Die Ethik ist zentral in den Werken der einflussreichen
russisch-amerikanischen Autorin, welche sie als rationales
Selbstinteresse gründete.
Ayn Rand (geb. 1905 in St. Petersburg; gest. 1982 in New York City)
Ausgewählte Werke:
- For the New Intellectual: The Philosophy of Ayn Rand. New York: Penguin, 1961
- Vom Leben unbesiegt. Baden-Baden: Holle, 1956 [We the Living, 1936]
- Hymne. Hamburg: GEWIS, 2002 [Anthem, 1938]
- Der ewige Quell. Zürich: Morgarten, 1946 [The Fountainhead, 1943]
- Wer ist John Galt? Hamburg: GEWIS, 1985 [Atlas Shrugged, 1957]
For the New Intellectual: The Philosophy of Ayn Rand
Deshalb ist jetzt zu erwarten, daß unsere großartige industrielle Zivilisation nach der Maßgabe philosophischer Lehren, die von und für barfüßige Wilde geschaffen wurden, die in Erdlöchern lebten, den Boden für eine Handvoll Korn kratzten und dafür Statuen von entstellten Tieren dankten, die sie als dem Menschen überlegen verehrten, Eisenbahnen und Fluglinien betreibt und Lager von Interkontinentalraketen und H-Bomben unterhält. (Rand 1961, 6f)
Die Verteidiger der Menschenseele waren besorgt um seine Gefühle, und die Verteidiger seines Leibes waren besorgt um seinen Magen – aber beide waren vereint gegen seinen Verstand. (Rand 1961, 7)
Diese beiden Gestalten – der Mensch des Glaubens und der Mensch der Gewalt – sind philosophische Archetypen, psychologische Symbole und historische Realität. […] Als historische Realität sind sie die tatsächlichen Herrscher der meisten Gesellschaften der Menschheit, die zur Macht aufsteigen, wann immer die Menschen die Vernunft aufgeben. […] Attila, der Mensch, der mit brutaler Gewalt in der Spanne des Moments handelt, mit nichts beschäftigt ist als mit der physikalischen Realität unmittelbar vor ihm, der nichts respektiert als des Menschen Muskeln, und der eine Faust, einen Knüppel oder eine Kanone als die einzige Antwort auf jedes Problem betrachtet – und der Schamane, der Mann, der sich vor der physikalischen Realität fürchtet, der die Notwendigkeit der praktischen Handlung fürchtet, und sich in seine Gefühle flüchtet, in seine Visionen eines mystischen Bereiches, wo seine Wünsche eine übernatürliche Macht genießen unbegrenzt durch die Absolutheit der Natur. (Rand 1961, 7)
Des Menschen einzigartige Belohnung, jedoch, ist, daß, während Tiere dadurch überleben, daß sie sich der Umwelt anpassen, der Mensch überlebt, indem er seine Umwelt an sich anpasst. Wenn sie eine Trockenheit trifft, gehen die Tiere zugrunde – der Mensch legt Bewässerungsgräben an; wenn sie eine Überschwemmung trifft, gehen die Tiere zugrunde – der Mensch baut Dämme; wenn sie Räuber attackieren, gehen die Tiere zugrunde – der Mensch schreibt die Verfassung der Vereinigten Staaten. Aber man erhält Nahrung, Sicherheit oder Freiheit nicht – durch Instinkt. […] Es gibt nur ein Mittel, um zu überleben, für diejenigen, die sich entscheiden, die Natur nicht zu erobern: diejenigen zu erobern, die es tun. […] Die physische Eroberung des Menschen ist Attilas Methode zu überleben. Er betrachtet Menschen wie andere Fruchtbäume oder Tierfarmen: als Naturobjekt für ihn zum Zugreifen. Aber während einer guter Farmer zumindest weiß, daß Fruchtbäume und Tiere ihre spezifische Natur haben und eine spezifische Art der Handhabung erfordern, erreicht die Denkweise Attilas nicht ein solch abstraktes Niveau. (Rand 1961, 8)
Während Attilas Überlebensmethode die Eroberung derjenigen ist, die die Natur erobern, ist die Überlebensmethode des Schamanen sicherer […]. Seine Methode ist die Eroberung derjenigen, die diejenigen erobern, die die Natur erobern. Er sucht nicht des Menschen Körper zu beherrschen, sondern seine Seele. (Rand 1961, 9)
Während Attila ihren Gehorsam durch einen Knüppel erpresst, erreicht dies der Schamane durch eine weit mächtigere Waffe: er nimmt zuerst das Feld der Sittlichkeit ein. Es gibt keinen anderen Weg, Sittlichkeit in eine Waffe der Versklavung zu wenden, als durch ihre Trennung von der Vernunft des Menschen und von den Zielen seiner eigenen Existenz. Der verhängnisvolle Gegensatz von Moralischem und Praktischen ist ein Weg, das Leben des Menschen auf Erden zu erniedrigen. Sittlichkeit ist ein Kodex von Werten, um die Entscheidungen und Handlungen des Menschen zu leiten; wenn sie in Gegensatz zu seinem eigenen Leben und Verstand gebracht wird, bewirkt sie, daß er sich gegen sich selbst wendet und blind als ein Werkzeug seiner eigenen Zerstörung handelt. Es gibt keinen anderen Weg, den Mensch dazu zu bringen, die Rolle eines Opfertieres zu akzeptieren, als die Zerstörung seines Selbstwertgefühls. Es gibt keinen Weg, sein Selbstwertgefühls zu zerstören, es sei denn, man bringt ihn dazu, sein eigenes Bewußtsein zu verwerfen. Es gibt keinen Weg, ihn sein eigenes Bewußtsein verwerfen zu lassen, als ihn von seiner Ohnmacht zu überzeugen. (Rand 1961, 9f)
Die Verdammung dieser Erde als ein Bereich, wo für den Menschen nichts möglich ist als Schmerz, Katastrophen und Niederlagen, ein niederer Bereich gegenüber einer anderen, „höheren“ Realität; die Verdammung aller Werte, Freuden, Errungenschaften und Erfolge auf Erden als Zeichen der Verkommenheit; die Verdammung des Menschenverstandes als eine Quelle des Stolzes, und die Verdammung der Vernunft als eine „beschränkte“, täuschende, unzuverlässige, ohnmächtige Fähigkeit, unfähig die „reale“ Realität und die „wahre“ Wahrheit wahrzunehmen; die Spaltung des Menschen, indem sein Bewußtsein (seine Seele) gegen seinen Körper gesetzt wird, und seine moralischen Werte gegen sein eigenes Interesse; die Verdammung der menschlichen Natur, des menschlichen Körpers und des Selbst des Menschen als böse; das Gebot von Selbstaufopferung, von Verzicht, Leiden, Gehorsam, Bescheidenheit und Glauben als das Gute; die Verdammung des Lebens und die Verehrung des Todes mit dem Versprechen von Belohnungen nach dem Tod – dies sind die notwendigen Glaubenssätze der Sicht des Schamanen auf die Existenz, wie sie in jeder Variante der Schamanenphilosophie durch den Lauf der Menschheitsgeschichte hindurch auftraten. Das Geheimnis der Macht des Schamanen liegt in der Tatsache, daß der Mensch eine integrierte Sicht des Lebens, eine Philosophie, braucht, ob er sich dieses Bedürfnisses bewußt ist oder nicht – und immer wenn sich die Menschen durch Ignoranz, Feigheit oder geistige Faulheit, dagegen entscheiden, treibt sie ihr chronisches Gefühl der Schuld, Unsicherheit und Angst zur Philosophie des Schamanen. (Rand 1961, 10)
Attilas Hirn ist ein Wirrwarr von Konkretem, nicht integriert durch Abstraktionen; das Hirn des Schamanen ist ein Wirrwarr aus schwebenden Abstraktionen ohne Bezug zu Konkretem. Beide sind letztlich nicht durch Gedanken geleitet und motiviert, sondern durch Gefühle und Launen. […] Attila fühlt, daß der Schamane ihm geben kann, was ihm fehlt: eine langfristige Sicht, eine Versicherung gegen das dunkle Unbekannte des nächsten Tages oder der nächsten Woche oder des nächsten Jahres, einen Kodex moralischer Werte, um seine Handlungen zu rechtfertigen und seine Opfer zu entwaffnen. Der Schamane fühlt, daß Attila ihm die materiellen Dinge zum Überleben geben kann, ihn gegen die physische Realität beschützen kann, ihm die Notwendigkeit praktischer Handlungen ersparen kann und seine mystischen Verordnungen gegenüber jedem durchsetzen kann, der sich entscheidet, seine Autorität infrage zustellen. Beide sind sie unvollständige Teile des Menschen, die Vervollständigung in dem jeweils anderen suchen: ein Mensch des Muskels und ein Mensch des Gefühls, die versuchen ohne Verstand zu existieren. (Rand 1961, 10)
Attila herrscht mittels der Furcht, indem er die Menschen unter der ständigen Bedrohung der Zerstörung hält – der Schamane herrscht mittels der Schuld, indem er die Menschen von ihrer angeborenen Verkommenheit, Ohnmacht und Bedeutungslosigkeit überzeugt hält. […] Attila ist ein Extrovertierter, ärgerlich über jede Beschäftigung mit dem Bewußtsein – der Schamane ist ein Introvertierter, ärgerlich über jede Beschäftigung mit der physischen Existenz. Attila bekennt seine Verachtung für Werte, Ideale, Prinzipien, Theorien, Abstraktionen – der Schamane bekennt seine Verachtung für materiellen Besitz, für Wohlstand, für den Körper des Menschen, für diese Erde. Attila betrachtet den Schamanen als unpraktisch – der Schamane betrachtet Attila als unmoralisch. Aber insgeheim glaubt jeder von ihnen, daß der andere die mysteriöse Fähigkeit besitzt, die ihm fehlt, daß der andere der wahre Herr über die Realität ist, der wahre Vertreter der Macht, um mit der Existenz umzugehen. In Begriffen der chronischen Angst, nicht des Gedankens, ist es der Schamane, der glaubt, daß brutale Gewalt die Welt regiert – und es ist Attila, der an das Übernatürliche glaubt; sein Name dafür ist „Schicksal“ oder „Glück“. (Rand 1961, 11)
Ein Produzent ist jeder Mensch, der arbeitet und weiß, was er tut. Er mag nur zu einem Teil seiner Zeit auf dem gänzlich menschlichen, konzeptionellen Level des Bewußtseins funktionieren, aber in diesem Ausmaß ist er der Atlas, der die Existenz der Menschheit trägt. (Rand 1961, 11)
Der Produzent ist bisher der vergessene Mensch der Geschichte gewesen. Mit den Ausnahmen einiger weniger kurzer Perioden ist der Produzent nicht der Führer oder Gestalter der Bedingungen der menschlichen Gesellschaften gewesen, obgleich der Grad seines Einflusses und seiner Freiheit der Grad der Wohlfahrt und des Fortschritts der Gesellschaft gewesen ist. Die meisten Gesellschaften werden durch Attila und den Schamanen beherrscht. Der Grund ist nicht irgendeine angeborene Tendenz zum Bösen in der menschlichen Natur, sondern die Tatsache, daß die Vernunft eine willentliche Fähigkeit ist, die zu entdecken, anzuwenden und zu erhalten sich der Mensch entscheiden muß. Irrationalität ist ein Zustand des Mangels, der Zustand eines noch nicht erreichten menschlichen Potentials. (Rand 1961, 12)
Der Ton des ersten menschlichen Schrittes in der Geschichtsschreibung, das Vorspiel zum Auftritt des Produzenten auf der historischen Bühne, war die Geburt der Philosophie im alten Griechenland. […] Aristoteles Philosophie war die Unabhängigkeitserklärung des Verstandes. Aristoteles, der Vater der Logik, sollte als der erste Intellektuelle der Welt gelten, im reinsten und edelsten Sinn des Wortes. […] Wenn wir die Tatsache bedenken, daß bis zum heutigen Tag alles, was uns zu Zivilisierten macht, jeder rationale Wert, den wir besitzen – einschließlich der Geburt der Wissenschaft, der industriellen Revolution, der Schaffung der Vereinigten Staaten, selbst der Struktur unserer Sprache – das Resultat von Aristoteles Einfluß ist, von dem Grad, zu dem die Menschen implizit oder explizit seine epistemologischen Prinzipien akzeptiert haben, müßten wir sagen: Niemals haben so viele einem Mann soviel geschuldet. (Rand 1961, 12)
Das Vorspiel zur Renaissance war die Rückkehr von Aristoteles über Thomas von Aquin. (Rand 1961, 13)
Die industrielle Revolution vollendete die Aufgabe der Renaissance: sie blies Attila vom Thron. Zum ersten Mal in der Geschichte gewannen die Menschen Kontrolle über die physikalische Natur und verwarfen die Kontrolle von Menschen über Menschen – das heißt: Menschen entdeckten die Wissenschaft und die politische Freiheit. (Rand 1961, 13)
