unmittelbar zu einer Vermehrung des Gütervorrates, indem sie das Abströmen eines gewissen Teiles des Geldstoffes aus der monetären in die industrielle Verwendung nach sich zieht. Insoweit diese Momente in Betracht kommen, bewirkt ja auch die Vermehrung der Umlaufsmittel, wie wir feststellen konnten, eine Verringerung des Satzes des natürlichen Kapitalzinses. Der Fall, den wir zu untersuchen haben, liegt jedoch anders. Es handelt sich nicht um die durch die Vermehrung der Umlaufsmittelemission bewirkte Herabminderung des natürlichen Kapitalzinses, sondern um eine von den Umlaufsmittelbanken über jene hinaus vorgenommene Herabsetzung des Bankzinsfußes. der der übrige Darlehensmarkt nachfolgen muß. Daß die Banken zu einem derartigen Vorgehen befähigt sind, wurde ja bereits nachgewiesen. Die Situation ist nun folgende: Trotzdem eine Vermehrung der Zwischenprodukte nicht eingetreten und die Möglichkeit, die Produktionsperiode zu verlängern, nicht gegeben ist, gelangt auf dem Darlehensmarkte ein Zinsfuß zur Geltung, welcher einer verlängerten Produktionsperiode entspricht; damit wird die Verlängerung der Produktionsperiode, obwohl volkswirtschaftlich unzulässig und undurchführbar, privatwirtschaftlich zunächst rentabel. Es kann aber nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, wohin dies dann weiter führen muß. Es kommt notwendigerweise ein Zeitpunkt, in dem die konsumreifen Unterhaltsmittel aufgezehrt sind, ehe die in der Produktion tätigen Kapitalgüter sich in Konsumgüter verwandelt haben. Dieser Augenblick muß um so schneller eintreten, als ja das Sinken des Kapitalzinses den Anreiz zur Ersparung schwächt und damit das Tempo der Kapitalbildung verlangsamt. Die Unterhaltsmittel erweisen sich als zu knapp, um die Arbeiter während der ganzen Dauer des eingeschlagenen Produktionsprozesses zu erhalten. Da Produktion und Konsumtion kontinuierlich erfolgen, so daß täglich neue Produktionsprozesse eingeleitet werden, andere zu Ende gehen, tritt dies nicht in der Weise in 18 Erscheinung, daß zeitweilig ein absoluter Mangel an Genußgütern die Fortfristung der menschlichen Existenz gefährdet; es stellt sich lediglich ein Rückgang in der Menge der zum Konsum zur Verfügung stehenden Güter ein, der die Gesamtheit der Individualwirtschaften zur Einschränkung des Konsums nötigt. Auf dem Markte wird sich dies in einem Steigen der Preise der Konsumgüter äußern, während die Preise der Produktivgüter einen Rückgang erfahren werden. Das ist der Weg, auf dem sich das durch das Eingreifen der Banken gestörte Gleichgewicht des Darlehensmarktes wieder herstellt. Die vermehrte Produktionstätigkeit, die mit der von den Banken eingeschlagenen Politik, unter dem Satze des natürlichen Kapitalzinses Darlehen zu erteilen, einsetzt, treibt, abgesehen von der durch die Vermehrung des Geldvorrates eintretenden Senkung des inneren objektiven Tauschwertes des Geldes, die das Wertverhältnis zwischen Gegenwartsgütern und Zukunftsgütern unberührt läßt, zunächst die Preise der Produktivgüter in die Höhe, wogegen die Konsumgüter zwar gleichfalls steigen, aber nur in einem mäßigen Maße, nur insoweit nämlich, als sie durch das Steigen der Löhne in die Höhe getrieben werden. Die von der Zirkulationskreditpolitik der Banken ausgehende Tendenz zur Senkung des Darlehenszinsfußes erfährt damit vorerst eine Verstärkung. Aber bald setzt eine rückläufige Bewegung ein: Die Preise der Konsumgüter steigen, die der Produktivgüter sinken, d. h. der Darlehenszinsfuß steigt wieder, er nähert sich wieder dem Satze des natürlichen Kapitalzinses. Allerdings könnten die Banken durch fortgesetzte Ermäßigung des Darlehenszinses in den Geschäften des Zirkulationskredites und durch entsprechende Vermehrung der Umlaufsmittelausgabe dieser Tendenz anfänglich entgegenwirken. Schließlich aber müssen sie zu einem Punkte gelangen, über den hinaus sie nicht mehr gehen können; denn endlich muß der Punkt erreicht werden, wo die weitere Ausdehnung