Die erste Gesellschaft in der Geschichte, dessen Führer weder Attilas noch Schamanen waren, eine Gesellschaft geführt, bestimmt und geschaffen von Produzenten, waren die Vereinigten Staaten von Amerika. […] Die Gründerväter waren weder passive, den Tod verehrende Mystiker, noch geistlose, Macht suchende Plünderer; als eine politische Gruppe waren sie ein in der Geschichte bisher einmaliges Phänomen: Sie waren Denker, die gleichzeitig auch Männer der Tat waren. (Rand 1961, 13)
Kapitalismus fegte die Sklaverei in der Sache wie im Geiste hinweg. Er ersetzte Attila und den Schamanen, den Plünderer des Wohlstandes und den Lieferanten von Offenbarungen, durch zwei neue Typen von Menschen: den Produzenten des Wohlstands und den Lieferanten von Wissen – den Geschäftsmann und den Intellektuellen. […] Kapitalismus verlangt das Beste von jedem Menschen – seine Rationalität – und belohnt ihn entsprechend. […] Sein Erfolg hängt alleine vom objektiven Wert seiner Arbeit ab und von der Rationalität derjenigen, die diesen Wert erkennen. […] wenn kein Mensch physische Gewalt gebrauchen darf, um die Zustimmung eines anderen zu erpressen, ist es das beste Produkt und das beste Urteil, das in jedem Feld der menschlichen Unternehmung gewinnt und den Standard des Lebens und Denkens hebt – immer höher. (Rand 1961, 14)
Es ist im Hinblick auf diese fundamentale Arbeitsteilung und Verantwortung, daß der Intellektuelle seine Pflicht nicht getan hat. Sein Zwillingsbruder, der Geschäftsmann, hat Großartiges geleistet und den Menschen einen beispiellosen materiellen Wohlstand gebracht. Aber der Intellektuelle hat ihn verkauft, hat ihre gemeinsame Quelle betrogen, hat in seinem eigenen Beruf versagt und die Menschen in den spirituellen Bankrott geführt. Der Geschäftsmann hat den Lebensstandard der Menschen angehoben – aber der Intellektuelle ließ den Standard des menschlichen Denkens auf das Niveau eines ohnmächtigen Wilden zurückfallen. (Rand 1961, 15)
Es wurde oft bemerkt, daß die Menschheit einen enormen materiellen Fortschritt erreicht habe, aber auf dem Niveau eines Primitiven im Geiste geblieben sei. (Die Lösung, die gewöhnlich angeboten wird, ist die Aufgabe des materiellen Fortschritts.) Die Ursache dieser Diskrepanz wird ignoriert oder ihr wird ausgewichen. Die Ursache kann an dieser Weichenstellung nach der Renaissance gefunden werden, wo die physische Existenz des Menschen und seine Philosophie auseinanderbrachen und in unterschiedliche Richtungen gingen. (Rand 1961, 15)
Nach der Renaissance begann die Philosophie – befreit von ihren Beschränkungen als Magd der Theologie – nach einer neuen Dienstbarkeit suchen, wie ein verängstigter, gebrochener Sklave, der vor der Verantwortung der Freiheit zurückschreckt. Descartes gab die Richtung des Rückzugs vor, indem er den Schamanen in die Philosophie zurückbrachte. Während er ein philosophisches System versprach, das so rational, darstellbar und wissenschaftlich wie die Mathematik sein sollte, begann er mit der grundlegenden epistemologischen Prämisse eines jeden Schamanen (eine Prämisse, die er ausdrücklich mit Augustinus teilte): „dem Vorrang des Bewußtseins“, dem Glauben, daß die Existenz einer externen Welt nicht selbstevident sei, sondern erst durch Ableitung von Bewußtseinsinhalten bewiesen werden müsse […] – d.h. alle Bewußtseinsinhalte waren unterschiedslos als primär und absolut anzusehen, und die Realität mußte mit ihnen in Übereinstimmung gebracht werden. Was folgte, war das grotesk-tragische Spektakel von Philosophen, die sich bemühten, die Existenz einer externen Welt zu beweisen, indem sie mit dem blindem, nach innen gerichteten Blick des Schamanen auf die Zufälligkeiten ihrer Konzepte – dann ihrer Wahrnehmungen – und dann ihrer Sinnesreize starrten. […] Während der mittelalterliche Schamane den Menschen lediglich verordnete, die Gültigkeit ihres Verstandes in Zweifel zu ziehen, bestand die Rebellion der Philosophen dagegen im Bezweifeln, daß der Mensch überhaupt bei Bewußtsein sei und ob irgendetwas existiere, dessen er sich bewußt sein sollte. (Rand 1961, 15f)
Als Hume erklärte, daß er Objekte sich bewegen sehe, aber niemals so etwas wie „Kausalität“ – war es die Stimme Attilas, die die Menschen hörten. Es war Attilas Seele, die sprach, als Hume erklärte, daß er einen Fluß von flüchtigen Zuständen in seinem Schädel erfahre, wie Sinneswahrnehmungen, Gefühle oder Erinnerungen, aber daß es ihm nicht gelungen sei, die Erfahrung von so etwas wie Bewußtsein oder Selbst zu machen. Als Hume erklärte, daß die anscheinende Existenz eines Objektes nicht garantierte, daß sie nicht im nächsten Moment verschwinde, und daß der Sonnenaufgang von heute nicht beweisen würde, daß die Sonne auch morgen aufgehe; wenn er erklärte, daß die philosophische Spekulation ein Spiel sei, wie Schach oder die Jagd, von keiner wie auch immer gearteten Signifikanz für den praktischen Lauf der menschlichen Existenz, da die Vernunft beweise, daß die Existenz undurchschaubar sei und nur der Ignorant sich die Illusion des Wissens erhalte – all dies begleitet von einer heftigen Opposition gegenüber dem Mystizismus des Schamanen und mit Beteuerungen der Loyalität zu Vernunft und Wissenschaft – war, was die Menschen hörten, ein Manifest einer philosophischen Bewegung, die nur als Attila-ismus bezeichnet werden kann. Wenn es für ein Tier möglich wäre den Inhalt seines Bewußtseins zu beschreiben, würde das Resultat eine Niederschrift von Humes Philosophie sein. (Rand 1961, 16)
Der Mann, der diesen Zustand formalisierte und das Tor der Philosophie für die Vernunft verschloß, war Immanuel Kant. […] Er unterwarf die Philosophie Attila, aber bewahrte für den Schamanen den Bereich der Moral. (Rand 1961, 17)
Was Kants Version von Moral betrifft, so war sie passend für die Art von Zombies, die ein solches Universum bewohnen würden: Sie besteht aus der totalen, erbärmlichen Selbstlosigkeit. Eine Handlung ist nur moralisch, sagt Kant, wenn jemand kein Verlangen hat sie auszuführen, aber sie aus einem Sinn für die Pflicht heraus ausführt, und davon keinerlei Nutzen ableiten kann, weder materiell noch spirituell; ein Nutzen zerstört den moralischen Wert einer Handlung. (Daher kann jemand, der kein kein Verlangen hat, böse zu sein, nicht gut sein; nur wenn er es hat, kann er es.) Diejenigen die irgendeinen Teil von Kants Philosophie akzeptieren – metaphysisch, epistemologisch oder moralisch – verdienen es nicht besser. (Rand 1961, 18)
Während Unternehmer zu den spektakulärsten Errungenschaften der Kreativität und des selbstvertrauenden, ehrgeizigen Mutes emporstiegen und das ursprüngliche Dogma der Armut und des Elends des Menschen auf Erden in Frage stellten, die Handelsrouten der Welt aufbrachen, die produktive Energie des Menschen freisetzten und die befreiende Kraft der Maschinen in ihren Dienst stellten (gegen den verächtlichen Widerstand von faulenzenden, ehemals feudalen Aristokraten und die zerstörerische Gewalt von denjenigen, die am meisten davon profitieren sollten: den Arbeitern, bot die Philosophie als Anleitung für den Rest der Gesellschaft nur den reinen Attila-ismus von Marx, der behauptete, daß der Verstand nicht existiere, alles Materie sei und daß Materie sich selbst entwickele durch den dialektischen Prozeß seiner eigenen „Superlogik“ von Widersprüchen, und daß das, was heute wahr ist, es morgen nicht mehr sein werde, daß die materiellen Produktionsmittel den „ideologischen Überbau“ der Menschen bestimmen (d.h.: Maschinen schaffen das menschliche Denken, nicht anders herum), daß Muskelarbeit die Quelle des Wohlstands sei, daß physische Kraft, das einzige praktische Mittel der Existenz sei, und daß die Beschlagnahmung der allmächtigen Maschinen die Allmacht der Herrschaft der bloßen Gewalt übertragen werde. (Rand 1961, 19)
Dem Wissenschaftler war eine etwas unterschiedliche Version der Philosophie angeboten worden. Als eine Verteidigung gegen das Schamanentum Hegels, der universelle Allwissenheit behauptet hatte, war den Wissenschaftlern die Kombination von neomystischem Schamanentum und Attila-ismus der Logischen Positivisten geboten worden. Sie versicherten ihnen, daß solche Konzepte wie Metaphysik oder Existenz oder Realität oder Materie oder Verstand bedeutungslos seien – lasse man die Mystiker sich darum kümmern, ob sie existierten oder nicht, ein Wissenschaftler müsse es nicht wissen; die Aufgabe der theoretischen Wissenschaft sei die Manipulation von Symbolen, und Wissenschaftler seien die besondere Elite, deren Symbole die magische Kraft haben, daß sich die Realität ihrem Willen füge („Materie ist das, was in mathematische Gleichungen paßt“). Wissen, sagen sie, bestehe nicht aus Tatsachen, sondern aus Worten, Worte ohne Bezug zu Objekten, Worte einer willkürlichen sozialen Konvention als einem nicht reduzierbaren Primären; daher sei Wissen bloß eine Sache der Sprachmanipulation. (Rand 1961, 19)
Sie waren nicht willens die Lehre zu bezweifeln, daß der Mensch ein Opfertier sei, daß er kein Recht habe, für sich selbst zu existieren, daß der Dienst für andere die einzige Rechtfertigung seiner Existenz sei, und daß Selbstaufopferung seine höchste moralische Pflicht, Tugend und Wert sei. Unter all ihren Masken, Variationen und Adaptionen kam diese Doktrin – am besten als Moral des Altruismus bezeichnet – von prähistorischen Sümpfen unverändert nach New York. In Gesellschafen von Wilden praktizierten die Menschen rituelle Menschenopfer, indem sie individuelle Menschen für das, was sie als ihr Kollektiv- oder Stammesgut betrachteten, auf den Opferälteren opferten. Heute tun sie es immer noch, nur der Todeskampf ist langsamer und die Schlächterei größer – aber die Lehre, die dies fordert und gutheißt, ist dieselbe Lehre des moralischen Kannibalismus. Die Philosophen erhielten sie, indem sie das Thema der Moral den Mystikern überließen – oder indem sie es dem Bereich der subjektiven Gefühle zuschrieben, d.h.: den Mystikern – oder indem sie heftig zurückwiesen, daß die Vernunft fähig sei, mit moralischen Werten umzugehen und alle Werturteile als „unwissenschaftlich“ brandmarkten. (Rand 1961, 20)
Comte war derjenige, der den Begriff Altruismus prägte. (Rand 1961, 20)
Nietzsches Rebellion gegen den Altruismus bestand darin, das Opfer von einem selbst für die anderen durch das Opfer der anderen für einen selbst zu stellen. […] Deshalb bestand Nietzsches Ablehnung des Schamanen darin, Attila zum moralischen Ideal zu erheben – d.h.: eine doppelte Unterwerfung der Moral vor dem Schamanen. (Rand 1961, 20)
Und wenn Karl Marx, der konsistenteste Übersetzer der altruistischen Moral in praktische Handlung und politische Theorie, eine Gesellschaft verteidigte, wo jeder allen geopfert würde, beginnend mit der sofortigen Opferung der Fähigen, der Intelligenten, der Erfolgreichen und Wohlhabenden – welcher Opposition er auch begegnete, niemand opponierte gegen ihn auf moralischem Grund. Vornehmlich war ihm der Status eines noblen, aber unpraktischen Idealisten gewährt worden. (Rand 1961, 21)
Die Intellektuellen, oder ihre überwiegende Mehrheit, blieben Jahrhunderte hinter ihrer Zeit zurück: Immer noch die Gunst eines noblen Protektors suchend, klagten einige von ihnen über die „Vulgarität“ der kommerziellen Beschäftigungen, diejenigen verhöhnend, deren Wohlstand „neu“ war, und gleichzeitig warfen sie diesen neuen Wohlstandschaffenden all die Armut vor, die sie von den Jahrhunderten geerbt hatten, die von den Besitzern des noblen „nicht-kommerziellen“ Wohlstands beherrscht wurden. Andere denunzierten Maschinen als „unmenschlich“, und Fabriken als eine Schande für die Schönheit der Landschaft (wo vormals die Galgen an den Straßenkreuzungen standen). Noch andere riefen zu einer Bewegung „zurück zur Natur“ auf, zu den Handwerken, zum Mittelalter. Und andere attackierten die Wissenschaftler für ihre Forschungen in verbotenen „Mysterien“ und für ihr Einmischen in Gottes Schöpfung. Das Opfer der infamsten Ungerechtigkeit der Intellektuellen war der Unternehmer. Nachdem sie die Prämissen, die moralischen Werte und die Position der Schamanen akzeptiert hatten, waren die Intellektuellen nicht willens, zwischen einem Unternehmer und Attila zu unterscheiden, zwischen dem Produzenten von Wohlstand und dem Plünderer. Wie der Schamane verachteten und fürchteten sie den Bereich der materiellen Realität, da sie sich unbewußt nicht geeignet fühlten, damit umzugehen. Wie bei den Schamanen war Attila auch ihr insgeheimes Bild (nahezu ihr gefürchtetes und beneidetes Ideal) eines praktischen, erfolgreichen Mannes, eines wahren Meisters der Realität; wie die Schamanen glaubten sie, daß Gewalt, Betrug, Lügen, Plündern, Enteignung, Versklavung und Mord praktisch wären. So suchten sie nicht nach der Quelle des Wohlstandes und fragten niemals, was ihn möglich machte (sie waren gelehrt worden, daß Kausalität eine Illusion und nur der unmittelbare Moment real sei). Sie nahmen es als ihr Axiom an, als eine nicht reduzierbares Prämisse, daß Wohlstand nur durch Gewalt erworben werden könne – daß ein Vermögen als solches der Beweis von Plünderei sei, ohne daß weitere Unterscheidungen oder Nachforschungen nötig seien. (Rand 1961, 22)
Wenn die Intellektuellen gegen den „Kommerz“ der kapitalistischen Gesellschaft rebellierten, dann rebellierten sie insbesondere gegen den offenen Markt der Ideen, wo bloße Gefühle nicht akzeptiert wurden und man erwartete, daß Ideen ihre Tauglichkeit demonstrierten, wo die Risiken groß und Ungerechtigkeiten möglich waren und wo kein Beschützer existierte, außer die objektive Realität. Geradeso wie Attila seit der Renaissance nach seinem eigenen Schamanen suchte, so suchten die Intellektuellen seit der industriellen Revolution nach ihrem eigenen Attila. Die altruistische Moral brachte sie zusammen und gab ihnen die Waffe, die sie brauchten. Das Feld, wo sie einander fanden, war der Sozialismus. Es waren weder die Unternehmer, noch die Industriellen, noch die Arbeiter, noch die Gewerkschaften oder die Überbleibsel der feudalen Aristokratie, die die Revolte gegen die Freiheit begannen und die Rückkehr des absoluten Staates forderten: es waren die Intellektuellen. Es waren die angeblichen Wächter über die Vernunft, die die Menschheit zurück zur Herrschaft der brutalen Gewalt führten. Im 19. Jahrhundert in den intellektuellen Salons, Straßencafés, Bierkellerkneipen und Seminarräumen gewachsen und genährt, vereinte die industrielle Konterrevolution Schamanen und Attilaisten. (Rand 1961, 24)
Wolkenkratzer kann man nicht auf Parolen und Graffitislogans errichten, noch auf Propaganda, Gebeten oder Sprachspielen. Die neue Wildnis, die es urbar zu machen gilt, ist die Philosophie – nun umschlingen und verschlingen die Ranken prähistorischer Lehren deren verlassene Ruinen. Eine Kultur kann nur auf neuen philosophischen Fundamenten stehen. Der gegenwärtige Zustand der Welt ist kein Beweis für die Ohnmacht der Philosophie, sondern ein Beweis für ihre Macht. Es ist Philosophie, die Menschen in diesen Zustand gebracht hat – und nur Philosophie kann sie wieder hinausführen. (Rand 1961, 28)
Der Neue Intellektuelle wird ein Mensch sein, der seinem Titel im engsten Wortsinn gerecht wird: Ein Mensch, der durch seinen Intellekt geleitet wird – kein Zombie, der sich von Gefühlen, Instinkten, Trieben, Wünschen, Launen und Offenbarungen führen lässt. Er bringt die Herrschaft Attilas und des Schamanen an ihr Ende und gibt dabei die Prämisse auf, die sie möglich gemacht hatte: die Leib-Seele-Dichotomie. Er wird die damit einhergehenden irrationalen Konflikte und Widersprüche aufgeben: Verstand versus Herz, Denken versus Handeln, Realität versus Wunschvorstellung, das Praktische versus das Moralische. Er wird ein ganzheitlicher Mensch sein, d.h. ein Denker, der ein Mensch der Tat ist. Er wird wissen, dass Ideen, die vom Handeln losgelöst sind, Betrug sind, und dass Handlungen, die von Ideen losgelöst ist, Selbstmord. […] Er wird wissen, dass die Menschen Philosophie dafür brauchen, um auf der Erde zu leben. Der Neue Intellektuelle wird eine Wiedervereinigung der Zwillinge sein, die niemals getrennt hätten werden sollen: des Intellektuellen und des Unternehmers. […] Anstelle eines unfreiwilligen Schamanen und eines widerwilligen Attilas wird die Wiedervereinigung zwei neue Typen hervorbringen: den praktischen Denker und den philosophischen Unternehmer. (Rand 1961, 29)
Vom Leben unbesiegt
Nun, sieh mich an! Sieh mich genau an! Ich wurde geboren, und ich wußte, ich lebte, und ich wußte, was ich wollte. Was, glaubst du, lebt in mir? Warum, glaubst du, lebe ich? Weil ich einen Magen habe und esse und verdaue? Weil ich atme und arbeite, um etwas zum Essen zu haben? Oder weil ich weiß, was ich will und etwas in mir ist, das weiß, warum es das will – das Leben selber. Und wer in dieser verdammten, grenzenlosen Welt kann mir sagen, warum ich für etwas anderes leben sollte als für das, was ich will? Wer kann sagen, daraus spräche nicht menschliche Vernunft? Nicht einer, nicht einmal du! Aber ihr habt versucht, uns zu sagen, was wir wollen sollten. Ihr kamt als eine feierliche Armee, um den Menschen ein neues Leben zu bringen. Ihr risset ihnen das zuckende Leben heraus, von dem ihr nichts wußtet, und sagte ihnen, was es zu sein hätte. Ihr kamt und verbat den Lebenden, zu leben. (Rand 1956, 499f)
Hymne
Ich weiß nicht, ob diese Erde, auf der ich stehe, der Mittelpunkt des Universums ist oder nur ein in der Unendlichkeit verlorenes Staubkorn. Ich weiß es nicht, und es kümmert mich nicht. Denn ich weiß, welches Glück mir auf der Erde möglich ist. Und mein Glück braucht kein höheres Ziel, um es zu rechtfertigen. Mein Glück ist kein Mittel zu irgendeinem Zweck. Es ist Selbstzweck. Es ist sein eigenes Ziel. Es ist seine eigene Bestimmung. Auch bin ich nicht das Mittel zu irgendwelchen Zwecken, die andere erreichen wollen. Ich bin kein Werkzeug zu ihrem Nutzen. Ich bin kein Diener ihrer Bedürfnisse. Ich bin kein Verband für ihre Wunden. Ich bin kein Opfer auf ihren Altären. Ich schulde meinen Brüdern nichts, und sie schulden mir nichts. Ich verlange nicht, dass irgendjemand für mich lebt, und ich selbst lebe nicht für andere. […] Ich bin meinen Brüdern weder Feind noch Freund, sondern jedem das, was er von mir verdient. Und um meine Liebe zu erlangen, müssen meine Brüder mehr tun, als geboren zu sein. Ich gewähre meine Liebe weder grundlos noch an jemand, der mir zufällig begegnet und sie vielleicht in Anspruch nehmen möchte. Ich ehre andere mit meiner Liebe. Aber sie müssen sich die Ehre verdienen. Ich habe Freunde, aber weder Sklaven noch Herren. Und ich suche mir meine Freunde aus. Und ich liebe und achte sie. Aber ich erteile ihnen keine Befehle und nehme keine Befehle von ihnen entgegen. Und wir reichen uns die Hände, wenn wir wollen, oder gehen allein, wenn uns das lieber ist. Denn im Tempel seines Geistes ist jeder Mensch allein. Lasst jeden Menschen seinen Tempel unberührt und rein halten. […] Denn das Wort „Wir“ darf nur freiwillig ausgesprochen werden und nie mit Nachdruck. Dieses Wort darf in der Seele eines Menschen niemals an erster Stelle stehen, sonst wird es ein Monster, die Wurzel alles Bösen auf Erden, die Wurzel der von Menschen durch Menschen erlittenen Qual und einer unsagbaren Lüge. Das Wort „Wir“ ist wie eine dicke, über die Menschen geschüttete Schicht Mörtel, die zu Stein wird und alles unter sich zerquetscht. Und Weiß und Schwarz verschwinden darin und alles wird grau. „Wir“ ist das Wort, mit dem die Schlechten die Tugend der Guten stehlen, mit dem die Schwachen die Kraft der Starken stehlen, mit dem die Dummen das Wissen der Klugen stehlen. (Rand 2002, 99ff)
Der ewige Quell
Das war es, was ich an Menschen lange nicht begriff. Sie haben gar kein Selbst. Sie leben in anderen. Sie leben aus zweiter Hand. […] Was war sein Lehensziel? Größe … in anderer Leute Augen. Ruhm, Bewundert-, Beneidetwerden – all das, was von anderen ausgeht. Andere flößten ihm Anschauungen ein, an denen er nicht festzuhalten vermochte, doch er war es zufrieden, daß andere meinten, er hielte daran fest. Immer waren andere seine bewegende Kraft und seine vornehmlichste Sorge. Er wollte gar nicht groß sein, er wollte nur für groß gehalten werden. Er wollte nicht bauen, er wollte als Baumeister bewundert werden. […] Ist das nicht die Wurzel jeder verwerflichen Handlung? Nicht die Selbstsucht, sondern im Gegenteil die Abwesenheit eines Selbst. Sieh sie dir doch an! Sieh dir den Mann an, der lügt und betrügt, aber auf eine bürgerlich anständige Außenseite hält. Er weiß, daß er unredlich ist, doch andere halten ihn für rechtschaffen, und so bezieht er seine Selbstachtung aus zweiter Hand. (Rand 1946, 817)
Eben das ist das Verderbliche an den Mitläufern. Um Tatsachen, Gedanken, Werke scheren sie sich nicht. Sie scheren sich nur um die Leute. Sie fragen nicht: „Ist das und das wahr? Sondern: „Ist das, was andere Leute denken, wahr? Sie legen keinen Wert darauf, zu urteilen, sondern nur darauf, zu wiederholen. Nicht auf das Tun, sondern auf den Anschein des Tuns. Nicht auf Schöpfung, sondern auf Bekanntschaften. […] Das ist die Leere, die ich an den Menschen nie begriffen habe. Das, was mir immer die Rede verschlägt, wenn ich vor einem Ausschuß stehe. Menschen ohne Ich. Meinung ohne Denkprozeß. Bewegung ohne Bremse oder Motor. Macht ohne Verantwortung. Der Mitläufer handelt, doch die Quelle seiner Handlungen liegt da und dort in diesem oder jenem lebenden Mitmenschen. Überall und nirgends … Du kannst ihm nicht mit Vernunftgründen kommen. Der Vernunft ist er nicht zugänglich. (Rand 1946, 818f)