der Umlaufsmittelzirkulation nicht mehr möglich ist, sei es, weil bei Gebrauch von Sachgeld jene Grenze erreicht ist, unter die die Kaufkraft der Umlaufsmittel- und Geldeinheit nicht mehr sinken kann, ohne daß die Bank zur Einstellung der Barzahlungen gezwungen wird, sei es, daß die Ermäßigung des Darlehenszinses jene Linie erreicht hat, die durch die technischen Kosten des Bankbetriebes gegeben ist, oder sei es, daß die lawinenartig anschwellende Umlaufsmittelzirkulation zu einer alles Maß übersteigenden Entwertung des inneren objektiven Tauschwertes der Umlaufsmittel- und Geldeinheit führt. Dann muß die Bank ihre weiteren Bemühungen, die Rate des natürlichen Kapitalzinses zu unterbieten, einstellen. Jenes Verhältnis zwischen den Preisen der Güter höherer und denen erster Ordnung, welches durch die Lage des Kapitalmarktes gegeben ist, und das lediglich durch das Eingreifen der Banken gestört wurde, wird ungefähr wieder hergestellt, wobei als bleibende Spur eine allgemeine, von der Geldseite ausgehende Erhöhung des objektiven Tauschwertes, das Geld zurückbleibt. Eine genaue Wiederherstellung des alten Preisverhältnisses zwischen Produktiv- und Konsumgütern ist nicht möglich, da sich einerseits infolge des Eingreifens der Banken Verschiebungen in der Besitzverteilung ergeben haben, anderseits die automatische Gesundung des Darlehensmarktes nur unter krisenhaften Erscheinungen vor sich gehen kann, die einen Teil des in allzuweitläufigen Produktionsumwegen investierten Kapitales als völlig verloren erscheinen lassen. Es ist nicht angäng ig, alle Produktivgüter aus jenen Verwendungen, die sich nun auch als unrentabel erweisen, in andere Verwendungsarten überzuführen; ein Teil kann nicht mehr herausgezogen werden und muß daher entweder gänzlich unbenützt oder doch wenigstens weniger wirtschaftlich benützt stehen gelassen werden; in beiden Fällen liegt ein Wertverlust vor. 428ff
Den Zusammenbruch hinauszuschieben, wären die Banken allerdings in der Lage, aber schließlich muß dann doch, wie oben gezeigt wurde, einmal der Augenblick kommen, in dem eine weitere Ausdehnung der Umlaufsmittelzirkulation nicht mehr möglich ist. Dann muß die Katastrophe eintreten, und ihre Folgen sind umso schwerer, die Reaktion gegen die Auswüchse der Haussespekulation umso stärker, je länger der Zeitraum gewesen ist, in dem die Rate des Darlehenszinses sich unter dem Niveau des natürlichen Kapitalzinses befunden hat, und je mehr durch die Lage des Kapitalmarktes nicht gerechtfertigte Produktionsumwege eingeschlagen wurden. 436
Keinem, der die Entwicklungstendenzen unseres Wirtschaftslebens zu erfassen sucht, kann die Tatsache der fortschreitenden Kartellierung und Vertrustung der Unternehmertätigkeit entgangen sein. […] Aber am Ende der Entwicklung des Kartellgedankens steht das geschlossene Weltkartell; jeder Tag bringt uns diesem Ziele näher, und niemand weiß, ob wir es nicht schon in kurzer Zeit erreicht haben werden. […] Die einzige Weltumlaufsmittelbank oder das Weltkartell der Umlaufsmittelbanken werden es in der Hand haben, die Umlaufsmittelzirkulation schrankenlos zu vermehren. Hier liegen Probleme, die möglicherweise über die individualistische Organisation der Produktion und Verteilung hinausführen zu neuen, vielleicht kollektivistischen Organisationsformen der Sozialwirtschaft. 474ff
The Theory of Money and Credit
Sound money still means today what it meant in the nineteenth century: the gold standard. The eminence of the gold standard consists in the fact that it makes the determination of the monetary unit’s purchasing power independent of the measures of governments. It wrests from the hands of the “economic tsars” their most redoubtable instrument. It makes it impossible for them to inflate. This is why the gold standard is furiously attacked by all those who expect that they will be benefited by bounties from the seemingly inexhaustible government purse. 480