So haben denn die Menschen, nachdem man ihnen Jahrhunderte lang eingebleut hat, Altruismus sei das höchste aller Ideale, die Lehre auf die einzige Art und Weise angenommen, in der sie angenommen werden konnte. Indem sie ihre Selbstachtung in andern suchen. Durch ein Leben aus zweiter Hand. Und das hat jedem Grauen und Schrecken Tür und Tor aufgetan. […] Schau dir jeden Einzelnen um uns herum an. Du hast dich gewundert, weshalb sie eigentlich leiden, wieso sie immer Glück suchen und nie finden. Wenn jeder Mensch einmal stillhalten und sich überlegen wollte, ob er jemals einen wahrhaft persönlichen Wunsch gehabt hat, so würde er die Antwort finden. Dann würde er merken, daß all seine Wünsche, seine Mühen, seine Träume, seine Bestrebungen von andern Menschen ausgehen. Er ringt nicht einmal wirklich um materiellen Reichtum, sondern um das Gaukelbild des Mitläufers: Ansehen. Um den Stempel der Gutheißung, doch nicht seiner eignen. An diesem Ringen kann er keine Freude finden, wie er keinen Jubel empfinden kann über den Erfolg. Zu nichts, nicht bei einer einzigen Sache vermag er zu sagen: „Das ist das, was ich gewollt habe, weil ich es gewollt habe; nicht weil ich wollte, daß meine Nachbarn den Mund aufsperren.“ Und dann wundert er sich, daß er unglücklich ist. Jede Form echten Glücks ist privat; unsere größten Momente sind rein persönlichen, selbstischen Motiven entsprungen; es darf nicht an sie gerührt werden. Was uns heilig und kostbar ist, das entziehen wir der Teilung mit aller Welt. Aber wir haben gelernt, wir müßten alles, was in uns ist, auf den Markt werfen, damit jeder X-beliebige es mit seinen Pfoten berühren kann. Wir müßten unsere Freude in Volksversammlungen suchen. Wir haben nicht einmal ein Wort für die Eigenschaft, auf die ich ziele … für das Selbstgenügen des Menschengeistes. Es Selbstsucht oder Egoismus zu nennen das geht nicht an, denn diese Worte sind verdreht, ihr Sinn ins Gegenteil verkehrt worden. […] Von den Leuten, die mir lieb waren, habe ich immer eine bestimmt Eigenschaft verlangt. […] Ein sich selbst genügendes Ich. Auf nichts sonst kommt es an. (Rand 1946, 820f)
Vor Jahrtausenden gelang es zum ersten Mal einem Menschen, Feuer zu erzeugen. Vermutlich wurde er von seinen Brüdern auf dem Scheiterhaufen verbrannt, den anzuzünden er sie gelehrt hatte. Er wurde als Missetäter betrachtet, der mit einem von der Menschheit gefürchteten Dämon im Bunde stand. Aber in der Folge hatten die Menschen Feuer, um sich zu wärmen, um ihre Nahrung zu kochen, um ihre Höhlen zu erleuchten. Er hatte ihnen ein Geschenk hinterlassen, das bisher nicht in ihrer Vorstellung gelebt hatte, und hatte damit die Finsternis von der Erde genommen. Viele Jahrhunderte später erfand ein Mensch das Rad. Vermutlich wurde er auf der runden Scheibe, die er seine Brüder zu hauen gelehrt hatte, gerädert. Er wurde als Missetäter betrachtet, der sich auf verbotenes Gebiet gewagt hatte. Aber in der Folge vermochten die Menschen zu allen Horizonten hinzuwandern. Er hatte ihnen ein Geschenk hinterlassen, das bisher nicht in ihrer Vorstellung gelebt hatte, und hatte damit die Wege der Welt aufgetan. Dieser Mensch, der unbändige und erste, er steht da in jedem Einleitungsabschnitt einer jeden Sage, die die Menschheit von ihrem Anbeginn im Gedächtnis bewahrt hat. Prometheus wurde an den Felsen geschmiedet und von Geiern zerfleischt, weil er den Göttern das Feuer gestohlen hatte. Adam wurde zum Leiden verdammt, weil er von der Frucht des Baumes der Erkenntnis gegessen hatte. In welcher Mythe und Legende auch immer, in den verschatteten Winkeln ihrer Erinnerung ist sich die Menschheit bewußt, daß ihr Ruhm und ihre Größe begann mit dem einen, und daß dieser eine hat büßen müssen für seinen Mut. In allen Jahrhunderten hat es Menschen gegeben, die die ersten Schritte auf neuen Wegen taten und keine andere Waffe besaßen als ihre Vision. Ihre Ziele waren mannigfaltig, doch dies hatten sie alle miteinander gemein: daß ihr Schritt der erste war, ihre Straße eine neue, ihre Vision eine von keinem andern entlehnte und daß, was sie dagegen empfingen, – Haß war. Die großen Schöpfer, die Denker, die Künstler, die Forscher, die Erfinder, – immer standen sie allein gegen die Menschen Ihrer Zeit. Jeder große Gedanke traf auf Widerstand. Jede große Erfindung wurde an den Pranger gestellt. Der erste Motor wurde als Irrsinn betrachtet, das Flugzeug als eine Unmöglichkeit. Der mechanische Webstuhl wurde als eine Lästerung verschrieen; die Anästhesie als eine Versündigung. Doch die Männer mit der von niemandem erborgten Vision gingen vorwärts. Sie stritten, sie litten, sie büßten. Doch sie siegten. Kein schöpferischer Mensch war je von dem Wunsch beseelt, seinen Brüdern zu dienen; denn seine Brüder verwarfen das Geschenk, das er ihnen bot, weil das Geschenk die träge Gewohnheit ihres Alltagslehens aufstörte. Wahrheit, seine eigene Wahrheit, dies war seine Triebfeder, nichts anderes. Seine eigene Wahrheit, sein eigenes Werk auf seine eigene Weise zu vollenden. Eine Symphonie, ein Buch, eine Maschine, ein philosophisches System, ein Flugzeug oder ein Bauwerk, – das war sein Ziel und war sein Lebensinhalt. Nicht die, die das, was er geschaffen hatte, hörten, lasen, betrieben, glaubten, steuerten oder bewohnten. Die Schöpfung, nicht ihre Nutznießer. Die Schöpfung, nicht die Vorteile, die andere daraus zogen. Die Schöpfung, die seiner Wahrheit Gestalt verlieh. Über allem und gegen alle hielt er fest an seiner Wahrheit. Seine Vision, seine Kraft, sein Mut, sie kamen ihm aus dem eigenen Geist. Eines Menschen Geist aber, das ist sein Selbst. Jene Wesenheit, die man das Bewußtsein nennt. Denken, Fühlen, Urteilen, Handeln sind Funktionen des Ich. Die schöpferischen Menschen waren nie selbstlos. Das ganze Geheimnis ihrer Kraft liegt darin beschlossen, daß sie sich selbst genügte, sich selbst begründete, sich selbst erzeugte. Ein Urgrund, eine Kraftquelle, eine Lebensgewalt, ein Primum Movens. Niemandem und nichts diente der schaffende Mensch. Er hatte für sich, um seiner selbst willen gelebt. Und nur weil er allein für sich, um seiner selbst willen lebte, vermochte er Leistungen zu vollbringen, die den Ruhm der Menschheit ausmachen. Das ist das Charakteristikum der großen Leistung. Der Mensch vermag sich zu erhalten, am Leben zu erhalten nur mittels seines Geistes. Waffenlos kommt er zur Welt. Seine einzige Waffe ist sein Gehirn. Die Tiere verschaffen sich ihre Nahrung durch Gewalt. Der Mensch hat keine Klauen, keine Fänge, keine Hörner, keine große Muskelkraft. Er muß seine Nahrung durch Anbau oder Jagd gewinnen. Zum Anbauen bedarf es eines Denkprozesses. Zum Jagen bedarf er der Waffen, und um Waffen herzustellen, bedarf es wiederum eines Denkprozesses. Von dieser einfachsten Bedürfniserfüllung bis zur sublimsten religiösen Abstraktion, vom Rad bis zum Wolkenkratzer, ist alles, was wir sind, und alles, was wir haben, Erzeugnis des einzigen unterscheidenden Merkmals des Menschen, seines einzigen echten Attributs: des denkenden Verstandes. Doch der Verstand ist ein Attribut des Individuums. Es gibt kein Kollektivhirn. Es gibt kein Kollektivdenken. Eine Verständigung zwischen einer Gruppe von Menschen ist lediglich ein Ausgleich oder ein aus einer Vielzahl von individuellen Gedanken gezogener Durchschnitt. Eine sekundäre, eine Folgeerscheinung. Die primäre Handlung – der Denkprozeß – muß von jedem Einzelmenschen allein vorgenommen werden. (Rand 1946, 919ff)
Doch die Wahl ist nicht zwischen Selbstaufopferung und Beherrschung. Sondern zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit. Zwischen der Gesetzestafel des Schöpfers und der Gesetzestafel des Mitläufers. Das ist die grundlegende Frage, um die es geht. Sie beruht auf der Alternative zwischen Leben und Tod. Das Gesetzbuch des schöpferischen Menschen ist aufgebaut auf den Notwendigkeiten des denkenden Verstandes, der dem Menschen erlaubt, sich zu erhalten. Das Gesetzbuch des Mitläufers ist aufgebaut auf den Notwendigkeiten eines Verstands, der unfähig ist, seine Erhaltung zu gewährleisten. Alles, was aus dem unabhängigen Ich des Menschen hervorgeht, ist gut. Alles, was aus der Abhängigkeit von Menschen hervorgeht, ist schlecht. Der Egoist im unbedingten Sinn ist nicht der Mensch, der andere Menschen opfert, sondern er ist der Mensch, der über der Notwendigkeit steht, andere Menschen zu irgendeinen Zweck brauchen zu müssen. Er wirkt nicht erst durch sie. Er ist von vorneherein nicht auf sie angewiesen. Nicht hinsichtlich seines Ziels, noch hinsichtlich seines Antriebs, weder für sein Denken noch für sein Wünschen noch für die Quelle seiner Kraft. Er ist nicht da für andere Menschen; aber er verlangt auch nicht von anderen Menschen, daß sie für ihn da seien. Das ist die einzig mögliche Form der Bruderschaft und der gegenseitigen Achtung zwischen Menschen. Die Grade der Fähigkeiten sind verschieden, doch das Grundprinzip bleibt immer das gleiche: der Grad der Unabhängigkeit, der Initiative und der persönlichen Liebe eines Menschen zu seiner Arbeit bestimmt seine Begabung als Arbeiter und seinen Wert als Mensch. Unabhängigkeit ist der einzige Gradmesser menschlicher Tugend und menschlichen Werts. Das, was ein Mensch ist und was er aus sich macht; nicht was er hat oder für andere Menschen tut. Es gibt keinen Ersatz für persönliche Würde. (Rand 1946, 924)
In allen echten Beziehungen von Menschen untereinander gibt es kein Opfer, das der eine Mensch dem andern bringt. Ein Architekt braucht Auftraggeber, doch er ordnet seine Arbeit nicht ihren Wünschen unter. Sie brauchen ihn, aber sie lassen sich kein Haus bauen, bloß um ihm einen Auftrag zu verschaffen. Die Menschen tauschen ihre Arbeit in freiem, gegenseitigem Einverständnis zu gegenseitigem Vorteil aus, wenn ihre persönlichen Interessen miteinander im Einklang sind und sie beide den Austausch wünschen. (Rand 1946, 924)
Kein Werk kommt jemals durch eine Vielzahl zustande, durch Mehrheitsbeschluß. Jede schöpferische Arbeit wird geleistet unter der Führung eines einzelmenschlichen Denkens. (Rand 1946, 925)
Das erste und oberste Recht auf Erden ist das Recht auf das Ich. Die erste und oberste Pflicht des Menschen ist die Pflicht gegen sich selbst. Sein Sittengesetz lautet, niemals sein vornehmlichstes Ziel in andern Menschen zu suchen. Seine sittliche Verpflichtung lautet zu tun, was ihm sein Wunsch eingibt, vorausgesetzt, daß dieser Wunsch nicht in erster Linie von andern Menschen abhängt. (Rand 1946, 925)
Ein Mensch denkt allein und arbeitet allein. Doch rauben, ausbeuten, herrschen, – das vermag ein Mensch nicht allein. Raub, Ausbeutung, Herrschaft, – das alles setzt Opfer voraus. Das bringt Abhängigkeit mit sich. Das ist das Gebiet des Mitläufers. Beherrscher von Menschen sind keine Egoisten. Denn sie schaffen nichts. Sie bestehen durch, sie sind angewiesen auf die Persönlichkeit anderer Menschen. Ihr Ziel liegt in ihren Untertanen beschlossen, ihr Tun ist auf Knechtung gerichtet. Sie sind so abhängig wie der Bettler, der Sozialarbeiter und der Bandit. Die Form der Abhängigkeit ist gleichgültig. (Rand 1946, 925)
Das „Allgemeinwohl“ eines Kollektivs – heiße es nun Rasse, Klasse oder Staat – war noch immer der Anspruch und die Rechtfertigung jeglicher Tyrrannei, die über Menschen aufgerichtet wurde. Alle großen Greuel der Geschichte wurden begangen im Namen eines altruistischen Motivs. Hat eine einzige Handlung der Selbstsucht jemals ein Blutbad im Gefolge gehabt gleich den Metzeleien, wie sie fort und fort von den Jüngern des Altruismus veranlaßt wurden und werden? Die grauenhaftesten Schlächter waren immer die, die aus aufrichtigster Überzeugung handelten. Sie glaubten an die vollkommene Gesellschaft, die durch Guillotine und Erschießungs-Pelotons erlangt werden könne und müsse. […] Ein Menschenfreund tritt auf mit Erklärungen von Liebe für die Menschheit, und es endet in einem Meer von Blut. Das geht so weiter und wird immer weiter gehen, solange Menschen glauben, jede Handlung sei gut, solange sie selbstlos ist. Das gestattet dem Altruisten, zu handeln und zwingt seine Opfer, es zu dulden. […] Die einzige Guttat, die Menschen einander tun können, und die einzige Vorschrift für ihre angemessene Beziehung untereinander heißt: Hände weg! (Rand 1946, 926)
Wer ist John Galt?
Der Mensch besitzt kein automatisches Verhaltensrepertoire, um zu überleben. Was ihn grundlegend von allen anderen Lebewesen unterscheidet, ist die Notwendigkeit, sich angesichts von Alternativen frei zu entscheiden und willentlich zu handeln. Er besitzt kein automatisches Wissen um das, was gut oder böse für ihn ist, von welchen Werten sein Leben abhängt, welche Handlungen es erfordert. […] Ein Instinkt der Selbsterhaltung ist genau das, was der Mensch nicht besitzt. Ein „Instinkt“ ist eine niemals irrende automatische Form des Wissens. Ein Wunsch ist kein Instinkt. Der Wunsch zu leben gibt euch nicht das Wissen, das ihr zum Leben braucht. (Rand 1985, 1087)
Ein Lebewesen, das die Mittel, die es zum Überleben braucht, als böse betrachtet, wird nicht überleben. Eine Pflanze, die sich bemüht, ihre Wurzeln zu zerstören, ein Vogel, der versucht seine Flügel zu zerbrechen, werden das Leben, dem sie sich verweigern, nicht lange behalten. Doch die Geschichte der Menschheit war ein Kampf, den menschlichen Verstand zu leugnen und zu zerstören. Man hat den Menschen ein vernünftiges Wesen genannt, doch Vernunft verlangt Entscheidungen. Seine Natur stellt den Menschen vor die Alternative: vernünftiges Wesen oder selbstmörderische Kreatur. Er muß entscheiden, ob er Mensch sein will; er muß entscheiden, ob er sein Leben für einen Wert halten will; er muß entscheiden, ob er lernen will, es zu erhalten; er muß entscheiden, ob er die Werte, die es erfordert, entdecken und seine Tugenden üben will. Ein Wertekanon, für den man sich entscheidet, ist ein Moralkodex. […] Es gibt eine Moral der Vernunft, eine Moral, die der Natur des Menschen entspricht, und ihr Wertmaßstab ist sein Leben. Alles, was das Leben eines vernünftigen Wesens fördert, ist das Gute, alles, was es zerstört, ist das Böse. Das Leben, das die Natur des Menschen fordert, ist nicht das Leben einer Kreatur ohne Verstand, eines plündernden Räubers oder eines schmarotzenden Mystikers, sondern das Leben eines denkenden Wesens; nicht ein Leben durch Gewalt und Betrug, sondern ein Leben durch Leistung. (Rand 1985, 1087f)
Glück ist der Zustand des erfolgreichen Lebens, Schmerz ist ein Agent des Todes. Glück ist jener Zustand des Bewußtseins, der aus der Verwirklichung der eigenen Werte entsteht. […] Durch die Gnade der Wirklichkeit und durch die Natur des Lebens ist der Mensch, jeder Mensch, ein Zweck in sich selbst, er existiert um seiner selbst willen, und die Verwirklichung seines eigenen Glücks ist sein höchstes moralisches Ziel. (Rand 1985, 1088)
Hört nicht auf die Parasiten an den öffentlichen Schulen, die von den Profiten der Verstandesleistungen anderer leben und behaupten, daß der Mensch keine Moral braucht und keine Werte und keine Verhaltensregeln. Sie geben sich als Wissenschaftler aus und behaupten, daß der Mensch nur ein Tier ist, schließen ihn aber nicht ein in das Gesetz des Daseins, das sie für die niedersten Insekten gelten lassen. Sie erkennen an, daß jedes Lebewesen Gesetzen unterliegt, die seiner Natur entsprechen und von denen sein Überleben abhängt. Sie behaupten nicht, daß ein Fisch außerhalb des Wassers oder ein Hund ohne seinen Geruchssinn leben kann. Aber sie behaupten, daß der Mensch, das komplexeste aller Lebewesen, unter beliebigen Bedingungen überleben kann; daß er unbeschränkt anpassungsfähig und von seiner Natur in nichts festgelegt ist; und daß es keinen Grund gibt, weshalb er nicht leben können soll, wenn die Mittel, die er zum Überleben braucht, zerstört werden und wenn sein Verstand erstickt und den Befehlen unterworfen wird, die sie ihm dann erteilen. Hört nicht auf die vom Haß vergifteten Mystiker, die sich als Freunde der Menschheit ausgeben und predigen, daß die höchste Tugend, die der Mensch üben kann, der Glaube an die Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens ist. Sie sagen euch, der Zweck der Moral sei es, den Selbsterhaltungsinstinkt des Menschen zu unterdrücken. Ich aber sage euch, gerade zum Zweck der Selbsterhaltung braucht der Mensch einen Moralkodex. Nur ein Mensch, der moralisch sein will, ist ein Mensch, der leben will. (Rand 1985, 1088f)
Zu existieren bedeutet, etwas zu sein, das sich vom Nichts der Nicht-Existenz unterscheidet, bedeutet, eine Entität von spezifischer Natur und mit spezifischen Attributen zu sein. Vor Jahrhunderten hat der Mann, der – trotz all seiner Irrtümer – der größte eurer Philosophen war, die Formel aufgestellt, die den Begriff des Seins und das Gesetz des Erkennens definiert: A gleich A. Ein Ding ist es selbst. Ihr habt die Bedeutung dieses Grundsatzes niemals begriffen. Ich bin gekommen, diesen Satz zu vervollständigen: Existenz ist Identität, Bewußtsein ist Erkennen. Was immer ihr betrachtet, sei es ein Gegenstand, eine Eigenschaft oder eine Handlung, das Gesetz der Identität bleibt das gleiche. Ein Blatt kann nicht gleichzeitig ein Stein sein, es kann nicht ganz rot und ganz grün zugleich sein, es kann nicht im selben Augenblick frieren und brennen. A gleich A. Oder, einfacher ausgedrückt: Ihr könnt euren Kuchen nicht gleichzeitig essen und ihn behalten. Wollt ihr wissen, was mit der Welt nicht in Ordnung ist? All die Katastrophen, die eure Welt zerstört haben, rühren von dem Versuch eurer Führer her, der Tatsache auszuweichen, daß A gleich A ist. All das geheime Böse, das ihr in euch zu entdecken fürchtet, und aller Schmerz, den ihr erduldet habt, rührt von eurem eigenen Versuch her, der Tatsache auszuweichen, daß A gleich A ist. Diejenigen, die euch lehrten, ihr auszuweichen, wollten euch vergessen machen, daß ein Mensch ein Mensch ist. Der Mensch kann nur überleben, wenn er Wissen erwirbt, und die Vernunft ist das Mittel dazu. Die Vernunft ist die Fähigkeit, die das Material, das die Sinne liefern, wahrnimmt, erkennt und kombiniert. Die Aufgabe der Sinne ist es, dem Menschen eine Anschauung der Welt zu geben, doch die Aufgabe des Erkennens obliegt seiner Vernunft. Seine Sinne sagen ihm nur, daß etwas ist, doch was es ist, muß er durch Gebrauch seines Verstands lernen. (Rand 1985, 1090f)
In eurer Sprache würde ich sagen, das einzige Gebot der Moral lautet: Du sollst denken. Doch ein „Gebot der Moral“ ist ein Widerspruch in sich. Moral muß frei gewählt, darf nie erzwungen sein. Es geht nicht darum zu gehorchen, sondern zu verstehen. Moral ist Vernunft, und Vernunft erkennt keine Gebote an. Meine Moral, die Vernunft, ist in einem einzigen Axiom enthalten: Existenz existiert. Und in einer einzigen Entscheidung: zu leben. Hieraus folgt alles andere. Um zu leben, muß der Mensch drei Dinge für die höchsten und leitenden Werte seines Lebens halten: Vernunft, Zielstrebigkeit, Selbstachtung. Vernunft als sein einziges Mittel der Erkenntnis, Zielstrebigkeit als seine Wahl des Glücks, das er mit diesem Mittel verwirklichen will, Selbstachtung als seine unumstößliche Gewißheit, daß sein Verstand fähig ist, zu denken, und seine Person es wert ist, glücklich zu sein, was bedeutet: wert ist zu leben. Diese drei Werte umfassen und erfordern alle Tugenden des Menschen, und alle seine Tugenden richten sich auf das Verhältnis zwischen Existenz und Bewußtsein: Rationalität, Unabhängigkeit, Integrität, Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, Produktivität, Stolz.
Rationalität ist die Anerkennung der Tatsache, daß Existenz existiert, daß nichts die Wahrheit verändern kann und daß nichts den Vorrang haben kann vor dem Akt, der sie wahrnimmt, dem Akt des Denkens, daß der Verstand der einzige Richter über Werte und der einzige Maßstab des Handelns ist, daß die Vernunft etwas Absolutes ist, das keine Kompromisse duldet; daß ein Zugeständnis an die Irrationalität das Bewußtsein lähmt und aus der Wahrnehmung der Realität deren Verfälschung macht, daß die angebliche Abkürzung auf dem Weg zur Erkenntnis, der Glaube, nur ein Kurzschluß ist, der den Verstand zerstört; daß die Hingabe an mystische Eingebungen der Wunsch nach der Vernichtung der Welt ist und daß sie – folgerichtig – das Bewußtsein vernichtet.
Unabhängigkeit ist die Anerkennung der Tatsache, daß ihr Urteile fällen müßt und daß nichts euch diese Verantwortung abnehmen kann; daß niemand für euch denken kann, so wie niemand für euch leben kann; daß die erbärmlichste Form der Selbsterniedrigung und Selbstzerstörung die Unterordnung eures Verstandes unter den Verstand eines anderen ist, die Anerkennung einer Autorität über euer Gehirn, die Hinnahme seiner Behauptungen als Tatsachen, seiner Meinungen als Wahrheit, seiner Dogmen als Vermittler zwischen eurem Bewußtsein und eurer Existenz.