Yet most of the supporters of sound money do not want to go beyond the elimination of inflation for fiscal purposes. They want to prevent any kind of government borrowing from banks issuing banknotes or crediting the borrower on an account subject to check. But they do not want it to prevent in the same way credit expansion for the sake of lending to business. The reform they have in mind is by and large bringing back the state of affairs prevailing before the inflations of World War I. Their idea of sound money is that of the nineteenth-century economists with all the errors of the British Banking School that disfigured it. 482[…] do away with privileged banks altogether and to subject all banks to the rule of common law and the commercial codes that oblige everybody to perform contracts in full faithfulness to the pledged word. Free banking would have spared the world many crises and catastrophes. But the tragic error of nineteenth-century doctrine was the belief that lowering the rate of interest below the height it would have on an unhampered market is a blessing for a nation and that credit expansion is the right means for the attainment of this end. Thus arose the characteristic duplicity of the bank policy. The central bank or banks must not lend to the government but should be free, within certain limits, to expand credit to business. The idea was that in this way one could make the central banking function independent of the government. 482f
The main inflationary motive of our day is the so-called full-employment policy, not the treasury’s incapacity to fill its empty vaults from sources other than bank loans. 483
What the United States needs is not the gold-exchange standard but the classical old gold standard, decried by the inflationists as orthodox. Gold must be in the cash holdings of everybody. Everybody must see gold coins changing hands, must be used to having gold coins in his pockets, to receiving gold coins when he cashes his paycheck, and to spending gold coins when he buys in a store. This state of affairs can be easily achieved by withdrawing all bills of the denominations of five, ten, and perhaps also twenty dollars from circulation. 493
[1] dazu auch Folgendes: „Der Begriff des Menschen ist uns vor allem auch Begriff des handelnden Wesens. Unser Bewusstsein ist das eines handlungsfähigen und handelnden Ich; die Intentionalität macht unsere Erlebnisse zu Handlungen. Unser Denken über Menschen und ihr Verhalten, unser Verhalten zu Menschen und zu der uns umgebenden Welt überhaupt setzen die Kategorie Handeln voraus.“, in: Ludwig von Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie. Untersuchungen über Verfahren, Aufgaben und Inhalt der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, Verlag Gustav von Fischer, Jena 1933, 13.
[2] dazu auch Folgendes: „Die Wissenschaft vom menschlichen Handeln […] ist in allen ihren Teilen nicht empirische, sondern apriorische Wissenschaft; sie stammt wie Logik und Mathematik nicht aus der Erfahrung, sie geht ihr voran. Sie ist gewissermaßen die Logik des Handelns und der Tat.“, in: Ludwig von Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie. Untersuchungen über Verfahren, Aufgaben und Inhalt der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, Verlag Gustav von Fischer, Jena 1933, 12.
[3] Man beachte, dass die Unzufriedenheit auch in der Befürchtung liegen kann, man werde später einmal unbefriedigt sein, oder auch in dem Unbehagen, das das schon eingetretene oder für die Zukunft erwartete Unbefriedigtsein anderer Menschen, die dem Handelnden lieb sind, erweckt.
[4] dazu auch Folgendes: „Dass der Zeitablauf eine der Bedingungen ist, unter denen das Handeln sich vollzieht, ist daher empirische und nicht apriorische Feststellung.“, in: Ludwig von Mises, Grundprobleme der Nationalökonomie. Untersuchungen über Verfahren, Aufgaben und Inhalt der Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, Verlag Gustav von Fischer, Jena 1933, 23