Integrität ist die Anerkennung der Tatsache, daß ihr euer Bewußtsein nicht fälschen könnt, so wie Ehrlichkeit die Anerkennung der Tatsache ist, daß ihr die Wirklichkeit nicht fälschen könnt; daß der Mensch ein unteilbares Ganzes ist, die verschränkte Einheit zweier Attribute: der Materie und des Bewußtseins, und daß er keinen Bruch zulassen darf zwischen Körper und Verstand, zwischen Handeln und Denken, zwischen seinem Leben und seinen Überzeugungen; daß er wie ein Richter, der unzugänglich ist für den Einfluß der öffentlichen Meinung, seine Überzeugungen nicht den Wünschen anderer opfern darf, auch wenn die ganze Menschheit ihn mit Bitten oder Drohungen bestürmt; daß Mut und Vertrauen praktische Notwendigkeiten sind, daß Mut die Treue zum Leben und die Treue zur Wahrheit ist, und Vertrauen die Treue gegenüber dem eigenen Bewußtsein.
Ehrlichkeit ist die Anerkennung der Tatsache, daß das Unwirkliche unwirklich ist und keinen Wert haben kann, daß weder Liebe, noch Ruhm, noch Geld von irgendeinem Wert sind, wenn sie durch Betrug erlangt wurden; daß ihr mit dem Versuch, einen Wert zu erlangen, indem ihr den Verstand anderer täuscht, eure Opfer höher stellt als die Wirklichkeit, auf eine Ebene, wo ihr selbst Opfer ihrer Blindheit, Sklaven ihres Nichtdenkens werdet, und euch damit gleichzeitig ihre Intelligenz, ihre Rationalität, ihre Beobachtungsgabe zu Feinden macht, die ihr fürchten und vor denen ihr euch in acht nehmen müßt; daß ihr nicht in Abhängigkeit leben wollt, am allerwenigsten abhängig von der Dummheit anderer, oder als ein Dummkopf, der seine Werte Dummköpfen verdankt, die er selbst verdummt; daß Ehrlichkeit nicht eine soziale Pflicht ist, nicht ein Opfer um anderer willen, sondern die eigennützigste Tugend, die ein Mensch üben kann: seine Weigerung, die Wirklichkeit seiner eigenen Existenz dem getäuschten Bewußtsein anderer zu opfern.
Gerechtigkeit ist die Anerkennung der Tatsache, daß ihr den Charakter des Menschen nicht fälschen könnt, so wie ihr auch nicht den Charakter der Natur fälschen könnt, daß ihr alle Menschen ebenso gewissenhaft beurteilen müßt, wie ihr unbelebte Dinge beurteilt, mit der gleichen Achtung vor der Wahrheit, mit der gleichen unbestechlichen Klarheit, durch einen ebenso reinen und rationalen Akt des Erkennens; daß jeder Mensch beurteilt werden muß als das, was er ist, und daß er entsprechend behandelt werden muß, daß ihr, ebenso wie ihr für rostigen Schrott keinen höheren Preis zahlt als für glänzendes Metall, auch einen Lumpen nicht höher schätzt als einen Helden; daß eure moralische Beurteilung die Münze ist, mit der ihr die Menschen für ihre Tugenden oder ihre Laster bezahlt; und daß diese Bezahlung von euch die gleiche Ehrenhaftigkeit verlangt, wie ihr sie bei Geldgeschäften übt; daß es moralischer Betrug ist, eure Verachtung für die Laster der Menschen zu verheimlichen, und moralische Unterschlagung, eure Bewunderung für ihre Tugenden nicht zu zeigen; daß es eine Entwertung eurer moralischen Währung zugunsten des Bösen und zum Schaden des Guten bedeutet, wenn ihr irgend etwas höher schätzt als die Gerechtigkeit, denn nur das Gute kann verlieren und nur das Böse gewinnen durch die Herabsetzung der Gerechtigkeit; und daß in der Tiefe des Abgrundes am Ende dieses Weges die moralische Bankrotterklärung steht, die Bestrafung der Menschen für ihre Tugenden und die Belohnung für ihre Laster; und daß dies das Bekenntnis zur absoluten Verderbtheit ist, die Schwarze Messe der Todessehnsucht, mit der ihr euer Bewußtsein der Zerstörung des Lebens weiht.
Produktivität ist eure Annahme der Moral, die Anerkennung der Tatsache, daß ihr leben wollt; daß produktive, schöpferische Arbeit der Prozeß ist, durch den das Bewußtsein des Menschen sein Leben beherrscht, ein ständiger Prozeß des Erwerbs von Wissen und der Gestaltung der Materie gemäß diesem Wissen zum eigenen Erfolg, der Verwandlung einer Idee in physische Form, der Gestaltung der Erde nach dem Bild der eigenen Wertbegriffe; daß alle produktive Arbeit vollbracht wird durch einen denkenden Verstand, und daß keine Arbeit produktiv ist, wenn sie von jemand getan wird, der in unkritischer Stumpfheit eine Routinehandlung wiederholt, die er von anderen gelernt hat; daß ihr eure Arbeit im Rahmen eurer intellektuellen Fähigkeiten selbst wählen müßt – nicht darüber, weil es nicht möglich ist, und nicht darunter, weil es unmenschlich wäre; daß derjenige, der sich durch Betrug in eine Stellung einschleicht, der sein Verstand nicht gewachsen ist, zum angstgepeinigten Dieb fremder Gedanken und fremder Zeit wird; und daß derjenige, der eine Arbeit annimmt, die weniger verlangt, als sein Verstand leisten kann, seinen Lebensmotor abwürgt und sich zum sicheren Verfall verurteilt; daß eure Arbeit die Verwirklichung eurer Werte ist und daß ihr mit dem Verlust eures Strebens nach Werten auch euer Streben nach Glück verliert; daß euer Körper ein Fahrzeug ist und euer Verstand sein Lenker und daß ihr so weit fahren sollt, wie euer Verstand euch bringt, mit Leistung als Ziel eurer Fahrt; daß der Mensch, der keine Zielstrebigkeit und keinen Erfolgswillen besitzt, nur ein Fahrzeug ist, das einen Abhang hinabrast, immer in Gefahr, an einem Felsen zu zerschellen oder in einen Graben zu stürzen; daß ein Mensch, der seinen Verstand erstickt, ein abgestellter Motor ist, der langsam verrostet; daß der Mensch, der sich von einem anderen seinen Weg vorschreiben läßt, ein Wrack ist, das zum Abfallhaufen geschleppt wird; und daß ein Mensch, der das Glück eines anderen zu seinem Ziel macht, ein Tramp ist, den kein Fahrer mitnehmen sollte; daß eure Arbeit der Sinn und Zweck eures Lebens ist und daß ihr an jedem Wegelagerer vorbeifahren müßt, der sich das Recht anmaßt, euch anzuhalten; daß jeder Wert, den ihr außerhalb eurer Arbeit findet, jede Loyalität, jede Liebe nur denen gelten darf, die ihr euch selbst ausgesucht habt und die aus eigener Kraft zum gleichen Ziel wie ihr unterwegs sind.
Stolz ist die Anerkennung der Tatsache, daß ihr selbst euer höchster Wert seid, der wie alle Werte des Menschen erworben werden muß; daß von den Leistungen, die ihr vollbringen wollt, die Formung eures Charakters diejenige ist, die alle anderen erst möglich macht; daß euer Charakter, eure Handlungen, eure Wünsche, eure Gefühle Ergebnisse der Voraussetzungen sind, die euer Verstand schafft; daß der Mensch, so wie er die physischen Werte schaffen muß, um sein Leben zu erhalten, auch die charakterlichen Werte erwerben muß, die sein Leben erst erhaltenswert machen; daß der Mensch, wie er seinen Reichtum selbst verdienen, auch seine Seele selbst bereichern muß; daß man, um zu leben, Selbstwertgefühl braucht, und daß der Mensch, weil er nicht automatisch Werte und Selbstachtung hat, sie erwerben muß, indem er seine Seele nach dem Bild seines moralischen Ideals formt, nach dem Bild eines denkenden Wesens, das zu schaffen ihm zwar mit der Geburt die Fähigkeit verliehen wird, das er aber in freier Entscheidung selbst verwirklichen muß; daß die erste Vorbedingung der Selbstachtung die strahlende Eigennützigkeit der Seele ist, die in allem, im Bereich des Materiellen und des Geistigen, immer nur das Beste für sich begehrt, einer Seele, die vor allem ihre eigene moralische Vollkommenheit erstrebt und nichts höher schätzt als sich selbst; und daß der Beweis für erlangte Selbstachtung der Schauer des Widerwillens und der Verachtung in eurer Seele gegen die Rolle eines Opfertieres ist, gegen die widerwärtige Anmaßung jeden Glaubens, der euch anträgt, den unersetzlichen Wert eures Bewußtseins und die unvergleichliche Herrlichkeit eurer Existenz den blinden Ausflüchten und dem unaufhaltsamen Niedergang anderer zu opfern. (Rand 1985, 1093ff)
Nur als Vergeltung darf Gewalt angewendet werden und nur gegen den, der mit ihrer Anwendung beginnt. Nein, ich teile seine Bosheit nicht und sinke nicht auf sein moralisches Niveau herab. Ich erfülle nur seinen eigenen Wunsch, seinen Wunsch nach Zerstörung, der einzigen Zerstörung, auf die er ein Anrecht hat: seiner eigenen. Er gebraucht Gewalt, um sich eines Wertes zu bemächtigen; ich gebrauche sie nur, um die Zerstörung zu zerstören. (Rand 1985, 1099)
Ein Körper ohne Seele ist ein Leichnam, eine Seele ohne Körper ist ein Gespenst. Doch dies ist ihr Bild vom Wesen des Menschen: das Schlachtfeld eines Kampfes zwischen einem Leichnam und einem Gespenst, einem Leichnam mit seinen eigenen bösen Zwecken und einem Gespenst mit dem Wissen, daß alles, was der Mensch weiß, nichtexistent ist, daß nur das existiert, was man nicht wissen kann. Seht ihr jetzt, welche Fähigkeit des Menschen zu unterdrücken ihre Doktrin bestimmt war? Es war das Denkvermögen des Menschen, das geleugnet werden sollte, damit er auseinanderfällt. Wenn er einmal seine Vernunft aufgegeben hatte, war er auf Gnade und Ungnade zwei Ungeheuern ausgeliefert, die er weder ergründen noch bändigen konnte: einem Körper, der beherrscht wurde von unberechenbaren Instinkten, und einer Seele, die beherrscht wurde von mystischen Offenbarungen. Er wurde zum willen- und wehrlosen Opfer eines Kampfes zwischen einem Roboter und einem Diktaphon. Und während er jetzt durch die Trümmer kriecht und blind nach einem Weg zum Weiterleben sucht, bieten ihm eure Lehrer die Hilfe einer Moral an, die erklärt, daß er keine Erlösung finden wird und keine Erfüllung auf Erden suchen darf. Wirkliche Existenz, sagen sie zu ihm, ist das, was er nicht wahrnehmen kann, wahres Bewußtsein ist die Fähigkeit, das Nichtexistente wahrzunehmen. Und wenn er unfähig ist, dies zu verstehen, so ist das der Beweis dafür, daß sein Dasein von Übel und sein Bewußtsein ohnmächtig ist. Als Produkte der Spaltung des Menschen in Seele und Leib gibt es zwei Arten von Lehrern der Moral des Todes: die Seelen- und die Muskelmystiker, die ihr Spiritualisten und Materialisten nennt, die, die an Bewußtsein ohne Existenz glauben, und die, die an Existenz ohne Bewußtsein glauben. Beide fordern sie die Auslieferung eures Verstandes, die einen an ihre Offenbarungen, die anderen an ihre Reflexe. Gleichgültig, wie laut sie ihre Rollen als unversöhnliche Antagonisten spielen, ihre Moralgesetze sind die gleichen, und gleich sind auch ihre Ziele – materiell: die Versklavung des menschlichen Körpers; geistig: die Zerstörung des menschlichen Verstandes. Das Gute, sagen die Seelenmystiker, ist Gott, dessen einzige Definition darin besteht, daß sein Wesen jenseits des Begriffsvermögens des Menschen liegt – eine Definition, die das Bewußtsein des Menschen auslöscht und seine Begriffe vom Leben für ungültig erklärt. Das Gute, sagen die Muskelmystiker, ist die Gesellschaft – ein Ding, das sie als einen Organismus erklären, der keine physische Form besitzt, verkörpert in niemand im besonderen und in jedermann im allgemeinen, mit Ausnahme von euch selbst. Der Verstand des Menschen, sagen die Seelenmystiker, muß sich dem Willen Gottes unterordnen. Der Verstand des Menschen, sagen die Muskelmystiker, muß sich dem Willen der Gesellschaft unterordnen. Der Wertmesser des Menschen, sagen die Seelenmystiker, ist das Wohlgefallen Gottes, dessen Wettmaßstab außerhalb des Begriffsvermögens des Menschens liegt und auf Treu und Glauben anerkannt werden muß. Der Wertmesser des Menschen, sagen die Muskelmystiker, ist das Wohlergehen der Gesellschaft, deren Wertmesser außerhalb des Beurteilungsrechtes des Menschen liegt und als absolut anerkannt und befolgt werden muß. Der Sinn des menschlichen Lebens, sagen beide, ist, ein verächtliches Wesen zu werden, das einem Zweck dient, den es nicht kennt, aus Gründen, nach denen es nicht fragen darf. Seine Belohnung, sagen die Seelenmystiker, wird ihm jenseits des Grabes gegeben werden. Seine Belohnung, sagen die Muskelmystiker, wird auf der Erde gegeben werden – seinen Ururenkeln. Eigennützigkeit, sagen beide, ist das Böse im Menschen. Das Gute, sagen beide, ist die Aufgabe seiner persönlichen Wünsche, die Verleugnung seiner selbst, der Verzicht auf seine Rechte, auf seine Existenz; das Gute die Negierung des Lebens, das er lebt. Opferbereitschaft, schreien beide, ist die Quintessenz aller Moral, der höchste Wert, den ein Mensch je erreichen kann. (Rand 1985, 1102ff)
Opfern bedeutet nicht die Hergabe des Wertlosen, sondern die des Wertvollen. Opfern bedeutet nicht die Verwertung des Bösen um des Guten willen, sondern des Guten um des Bösen willen. Opfern ist die Preisgabe dessen, was ihr schätzt, zugunsten dessen, was ihr nicht schätzt. Wenn ihr einen Cent gegen einen Dollar eintauscht, so ist dies kein Opfer; wenn ihr einen Dollar gegen einen Cent eintauscht, so ist dies ein Opfer. Wenn ihr die Laufbahn, die ihr eingeschlagen habt, nach Jahren des Kampfes vollendet, so ist dies kein Opfer; wenn ihr aber dann verzichtet zugunsten eines Rivalen, ist es eines. Wenn ihr eine Flasche Milch habt und gebt sie eurem hungernden Kind, so ist das kein Opfer; wenn ihr sie dem Kind des Nachbarn gebt und laßt das eure verhungern, ist es eines. Wenn ihr einem Freund Geld gebt, um ihm zu helfen, ist dies kein Opfer; wenn ihr es einem unwürdigen Fremden gebt, ist es eines. Wenn ihr einem Freund eine Summe gebt, die euch nicht weh tut, so ist dies kein Opfer; wenn ihr ihm Geld gebt auf Kosten eures eigenen Wohlbefindens, so ist dies, nach ihrem moralischen Wertmaßstab, nur eine halbe Tugend: wenn ihr ihm aber soviel Geld gebt, daß ihr selbst in Not geratet, dann ist dies die Tugend der Opferbereitschaft in ihrer vollen Bedeutung. Wenn ihr auf alle eure persönlichen Wünsche verzichtet und euer Leben jenen weiht, die ihr liebt, dann übt ihr nicht die volle Tugend: Ihr behaltet immer noch einen Wert für euch selbst – eure Liebe. Wenn ihr euer Leben einem beliebigen Fremden weiht, dann ist dies ein Akt größerer Tugend. Wenn ihr euer Leben dem Dienste eines Menschen weiht, den ihr haßt, dann ist dies die höchste aller Tugenden, deren der Mensch fähig ist. Ein Opfer ist die Preisgabe eines Wertes. Ein volles Opfer ist die volle Preisgabe aller Werte. Wenn ihr den höchsten Grad der Tugend erreichen wollt, dann dürft ihr keine Dankbarkeit für eure Opfer erwarten oder suchen, kein Lob, keine Liebe, keine Bewunderung, keine Selbstachtung, nicht einmal den Stolz, tugendhaft zu sein; die geringste Spur eines Gewinnes entwertet eure Tugend. Wenn ihr stets so handelt, daß keine Freude in euer Leben dringt, daß ihr weder materiellen noch geistigen Gewinn erzielt, wenn ihr diesen Grad der Nichtigkeit eures Handelns erreicht, dann seid ihr beim Ideal moralischer Vollkommenheit angelangt. Man sagt euch, daß moralische Vollkommenheit für den Menschen unmöglich ist; mit diesem Maß gemessen, ist sie es. Ihr könnt sie nicht erreichen, solange ihr lebt, doch der Wert eurer Person und eures Lebens wird gemessen nach dem Grad eurer Annäherung an das letzte Nichts, an den Tod. Wenn ihr beginnt als ein gefühlloses Nichts, als eine Pflanze, die nur verschlungen zu werden sucht, ohne Werte, die ihr preisgeben, und ohne Wünsche, auf die ihr verzichten könnt, dann könnt ihr die Krone des Opfers nicht erringen. Es ist kein Opfer, auf das Nichtgewünschte zu verzichten. Es ist kein Opfer, euer Leben für andere hinzugeben, wenn ihr euren Tod wünscht. Um die Tugend des Opfers zu üben, müßt ihr leben wollen, müßt ihr das Leben lieben, müßt ihr glühen vor Leidenschaft für diese Erde und für alle Freude, die sie euch geben kann … müßt jeden Schnitt des Messers fühlen, das euch von euren Wünschen trennt und eure Liebe zu eurem Körper abtötet. Nicht nur den Tod stellt euch die Opfermoral als Ideal dar, sondern den Tod durch langsame Folter. (Rand 1985, 1104f)
Eure Moral verlangt von euch, daß ihr auf die materielle Welt verzichtet und eure Werte von der Materie trennt. Ein Mensch, dessen Werte nicht ihren Ausdruck finden in materiellen Formen, dessen Existenz in keiner Beziehung zu seinen Idealen steht, dessen Taten seinen Überzeugungen widersprechen, ist ein kleiner billiger Heuchler. Doch dies ist der Mensch, der eurer Moral gehorcht und seine Werte von der Materie trennt. Der Mann, der eine Frau liebt, aber mit einer anderen schläft; der Mann, der das Können eines Arbeiters bewundert, aber einen anderen einstellt; der Mann, der hohe Anforderungen an handwerkliche Leistungen stellt, aber selbst Schund produziert – sie alle sind Menschen, die auf die Materie verzichtet haben, Menschen, die glauben, daß die Werte ihrer Vernunft nicht in der Materie verwirklicht werden können. Sagt ihr, daß solche Menschen die Vernunft aufgegeben haben? Jawohl, das haben sie. Ihr könnt nicht das eine ohne das andere haben. Ihr seid eine unteilbare Einheit aus Materie und Bewußtsein. Gebt euer Bewußtsein auf, und ihr werdet zu dumpfen Tieren. Gebt euren Körper auf, und ihr werdet eine Illusion; Gebt die materielle Welt auf, und ihr überantwortet sie dem Bösen. (Rand 1985, 1106)
Einen Menschen wegen seiner Tugenden zu lieben, ist niedrig und menschlich, sagt euch eure Moral; ihn wegen seiner Fehler zu lieben, ist göttlich. Jene zu lieben, die eurer Liebe wert sind, ist eigennützig; die zu lieben, die ihrer nicht wert sind, ist Opfer. Ihr schuldet eure Liebe denen, die sie nicht verdienen, und je weniger sie sie verdienen, um so mehr Liebe schuldet ihr ihnen. Je verachtenswerter sie sind, um so edler ist eure Liebe. Je unkritischer eure Liebe ist, um so größer ist eure Tugend. Und wenn es euch gelingt, eure Seele zu einem Schuttabladeplatz zu machen, der alles zu gleichen Bedingungen aufnimmt, wenn ihr so weit gelangt, daß ihr aufhört, moralische Werte zu schätzen, dann habt ihr den Zustand moralischer Vollkommenheit erreicht. (Rand 1985, 1110f)
Das Korollar der Leugnung des Zusammenhanges zwischen Ursache und Wirkung ist die Leugnung des Zusammenhanges zwischen Leistung und Verdienst. Wenn ihr gegen die Kausalität rebelliert, dann ist euer betrügerischer Wunsch nicht, ihr zu entgehen, sondern schlimmer: sie umzukehren. Ihr wollt unverdiente Liebe, als ob Liebe, die Folge, euch persönlichen Wert, die Ursache, verleihen würde; ihr wollt unverdiente Bewunderung, als ob Bewunderung, die Folge, euch Tugend, die Ursache, verleihen würde; ihr wollt unverdienten Reichtum, als ob Reichtum, die Folge, euch Tüchtigkeit, die Ursache, verleihen würde; ihr bettelt um Gnade – Gnade, nicht Gerechtigkeit-, als ob unverdiente Vergebung den Grund eurer Bitte, eure Schuld, auslöschen könnte. Und um eure kleinen, häßlichen Betrügereien zu legalisieren, unterstützt ihr die Doktrinen eurer Lehrer, die verkünden, Ausgeben, die Folge, schaffe Reichtum, die Ursache; Maschinen, die Folge, schafften Intelligenz, die Ursache; eure sexuellen Begierden, die Folge, schafften eure philosophischen Werte, die Ursache. Und wer bezahlt die auf den Kopf gestellte Rechnung? Wer verursacht das Ursachenlose? Wer sind die Opfer, die dazu verdammt sind, unbekannt zu bleiben und schweigend zu verderben, wenn nicht ihr Todeskampf eure Behauptung, daß sie nicht existieren, widerlegt? Wir sind es, wir, die Verstandesmenschen, die Menschen der Vernunft. (Rand 1985, 1115)
Seit Jahrhunderten lebten die Seelenmystiker davon, dass sie eine sogenannte Schutz-Gaunerei unterhalten … indem sie das Leben auf der Erde unerträglich machen und euch dann ihren Trost und ihren Schutz in Rechnung stellen, indem sie alle Tugenden, die das Leben möglich machen, verbieten und euch dann für eure Schuld bezahlen lassen, indem sie Produktivität und Freude für Sünde erklären und dann die Sünder erpressen. Wir, die Verstandesmenschen, waren die ungenannten Opfer ihres Glaubens, wir, die wir bereit waren, ihre Moralgesetze zu übertreten und verdammt zu werden für unsere Sünden der Vernunft; wir, die dachten und handelten, während sie wünschten und beteten; wir, die moralisch Ausgestoßenen, wir, die wir als Schmuggler des Lebens galten, weil Leben zum Verbrechen erklärt wurde, während sie sich im moralischen Ruhm ihrer Tugenden badeten, die darin bestanden, daß Sie über materielle Habgier erhaben waren und in selbstloser Wohltätigkeit die materiellen Güter verteilten, die produziert worden waren von – Leerstelle. (Rand 1985, 1116)
Fragt ihr euch, was mit der Welt nicht in Ordnung ist? Ihr erlebt den Kulminationspunkt des Glaubens an das Ursachenlose und Unverdiente. Alle eure Banden von Seelen- und Muskelmystikern kämpfen gegeneinander um die Macht, euch zu beherrschen, und predigen euch, Liebe sei die Lösung für alle eure seelischen Probleme und eine Peitsche die Lösung für alle eure körperlichen Probleme. Während sie dem Menschen weniger Würde einräumen als dem Vieh und das ignorieren, was ihnen jeder Tierhalter sagen könnte, nämlich, daß man kein Tier durch Furcht erziehen kann, daß ein geschlagener Elefant seinen Wärter zertrampelt, aber nicht weiter für ihn seine Lasten trägt, erwarten sie von dem Menschen, daß er weiter Elektronenröhren, Überschallflugzeuge, Atomgeneratoren und Interstellar-Teleskope baut, wenn er eine Portion Fleisch als Belohnung und einen Peitschenhieb als Anreiz erhält. (Rand 1985, 1122)
Angefangen mit den Riten des Medizinmannes im Dschungel, der die Wirklichkeit in groteske Absurditäten verzerrte, die Hirne seiner Opfer betäubte und sie in ständiger Furcht hielt durch Drohung mit übernatürlichen Kräften – über die esoterischen Doktrinäre des Mittelalters, die die Menschen zwangen, sich in ihren Elendshütten zusammenzudrängen aus Angst, der Teufel könnte ihnen ihre Suppe stehlen, die sie in achtzehnstündiger Tagesarbeit verdient hatten – bis zu den kümmerlichen kleinen Professoren der modernen Wissenschaften, die euch beteuern, daß euer Hirn nicht die Fähigkeit besitzt zu denken, daß ihr kein Wahrnehmungsvermögen besitzt, und daß ihr blind dem Willen jener übernatürlichen Macht gehorchen müßt, die sich „die Gesellschaft“ nennt – alledem liegt die gleiche Absicht zugrunde: euch zu Brei ohne Bewußtsein zu machen. Doch dies kann nicht ohne euer Einverständnis geschehen. Wenn ihr erlaubt, daß es mit euch getan wird, dann habt ihr es verdient. (Rand 1985, 1122)
Ihr schlagt vor, eine soziale Ordnung auf den folgenden Grundsätzen zu errichten: daß ihr unfähig seid, euer eigenes Leben zu führen, doch fähig, das Leben anderer zu regieren; daß ihr unfähig seid, in Freiheit zu leben, doch fähig, allmächtige Herrscher zu werden; daß ihr unfähig seid, euren Lebensunterhalt durch Intelligenz zu verdienen, doch fähig, Politiker zu beurteilen und sie in Ämter zu wählen, die ihnen absolute Macht verleihen über Künste, die sie nie erlernt haben, über Wissenschaften, die sie nie studiert haben, über Leistungen, von denen sie keine Ahnung haben, über gigantische Industrieunternehmungen, in denen sie, gemessen an eurer eigenen Definition eurer Fähigkeiten, unfähig wären, auch nur den Posten eines Hilfsarbeiters zufriedenstellend auszufüllen. (Rand 1985, 1128)
Die unrühmlichen Zeiten, die ihr die dunklen Zeitalter nennt, waren Epochen der streikenden Intelligenz, in denen Menschen von Begabung untertauchten und unentdeckt lebten, im geheimen studierten und starben, nachdem sie die Produkte ihres Geistes zerstört hatten; in denen oft nur einige wenige der tapfersten Märtyrer übrig blieben, um die menschliche Rasse am Leben zu erhalten. (Rand 1985, 1130)
Der Mensch, der sich weigert zu urteilen, der weder zustimmt noch ablehnt, der erklärt, daß es keine absoluten Werte gibt, und glaubt, sich seiner Verantwortung entziehen zu können, ist verantwortlich für all das Blut, das jetzt in der Welt vergossen wird. Die Wirklichkeit ist absolut, die Existenz ist absolut, ein Staubkorn ist absolut, und das menschliche Leben ist absolut. Ob ihr ein Stück Brot habt oder nicht, ist absolut. Ob ihr euer Brot eßt oder es im Magen eines Plünderers verschwinden seht, ist absolut. Jedes Ding hat zwei Seiten: Die eine Seite ist falsch, die andere ist richtig, doch die Mitte ist immer von Übel. Der Mensch, der unrecht hat, bewahrt immer noch eine Achtung vor der Wahrheit, wenn auch nur, indem er die Verantwortlichkeit der Wahl anerkennt. Doch der Mensch der Mitte ist der Feigling, der die Existenz einer Wahrheit leugnet, um behaupten zu können, daß es keine Wahl und keine Werte gibt, ist der Schmarotzer, der sich aus allem Kampf heraushält, bereit, sich vom Blut des unschuldigen Verlierers zu nähren oder vor dem schuldigen Sieger auf den Bauch zu fallen, der die Gerechtigkeit aufhebt, indem er den Räuber und den Beraubten ins Gefängnis schickt, der Konflikte dadurch löst, daß er Denker und Idioten zwingt, sich auf halbem Wege zu treffen. Bei jedem Kompromiß zwischen Nahrung und Gift kann immer nur der Tod gewinnen. Bei jedem Kompromiß zwischen Gut und Böse kann immer nur das Böse profitieren. (Rand 1985, 1133f)
Im Namen des Besten in euch, opfert diese Welt nicht jenen, die ihre schlechtesten Söhne sind. Im Namen der Werte, die euch am Leben erhalten, laßt euer Bild vom Menschen nicht zerstören durch das Häßliche, Feige und Vernunftlose in jenen, die diesen Titel nie verdient haben. Vergeßt nicht, daß der Mensch aufrecht geht, daß sein Verstand unbestechlich und sein Wille unbegrenzt ist. Laßt euer Feuer nicht Funke um Funke erlöschen in den hoffnungslosen Sümpfen des Nicht-Ganzen, des Noch-Nicht, des Überhaupt-Nicht. Laßt den Helden in euch nicht untergehen in einsamer Sehnsucht nach einem Leben, das euch gehört, von dem ihr aber immer weit entfernt wart. Prüft euren Weg und den Sinn eures Kampfes. Die Welt, die ihr ersehnt, kann erobert werden, sie existiert, sie ist wirklich, sie ist möglich, sie gehört euch. Doch sie zu gewinnen, erfordert totale Hingabe und einen vollkommenen Bruch mit der Welt eurer Vergangenheit, mit der Doktrin, daß der Mensch ein Opfertier ist, das zum Nutzen der anderen lebt. Kämpft für den Wert eurer Persönlichkeit. Kämpft für die Tugend eures Stolzes. Kämpft für das, was der Mensch ist: für seinen souveränen denkenden Verstand. Kämpft mit der klaren Sicherheit und der absoluten Aufrichtigkeit eures Wissens, daß eure Moral die Moral des Lebens ist und daß euer Kampf der Kampf um die Verwirklichung aller Werte, aller Größe, aller Güte und aller Freude ist, die auf dieser Erde möglich sind. Ihr werdet siegen, wenn ihr bereit seid, den Eid zu leisten, den ich zu Beginn meines Kampfes geleistet habe – und für diejenigen, die den Tag meiner Rückkehr wissen wollen, will ich ihn nun vor den Ohren der ganzen Welt wiederholen: Ich schwöre bei meinem Leben und bei meiner Liebe zum Leben: Ich werde nie für andere leben, und ich werde nie von anderen verlangen, daß sie für mich leben. (Rand 1985, 1150f)
Lassen Sie mich Ihnen einen Tip geben, woran Sie den Charakter eines Menschen erkennen können: Wer das Geld verdammt, hat es schimpflich erworben. Wer es achtet, hat es ehrlich verdient.
Laufen Sie vor jedem davon, der Ihnen sagt, Geld sei ein Übel. Denn damit kündigt sich das Herannahen eines Plünderers an. Solange Menschen auf der Erde leben und ein Tauschmittel brauchen, ist ihr einziger Ersatz für Geld die Mündung eines Gewehrs.
Aber Geld fordert von einem die höchsten Tugenden, sowohl um es zu erwerben als auch um es zu behalten. Menschen, die keinen Mut, keinen Stolz, keine Selbstachtung haben, die nicht das moralische Gefühl haben, daß ihnen ihr Geld zu Recht gehört, und die nicht bereit sind, es zu verteidigen, wie sie ihr Leben verteidigen würden, die sich entschuldigen, weil sie reich sind, werden nicht lange reich bleiben. Sie sind die natürlichen Köder für die Schwärme von Plünderern, die jahrhundertelang unter Felsen begraben liegen, aber hervorgekrochen kommen, sobald sie Witterung von jemand aufnehmen, der Vergebung für die Schuld erfleht, etwas zu besitzen. Sie erlösen ihn schnell von dieser Schuld – und von seinem Leben, wie er es verdient.
Dann beginnt der Aufstieg der Doppelmoral – der Aufstieg der Trittbrettfahrer der Tugend, die vom Plündern leben, die sich aber darauf verlassen, daß dem Geld, das sie sich mit Gewalt nehmen, sein Wert durch die Arbeit derjenigen zufließt, die von friedlichem Handel leben. In einer moralischen Gesellschaft sind das die Verbrecher, und die Gesetze sollen Sie vor ihnen schützen. Aber wenn eine Gesellschaft das Verbrechen legalisiert und das Plündern zu einem verbrieften Recht erhebt, wenn Gesetze die gewaltsame Aneignung des Vermögens der zuvor entwaffneten Opfer absegnen, dann wird das Geld für seine Schöpfer zum Fluch. Wenn die Plünderer erstmal ein Gesetz durchgebracht haben, das die Menschen entwaffnet, fühlen sie sich bei ihren Raubzügen gegen die Wehrlosen sicher. Aber ihre Beute wird der Magnet für andere Plünderer, die sie ihnen mit den gleichen Methoden entreißen, deren sie sich bedient haben. Dann beginnt der Wettlauf, wer der Brutalste und nicht wer der Produktivste ist. Wenn Gewalt der Maßstab ist, siegt der Mörder über den Taschendieb. Und dann versinkt die Gesellschaft in Trümmern und Gemetzel.
Möchten Sie wissen, wann dieser Tag kommt? Dann achten Sie auf das Geld! Geld ist das Barometer der Moral einer Gesellschaft. Wenn Sie sehen, daß Geschäfte nicht mehr freiwillig abgeschlossen werden, sondern unter Zwang, daß man, um produzieren zu können, die Genehmigung von Leuten braucht, die nichts produzieren, daß das Geld denen zufließt, die nicht mit Gütern, sondern mit Vergünstigungen handeln, daß Menschen durch Bestechung und Beziehungen reich werden, nicht durch Arbeit, daß die Gesetze Sie nicht vor diesen Leuten schützen, sondern diese Leute vor Ihnen, daß Korruption belohnt und Ehrlichkeit bestraft wird, dann wissen Sie, daß Ihre Gesellschaft vor dem Untergang steht. Geld ist ein so edles Mittel, daß es nicht mit Gewehren konkurriert und nicht mit Brutalität paktiert. Es läßt nicht zu, daß ein Land halb als Eigentum, halb als Beutegut Bestand hat.
Wann immer Zerstörer unter den Menschen erscheinen, beginnen sie damit, das Geld zu zerstören, denn das Geld ist der Schutz der Menschen und die Grundlage moralischen Daseins. Die Zerstörer bemächtigen sich des Goldes und geben seinen Besitzern dafür ein wertloses Bündel Papier. Damit werden alle objektiven Maßstäbe vernichtet und die Menschen der Willkür derjenigen ausgeliefert, die nun willkürlich Werte festsetzen. (Rand 1985, 440f)
Der Plan war, dass ein jeder in der Fabrik nach seinen Verhältnissen arbeiten und nach seinen Bedürfnissen bezahlt würde. […] Wissen Sie, was dieser Plan bewirkte und was er den Leuten antat? Versuchen Sie einmal, in einen Kessel Wasser zu schütten, aus dem ein Rohr das Wasser schneller abfließen lässt, als Sie es hineingießen können, und mit jedem Kübel Wasser wird das Rohr weiter, und je härter Sie arbeiten, desto mehr verlangt man von Ihnen, und Sie schleppen Kübel vierzig Stunden in der Woche, dann achtundvierzig, dann sechsundfünfzig – für das Essen Ihres Nachbarn – für die Operation seiner Frau – für die Masern seines Kindes – für den Rollstuhl seiner Mutter – für das Hemd seines Onkels – für das Schulgeld seines Neffen – für den Säugling von nebenan – für das Kind im Mutterleib – für alle und jeden – deren Teil ist es, zu erhalten, von der Windel bis zur Zahnprothese, und Ihr Teil, zu arbeiten … ohne etwas aufzuweisen haben als den eigenen Schweiß, ohne etwas in Aussicht zu haben als deren Vergnügen, Ihr ganzes Leben lang, rastlos, hoffnungslos, endlos. […] Es bedurfte einer einzigen Versammlung, um zu erkennen, dass wir zu Bettlern geworden waren – erbärmlichen, heulenden, winselnden Bettlern, jeder einzelne von uns, weil keiner seine Bezahlung als seinen rechtmäßigen Verdienst ansehen konnte, weil keiner Rechte oder Einkommen hatte, nicht ihm gehörte seine Arbeit, sondern der „Familie“, und die „Familie“ schuldete ihm nichts dafür, und der einzige Anspruch, den er an sie stellen konnte, waren seine „Bedürfnisse“. (Rand 1985, 705ff)